17.42

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister in absentia! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, insbesondere auf Twit­ter! Der Gesundheitsminister hat in einer verhältnismäßig ruhigen Phase der Pandemie das Gesundheitsministerium übernommen. Seine Hauptaufgabe wäre es gewesen, damals den Impffortschritt zu überwachen und gegebenenfalls die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um den Impffortschritt wieder zu beschleunigen. Dennoch ist spätestens seit Ende Mai 2021 vieles, zu vieles falsch gelaufen.

Punkt eins: Es wurden die Warnungen zum abnehmenden Impffortschritt im Juni nicht ernst genommen. Bereits damals, als die Regierung noch stolz in einer Presseaussen­dung 70 Prozent Impfbereite verkündete, zeichnete sich ein starker Rückgang der Impf­bereitschaft ab. Das war damals der Zeitpunkt, als das Angebot erstmals die Nachfrage an Impfstoffen überschritten hat. So konnte man zum Beispiel bei der niederösterreichi­schen Impfanmeldeplattform bereits ab Ende Mai beziehungsweise Anfang Juni beob­achten, dass viele freie Impftermine nicht mehr gebucht wurden, obwohl in Niederöster­reich die Impfquote noch niedrig war und bereits ab 10. Mai die Impfanmeldung für alle möglich war.

Zitat: „In Niederösterreich scheinen also bereits viele grundsätzlich Impfbereite (passive Impfbereitschaft) die Impfungen hinauszuzögern, anstatt sofort zu buchen. Und dass obwohl die Durchimpfung in Niederösterreich erst bei 48 Prozent liegt.“ – So haben wir damals den Gesundheitsminister in einer parlamentarischen Anfrage gewarnt.

Als in Oberösterreich bereits für alle das Impfdebakel sichtbar war – am 20. August –, haben wir den Gesundheitsminister ebenfalls davor gewarnt, nämlich in einer Presse­aussendung. Da haben wir ausdrücklich gefragt: „Wie dramatisch soll’s denn noch wer­den?“ – Wer sich damals eine wirkungsvolle Reaktion des Gesundheitsministers erwar­tet hätte, der in der Pandemie gemäß Epidemiegesetz der oberste Manager ist, wurde erneut enttäuscht.

Punkt zwei: Boosterimpfungen verspätet und im Schneckentempo. Auch bei den Boos­terimpfungen hat der Gesundheitsminister die Sommerpause zu ernst genommen – bis November hat sich faktisch nichts getan. Es wurden nicht einmal die Älteren und Risiko­gruppen aktiv angeschrieben, um sie mit Impfterminen zu versorgen. Das Ergebnis ist eine extrem niedrige Boosterimpfquote von tagesaktuell ungefähr 14 Prozent mit erhebli­chen regionalen Unterschieden. Schlusslicht ist die Steiermark mit 11,3 Prozent, die bes­te Rate hat Niederösterreich mit 16,5 Prozent.

Bei den ganz Alten, über 85-Jährigen, sind die Unterschiede noch erheblicher. Da be­trägt die Impfquote für die Boosterimpfung zwischen 47 und 70 Prozent. Hier verletzt der Gesundheitsminister erneut seine Aufsichtspflicht, obwohl bekannt ist, dass die Booster­impfungen bei den Älteren und Risikogruppen eine deutlich höhere Wirkung haben als Erstimpfungen bei den Kindern.

Punkt drei: Es wurden keine Maßnahmen gesetzt, um den Impffortschritt zu erhöhen. Der Gesundheitsminister hat keine erkennbaren Maßnahmen gesetzt, um die Impfge­schwindigkeit zu erhöhen. Auch als wir NEOS zahlreiche Maßnahmen – erstens aktives Termin- oder Erinnerungsmanagement für Impfungen, zweitens im Sommer das Ende der Gratistests, der Antigentests, für Ungeimpfte und drittens das Impfen in der Apothe­ke – als zusätzliche Impfanreize vorgeschlagen hatten, hat der Herr Gesundheitsminis­ter keine Maßnahmen gesetzt.

Der Minister ließ sich auch für flächendeckende Antikörpertestungen nicht erweichen, was seine Ratlosigkeit sehr deutlich unterstreicht. Denn wenn ein Minister schon keine Maßnahmen für eine schnellere Durchimpfung der Bevölkerung setzt, dann müsste er den Impfskeptikern zumindest die Möglichkeit geben, ihren Immunisierungsgrad mittels Antikörpertests zu belegen. Ansonsten bewirken nämlich Maßnahmen wie 2G, dass ein Drittel der Bevölkerung von vielen Bereichen ausgeschlossen wird, und ob das der Maß­nahmencompliance zweckdienlich ist, kann bezweifelt werden.

Punkt vier: Bedingt durch den oberösterreichischen Wahlkampf wurde nicht auf die stei­genden Zahlen reagiert. (Beifall bei der SPÖ.) Obwohl Oberösterreich im Bundeslän­dervergleich bereits seit Juni beim Impfen zurückgefallen ist und schon weit vor der oberösterreichischen Landtagswahl am 26. September bei der Impfquote auf dem letz­ten Platz lag, griff der Minister nicht ein. Nicht einmal nach der Landtagswahl reagierte der Minister mit den entsprechenden Maßnahmen. Wenig überraschend liegt Oberöster­reich bei der Siebentageinzidenz immer noch ungefähr 60 Prozent über dem Schnitt der anderen Bundesländer.

Punkt fünf: eine Klientelpolitik, die das niederschwellige Impfangebot unterläuft. Seit Be­ginn der Pandemie wurde in den Ausschüssen mehrfach über ein breites, niederschwel­liges Impfangebot debattiert, mehrfach sogar über speziell ausgebildetes Personal in Impfapotheken. Dieses zusätzliche Impfangebot existiert bereits in 14 europäischen Ländern und wirkt sich dort natürlich positiv auf die Impfquote aus. Beim Thema Impf­apotheken herrscht sogar Einstimmigkeit zwischen allen Oppositionsparteien, sogar die FPÖ ist diesbezüglich mit an Bord, nur die Regierungsfraktionen waren stets dagegen. Dass der Gesundheitsminister auch da keine Akzente setzen konnte, unterstreicht leider erneut seine Unzulänglichkeit für das Amt.

Punkt sechs: Führungsschwäche und fehlendes Pandemiemanagement. Zum einen hält sich der Herr Minister bei der Überwachung des Infektionsgeschehens in den Bundes­ländern so zurück, dass sich schon seit Anfang der Pandemie beziehungsweise seit sei­nem Amtsantritt einige Bundesländer über die mangelnde Kommunikation beklagt ha­ben, zum anderen greift er nicht einmal ein, wenn es höchst an der Zeit wäre. Hierbei sei erneut auf die Situation in Oberösterreich verwiesen. Erfolgreiches Pandemiema­nagement bedingt eine Führungsstärke, die der Gesundheitsminister leider nicht vorwei­sen kann.

Punkt sieben: die Geringschätzung der Opposition und das Kommunikationschaos zwi­schen Ihnen, Herr Bundeskanzler, und dem Gesundheitsminister. Zwar wird der nationa­le Schulterschluss von der Regierung regelmäßig medial heraufbeschworen, real umge­setzt wurde er von der Regierung jedoch nie. Wir erinnern uns an die vorangegangene Verordnung, die seitens des Gesundheitsministeriums erneut vorab an die Medien wei­tergegeben wurde. Die Opposition erfuhr von den geplanten Maßnahmen wieder einmal aus den Zeitungen.

Vor dieser Verordnung gab es ja eine Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrates, in der der Herr Gesundheitsminister ausdrücklich gefragt wurde, welche weiteren Maß­nahmen genau geplant wären. Dazu hat er nichts geantwortet, aber nur 2 Stunden spä­ter – wir erinnern uns: in der „ZIB“ – gab er bekannt, dass er bereits damals auch Aus­gangssperren für Geimpfte plante.

Abgesehen vom Kommunikationschaos, das der Minister ausgelöst hat, offenbart das seine Geringschätzung der Opposition; er hat bereits damals das Vertrauen der Opposi­tion verspielt.

Das Kommunikationschaos zwischen Ihnen, Herr Bundeskanzler, und dem Gesund­heitsminister setzt dem Ganzen die Krone auf. Wir erinnern uns: Lockdown, Ausgangs­beschränkungen, Betretungsverbote nur in Salzburg und Oberösterreich – nein, bundes­weit; kein Lockdown für Geimpfte – doch Lockdown für Geimpfte. Wir sehen ja, wie weit wir damit gekommen sind.

Was bedeutet das nun für die Zukunft, für die aktuelle Situation? – Zum Thema Lock­down, also Ausgangsbeschränkungen, Betretungsverbote: Wir NEOS sind überzeugt davon, dass wir angesichts der katastrophalen Situation in den Spitälern wirksame Maß­nahmen zur Kontaktreduktion brauchen. Darauf haben wir schon seit Monaten hingewie­sen. Die Bundesregierung hat aber leider nichts getan. Dieser erneute Lockdown auch für Geimpfte ist daher das Ergebnis eines Totalversagens dieser Bundesregierung und der Mehrheit der Landeshauptleute.

Wir sind der Meinung, dass der Lockdown in dieser Form zu weit geht und der konse­quente und vorausschauende Wiener Weg etwa mit 2G und 2G plus in der Gastro der richtigere wäre; dazu kämen zum Beispiel Beschränkungen für Veranstaltungen und Zu­sammenkünfte, eine Vorverlegung der Sperrstunde. Das könnte dazu führen, dass zum Beispiel auch der Einzelhandel offen bleiben könnte oder Kultureinrichtungen besucht werden könnten. Das Motto lautet: Eingangsbeschränkungen statt Ausgangsbeschrän­kungen!

Dafür bräuchte es aber eine Bundesregierung, die endlich handelt und mit den Ländern dafür sorgt, dass beispielsweise auch außerhalb Wiens ausreichend PCR-Testkapazitä­ten zur Verfügung stehen, und die vor allem endlich alle Möglichkeiten ausschöpft, damit die Menschen verstehen, dass die Impfung der einzige Ausweg aus dem Desaster ist, indem sie Impftermine verschickt, wohnortnahe Impfmöglichkeiten anbietet, eine ordent­liche Impfkampagne auf Augenhöhe auf die Beine stellt und so weiter, die aber auch klar sagt, dass es für Ungeimpfte auch nach Ablauf der 20 Tage für längere Zeit Einschrän­kungen geben wird.

Zuletzt zum Thema Impfpflicht: Wir NEOS sind nicht kategorisch gegen eine Impfpflicht, denn es ist völlig klar, dass wir jetzt endlich etwas tun müssen, damit die Impfquote steigt, wir sind allerdings skeptisch, was eine rasche und wirksame Umsetzung betrifft.

An dieser Stelle sei auch erwähnt: Die gesetzliche Grundlage für eine Impfpflicht bezie­hungsweise für eine Impfung als Voraussetzung für Gesundheitsberufe gibt es im Epi­demiegesetz, Herr Gesundheitsminister, das wissen Sie, das hätten Sie schon seit Mo­naten verordnen können. Es ist daher eine weitere Bankrotterklärung der Bundesregie­rung, dass es überhaupt so weit kommen musste, dass über eine generelle Impfpflicht diskutiert wird, denn es gäbe zig andere Möglichkeiten, wie man die Menschen zur Imp­fung motivieren kann, bevor man eine generelle Impfpflicht einführen muss, das haben zum Beispiel Länder wie Portugal vorgezeigt.

Wir NEOS haben über weite Strecken als Einzige für positive Anreize geworben und den ganzen Sommer über Vorschläge geliefert, wie man die Impfquote heben könnte. Leider viel zu spät wurden diese Vorschläge – vom Verschicken von Impfterminen bis hin zu Impflotterien – zumindest zum Teil aufgenommen, aber eine ordentliche Impf- und Auf­klärungskampagne auf Augenhöhe gibt es bis heute nicht. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Spanring.)

17.53

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster ist Herr Bundesrat David Egger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.