20.40

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein Wort zu Bundesrat Spanring, der jetzt nicht im Saal ist, dem ich aber schon sagen möchte: Wenn Politiker als Nichtmediziner anfangen, medizinische Ratschläge zu ge­ben, dann wird es richtig gefährlich. Bitte unterlassen Sie das! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Bitte unterlassen Sie das, auch in Ihrem eigenen Interesse! (Bundesrat Ofner: Aber ihr dürft es, ihr seid ja allwissend!)

Heute geht es aber um die Regierungspolitik. Wir als Parlamentarierinnen und Parla­mentarier wurden von den Regierungsfraktionen kritisiert, weil wir uns erlaubt haben, zu kritisieren. Da wurde uns immer wieder gesagt: Nachher ist man immer gescheiter! – Das ist in einigen Reden vorgekommen. Da muss ich schon feststellen, dass der Grund­satz: Nachher ist man immer gescheiter! auf die gegenwärtige Regierungskoalition in den unterschiedlichsten personellen Zusammensetzungen einfach nicht zutrifft. Die wer­den einfach nicht gescheiter! (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind jetzt schon zum dritten Mal im Nachher und zum vierten Mal im Vorher und der Lerneffekt dieser Bundesregierung ist einfach null. Das haben wir bei den oberflächlichen Beantwortungen der Dringlichen Anfragen gehört. Da kann man keinen Lerneffekt erkennen.

Die Chronologie des Versagens der Bundesregierung wurde ja schon mehrfach aufge­zählt. Das Dramatische ist: Diesen Preis zahlen nicht die Regierungsfraktionen, den Preis zahlt die Bevölkerung. Mit dem Preis meine ich nicht die rund 117 Millionen Euro pro Tag für den Lockdown; damit meine ich die immensen psychischen Belastungen für die Menschen, vor allem für die Kinder und Jugendlichen, denen gesagt wird, die Schu­len sind zwar offen, aber geht nicht hin! Die Belastungen, den Preis zahlen die Eltern, vor allem die Mütter, die sich jetzt wieder zwischen Homeoffice und Homeschooling zer­sprageln müssen.

Ich möchte Sie, Herr Minister, etwas fragen. Sie haben auch mit der Bemerkung auf­horchen lassen, Sie wollen jetzt die Schutzbestimmungen für Schwangere evaluieren. – Was haben Sie da vor? Soll das jetzt wirklich auslaufen? Dringend wäre ein verstärkter Schutz für Schwangere! (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben das mehrfach eingefordert. Wir wissen, die Bestimmung läuft aus, da ist also dringendster Handlungsbedarf gegeben, damit die Schutzbestimmungen erweitert und fortgesetzt werden.

Überhaupt sind Frauen vom Lockdown besonders betroffen, jetzt wieder, Frauen und auch Kinder. Wir merken ja, das Aggressionspotenzial steigt teilweise ins Unermessli­che. Das merkt man nicht nur in der politischen Debatte, nicht nur in der Post, die wir alle bekommen, das merken wir vor allem bei den Gewaltstatistiken, dass immer mehr Kinder und auch Frauen von Gewalt betroffen sind. Da ist auch akuter Handlungsbedarf gegeben.

Gewalt ist jetzt weniger erkennbar, weil sie sich immer mehr in den privaten vier Wänden abspielt. Daher muss man noch genauer hinschauen, daher ist noch mehr Prävention geboten, und da müssen wirklich alle zusammenwirken. Wir beklagen jetzt schon den 28. Frauenmord in Österreich. Es ist also dringendst geboten, dass alle Alarmglocken schrillen, und dass wirklich alle alles daran setzen, dass das Gewaltpotenzial in unserer Gesellschaft eingedämmt wird.

Den Preis zahlen selbstverständlich auch die kleinen Gewerbetreibenden und ihre Be­schäftigten, die jetzt kurz aufgeatmet haben und sich nun wieder in ihrer Existenz be­droht sehen. Es ist also die Bevölkerung, die den Preis für Ihr Versagen zahlt, dafür, dass Sie jetzt das Land durch lange, lange Untätigkeit wieder in den nächsten Lockdown getrieben haben.

Das wäre bei einer vorausschauenden Politik nicht notwendig gewesen, denn man musste wissen, wie sich die Zahlen im Winter entwickeln werden. Namhafte Fachleute haben auch gewarnt und vorbeugende Maßnahmen eingemahnt, zum Beispiel der aus Österreich stammende, übrigens aus meinem Bezirk Voitsberg stammende und in den USA tätige Virologe Florian Krammer, dem sogar in Fachkreisen, unter anderem von Dorothee von Laer, attestiert wird, mehr vom Fach zu verstehen als alle europäischen Experten zusammen, um hier auch eine Fachmeinung zu zitieren.

Da frage ich mich: Warum macht man sich diese Expertise nicht zunutze, um wirklich fundierte Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten, damit die Menschen gegen­über solchen Verunsicherungsstrategien resistent werden, wie sie aus politischen Moti­ven, wie wir das heute auch wieder hören mussten, geäußert werden? Da kann man es den Menschen nicht zum Vorwurf machen, dass sie verunsichert sind, wenn von Regie­rungsseite nicht wirklich authentische, wissenschaftliche Expertisen vermittelt werden. Diesbezüglich ist die Informationspolitik dermaßen verfehlt gewesen, dass man den Leu­ten oft keinen Vorwurf machen kann, wenn sie verängstigt sind.

Warum beschäftigt man nicht solche Leute, die wirklich vom Fach kommen, die auch gut kommunizieren können? Wovor fürchtet man sich? Vielleicht davor, dass Positionen ge­äußert werden, die eben nicht identisch mit der meinungsforschungsindizierten ÖVP-Position sind?

Da war es vielleicht halt populärer, die Pandemie per Pressekonferenz oder Plakat für vorzeitig beendet zu erklären oder die Wissenschaft insgesamt zu diskreditieren, wie es zum Beispiel Landeshauptmann Haslauer getan hat, indem er sinngemäß gemeint hat, die Virologen wollen eh alle „am liebsten einsperren“. Das war wirklich eine dermaßen skandalöse Aussage, die grob gegen das Gelöbnis verstößt, das man bei der Verleihung eines akademischen Grades abgibt. Ich darf Ihnen die Gelöbnisformel, wie sie zum Bei­spiel auch an der Uni Salzburg abgegeben wird, zur Kenntnis bringen beziehungsweise in Erinnerung rufen:

Ich gelobe, „der Wissenschaft zu dienen, ihre Ziele zu fördern und dadurch verantwort­lich zur Lösung der Probleme der menschlichen Gesellschaft und deren gedeihlicher Weiterentwicklung beizutragen [...].“  Genau das Gegenteil hat Landeshauptmann Has­lauer gemacht (Beifall bei der SPÖ), und auch, muss man dazusagen, viele andere in der ÖVP, die mit ihren Aussagen die Lösung der Probleme erschwert haben.

Ich sage das bewusst hier im Rahmen der Dringlichen Anfrage an den Bundeskanzler: Es sind nicht nur Sie gemeint, sondern Sie sind gewissermaßen der derzeitige Statthalter des Systems Kurz-ÖVP, und dahinter steht eine ganze Phalanx an türkisen Parteisol­daten, denen das Wohl der Partei wichtiger ist als das Wohl der Bevölkerung.

Die Bundesländer haben hier die Notbremse ziehen müssen, denn wie namhafte Ver­fassungsjuristen – es sind einige zu nennen, Lukas und Mayer beispielsweise – be­tonen, ist es verfassungswidrig, nichts zu tun, wo ein Handeln geboten ist. Es gibt auch eine Schuld durch Unterlassung, wenn nämlich Gesundheitsschäden oder gar Todes­fälle in Kauf genommen werden. Hier hat die Bundesregierung eine Art Garantenstellung gegenüber der Bevölkerung, die sie schlicht und einfach lange Zeit nicht wahrgenommen hat.

Deshalb war es notwendig, gerade auch seitens der Länder, die Notbremse zu ziehen, um größeren Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Man muss Ihnen aber zugu­tehalten, dass eine Einsicht wahrnehmbar war  das ist anzuerkennen. Die Entschuldi­gungsinzidenz ist in den letzten Tagen gestiegen, das war bemerkbar. Das ist auch anzuerkennen, dazu gehört auch menschliche Größe. Einer hat sich aber nicht entschul­digt, nämlich der Master of Desaster, Sebastian Kurz. (Beifall bei der SPÖ. Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

20.50

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich er­teile dieses.