20.51

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Kanzler! Werter Herr Minister! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist schon wirklich viel gesagt worden. Ich glaube aber auch: Das Ergebnis ist schon, dass diese Regierung nicht nur hinter dem Anspruch, in einer vertrauenerweckenden Einigkeit nach außen zu kommunizieren, sondern vielmehr noch hinter dem Anrecht der Bevölkerung, dass vo­rausschauend Entscheidungen getroffen werden, zurückgeblieben ist.

Herr Minister, von Ihnen war ja eine Entschuldigung zu vernehmen, vom Ex-Kanzler aber, der über einen maßgeblichen Zeitraum hinweg die Verantwortung hatte, diese aber leider nicht als Verpflichtung gesehen hat, sondern nur zu seinem Machterhalt, war keine zu hören.

Diese Regierung hat nicht auf Entwicklungen reagiert oder gar zeitgerecht agiert, son­dern erst Handlungen gesetzt, als ein sehr dramatisches und gefährliches Ergebnis zu erkennen war, ein Szenario, wie wir es jetzt haben. Es war aber immer ein Rudern; es war immer die Suche nach dem Schuldigen und der Versuch, die Verantwortung weiter­zugeben, im Vordergrund, und das, nachdem ignoriert und negiert wurde, was die Wis­senschaft empfiehlt. Dann kommt immer die Forderung nach dem Schulterschluss. Herr Kollege Himmer, der jetzt nicht da ist (Bundesrat Himmer macht sich durch Handzeichen bemerkbar) oh ja, Sie sind da –, den Schulterschluss fordert ihr immer, wenn es eng wird. Davor seid ihr eine eigene Partie und handelt nicht im Sinne der Gemeinsamkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Was auch gar nicht zu erkennen ist, ist eine Stabilität, außer vielleicht ein stabiles Ge­geneinander innerhalb dieser Regierung (Bundesrat Himmer: Was war das in Tirol?): Türkis gegen Grün, Grün gegen Türkis, Rache für Sebastian Kurz. (Bundesrat Himmer: Hat das nicht stattgefunden?) Das ist das Ziel, und das ist nicht vertrauenerweckend. Wie der Umgang in dieser Regierung untereinander ist (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Himmer), damit müsst ihr selber zurechtkommen. Es ist nicht vertrauener­weckend für die Bevölkerung, was da gegenseitig öffentlich ausgerichtet wird und was wir heute schon öfters gehört haben.

Wenn Herr Kollege Dr. Kornhäusl meint, diese Regierung höre auf die Wissenschaft, sage ich: Diese Regierung hört nicht einmal auf einen Minister und auf ein Regierungs­mitglied, das eine wissenschaftliche Ausbildung gemacht hat und Arzt ist. Nein, im Ge­genteil, dieses Regierungsmitglied wird öffentlich diskreditiert – auf die Wissenschaft ge­hört wurde bestimmt nicht. Herr Bundeskanzler, auch wenn Sie heute versuchen, ein Bild heraufzubeschwören, das anderes zeigt, wir haben es leider gehört, wir und der Rest der Österreicher auch  haben es leider gesehen.

Das hat viel zerstört, denn wie sollen die Menschen der Wissenschaft vertrauen – dieses Vertrauen fordern Sie ja ein –, wenn die Regierung selbst die Wissenschaft nicht ernst nimmt? Die wichtigste Aufgabe in einer gesellschaftlich, volkswirtschaftlich und gesund­heitlich bedrohlichen Situation, die letztlich auch durch Spaltung hervorgerufen wurde, ist, für Ruhe und Vertrauen zu sorgen. – Das schafft diese Regierung nicht. Nein, Herr Bundeskanzler, Sie spalten weiter.

Kollege Kovacs hat Sie gefragt, warum Sie 35 Prozent der Bevölkerung so abfällig be­handeln, ob Sie glauben, dass das zielführend sei. Es kommt wohl auf das Ziel an. Ein Ziel braucht man, ja, Frau Kollegin Zwazl, das stimmt schon. Ist es aber jetzt das Ziel, die Menschen für die Impfung zu gewinnen, sie zu überzeugen, oder ist es letztlich doch nur das Ziel, Wählerstimmen zu sichern? Dann ist der Erfolg nämlich bestimmt nicht da, das hat man auch im Wahlkampf in Oberösterreich gesehen.

Was diese Regierung aber auch nicht tut, ist, für ein stabiles Gesundheitssystem zu sorgen. Frau Kollegin Schumann hat es angesprochen: Es krankt im Gesundheitssys­tem, und Sie tun nicht, was notwendig wäre, um es zu verbessern. Sie tun auch gar nichts, um dem Personal gegenüber Wertschätzung zu zeigen, schon gar nicht eine Wertschätzung, die sich monetär im Geldbörsl auswirken würde.

Ein Bereich im Gesundheitssystem, der ganz vergessen wird, ist die Hauskrankenpflege. Die Organisationen, die sich in diesem Bereich einbringen, werden überhaupt nicht ge­fragt, was es braucht, sie werden nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden, aber sie strudeln sich ab, um für die Bevölkerung diesen wichtigen Dienst der Hauskrankenpflege auch weiterhin zu gewährleisten. Ist es dieser Regierung bewusst, Herr Minister, wie wichtig auch die Hauskrankenpflege ist? Kennen Sie die Zahlen?

Ich habe die Zahlen der Statistik Austria mit: Insgesamt wurden im Jahr 2019 153 152 Men­schen von mobilen Hauskrankenpflegediensten betreut, in Niederösterreich 31 845, im Vollzeitäquivalent reden wir von 12 653,9 Mitarbeitern, in Niederösterreich von 3 000. Das ist maßgeblich, das ist wichtig, und uns muss bewusst sein, dass die Hauskranken­pflege Krankenhausbetten sichert, denn auf der einen Seite ist es für die Krankenhäuser wichtig, Menschen in häusliche Pflege schicken zu können, damit Betten frei werden, andererseits ist es wichtig, dass Menschen zu Hause gut versorgt werden, damit sie eben kein Krankenhausbett brauchen. Gerade jetzt hat sich das verschärft.

Ich weiß nicht, ob dieser Regierung bewusst ist, was es zum Beispiel in Niederösterreich, in einem Flächenbundesland, bedeutet, Hauskrankenpflege sicherzustellen. Wissen Sie, wie es ist, wenn es keine eindeutigen Regeln gibt, falls es einen positiven Fall gibt, wie es ist, wenn innerhalb eines Teams positive Fälle auftreten und dann die Kontaktperso­nen, je nachdem, in welchem Bezirk sie wohnen, in Quarantäne geschickt werden oder auch nicht, als würde das Virus einen Unterschied machen, je nachdem, welche BH zuständig ist? Also das Virus kann viel, aber das, glaube ich, kann es noch nicht.

Es ist auch deutlich zu bemerken, wie viele selbst infiziert sind und der Hauskranken­pflege jetzt nicht zur Verfügung stehen, es ist deutlich zu bemerken, wie die psychische und physische Belastung die Menschen dazu zwingt, in den Krankenstand zu gehen. Es ist auch wahnsinnig schwer, PCR-Tests, die man in diesem Bereich braucht, zeitgerecht zu bekommen. Ich bitte Sie als Gesundheitsminister jetzt inständig und fordere Sie dazu auf: Reden Sie mit den Zuständigen und kümmern Sie sich auch um die Hauskranken­pflege vor Ort! Damit sichern Sie auch Krankenhausbetten. Das brauchen wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass diese Regierung das Krisenmanagement nicht beherrscht, ist offensichtlich. Dazu gehört halt auch, dass Sie sich intensiv um das Personal kümmern – und auch um die Ausbildung für die Zukunft. Wir wissen nicht, wann diese Krise vorbei ist, und wir wissen nicht, ob nicht wieder einmal eine kommen wird. Wir müssen uns jetzt darum kümmern, Ausbildung in diesem Bereich zu gewährleisten. Ich bin keine Gegnerin der akademi­schen Ausbildung für die Gesundheitsberufe, es ist aber schon ganz klar, dass Fach­hochschulen, von denen es drei in Niederösterreich gibt, nicht den gleichen quantitativen Output haben können wie bisher die Krankenpflegeschulen in den Bezirken. Das sind hinsichtlich der Zahlen nicht die gleichen Jahrgänge. Es werden uns die Leute fehlen, sie fehlen schon jetzt. Darum müssen wir uns kümmern! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

Manchmal frage ich mich, ob sich jeder in der Regierung seiner Verantwortung bewusst ist. Herr Bundeskanzler, Ihre Verantwortung ist es auch, Vertrauen zu schaffen. Da geht es nicht nur um die Vertrauensposition in Ihrer Partei, nicht nur um das Vertrauen Ihres Ex-Kanzlers und jetzigen Klubobmanns, sondern da geht es um das Vertrauen, das die Menschen in die Politik haben müssten. 75 Prozent der Österreicher haben das nicht mehr. Das schadet der Sache, und das schadet jedem Einzelnen.

Und Sie, Herr Gesundheitsminister: Lassen Sie sich nicht in die Defensive treiben! Sie müssen agieren und nicht nur reagieren. In der Pandemiebekämpfung sind Sie schon gescheitert. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Politikern, die Mut bewiesen haben und dafür belächelt und kritisiert wurden, aber zu ihrem Mut und zu dem, was die Wissen­schaft ihnen gesagt hat, gestanden sind! Ich sehe sonst nämlich auch für die Zukunft schwarz, wenn sich diese Regierung mit nichts anderem befasst als mit dem türkisen System. Das darf nicht mehr im Mittelpunkt stehen, denn über den Machtkämpfen und diesen Profilierungsversuchen ist es passiert: Die Regierung kommt der eigentlichen Verpflichtung nicht mehr nach, nach bestem Wissen und Gewissen für die Menschen da zu sein, nicht für die Parteien. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.02

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich er­teile dieses.