9.34

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Schule und Corona – es gibt kaum ein Thema, das Kinder, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer im letzten Jahr mehr beschäftigt hat. Fragen wir uns aber einmal: Was bedeutet Schule für uns alle überhaupt? Wie würden wir Schule definieren, wenn wir gefragt würden?

Schule wird auch eine Bildungsanstalt oder Lehranstalt genannt und ist eine Institution, deren Bildungsauftrag im Lehren und Lernen, also in der Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrerinnen und Lehrer an Schülerinnen und Schüler, aber auch in der Wertevermittlung und in der Erziehung und Bildung zu mündigen, sich verantwortlich in die Gesellschaft einbringenden Persönlichkeiten besteht. Meine Tochter, die Lehrerin ist, wusste mir zu sagen, dass sie schon im Studium darauf hingewiesen wurde, dass sie in ihrem zukünftigen Berufsleben nicht nur unterrichten wird, dass es nicht nur um das Unterrichten gehen wird, sondern dass auch Erziehungsaufgaben auf sie als Leh­rerin zukommen werden. Worin wir uns wahrscheinlich alle hier einig sind: Es ist nicht die Kernaufgabe einer Schule, Betreuung zu leisten.

Bleiben wir aber bei der Wissens- und Wertevermittlung und dem daraus resultierenden Einbringen in die Gesellschaft als Persönlichkeit, die in großem Ausmaß von der Schule geprägt wird! Geschätzte Damen und Herren, denken Sie einmal an Ihre eigene Schul­zeit zurück – und nicht nur an das Wissen, das Sie in der Schulzeit vermittelt bekommen haben: Konnten Sie sich nicht gerade auch durch Ihren Schulbesuch zu der Persön­lichkeit entwickeln, die Sie heute sind?

Das dürfte für mich einer der Kernpunkte in Bezug auf Corona und Schule sein. Nehmen wir unseren Kindern durch ein dauerhaftes Schließen der Schulen nicht genau diese Aspekte ihrer Entwicklung! Dabei muss uns natürlich ganz klar sein, dass die Sicherheit unserer Kinder in Bezug auf ihre Gesundheit in der Schule oberste Priorität haben muss und seitens der Regierung auch hat. Demnach war es nämlich zu Beginn der Pandemie unabänderlich, dass die Schulen geschlossen waren, denn da konnte noch niemand das Risiko abschätzen, das sich durch geöffnete Schulen ergeben würde, weder für die Schülerinnen und Schüler noch für das Lehrpersonal oder für die Eltern. Das Distance­learning war damals das Mittel der Wahl. Die Situation war mühsam und zum damaligen Zeitpunkt auch noch mit ausreichenden Hürden behaftet, eben zu Beginn von Corona.

Folgendes möchte ich aber an dieser Stelle auch erwähnen, und das ist wirklich positiv: Wir haben in diesem Jahr erhebliche Fortschritte in diesem Bereich machen können, die uns auch nach Corona von großem Nutzen sein werden. Da möchte ich als Stichwort einfach das E-Learning in den Raum werfen.

Nun, im Dezember 2021, stellt sich die Situation aus meiner Sicht anders, wesentlich anders dar: Wir verfügen inzwischen über eine wirksame Impfung und über gute Test­möglichkeiten. Das minimiert das Gesundheitsrisiko in den Schulen erheblich. In vielen Schulen sind 100 Prozent des Lehrpersonals geimpft, und auch die Impfung der Zwölf­jährigen schreitet voran. Neben der Impfung gibt es eine gut funktionierende Teststra­tegie, und sogar – ich sage: sogar – in Oberösterreich wird an den Schulen mittlerweile zweimal pro Woche PCR- und einmal antigengetestet.

Das bedeutet in Wirklichkeit, dass fast nirgendwo sonst so wie an den Schulen eine Ausbreitung von Corona schnell und rechtzeitig erkannt wird und dann auch sofort die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden können. Bei mir im Bezirk und auch im Nachbarbezirk Gmunden ist es so, dass bereits ab einem positiven PCR-Test pro Klasse die Möglichkeit der Umstellung dieser Klasse auf Distancelearning vorgesehen ist.

Die Landeshauptleute von Salzburg und Oberösterreich wollten zunächst ja die Schulen schließen. Das hätten sie laut Schulverordnung als Gesundheitsbehörde auch tun kön­nen. Da die Schulen dann aber ganz geschlossen gewesen wären, hätte es auch keine Möglichkeit der Betreuung gegeben, und so konnte man sich schlussendlich einigen, dass die Schulen offen bleiben, es den Eltern und Schülerinnen und Schülern aber freisteht, ob die Schüler hingehen und ob man die Sicherheitsvorkehrungen nachschärft, was mittlerweile durch das durchgehende Tragen von Masken getan wird. Die Testun­gen habe ich ja schon erwähnt.

Jetzt möchte ich mich wirklich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Bundesminister, bedanken, nämlich bedanken für das Einstehen für die offenen Schulen gegen alle Widerstände, die, glaube ich, nicht sehr gering waren. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Soziale Kontakte und persönlicher Austausch sind in Zeiten wie diesen tatsächlich von essenzieller Bedeutung für unsere Kinder und Jugendlichen. Geschlossene Schulen – und da müssen wir uns auch nichts vormachen – gehen vor allem zulasten von bereits benachteiligten Kindern und Jugendlichen, die dadurch noch weiter abgehängt werden, und das kann nicht in unserem Sinne sein.

Ich habe mich in der Schule ein bisschen umgehört und von betroffenen Schülerinnen und Schülern folgende Aussagen gehört, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Eine Schülerin sagt zum Beispiel: Ich hoffe, dass die Schulen offen bleiben, denn letztes Jahr, als wir zu Hause waren, war ich mit allen Aufgaben total überfordert. – Ein anderer Schüler sagt: Ich bleibe in der Schule, weil ich letztes Jahr die Erfahrung gemacht habe, dass meine Noten total schlecht wurden und ich zu Hause einfach nichts mache. – Und ein ein bisschen jüngeres Mädchen sagt: Ich bleibe in der Schule, solange es geht, ich möchte bei meinen Freunden bleiben. Zu Hause bin ich den ganzen Tag alleine, weil meine Eltern arbeiten sind.

Ja – wir haben es heute auch schon gehört, und es entspricht natürlich den Tatsachen und ist nicht zu vernachlässigen –, Kinder- und Jugendpsychologen warnen uns vor dem starken Anstieg von Depressionen und sogar Suizidversuchen bei Kindern und Jugend­lichen. Ja – das wurde heute auch schon erwähnt, und ich halte diese Regelung trotz­dem für eine gute Lösung –, die Infektionszahlen, vor allem unter Kindern und Jugend­lichen, sind in manchen Regionen sehr hoch. Dort soll die Entscheidung, ob die Kinder zu Hause bleiben, schlussendlich bei den Eltern liegen. Und auch noch zu sagen ist: Neben den Testungen hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein Abwasserscreening installiert, das uns ermöglicht, regionale Entwicklungen zu beob­achten. Diese Beobachtungen sind auch wichtig, um die Lage richtig einschätzen und fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lehrende und Schulleitungen müssen gerade sehr viel stemmen, und es ist oft eine frustrierende Situation, weil kurzfristig reagiert werden muss. Das ist tatsächlich nicht einfach, und ich schätze diesen Einsatz außerordentlich. Daher müssen die Schulen entlastet werden, wo immer es möglich ist; zum Beispiel durch AMS-Förderungen für eine Aufstockung von Admins, durch Supportpersonal oder durch Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben. Natürlich ist der Wunsch nach klareren und einheitlichen Vorgaben für alle da, aber wir sehen auch, dass die Schulen eine gewisse Flexibilität brauchen, um eben regionale Gegebenheiten aussteuern zu können.

All das bedeutet wirklich eine Herausforderung – und gerade im Hinblick auf eine mög­liche Verschärfung durch die neue Virusvariante noch einmal mehr. Gelingen wird uns diese Herausforderung nur, wenn wir unsere Kräfte bündeln und zusammenhelfen – das in Form von Rücksichtnahme und Toleranz und vor allem auch der Annahme des An­gebots der Impfung, die noch immer das Mittel der Wahl ist, um uns aus der Pandemie zu führen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.43

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Ich erteile es ihm, und auch seine Redezeit soll 10 Minuten bitte nicht überschreiten.