14.20

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Eines kann man dieser Bundesregierung nicht nachsagen: dass sie Sesselkleber sind. Drei Bundeskanzler, einen Finanzminister, drei Gesundheitsminister in kürzester Zeit verbraucht – das ist schon rekordverdächtig. Doch wenn diese wichtigen Funktionsträger in Zeiten wie die­sen so wechseln, so ist das nicht ein Indiz von Stabilität.

Es wäre auch unfair, wenn wir jetzt behaupten würden, Dr. Mückstein sei Schall und Rauch. Das wäre unfair, aber das politische Leben geht weiter. Abgesehen von der dra­matischen weltpolitischen Lage, befinden wir uns so nebenbei noch immer mitten in einer Pandemie. Auch wenn der Ukrainekonflikt Corona aus den Schlagzeilen verdrängt hat: Corona ist noch immer da. Auch der heutige Tag ist mit fast 50 000 Neuinfektionen dafür ein schlagender Beweis. Das ist der höchste Wert, den wir in den letzten zwei Jahren erleben mussten.

Herr Bundesminister, Sie übernehmen das Amt des Gesundheits- und Sozialministers gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem die wichtigsten Weichenstellungen in der Pandemie­bekämpfung anstehen. Einerseits fallen im öffentlichen Leben einschränkende Corona­maßnahmen, andererseits sollte entschieden werden, wie es mit der allgemeinen Impf­pflicht weitergeht. Jetzt ist sie ja ausgesetzt.

Wenn man den Bericht der Kommission, den Sie auch angesprochen haben, näher betrachtet, sieht man, dass dieser mehrere Fragen aufwirft, mehr, als er Antworten gibt. Er ist aus unserer Sicht in sich sehr widersprüchlich. Zum einen wird vor einem Lock­down im Herbst massiv gewarnt, zum anderen für die derzeit Ungeimpften das Hinaus­schieben der Impfpflicht als gedeckt erklärt.

Sie haben noch ergänzt, es steht drinnen, die Impfung wirkt. – Dazu möchte ich sagen: Wie das bei der Bevölkerung ankommt, ist stark zu hinterfragen. Wir haben die niedrigste Impfquote, die Strategie hat komplett versagt, der neue Impfstoff ist jetzt nicht so der Renner, und die versprochenen Anreize – Informationen für die Bürger, um die Impfbe­reitschaft zu heben und sozusagen die Impfpflicht etwas milder zu gestalten oder um­gehen zu können – haben überhaupt nicht gefruchtet, ganz im Gegenteil.

Ich muss sagen, wir sind im Bundesrat auch vorgeführt worden. Der Beschluss zur Impf­pflicht war an gewisse Voraussetzungen gekoppelt, und diese Voraussetzungen haben nicht einmal einen Tag gehalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben selbst bereits gesagt, dass Ihre vorrangige Aufgabe in der Pandemiebekämpfung ein strukturiertes Vorbereiten auf den Herbst und den Winter sei, wohl wissend, dass Sie schlussendlich dafür auch die Verantwortung tragen werden müssen. Sie haben sich auch selbst eingestanden, man sollte denselben Fehler nicht zwei- oder dreimal machen, und festgestellt, an Coronamaßnahmen solle so viel wie nötig und so wenig wie möglich gemacht werden.

Es gibt eine lange To-do-Liste, die Ihr glückloser Vorgänger Ihnen hinterlassen hat und die dringender Lösungen bedarf. So ist zum Beispiel die Entscheidung über die Gratis­testungen ausständig. Mit den Tests einhergehend wird auch die Frage neuer Quaran­täneregeln drängend. Sollten die Rufe aus der Krisenkoordination Gecko, Covid nun­mehr wie eine Grippe zu behandeln, stimmen, könnte man in Richtung der klassischen Influenzaüberwachungsstrukturen gehen. Dies bedeutet: keine Absonderungen, eine Änderung des Epidemiegesetzes und die Aufhebung der Impfpflicht, nicht nur die Aus­setzung.

Bei Infektionszahlen von täglich über 30 000 und heute wie bereits gesagt fast 50 000 kann man davon ausgehen, dass die sogenannte Durchseuchung der Bevölkerung jetzt gerade stattfindet, wobei festzustellen ist, dass eine Infektion nicht vor der nächsten schützt. Es gibt aber auch die Erkenntnis, dass es Geimpfte und Ungeimpfte gleicherma­ßen trifft (Bundesrat Spanring: Oh, oh, oh!) und dass bei diesen hohen Zahlen erfreu­licherweise diese Variante die Zahl der belegten Betten auf den Intensivstationen nicht stark ansteigen lässt.

Herr Bundesminister, nützen Sie nun diese Gelegenheit, durch Ihr Handeln der Bevöl­kerung wieder Sicherheit und Vertrauen zu geben! Durch Ihre langjährige Arbeit haben Sie ja die soziale Kompetenz dazu. Somit kann man ganz klar festhalten, was die zu­künftigen, dringend abzuarbeitenden Handlungsfelder in Ihrem Ressort sind: Bekämp­fung der Teuerung, die Pflege und Bekämpfung der Pandemie.

Was die Pflege betrifft, gibt es nachweislich landesweit einen Pflegenotstand. Anstatt 1 Milliarde Euro mit der KöSt-Senkung den Reichsten der Reichen hinzuschmeißen, soll­te diese Milliarde besser für die Pflege verwendet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe eines, und wir wünschen es Ihnen von ganzem Herzen: dass Sie bei Ihren Vorhaben nicht von der ÖVP so blockiert werden wie Ihre beiden Vorgänger. Herr Ge­sundheitsminister, Sie müssen nun die Versäumnisse Ihrer Vorgänger wettmachen, weil Ihre Vorgänger gescheitert sind und nichts weitergebracht haben. Es steht Ihnen aber eine ausgezeichnete Beamtenschaft in Ihrem Ministerium zur Verfügung. Nützen Sie diese bitte!

Die Pandemie und ihre Folgen zu bekämpfen wird die Hauptaufgabe sein. Schieben Sie bitte Long Covid nicht auf die lange Bank! Es war beschämend, als vorgestern im Ge­sundheitsausschuss der Antrag auf Vertagung von treffsicheren Maßnahmen bezüglich Long Covid, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine raschere Rückkehr in den Arbeitsprozess zu erleichtern, angenommen wurde. Sich da auf die gute Arbeit in den Bundesländern zu verlassen, wird nicht reichen. Die Behandlung dieses Problems ist eine Bundeskompetenz.

Vergessen Sie bitte nicht die Kinder und die Jugendlichen, die massiv unter den Folgen der Pandemie über diesen langen Zeitraum leiden! Vielleicht gelingt es Ihnen jetzt zum Beispiel, die seit Jahren hinausgeschobene Frage der täglichen Turnstunde im Unter­richt in den Schulen zu erledigen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür.

Zur Teuerung: Die Teuerungsbremse ist unbedingt umzusetzen. Die SPÖ hat viele Vor­schläge zur Teuerungsbremse eingebracht. Sie können da jederzeit auf unsere Mitwir­kung zählen.

Die Pensionisten hat es jetzt besonders hart getroffen, nicht nur, was das soziale Umfeld aufgrund der Regelungen in den letzten beiden Jahren, sondern auch, was die Kosten­explosion in den letzten Wochen betrifft. Die hohe Inflation hat bereits die Pensionser­höhung aufgefressen. Deswegen muss eine Pensionsanpassung vorgezogen werden. Dies muss zum Wohle aller Pensionistinnen und Pensionisten raschest umgesetzt wer­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Endlich ist auch die Pflegereform umzusetzen. Dank jährlich wechselnder Sozialminister wird diese Pflegereform immer wieder auf die lange Bank geschoben, mit dem Fazit: Es laufen uns die Pflegekräfte davon, und die Pflegefinanzierung hängt an einem Proviso­rium. Es wird notwendig sein, ein einheitliches Pflegesystem zu etablieren: Bekämpfung des Pflegenotstandes, garantierte Finanzierung der Pflegeleistungen, Ausbildungsoffen­sive und ein attraktives Berufsbild. Die Bundesländer zeigen schon vor, wie es gehen könnte. Diese Schritte müssen dringend umgesetzt werden. Wir wünschen Ihnen dazu alles Gute. (Beifall bei der SPÖ.)

14.29

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet: Günter Pröller. – Bitte.