14.39

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Verbliebene Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist schon irgendwie ko­misch für mich, dass ich mich bei dieser zusammengelegten Regierungserklärung mit dem Neo-Gesundheitsminister und der Familienministerin über die Ukrainekrise unter­halten muss. Der Bundeskanzler hat von Haus aus keine Zeit gehabt. Die Staatssekre­tärin hat einen unaufschiebbaren Fußpflegetermin oder was auch immer. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Bei unserem grünen Vizekanzler wäre ich ja noch davon ausgegangen, dass der zumindest - -

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, bitte gehen Sie bei Ihren Äußerungen ein bisschen runter vom Gas! Bitte aufpassen! (Bundesrat Steiner: Was? Gas?)

Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Zumindest beim grünen Vizekanzler hatte ich den Eindruck gehabt, dass er jede Minute, die er noch in diesem Haus ist, ausnützen möchte, aber der ist inzwischen auch schon weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es steht ja außer Frage, dass auch in Öster­reich anlässlich dieses tragischen Konfliktes nicht weit von uns entfernt der Ruf nach Sicherheit in der Bevölkerung immer lauter geworden ist. (Bundesrat Schennach: Da ist eh der Vizekanzler! – Bundesrätin Grimling: Er ist ja eh da!) – Ah, schau! Jetzt kommt er. (Bundesrätin Grimling: Ja, aber entschuldigen! – Bundesrat Schennach: Jetzt kannst du dich aber entschuldigen! Eine Entschuldigung ist jetzt angebracht!)

Gerade jetzt stellt sich für mich schon die Frage, warum unser Bundeskanzler die Neu­tralität noch vor wenigen Tagen infrage stellt (Ruf bei der ÖVP: Das ist doch ein Blöd­sinn!), die Neutralität als etwas Aufgezwungenes bezeichnet und mit einem Nato-Beitritt liebäugelt. – Nein, das ist kein Blödsinn. Ihr habt ja die Umfragen wahrscheinlich selbst gelesen (Zwischenrufe bei der ÖVP), deswegen rudert man jetzt wieder – halbherzig – zurück. (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann Ihnen nur sagen: Unsere Neutralität ist ein hohes Gut.

Herr Vizekanzler, Sie haben heute in Ihren Ausführungen kurz erwähnt, dass man das ja mit dem Artikel 51 der UN-Charta infrage stellen könnte. Ich muss Ihnen schon sagen: Das Recht auf Selbstverteidigung in der UN-Charta sollte man klar differenziert von ei­nem Nato-Beitritt betrachten. Da geht es um Frieden schaffende Einsätze und um Kriegseinsätze. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle schon sagen.

Zur Aussage des Bundeskanzlers, die Neutralität ist uns „aufgezwungen“ worden: Figl, Raab, Kreisky, Schärf, na diese Herrschaften würden sich bei dieser Dummheit im Grabe umdrehen. Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Anhand dieser Aussagen hat aber die österreichische Bevölkerung bereits gesehen, wie diese ÖVP und dieser Bundeskanzler wirklich ticken. Da hilft es auch nichts, mit halbher­zigen Worten, mit einer Erhöhung des Verteidigungsbudgets herauszukommen. Darüber werden wir uns in weiterer Folge heute noch unterhalten. Es braucht nämlich ein Ver­teidigungsbudget in der Höhe von 1 Prozent des BIPs, um endlich das Bundesheer mo­dernisieren und endlich wieder die Einsatzfähigkeit sicherstellen zu können.

Auch wenn die Verteidigungsministerin und die ÖVP in der Vergangenheit das Ganze etwas anders gesehen haben: Zu den Kernaufgaben des österreichischen Bundeshee­res gehört nun einmal auch die militärische Landesverteidigung. Ich erinnere an einen Artikel im „Standard“ von gestern: Die Hofburg sieht die Einsatzfähigkeit des Bundes­heeres durch die Reform der Frau Verteidigungsminister Tanner gefährdet.

Deswegen darf ich an dieser Stelle unseren ersten Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvesti­tionspaket für das Österreichische Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets ‚Militä­rische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Schutz des Landes und seiner Bürger so­wie der österreichischen Neutralität die laufende Heeresreform sofort zu stoppen und ein Sonderinvestitionspaket von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022 für das Öster­reichische Bundesheer zur Verfügung zu stellen sowie ab dem Jahr 2023 das jährliche Regelbudget ‚UG-14 Militärische Angelegenheiten‘ auf ein Prozent des Bruttoinlandspro­dukts anzuheben.“

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Si vis pacem, para bellum, hat bereits Platon gesagt. Frei übersetzt: Wer den Frieden bewahren will, rüstet sich für den Krieg. Es waren viele ÖVP-Finanzminister, die das Bundesheer in der Vergangenheit eigentlich immer wie ein Schmuddelkind behandelt haben. Heute sehen wir, wo wir angekommen sind, heute müssen wir wirklich in die Tasche greifen, damit unser Bundesheer seine Einsatzaufgaben wieder erfüllen und endlich modernisiert werden kann.

Auch ein Thema, das mir schwer im Magen liegt: Mir liegen ja einige dieser Liebesbriefe zwischen einem Kriegsland und österreichischen Regierungsmitgliedern vor. Vor Kur­zem erst habe ich ein Foto des Bundeskanzlers in Uniform gesehen, das zeigt, wie er als Informationsoffizier für das österreichische Bundesheer tätig gewesen ist. Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin selbst Informationsoffizier beim österreichischen Bundesheer. Man neigt in gewissen Gesprächsrunden schon dazu, vielleicht nicht die negativen Dinge, sondern die positiven Dinge zu beleuchten. Eines ist mir aber in dieser Zeit immer gelungen: Auch wenn man in den Gesprächsrunden das eine oder andere weglässt: Vergessen habe ich diese Dinge nie.

Ich glaube, es scheitert im Bereich des österreichischen Bundesheeres wirklich an sehr vielem. Es fehlt nämlich an allen Ecken und Enden. Es fehlt an Unterbringungsmöglich­keiten, an adäquaten Übungsmöglichkeiten, am Fuhrpark, an Ausrüstung, an Gerät, an Schulungsflugzeugen, wie wir alle hier herinnen wissen, und an vielen, vielen weiteren Dingen. Ja, da kann ich schon in Richtung ÖVP schauen. Es waren nämlich die ÖVP-Finanzminister, die dieses Bundesheer in den letzten Jahren zu Tode gespart haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann man schon sagen: Es waren nicht die Vorgaben dieser Politik, die das Bundes­heer am Leben erhalten haben, sondern es sind die vielen, vielen motivierten und enga­gierten Offiziere und Unteroffiziere, die dieses Bundesheer trotz widrigster Vorgaben und trotz widrigster Budgetbedingungen am Leben erhalten haben, und deswegen gilt es an dieser Stelle, auch einmal ein ehrliches Danke an all die vielen Bediensteten des ös­terreichischen Bundesheeres zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was macht aber diese Bundesregierung? – Unsere Frau Verteidigungsminister – es ist ja schade, dass sie heute nicht da ist – gibt am 28. Februar 2022 einen Befehl – Kollege Hübner hat es schon angesprochen, wie das mit der Neutralität so ausschaut –, dass Kampfhelme, nämlich 10 000 Stück Kampfhelme, abzugeben sind. Organisiert hat man das Ganze über die Militärkommanden, und man ist sogar so weit gegangen, dass man im Befehlsbereich des Militärkommandos Niederösterreich den Assistenzsoldaten im Grenzeinsatz an der burgenländischen Grenze ihre 300 Stahlhelme abnehmen wollte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, unglaublich!) Also das ist ja schlicht und ergreifend eine Sauerei. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch da ist man aber zurückgerudert, denn diese 300 Soldaten durften ja großzügiger­weise ihre Helme behalten. Da sieht man, wie weit diese Bundesregierung, wie weit diese ÖVP von der Realität wirklich weg ist. Da geht es nicht mehr um die Sicherheit unserer Soldaten, weil sich der österreichische Soldat inzwischen aussuchen kann, ob er seine Feldkappe oder die Wollmütze aufsetzt, wenn er am Grenzübergang steht, aber Stahlhelm hat er inzwischen keinen mehr.

Zu diesen 10 000 Stahlhelmen, die ja schon in die Ukraine geschickt wurden, passend fällt mir noch etwas ein, nämlich: Was ist denn da alles auf diesem Flughafen in Hör­sching verladen worden? – Es war ja dubioserweise ein Kameraausfall, nur ein schwar­zes Bild zu sehen. Das Einzige, was man noch erkennen konnte, war eine Gefahren­guttafel auf diesen Verladecontainern. Eines kann mir jetzt niemand erklären: dass man für diese Kampfhelme eine Gefahrenguttafel gebraucht hätte. Deswegen würde mich schon interessieren: Was wurde wirklich geliefert? Was befand sich auf den Paletten? Die Direktion 4 hat am 2. März ja auch einige Unterstützungsmaßnahmen in Prüfung gegeben: 500 000 Portionen Trockenration, IKT-Ausstattung – bei der ÖVP wird das grundsätzlich geschreddert; militärische IKT-Ausstattung geben wir jetzt anscheinend an die Ukraine –, weitere Schutzausrüstungen, Treibstoff. Also was wurde alles in die Uk­raine geliefert? (Bundesrat Schennach: Verbandsmaterial!) – Das hätte auch keine Ge­fahrenguttafel gebraucht.

Bei den Schutzausrüstungen stellt sich auch noch eine Frage. Ich habe es ja schon einmal hier erwähnt, angekündigt wurde es medial mit: Wir liefern Schutzwesten. – Ich würde mich freuen, wenn unsere österreichischen Soldaten einmal diese Schutzwesten bekommen würden (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Polizisten!), denn in der Realität schaut es nämlich so aus, dass sich bei den Einsatzorganisationen drei Soldaten eine Schutzweste teilen, die im verschwitzten Zustand, unhygienisch weitergegeben wird. Und jetzt träumen wir davon, diese an die Ukraine zu übergeben. Teilen sich dann fünf Soldaten eine Schutzweste? Diese Frage darf man berechtigterweise hier stellen.

Vorige Woche – und ich glaube, Sie wissen das, medial ist ja nicht wirklich viel aufge­schlagen – hat es einen Alarmstart der Eurofighter gegeben. Vom Hörensagen hört man, dass eine F-16-Staffel abgewiesen wurde. Herr Vizekanzler, vielleicht können Sie da heute für Aufklärung sorgen? Was mich aber noch viel mehr als diese F-16-Staffel inter­essieren würde, das sind die 37 Antonov-Überflüge seit der Vorwoche. Was hatte dieses französische Gerät, das nach Rumänien geflogen ist, tatsächlich geladen? Ich gehe da­von aus, Sie wissen es, denn angemeldet werden die Flüge wohl gewesen sein.

Und ja, ich sage, diese Volkspartei verabschiedet sich in Wirklichkeit immer weiter von unserem österreichischen Bundesheer. Der Bundeskanzler stellt sich hin und sagt, wir brauchen ein größeres Verteidigungsbudget, nachdem man gesehen hat, dass das mit der Nato völlig in die Hosen gegangen und den Österreichern die Neutralität noch etwas wert ist. Heute ist er nicht da. Den Finanzminister werden wir wahrscheinlich auch länger nicht sehen. Ich hoffe, dass unserem Entschließungsantrag dann heute wenigstens von der ÖVP zugestimmt wird. Ihr habt ja dieses 1 Prozent auch gefordert, na dann stimmt heute zu, da habt ihr die Möglichkeit. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Aber ihr behandelt das Bundesheer als Schmuddelkind der Nation (Beifall bei der FPÖ), stimmt seit vielen Jahren Anträgen auf 1 Prozent Verteidigungsbudget nicht zu – aber draußen vorgeben, die große Sicherheitspartei zu sein. Dann seid es einmal, dann stimmt diesen Anträgen zu! (Bundesrat Steiner: Täuscher und Lügner! Und korrupt ...!) Gebt nicht nur vor, Sicherheitspartei zu sein, sondern seid auch diese Sicherheitspartei! Heute habt ihr die Möglichkeit dazu.

Einerseits ist das Budget ein ganz wesentlicher Faktor für unser Bundesheer, anderer­seits aber auch ein funktionierendes Kader- und Milizsystem. Deswegen darf ich an dieser Stelle auch noch einen weiteren Entschließungsantrag der Bundesräte Leinfell­ner, Pröller, Steiner-Wieser und weiterer Bundesräte einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wieder­einführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Änderung des Wehrgeset­zes vorzulegen, welche die Wiedereinführung von 8 Monaten Grundwehrdienst, im be­währten Modell 6 + 2 Monate, beinhaltet, damit verpflichtende Milizübungen in vollem Umfang wieder möglich sind.“

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Das wäre auch ein wesentlicher Schritt in Richtung Stärkung der Einsatzfähigkeit des Bundesheeres.

Zum Antrag der SPÖ muss ich sagen, der Antrag war sicher gut gemeint, wenn man ihn sich aber genauer durchliest und da jetzt wieder an die ÖVP Verantwortung überträgt, dann wissen wir, was dabei herauskommt. Für die Frau Bundesminister war in der Ver­gangenheit die militärische Landesverteidigung keine Kernaufgabe des Bundesheeres mehr und wenn man sie jetzt mit solchen Dingen beauftragt, dann haben wir im Endeffekt ein Bundesheer, das ans Budget angepasst wird, und nicht ein Budget, das ans Bun­desheer angepasst wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.54

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Leinfellner, fällt Ihnen statt Sauerei ein anderes Wort ein? (Bundesrat Leinfellner: Ich habe mich entschuldigt dafür! Ich habe mich entschuldigt dafür!) Dann nehme ich die Entschuldigung entgegen und bitte Sie, in Zukunft darüber nachzudenken, ob Sie nicht so kreativ sind, andere Worte zu ver­wenden.

Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bun­desheer und Anhebung des Regelbudgets ,Militärische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Der zweite von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehr­dienst im Modell 6 + 2 Monate“ ist auch genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Mag. Harald Himmer. – Ich bitte dich darum.