9.15

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Wir werden alle ärmer werden – das ist der Satz des Wirtschaftsforschers und Lei­ters des Wifo Felbermayr. Das ist ein Satz, der einem schon große Ängste macht, wenn das ein Wirtschaftsforscher sagt. Ich glaube, es wäre auch ein Satz, der diese Regierung eigentlich zu einem wesentlich intensiveren, koordinierteren und wirkungsvolleren Han­deln animieren müsste, was diese Teuerungswelle angeht.

Wir wissen, dieser schreckliche und grausame Krieg ist natürlich ein Faktor, warum es zu dieser Teuerung kommt. Natürlich ist auch die Pandemieentwicklung ein Faktor, wa­rum es zur Teuerung kommt. Aber jetzt ist die Frage: Wie geht man damit um? Und wenn es heißt, wir alle werden ärmer werden, dann wird das jene, die viel im Geldbörsel haben, nicht so sehr treffen. Sie werden betroffen sein, aber nicht in dem Ausmaß wie andere. Was aber machen all jene, die mittelmäßig verdienen, die Angst haben, durch diese Teuerung abzurutschen? Was machen jene, die jetzt schon an der Schwelle zur Armut stehen oder bereits arm sind? Ärmer als arm geht nicht mehr – das heißt, die fallen ins Bodenlose.

Wir wissen, dass die Situation wirklich mehr als belastend für die Menschen ist. Die In­flation von fast 7 Prozent ist ganz, ganz gewaltig. Wir sehen, die Lebensmittelpreise steigen. Heute hat eine der großen Handelsketten angekündigt, dass sie die Lebensmit­telpreise wieder erhöhen wird, und diese Erhöhung geht aber von einem bereits erhöhten Preisniveau bei den Lebensmitteln aus. Wir sagen als Sozialdemokratie bereits seit Oktober: Werte Regierung, es wäre Zeit, dass man etwas tut! Da passiert etwas, da tritt etwas in Kraft! – Es ist wirklich unerträglich, wie die Teuerung voranschreitet, und es wird nicht oder nur partiell gehandelt. So kann man mit einer riesigen Krise, in der wir mittendrin stecken, nicht umgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen leiden unter den erhöhten Energiekosten. Sie haben Abrechnungen ge­kriegt mit Vorschreibungen, die ihnen wirklich den Boden unter den Füßen wegziehen. Ganz ehrlich, da gibt es Familien, die haben jetzt schon größte Ängste, dass sie sich, sollte bei ihnen die Waschmaschine eingehen, keine neue leisten können. Und die be­kommen jetzt noch einmal eine Nachzahlungsaufforderung für Energiekosten und Stromkosten. Das ist ja nicht nichts. Das ist ganz, ganz belastend für diese Menschen. Da gilt es zu handeln!

Ganz ehrlich: Wir sehen kein wirkliches, konstruktives, zielgerichtetes Handeln. Wenn Sie den Familienbonus erhöhen, dann trifft das nur jene, die sehr gut verdienen. Wenn Sie die Pendlerpauschale erhöhen, dann trifft es besonders wirksam jene, die mehr ver­dienen. Warum machen Sie nicht einen Pendlerabsetzbetrag, wie er von der Arbeiterkammer, von der Gewerkschaft und von den Sozialpartnern gefordert wird? Das wäre doch längst notwendig. Ihre Maßnahmen sind nicht treffsicher, in keiner Weise. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz ehrlich: Die Mieterhöhung, das Anpassen der Richtwertmieten jetzt nicht auszu­setzen (Bundesrat Spanring: Wien! – Bundesrat Steiner: Das ist zu spät! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das rote Wien muss es ...!), ist einer der größten Fehler. Mit 1. Mai wird das umgesetzt. Bitte stoppen Sie das noch, wenn Sie es irgendwie können, und zwar rückwirkend! Warum setzen Sie das nicht aus? Das heißt für die Menschen, für die Fa­milien eine Erhöhung und Mehrbelastung von 300 bis 600 Euro im Jahr (Bundesrat Spanring: Der größte Vermieter Österreichs ...!), und zwar für 1 Million Haushalte in Österreich, und zwar nicht nur in Wien – in Salzburg, in Innsbruck, überall ist das der Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man zur Tankstelle fährt und eine Tankladung 100 Euro kostet, dann muss man sich schon fragen: Was heißt denn das für die Familien? Was heißt denn das bei den Einkommenshöhen, die wir haben? Das ist ja unerträglich, das macht ja Angst, und zwar im größten Ausmaß. Und wir sind am Beginn einer Entwicklung. Sie können nicht sagen, wir federn ein bisschen ab, es ist dann vorbei. Da braucht es wirklich eine gute und starke Krisenbekämpfung und nicht, dass man etwas ankündigt und dann nicht weiß, wie es wirkt, oder einen Teuerungsausgleich, bei dem man sagt, man gibt den Menschen Gut­scheine, aber bitte: Tuts nicht bescheißen! – Das kann doch nicht die Form sein, wie man mit Unterstützungsleistungen umgeht. Das ist eine Bankrotterklärung unserer Ver­waltung, und das hat Österreich in keiner Weise verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Entlasten Sie die Pensionistinnen und Pensionisten, es ist dringend notwendig! Wir brau­chen ganz, ganz dringend eine Senkung des Treibstoffpreises und eine Erhöhung des Kilometergeldes auf 50 Cent, einen wirklichen Teuerungsausgleich für jene Familien und jene Menschen, die es jetzt ganz, ganz dringend brauchen. Gerade die Alleinerziehe­rInnen, die erwähnt wurden, brauchen jetzt Unterstützung, weil diese wirklich um jeden einzelnen Cent raufen. Natürlich braucht es auch eine Entlastung für die Unternehmen bei den Energiekosten, das ist ganz klar. Und bitte nehmen Sie – ich darf es noch einmal betonen – die Anpassung der Richtwertmieten zurück! Sie treiben damit die Inflation noch weiter an, und das kann es doch auf keinen Fall sein.

Wir brauchen auch ganz, ganz dringend eine Verlängerung der Kurzarbeit, und zwar mit einer Nettoersatzrate von 90 Prozent. Menschen, die lange in Kurzarbeit sind, haben eine unglaubliche finanzielle Belastung. Da muss etwas getan werden, da muss gehan­delt werden. Wir wissen nicht, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung weiter fortschreibt, und wir wissen, dass wir die Kurzarbeit ganz, ganz dringend brauchen werden.

Bitte machen Sie nicht so Klein-klein-Aktionen, sondern wirkliche Stützungsmaßnah­men, die den Menschen helfen! Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate ist schon längst notwendig. Alle Sozialleistungen leiden natürlich auch unter der Inflation, das ist doch ganz klar. Ich denke da ans Kinderbetreuungsgeld und an die Sozialhilfe und alles weitere. In den Sozialmärkten sind die Regale leer, weil ein­fach so viele Menschen die Leistungen aus diesen Märkten brauchen. Wir stecken also inmitten einer unglaublichen Krise. Bitte tun Sie nicht gönnerhaft, indem Sie sagen: Ja, wir geben euch ja etwas; da ein bisschen einen Ausgleich und dort einen Ausgleich! – Es ist ganz klar, dass der Finanzminister und das Finanzministerium aufgrund der Teue­rung sehr viel höhere Einnahmen hat. Auch das ist klar.

Was eine gute Handlung war, ist, dass Sie den Vorschlag der Sozialpartner zum Preis­monitoring aufgenommen haben. Das war natürlich in jeder Richtung klug, denn man muss jetzt schauen: Wie entwickeln sich die Preise? Vor allen Dingen muss man hin­schauen: Wer sind denn die Gewinner dieser Preisentwicklungen? Wo kann man da eindämmen? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Schwarz-Grün!) Es gibt nicht nur Verlierer in dieser Situation, es gibt auch Gewinner, die jetzt Geld in die Taschen einstreifen, und das muss man eindeutig verhindern. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist aber der Staat!)

Auf noch etwas sei hingewiesen, weil es immer wieder sozusagen von Ihnen, Herr Fi­nanzminister, angeführt wird, auch heute in einem Interview von August Wöginger in den „Salzburger Nachrichten“: Die Gewerkschaft möge sich bei den Kollektivvertragsver­handlungen wegen der Lohn-Preis-Spirale zurückhalten. Ich darf da schon den Präsi­denten des Gewerkschaftsbundes Katzian zitieren: Zuerst werden die Preise höher, und dann müssen die Löhne steigen. Es wird nicht anders gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich wird es eine Ausgabenstärkung fürs Militär brauchen. Das ist ganz klar. In dem Zustand, wie das Militär ist, ist das keine Frage, aber es darf dadurch auf keinen Fall zu einer Einsparungswelle beim Sozialstaat kommen. Wir brauchen den Sozialstaat. Wir haben ihn in der Pandemie gebraucht, und die Leistungen des Sozialstaats brauchen die Menschen auch jetzt in dieser schweren Krisenzeit durch den Krieg. Das muss sichergestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die Ausgaben für die Gesundheit. Ihre Pandemiebekämpfung war nicht erfolgreich. Wir wissen nicht, was im Herbst wieder kommen wird. Wir brauchen die Ge­sundheitsleistungen für die Menschen und wir brauchen Bildungsleistungen – keine Frage.

Ich darf noch eines sagen: Wenn ein Bildungsminister sagt, er gibt jetzt 500 Euro Boni an die Direktorinnen und Direktoren aus, dann ist das okay, aber ganz ehrlich: Haben Sie nichts daraus gelernt? Diese Bonusvarianten sind doch schädlich! (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Die Lehrer und die Eltern ...!) Was sagen denn die Pädagoginnen und Pä­dagogen? Die bekommen keinen Fünfhunderter? Die Beschäftigten in den Kanzleien, die Beschäftigten in den Sekretariaten, die vergessen wir? Und die Schulwarte, die ver­gessen wir auch? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Lehrer! Die Eltern!) Es gibt die Leh­rer auch, natürlich. Und die ElementarpädagogInnen sind dieser Bundesregierung völlig gleichgültig, und das ist wirklich unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Stützen Sie die Menschen, schützen Sie sie, denn jetzt in der Krise brauchen Sie es ganz dringend! Bitte schauen Sie, dass Sie auch ein Gesamtkonzept haben, was den Ausbau der erneuerbaren Energie angeht. Da braucht es jetzt wirklich einen Turbo und nicht nur Blabla, sondern wirklich einen Turbo. Denken Sie immer daran: Es geht auch um die Kaufkraft der Menschen, und die Kaufkraft der Menschen hat wiederum Auswir­kungen auf die Klein- und Mittelbetriebe. Die Menschen werden – das ist ganz, ganz klar – bei den Belastungen, die auf sie zukommen, sparen, und sie werden beim Besuch beim Friseur und beim Besuch beim Wirten sparen, und sie werden in den verschiedens­ten Bereichen, auch beim Urlaub, sparen müssen, denn es geht gar nicht anders. Stützen Sie die Menschen, unterstützen Sie sie! Sie brauchen es jetzt. Die Sozialdemok­ratie wird auf jeden Fall dafür kämpfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.25

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.