11.17

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschau­er auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Die Kernpunkte des Berichts betreffen, wie wir gehört haben, sieben verschiedene Bereiche und Aspekte. Da geht es also um die Förderung von Wachstum und Beschäftigung, um die Sicherstellung der makroöko­nomischen Stabilität, um die Kapitalmarktunion, um eine Reform der Unternehmensbe­steuerung, natürlich auch um die EU-Klimastrategie Fit for 55 und vieles andere mehr. Im Wesentlichen steht der Bericht natürlich unter dem Licht des Wiederaufbaus nach der Covid-Krise und zum anderen auch der Klimakrise, die es zu bekämpfen gilt.

In aller Kürze kann ich sagen, dass wir in weiten Strecken den Bericht durchaus nach­vollziehen und der Position des Finanzministeriums entsprechend auch folgen können. Dennoch muss ich für die sozialdemokratische Fraktion festhalten, dass wir in einigen Bereichen durchaus Lücken im Bericht sehen und ihn deshalb auch nicht zur Kenntnis nehmen können.

Zum einen sind verschiedene Aspekte sehr vage, ja fast schon lapidar formuliert. So geht zum Beispiel für uns aus dem Bericht ganz und gar nicht hervor, wie die Haltung Österreichs respektive des BMF ausschaut, was den digitalen Euro betrifft, hier ist keine klare und eindeutige Haltung zu vernehmen. Ähnliches gilt für den Bereich der Kapital­marktunion, da heißt es lediglich, das BMF unterstütze „Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung sowie der Finanzbildung“, aber konkrete Aussagen da­hin gehend, wie diese ganz konkret ausgestaltet werden sollen, vor allen Dingen auch, wie Konsumentenschutzrechte oder auch Anlegerschutzrechte gestärkt werden sollen, das bleibt das BMF in Wahrheit hier schuldig. Lediglich der Hinweis, dass der Verwal­tungsaufwand verringert werden solle, das ist aus unserer Sicht ein wenig dürftig.

Zum anderen hinterfragen wir unsererseits die Sicht des BMF hinsichtlich des Bereichs der Unternehmensbesteuerung, konkret der Zweisäulenstrategie, sprich der Digitalsteu­er, wenn man das so lapidar formulieren darf. Gerade auch im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen – und ich glaube, das wäre unser aller Ansatz – ist es aus unserer Sicht eben nicht verständlich, weshalb Österreich eine Verknüpfung dieser beiden Säulen ablehnt, also auf der einen Seite die Zuordnung der Besteuerungsrechte und auf der anderen Seite den Mindeststeuersatz von 15 Prozent für alle multinationalen Konzerne mit einem höheren Jahresumsatz als 750 Millionen Euro. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum das abgelehnt und nicht gutgeheißen wird.

Ein weiterer Grund für unsere Nichtkenntnisnahme ist die Tatsache, dass die aktuellen Ereignisse – wir haben es heute schon mehrfach gehört – in Europa die Vorhabenspläne der EU natürlich inzwischen ja mehr als durchkreuzt haben. Dem Bericht und demzufol­ge auch den genannten Vorhaben und Projekten, Richtlinienentwürfen et cetera liegt ja noch eine Prognose der Europäischen Kommission aus dem November 2021 für ein Wirtschaftswachstum zugrunde, das damals noch mit 4,3 Prozent angegeben wurde, und ich glaube, wir sind uns da alle einig, die Tatsachen sehen heute ganz, ganz anders aus. Diese damals noch aus meiner Sicht durchaus optimistische Prognose ist wohl im Lichte des vermutlich noch weiter andauernden Angriffskrieges in der Ukraine und auch im Lichte aller daraus resultierenden gesamteuropäischen wirtschaftlichen Folgen in die­ser Höhe sicherlich nicht mehr realistisch. Auch der Experte aus dem Finanzministerium hat uns übrigens dazu im Ausschuss eindeutig bestätigt, dass dies mit Sicherheit auch eine Verschiebung der Schwerpunktsetzung zur Folge wird haben müssen.

Man ist noch davon ausgegangen, dass wir 2022 einen Post-Covid-Aufschwung erwar­ten und erreichen können, mit steigender Beschäftigung, mit gestärktem privaten Kon­sum und vielem mehr, wie es auch im Bericht heißt. Dabei wurden im Bericht sogar schon jene Risiken als solche erkannt und benannt, die inzwischen leider nicht nur auf der österreichischen, sondern auch auf der europäischen Tagesordnung stehen: die Stö­rungen und Engpässe bei den globalen Lieferketten in immer mehr Handelsbereichen – wir haben es heute auch schon gehört –, das Anhalten der teils wirklich exorbitanten Energiepreissteigerungen von Gas, Strom und was auch immer, die Teuerungswellen, die sich natürlich ganz besonders negativ auf den Konsum auswirken, und vieles andere mehr. Die Frage ist also, wie da entsprechend gegengesteuert wird.

Denken wir an die derzeit wirklich rekordartige Inflation von aktuell 7 Prozent in Öster­reich – und wer weiß, wo diese noch hinführen wird. Wir haben es schon gehört, es steigen die Lebenshaltungskosten, die Kosten für das Wohnen, das Heizen, das Pendeln, für Nahrungsmittel, während gleichzeitig die Löhne kaum angehoben werden, ganz im Gegenteil, ein überwiegender Teil der arbeitenden Bevölkerung muss immer höhere Reallohnverluste hinnehmen. Das heißt, in Wahrheit bleibt immer weniger Geld im Geld­börsel übrig, um es auch wirklich ausgeben zu können und das Leben damit zu be­streiten – ganz im Unterschied zu jenen, die ihr Einkommen rein aus Kapitalerträgen erhalten, also sprich Aktionäre mit Dividendenausschüttungen und dergleichen mehr. Dadurch ist mittlerweile ein Ungleichgewicht entstanden, wo ein immer größerer Teil der Menschen sagt, ich kann mir das Leben, ich kann mir, ja, das Arbeiten bald nicht mehr leisten. Und eines ist klar: Das stärkt die Kaufkraft, von der noch im Bericht so optimis­tisch berichtet wurde, auf gar keinen Fall.

Unter all diesen Gesichtspunkten ist es aus unserer Sicht ganz dringend nötig und ge­boten, die Schwerpunktsetzung, auch die Priorisierungen in den Vorhaben ganz neu zu bewerten und zu betrachten und auch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Da­her gibt es, wie ich schon gesagt habe, von uns auch keine Kenntnisnahme dieses Be­richts. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Alexandra Plat­zer zu Wort. Ich erteile ihr das Wort.