16.25

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Gern darf ich Ihnen heute die EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus präsentieren.

Im Mittelpunkt der Arbeiten auf EU-Ebene stehen natürlich die sukzessive Umsetzung des europäischen Green Deal und in weiterer Folge das Fit-for-55-Paket. Speziell die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft in Europa als Sektoren mit natürlichem CO2-Sen­kenpotenzial spielen hier eine ganz besonders wichtige Rolle.

Aktuell gibt es natürlich sehr viele Diskussionen auf europäischer Ebene aufgrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine und die sehr weitreichenden Folgen, die in den nächsten Monaten und wahrscheinlich Jahren auf uns zukommen.

Lassen Sie mich ganz kurz auf das Thema der Lebensmittelproduktion und Lebensmit­telversorgungssicherheit in Europa eingehen! Es stimmt, wir haben Gott sei Dank in Österreich die sehr glückliche Lage, dass wir bei nahezu allen Grundnahrungsmitteln und Lebensmitteln, die wir brauchen, einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad haben, aber wir sind auch sehr stark abhängig von Betriebsmittelimporten, da speziell aus Russ­land, zum Teil eben auch von Eiweißlieferungen aus der Ukraine, und wir müssen jetzt nicht nur den aktuellen Status betrachten, sondern auf die nächsten Monate, wenn nicht Jahre blicken.

Es wurde schon angesprochen: Die Ukraine ist die Kornkammer Europas, und nicht nur das. Das Welternährungsprogramm hat vor allem in der Westukraine die ganz großen Anbauflächen, und das, was uns aktuell droht, ist wirklich ein Engpass bei der Versor­gungslage in Entwicklungsländern, die die Hauptbezugsländer des Getreides aus der Ukraine sind, vor allem in Nordafrika.

Deswegen war es sehr wichtig und vor allem auch richtig, dass die Europäische Kom­mission sehr schnell gehandelt hat und die einjährigen Bracheflächen im heurigen Jahr zum Anbau freigeben wird. Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang darauf hinwei­sen, dass es einen Unterschied zwischen mehrjährigen Biodiversitätsflächen, die die meisten der österreichischen Bäuerinnen und Bauern anlegen, und den einjährigen Bracheflächen gibt. Es stimmt auch: Die Freigabe der Bracheflächen macht in Österreich nur ein Volumen von rund 9 000 Hektar aus, für die gesamte Europäische Union handelt es sich aber um 4 Millionen Hektar. Und es wird laut der aktuellen Einschätzung und Prognose einen Unterschied machen, was das heurige Erntejahr betrifft, weshalb wir wirklich sehr intensiv schauen, wo wir zusätzliche Anbauflächen finden, weil wir im Herbst und vor allem im Jahr darauf massiv mit Ernteausfällen, -reduktionen und ‑rückgängen zu kämpfen haben werden.

Deswegen geht es nicht darum, nur – und das ist, glaube ich, schon unser aller Verant­wortung, vor allem auch die Verantwortung hier im Hohen Haus – auf den jetzt aktuellen Zeitpunkt zu schauen, sondern auch darum, etwas vorauszudenken. Und noch einmal, es werden nicht Biodiversitätsflächen freigegeben, sondern einjährige Bracheflächen, und es war mir sehr wichtig, das heute hier auch noch einmal klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Lebensmittelversorgung ist generell das ganz zentrale Thema. Ich darf ganz kurz auf die einzelnen Bereiche vor allem im land- und forstwirtschaftlichen Bereich eingehen. Wir haben ja im letzten Jahr die Gemeinsame Agrarpolitik fertiggestellt, sind gerade da­bei, die nationalen GAP-Strategiepläne fertigzustellen. Österreich hat fristgerecht den Entwurf in Brüssel eingereicht, hat jetzt die Stellungnahme erhalten, und ich war wirklich sehr froh, dass sie so positiv ausgefallen ist: 1 200 Seiten, die wir nach Brüssel geliefert haben, 250 Anmerkungen, der überwiegende Teil sehr positiv. Ich darf mich bei den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer, die intensiv mitgewirkt haben, wirklich sehr herzlich bedanken. Wir werden in den nächsten Wochen noch weiter daran arbei­ten. Wir sind vor allem für unsere massiven Initiativen im Bereich Tierwohl gelobt wor­den, auch Umweltschutz (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), für die Adressierung der wirtschaftlichen Lage der bäuerlichen Familienbetriebe, die in Österreich einen ganz wichtigen Stellenwert haben, und anhand dieser Bewertung werden wir in den nächsten Wochen unsere Arbeiten fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesra­tes Steiner.)

Des Weiteren ist ein großer Schwerpunkt meines Ressorts das Thema Bodenschutz, Bodengesundheit, Bodenfruchtbarkeit. Dazu wurde eine EU-Bodenstrategie vorgelegt. Das Kernziel ist Klimaneutralität des Bodens in der gesamten Europäischen Union bis zum Jahr 2035. Gemäß der EU-Biodiversitätsstrategie sollen sich bis 2050 alle Boden­ökosysteme in der Europäischen Union in einem gesunden Zustand befinden.

Ein ganz zentrales Element ist das sogenannte Carbon Farming, um das Senkenpoten­zial landwirtschaftlicher Böden voll auszunützen. Wir haben das als eines der großen Schwerpunktthemen im Rahmen der französischen Ratspräsidentschaft bearbeitet. Heute, ganz aktuell, werden dazu die Schlussfolgerungen des Rates angenommen.

Auch das Thema Freihandel bleibt weiterhin relevant. Für mich ist vollkommen klar: Ös­terreich bleibt bei einem klaren Nein zu Mercosur. Es gibt starke Bedenken hinsichtlich eines fairen Wettbewerbs für besonders sensible Agrarbereiche, Agrarmärkte, und es gibt durchaus eine Diskrepanz zwischen Green Deal und dem Mercosur-Abkommen. Der Zeitpunkt der Vorlage des Abkommens ist weiterhin unklar.

Auf den europäischen Agrarmärkten sehen wir aktuell sehr große Herausforderungen – ich bin bereits darauf eingegangen: Preisvolatilität, extreme Witterungsbedingungen, Ausbrüche von Tierseuchen wie der Afrikanischen Schweinepest. Hinzu kommt der mas­sive Anstieg der Energiepreise, der sich natürlich auch auf die Betriebsmittelpreise aus­wirkt. Insbesondere ist da der Düngemittelbereich zu nennen, der sich innerhalb des letzten Jahres verdreifacht hat. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Sie wissen, in Europa ist die Produktion auch aufgrund von diversen Kostenmodellen in den letzten Jahrzehnten zurückgefahren worden. Der Angriffskrieg Russlands löst natür­lich noch weitere Verwerfungen aus, und an diesem gesamten Thema müssen wir natür­lich in der gesamten Europäischen Union auch weiter arbeiten.

Ich darf zu einem weiteren Zuständigkeitsbereich kommen, das ist die Forstwirtschaft. Der Wald wird seitens der Kommission insbesondere als Kohlenstoffsenke gesehen. Für mich ist klar, dass wir eine nachhaltige Forstwirtschaft brauchen und dass vor allem die Multifunktionalität der Wälder erhalten werden muss.

Ein weiteres, ganz wichtiges Thema auf europäischer Ebene ist die Entwaldungsverord­nung; diese begrüßen wir ausdrücklich. Es ist das übergeordnete Ziel der EU, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die weltweite Entwaldung und Waldschädigung verringert wird. Die Verordnung regelt den Import und Export unter anderem von Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Soja und Holz. Die Zielsetzung ist absolut richtig, wir plädieren aber vor allem dafür, dass es zu keiner zusätzlichen und manchmal vielleicht auch unnötig anmutenden Bürokratie kommen darf.

Zur Kohäsionspolitik ist zu sagen, dass das neue Legislativpaket für die nächste Periode mit Juli 2021 in Kraft getreten ist. Auch die sogenannte Brexit Adjustment Reserve ist in Kraft getreten. Damit werden Ausgaben gefördert, die im direkten Zusammenhang mit dem Brexit stehen – für Österreich stehen da insgesamt 27,7 Millionen Euro zur Verfü­gung.

In meinen Zuständigkeitsbereich fallen auch die Telekomagenden. Zur Datenschutz­richtlinie konnten 2021 nach über vier Jahren Diskussion die Trilog-Verhandlungen end­lich aufgenommen werden. Diese sollen an die Bestimmungen der Datenschutz-Grund­verordnung angepasst und in eine neue Verordnung umgewandelt werden. Wir begrü­ßen ausdrücklich das hohe Schutzniveau für elektronische Nutzungsdaten, gleichzeitig wollen wir aber auch Innovationen entwickeln, und dem muss entsprechend Rechnung getragen werden.

Außerdem werden wir im ersten Halbjahr 2022 einen Vorschlag für den erleichterten Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen vorlegen; den erwarten wir schon sehr, weil die Technologie da schon sehr weit fortgeschritten ist.

Zum Thema Rohstoff: In meiner Funktion und vor allem auch Zuständigkeit für minerali­sche Rohstoffe im Bergbau ist zu sagen, dass wir die Verringerung der Methanemissio­nen im Energiesektor ganz intensiv im Auge haben. Es geht primär um die verpflichtende Überprüfung von Methanemissionen sowie die Erkennung von Methanlecks im Öl-, Gas- und Kohlesektor. Die Reduktion von Methan im Energiesektor wird absolut begrüßt. Wichtig ist, dass die Reduktionsvorgaben im Einklang mit den technischen Möglichkeiten stehen. Auch da sind wir Gott sei Dank in Österreich schon sehr weit und in guter Zu­sammenarbeit mit der Europäischen Kommission.

Abschließend darf ich noch auf den sehr wichtigen Bereich Tourismus eingehen, der ja vor allem in den letzten zwei Jahren der Covid-Pandemie auf europäischer Ebene an Bedeutung gewonnen hat. Im Rahmen der europäischen Industriestrategie wird für den Tourismus der Transition Pathway erarbeitet. Ziel ist auch da der Übergang in Richtung einer resilienten, grünen und digitalen Wirtschaft. Außerdem soll am 1. Juni ein Vor­schlag zur Kurzzeitvermietungsverordnung vorgelegt werden. Da bringen wir uns sehr intensiv ein, weil es natürlich unser Ziel ist, ein verantwortungsvolles, faires und zuverläs­siges Wachstum bei kurzfristigem Vermieten zu entwickeln. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.35

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bundesrat Bernard: O ja!) – Doch. – Bitte sehr.