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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

939. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. April 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

939. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. April 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. April 2022: 9.01 – 22.04 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Über­nahmegesetz und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finanzmarktaufsichtsbehördenge­setz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Pensionskassengesetz, das Versicherungs­aufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Zahlungsdienstege­setz 2018 und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungs­gesetz 1970 und das Grundsteuergesetz 1955 geändert werden

4. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2022

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Energiekostenausgleich eingeführt wird (Energie­kostenausgleichsgesetz 2022 – EKAG 2022)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geän­dert wird

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Beendigung der Rechtswirkungen des Art. 11 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den Schutz von Investitionen

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Lett­land über die Förderung und den Schutz von Investitionen

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Ar­beits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen-


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und Dolmetschergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das E-Commerce-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Kin­derbetreuungsgeldgesetz und das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (Zivilver­fahrens-Novelle 2022 – ZVN 2022)

13. Punkt: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Kö­nigreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar

14. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmonats-Pro­gramm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes

15. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der Pro­gramme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum in Mit­gliedstaaten und Regionen“ und des Ziels „Europäische territoriale Zusammenarbeit (Interreg)“ für die Periode 2021 bis 2027

16. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus be­treffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisie­rung des Schulunterrichts geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein GeoSphere Austria-Gesetz erlassen und das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Forschungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmonats-Pro­gramm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuerge­setz 2020 geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird

29. Punkt: Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Québec


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30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird

*****

Ergänzung der Tagesordnung ..................................................................................      41

34. Punkt: Antrag der Bundesräte Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schu­mann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ (327/A-BR/2022)

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrag der BundesrätInnen Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schu­mann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag der Bundesräte Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Zukunft dezentraler Le­bensräume“ (327/A-BR/2022) ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittel­bar in Verhandlung zu nehmen – Annahme .................................................  41, 41

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner betreffend Redezeitvereinba­rung in der Präsidialkonferenz ..................................................................................      79

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner betreffend GO-Bestimmun­gen hinsichtlich tatsächlicher Berichtigungen .................................................................    112

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...........................    213

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    214

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      15

Ordnungsrufe ..........................  74, 76, 78, 112, 112, 112, 112, 115, 120, 171, 204

                                                                 204, 204, 204, 204, 204, 204, 204, 210, 210, 210

Aktuelle Stunde (94.)

Thema: „Österreichs Weg gegen Teuerung und Inflation“ ...............................      15


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RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      15

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) ..........................................      18

Korinna Schumann .................................................................................................      18

Josef Ofner ..............................................................................................................      20

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .....................................................      23

Andreas Lackner .....................................................................................................      23

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................      25

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ........................................................      30

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      30

Ingo Appé ................................................................................................................      32

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      33

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      35

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      36

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........      40

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      41

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  37, 214

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Übernahmegesetz und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden (1329 d.B. und 1372 d.B. sowie 10943/BR d.B.) ..............................................................................      42

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      42

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bank­wesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Pensionskassengesetz, das Versicherungs­aufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Zahlungsdienste­gesetz 2018 und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1364 d.B. und 1374 d.B. sowie 10912/BR d.B. und 10944/BR d.B.) ..............................................      42

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      42

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................      42

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................      43

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      44

MMag. Elisabeth Kittl, B


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A ......................................................................................      45

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      45

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      45

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Grundsteuergesetz 1955 geändert werden (1363 d.B. und 1373 d.B. so­wie 10945/BR d.B.) ...................................................................................................      46

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      46

RednerInnen:

Ingo Appé .....................................................................................................  46, 51

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................      47

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      49

Andreas Lackner .....................................................................................................      50

Otto Auer .................................................................................................................      52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      52

4. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvor­schau 2022 (III-781-BR/2022 d.B. sowie 10946/BR d.B.) .......................................      52

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      52

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................      52

Alexandra Platzer, MBA .........................................................................................      54

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      55

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      56

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................      58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-781-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................      60

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Energiekostenausgleich eingeführt wird (Energiekostenaus­gleichsgesetz 2022 – EKAG 2022) (2314/A und 1377 d.B. sowie 10914/BR d.B. und 10947/BR d.B.) ..................................................................................................      60

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      61

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1378 d.B. sowie 10948/BR d.B.) ...............................................................................................      60

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      61

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (2313/A und 1376 d.B. sowie 10949/BR d.B.) ..............................................................................      61


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Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      61

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabo­nusgesetz – KliBG) geändert wird (2315/A und 1379 d.B. sowie 10950/BR d.B.)          61

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      61

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................      62

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................      63

Michael Bernard ......................................................................................................      65

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      69

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      71

Otto Auer .................................................................................................................      73

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      74

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ – Ableh­nung ...............................................................................................................  68, 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      79

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2359/A und 1392 d.B. sowie 10919/BR d.B. und 10940/BR d.B.) .........................      80

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................      80

RednerInnen:

Martin Preineder .....................................................................................................      80

Günther Novak ........................................................................................................      81

Michael Bernard ......................................................................................................      83

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      85

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................      89

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Beendigung der Rechtswirkungen des Art. 11 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1330 d.B. und 1391 d.B. sowie 10941/BR d.B.) ................................      89

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      89

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Beendigung


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des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1419 d.B. sowie 10942/BR d.B.)         89

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      90

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständi­gen- und Dolmetschergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Ein­bringungsgesetz, das E-Commerce-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienzeitbonus­gesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2022 – ZVN 2022) (1291 d.B. und 1400 d.B. sowie 10924/BR d.B.) .......................................................................      90

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      91

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      91

Barbara Tausch .......................................................................................................      92

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      93

Markus Leinfellner ..................................................................................................      94

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      95

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend eine Ver­einbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar (1296 d.B. und 1401 d.B. sowie 10925/BR d.B.) ..............................................................................      95

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................      96

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................      96

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................      96

Stefan Schennach ...................................................................................................      97

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Abschluss von Staatsverträgen zur Forcierung der Haftverbüßung der in Österreich verurteilten Ausländer im Heimatland“ – Ableh­nung ...............................................................................................................  98, 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      99

14. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmo­nats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsit­zes (III-773-BR/2022 d.B. sowie 10926/BR d.B.) .....................................................      99


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 8

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      99

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    100

Marco Schreuder .....................................................................................  104, 113

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    106

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    108

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    109

Christoph Steiner ....................................................................................  111, 114

Ing. Eduard Köck (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    112

Karl Bader ................................................................................................................    115

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ..........................................    115

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-773-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    116

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend eine Ver­einbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der Pro­gramme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum in Mitgliedstaaten und Regionen“ und des Ziels „Europäische territoriale Zusam­menarbeit (Interreg)“ für die Periode 2021 bis 2027 (1297 d.B. und 1398 d.B. sowie 10951/BR d.B.) .........................................................................................................    116

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................    116

RednerInnen:

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................    116

Nicole Riepl .............................................................................................................    118

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    118

Andreas Lackner .....................................................................................................    120

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    122

16. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tou­rismus betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kom­mission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-776-BR/2022 d.B. sowie 10952/BR d.B.) ...........................................................    122

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ...........................................................................    122

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................  122, 131

Martin Preineder .....................................................................................................    124

Andrea Kahofer .......................................................................................................    126

Andreas Lackner .....................................................................................................    127

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    129

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-776-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    132

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts geändert wird (1362 d.B. und 1366 d.B. sowie 10929/BR d.B.)         132

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................    132


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RednerInnen:

Bernhard Hirczy ......................................................................................................    132

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    134

Josef Ofner ..............................................................................................................    138

Marco Schreuder ....................................................................................................    140

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    142

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird (2330/A und 1371 d.B. sowie 10930/BR d.B.) .......................................................................    142

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................    142

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................    142

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................    143

Markus Leinfellner ..................................................................................................    144

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    145

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    146

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein GeoSphere Austria-Gesetz erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsge­setz, das Forschungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errich­tungsgesetz) (1365 d.B. und 1402 d.B. sowie 10913/BR d.B. und 10939/BR d.B.)     146

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    147

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    147

Marco Schreuder ....................................................................................................    148

Florian Krumböck, BA ............................................................................................    149

Günter Pröller ..........................................................................................................    151

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    152

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 15 Abs. 6 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................    153

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2146/A und 1421 d.B. sowie 10931/BR d.B.) .......................................................................    153

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .............................................................................    154

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2222/A und 1422 d.B. sowie 10932/BR d.B.) .......................................................................    154

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .............................................................................    154


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 10

RednerInnen:

Josef Ofner ..............................................................................................................    154

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    155

Dominik Reisinger ..................................................................................................    156

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    157

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    158

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    159

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    159

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (2223/A und 1423 d.B. sowie 10933/BR d.B.) ...............................................................................................    159

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .............................................................................    160

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................    160

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    161

Günter Pröller ..........................................................................................................    162

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    164

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmo­nats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-777-BR/2022 d.B. sowie 10934/BR d.B.)        164

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .............................................................................    164

RednerInnen:

Josef Ofner ..............................................................................................................    165

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    167

Stefan Schennach ...................................................................................................    169

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    172

Bundesminister Mag. Gerhard Karner .................................................................    173

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Keine Verteilung von Migranten in der EU“ – Ablehnung  167, 174

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-777-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    174

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuergesetz 2020 geändert werden (1026 d.B. und 1382 d.B. sowie 10927/BR d.B.) .........................    174

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ...............................................................    174


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 11

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird (1383 d.B. sowie 10928/BR d.B.) ...............................................................................................    174

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ...............................................................    174

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................    175

Sebastian Kolland ...................................................................................................    177

Elisabeth Grimling ..................................................................................................    178

Marco Schreuder ....................................................................................................    179

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................    181

Christoph Steiner ....................................................................................................    182

Karl Bader ................................................................................................................    183

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Teuerungsbremse für die Bürger statt Millionengeschenke für Medienkonzerne“ – Ablehnung .................................................................  176, 183

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    183

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    183

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1361 d.B. und 1388 d.B. sowie 10923/BR d.B.) .......................................................................    184

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .........................................................................    184

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    184

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................    185

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    186

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    189

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................    189

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    190

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (1331 d.B. und 1404 d.B. sowie 10920/BR d.B.) ..............................................................................    190

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    191

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (2334/A und 1406 d.B. sowie 10921/BR d.B.) ..............................................................................    190

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    191


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 12

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Québec (1360 d.B. und 1407 d.B. sowie 10922/BR d.B.)      191

Berichterstatter: Andreas Lackner...........................................................................    191

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................    191

Horst Schachner .....................................................................................................    193

Markus Steinmaurer ...............................................................................................    194

Andreas Lackner .....................................................................................................    195

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    195

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    195

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    197

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    197

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 29, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    197

Gemeinsame Beratung über

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1781/A und 1413 d.B. sowie 10915/BR d.B. und 10935/BR d.B.) .........................    197

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    198

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsge­setz geändert werden (1414 d.B. sowie 10916/BR d.B. und 10936/BR d.B.) .........    197

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    198

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (2350/A und 1415 d.B. sowie 10917/BR d.B. und 10937/BR d.B.) .......................................    197

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    198

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2344/A und 1416 d.B. sowie 10918/BR d.B. und 10938/BR d.B.) .......................................    197

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    198

RednerInnen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    198

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    199

Christoph Steiner ....................................................................................................    200

Johanna Miesenberger ...........................................................................................    204

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    206

Korinna Schumann .................................................................................................    208


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 13

Josef Ofner ..............................................................................................................    208

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    211

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 30, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 31, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 32, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 33, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    212

34. Punkt: Antrag der Bundesräte Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schu­mann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ (327/A-BR/2022) ......................................    212

Annahme des Antrages 327/A-BR/2022 ..................................................................    212

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ (327/A-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzungsstrategie für die Anliegen und Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022 (328/A(E)-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets „Militärische Angele­genheiten“ auf 1 % des BIP (329/A(E)-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der Österrei­chischen Sicherheitsstrategie (330/A(E)-BR/2022)

Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenlawine stop­pen – Entlastung für Österreich (331/A(E)-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kreditvergabe an Pensio­nist:innen (332/A(E)-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Modell Hundecampus (333/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend halbherzige und nicht zielführende Hilfe für in Not geratene Österreicher (3992/J-BR/2022)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 14

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend die Enthaltung des Arbeitsministers zur europäischen Mindestlohn-Richtlinie (3993/J-BR/2022)

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit be­treffend Crowdwork – Richtlinien-Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeit (3994/J-BR/2022)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Altersstruktur von Kassenärzten in Niederöstereich (3995/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend tatsächliche Covid-19-Todesfälle in Österreich (3996/J-BR/2022)

Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Schließung der zweisprachigen Bezirksgerichte in Kärnten/Koroška (3997/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Geplante Einstellung der Wiener Zeitung (3. Folgeanfrage) (3998/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fa­milie, Integration und Medien betreffend Verwendung Bundeszuschussmittel Ausbau Kinderbetreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (3999/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Verwendung Bundeszuschussmittel Ausbau Kin­derbetreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (4000/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bundeszuschussmittel Ausbau Kinderbetreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (4001/J-BR/2022)

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Whistleblower-Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt, Österreich ist säumig – Kocher gegen Schutz für Whistleblower*innen (4002/J-BR/2022)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend geplante E-Ladestel­len auf Stellplätzen und Mautabrechnung (4003/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalsituation in steirischen Gefängnissen (3690/AB-BR/2022 zu 3981/J-BR/2022)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend ungetestete Flüchtlinge auf Reisen durch Österreich in öffentlichen Verkehrsmitteln (3691/AB-BR/2022 zu 3982/J-BR/2022)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Geplante Einstellung der Wiener Zeitung (2. Folgeanfrage) (3692/AB-BR/2022 zu 3984/J-BR/2022)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Aprés-Ski und Pandemie: Warum will die Bundesregierung unbedingt den Impfzwang? (3693/AB-BR/2022 zu 3985/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Informationsaustausch zu Postenschacher um OGH-Vizepräsidentin Marek (3694/AB-BR/2022 zu 3983/J-BR/2022)


 


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 15

09.01.21Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident Günther Novak.

09.01.22*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich eröffne die 939. Sitzung des Bundes­rates.

Das Amtliche Protokoll der 938. Sitzung des Bundesrates vom 9. März 2022 ist aufge­legen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag.Daniela Gruber-Pruner, Eva Prischl und Sonja Zwazl.

09.01.47Aktuelle Stunde


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Österreichs Weg gegen Teuerung und Inflation“

mit dem Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M., den wir herzlich bei uns willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin oder ein Redner pro Fraktion zum Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiede­rum je eine Rednerin oder ein Redner jeder Fraktion sowie anschließend eine Wortmel­dung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm und mache nochmals darauf aufmerksam, dass die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.03.07

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Geschätzter Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Öster­reichs Weg gegen Teuerung und Inflation“ ist das Thema unserer Aktuellen Stunde. An­gesichts des Angriffskriegs von Putin in der Ukraine mag diese Themenstellung man­chen als sekundär vorkommen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), und ange­sichts der Bilder, die wir aus Butscha geliefert bekommen haben, dieser Kriegsgräuel kann ich diese Ansicht durchaus nachvollziehen, auch wenn es einen inneren Zusam­menhang zwischen dem Krieg in der Ukraine und unserer heutigen Themenstellung gibt.

Es werden diese Kriegsgräuel – gestatten Sie mir, dass ich das eingangs auch sage – sicher von der internationalen Strafgerichtsbarkeit zu verfolgen sein, und ich bin sehr zuversichtlich, dass das rasch und umfassend erfolgt, weil dieser Angriff auf die Menschlichkeit, auf die Menschenrechte zutiefst abzulehnen ist.

Wir haben uns gestern auch hier im Europaausschuss des Bundesrates mit der Ukraine und mit den humanitären Hilfsleistungen auseinandergesetzt und diesbezüglich auch


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 16

eine parteienübergreifende, gemeinsame Beschlussfassung getroffen. Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen für die Europakammer des österreichischen Parlaments, dass das so erfolgt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es schon gesagt: Die Teuerung und die Inflation sind nicht hausgemacht, es ist eine importierte Inflation. (Bundesrat Steiner: Genau!) Sie ist zu einem Teil den Entwicklungen in der Ukraine geschuldet. Es sind sicherlich auch die Folgen der Pandemie Ursache (Bundesrat Steiner: Die Maßnah­men!) für diese Teuerungswellen. Und es ist eine absolute Verkennung, liebe Kollegin­nen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, wenn Sie meinen, es wären die Maßnahmen, es wären die Sanktionen die Ursache für diese Teuerung. Nein, der Krieg ist eine der Ursachen für diese Teuerung, und deswegen gilt es darauf hinzuweisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Steiner: Das kommt Ih­nen ganz gelegen, um Ausreden zu suchen! Das ist das Einzige! Falscher Fuffziger!)

Herr Kollege Steiner, es ist ein sehr ernsthaftes Thema und die Österreicherinnen und Österreicher - - (Bundesrat Steiner: Trotzdem sind Sie ein falscher Fuffziger, auch wenn das Thema ...! – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich bedanke mich für die anerkennenden Worte, zumal ich in einigen Monaten einen runden Geburtstag feiere, der leider von ei­nem Fünfziger entfernt ist. Aber danke, dass du mich als so jugendlich einschätzt.

Ich war dabei, zu begründen, was die Ursachen für diese importierte Inflation sind, und zu sagen, dass es kein nationales Phänomen ist, sondern dass es eine internationale Entwicklung ist, die durch verschiedene Ursachen getrieben ist. Es kommen damit die Staaten an die Grenzen des Machbaren.

Es hat eine aus meiner Sicht sehr spannende Glosse in den „Salzburger Nachrichten“ gegeben, in der es geheißen hat, eigentlich wäre die Zeit angebracht, „reinen Wein ein­zuschenken“. Kein Staat der Welt schafft es, seine Bewohner zur Gänze vor den öko­nomischen Folgen – Covid, Ukraine – abzuschotten. Ich zitiere: „So zu tun“, als ob man „all das Böse wegzaubern“ kann, „zeugt von eher kindlichem Politikverständnis“. Ich kann dem viel Wahres abgewinnen.

Was gibt es für Handlungsoptionen? – Man kann die Inflation, insbesondere wenn es eine importierte Inflation ist, nur sehr schwer bekämpfen, aber man kann die Folgen für betroffene Bevölkerungsgruppen mindern und ihnen zeigen, dass man ihre Sorgen und Nöte versteht. Die Oesterreichische Nationalbank und das Wifo haben jüngst auch auf diese Entwicklungen hingewiesen, und auch Volkswirte auf internationaler Ebene war­nen ja nicht zu Unrecht vor einer schwindenden Wirtschaftsleistung und gleichzeitig stei­genden Preisen, was ja zu einer Stagflation führen könnte. Und das ist eine Entwicklung, die toxisch ist und die wir uns alle nicht wünschen.

Da werden die Sozialpartner bei den Lohnverhandlungen ihre Rolle spielen müssen –Stichwort: Lohn-Preis-Spirale (Bundesrätin Schumann: Na, na, na, na!) –, da werden die Nationalbanken ihre Rolle spielen müssen, und da wird Europa auch bei den Sanktio­nen mit Augenmaß agieren müssen.

Die Bundesregierung hat sehr früh ihre Maßnahmen eingeleitet. Ich darf an die ökoso­ziale Steuerreform mit einer Gesamtentlastung über die Laufzeit von 18 Milliarden Euro erinnern; 3,2 Milliarden Euro davon werden heuer schlagend. Ich erwähne beispiels­weise die Senkung der zweiten Einkommensteuerstufe von 35 auf 30 Prozent mit einem Mischsteuersatz von 32,5 Prozent im heurigen Jahr, was bis zu 650 Euro pro Jahr für die Steuerunterworfenen bedeutet.

Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meinem Heimatbundesland Steiermark, aus Mariazell, näherbringen, und zwar von einer Alleinerzieherin mit einem fünf Jahre alten Kind. Sie ist Vollzeitangestellte mit einem Nettogehalt von 1 544 Euro, ihr Ex-Mann zahlt für das Kind Unterhalt. Wenn Sie die Entlastung aus dem Steuertarif, die Entlastung aus der


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Familienbonusaufstockung, die Entlastung durch den regionalen Klimabonus und die Entlastung durch den regionalen Klimabonus für das Kind zusammenfassen, so bedeu­tet das eine Gesamtentlastung von 704 Euro. Das ist für diese Alleinerzieherin mit ihrem Sohn durchaus eine wertvolle Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der Grünen.)

Ich darf als zweites Maßnahmenpaket auf das Antiteuerungspaket mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro verweisen. Die Aussetzung der Ökostrompauschale, der Entfall des Ökostromförderbeitrages, der Teuerungsausgleich für vulnerable Gruppen seien hier angesprochen. Arbeitsminister Martin Kocher hat erst gestern berichtet, dass für die Arbeitslosengeldbezieher und die NotstandshilfebezieherInnen 150 Euro mit dem März­bezug ausbezahlt worden sind. Das ist also auch eine Maßnahme für sehr stark be­troffene Gruppen, und ich glaube, das ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, der von uns gemeinsam gegangen wird.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass wir als dritte Maßnahme das Energiepaket haben. Dieses Energiepaket sieht unter anderem eine 50-prozentige Erhöhung der Pendlerpau­schale und einen vierfachen Pendlereuro vor. Wenn Sie sich die Beispiele näher anse­hen, dann werden Sie feststellen, dass diese Maßnahmen ihre Wirkung durchaus nicht verfehlen. Wenn ich ein weiteres Beispiel aus meinem Heimatbundesland erwähnen darf: In einem Haushalt pendeln beide Personen in die Arbeit und haben Anspruch auf ein großes und ein kleines Pendlerpauschale. Von diesen beiden Personen verdient eine brutto 2 800 Euro, die andere verdient brutto 1 000 Euro. Aus der Entlastung heraus be­deutet das für die erste Person 908 Euro, für die zweite 100 Euro, in Summe 1 008 Euro. Das ist, glaube ich, auch markant und hilft den betroffenen Familien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mein Heimatbundesland Steiermark be­deutet diese Maßnahme in Summe rund 89 Millionen Euro von 400 Millionen Euro, und sie bedeutet für jeden Pendler in etwa 450 Euro. Das ist schon etwas, das auch bei gestiegenen Treibstoffpreisen zumindest hilft. Ich glaube, dass das eine sehr kluge und eine sehr schlüssige Maßnahme ist, die beschlossen wurde.

Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur am Rande die Liquiditätsstärkung für die Unternehmungen durch Steuerabsetzung und deren Bedeutung für die Wirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vergleich macht Sie und uns und die Ös­terreicherinnen und Österreicher sicher. Wenn Sie das Energieentlastungspaket mit an­deren Ländern vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass in Deutschland die Maß­nahmen für drei Monate beschlossen worden sind, in Österreich bis inklusive Juni 2023, und dass das Volumen, das gestemmt wird, in Summe nahezu doppelt so hoch ist als jenes der deutschen Kollegen. Also auch da macht uns der Vergleich sicher.

Es ist also so, dass die Steuerreform über die Laufzeit für alle Gruppen eine wesentliche Entlastung darstellt. Es ist also so, dass die aktuellen Pakete die Folgen dieser Teue­rungswelle und der inflationären Entwicklungen zumindest abfedern. Es ist eine Dimen­sion, die auch im internationalen Vergleich gigantisch ist. Allerdings muss man dazusa­gen – sehr geehrter Herr Finanzminister, ich weiß aus vielen Kontakten und Gesprä­chen, dass du den Blick aufs Ganze hast –, dass es auch so ist, dass jede heutige Mehr­ausgabe Schulden für künftige Generationen bedeutet. Wir müssen daher bei diesen Maßnahmen auf die richtige Balance achten und nicht bereits heute allen Treibstoff, der vielleicht noch in Zukunft zur Verfügung steht, investieren, damit es für einen wirtschaft­lichen Aufschwung und damit für die Sicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen auch noch ein Budget gibt.

Resümee: Die ökosoziale Steuerreform der Bundesregierung von ÖVP und Grünen ist treffsicher. Sie ist auch sozial (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, die ist asozial! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ), sie ist wirkungsvoll und sie ist europaauffällig. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.14



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 18

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet ist. Ich erteile ihr dieses.


9.14.19

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Kollege Buchmann hat in seinen Ausführungen vorhin behauptet, dass aufgrund der Erhöhung des Pendler­pauschales und der Vervierfachung vom Pendlereuro jemand, der brutto 1 000 Euro verdient, im Jahr um 100 Euro mehr erhält. – Das ist falsch. Ich berichtige tatsächlich: Bei brutto 1 000 Euro wirkt sich das Pendlerpauschale überhaupt nicht aus – und der Pendlereuro auch nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Stimmt ja nicht!)

9.14


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


9.15.06

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Wir werden alle ärmer werden – das ist der Satz des Wirtschaftsforschers und Lei­ters des Wifo Felbermayr. Das ist ein Satz, der einem schon große Ängste macht, wenn das ein Wirtschaftsforscher sagt. Ich glaube, es wäre auch ein Satz, der diese Regierung eigentlich zu einem wesentlich intensiveren, koordinierteren und wirkungsvolleren Han­deln animieren müsste, was diese Teuerungswelle angeht.

Wir wissen, dieser schreckliche und grausame Krieg ist natürlich ein Faktor, warum es zu dieser Teuerung kommt. Natürlich ist auch die Pandemieentwicklung ein Faktor, wa­rum es zur Teuerung kommt. Aber jetzt ist die Frage: Wie geht man damit um? Und wenn es heißt, wir alle werden ärmer werden, dann wird das jene, die viel im Geldbörsel haben, nicht so sehr treffen. Sie werden betroffen sein, aber nicht in dem Ausmaß wie andere. Was aber machen all jene, die mittelmäßig verdienen, die Angst haben, durch diese Teuerung abzurutschen? Was machen jene, die jetzt schon an der Schwelle zur Armut stehen oder bereits arm sind? Ärmer als arm geht nicht mehr – das heißt, die fallen ins Bodenlose.

Wir wissen, dass die Situation wirklich mehr als belastend für die Menschen ist. Die In­flation von fast 7 Prozent ist ganz, ganz gewaltig. Wir sehen, die Lebensmittelpreise steigen. Heute hat eine der großen Handelsketten angekündigt, dass sie die Lebensmit­telpreise wieder erhöhen wird, und diese Erhöhung geht aber von einem bereits erhöhten Preisniveau bei den Lebensmitteln aus. Wir sagen als Sozialdemokratie bereits seit Oktober: Werte Regierung, es wäre Zeit, dass man etwas tut! Da passiert etwas, da tritt etwas in Kraft! – Es ist wirklich unerträglich, wie die Teuerung voranschreitet, und es wird nicht oder nur partiell gehandelt. So kann man mit einer riesigen Krise, in der wir mittendrin stecken, nicht umgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen leiden unter den erhöhten Energiekosten. Sie haben Abrechnungen ge­kriegt mit Vorschreibungen, die ihnen wirklich den Boden unter den Füßen wegziehen. Ganz ehrlich, da gibt es Familien, die haben jetzt schon größte Ängste, dass sie sich, sollte bei ihnen die Waschmaschine eingehen, keine neue leisten können. Und die be­kommen jetzt noch einmal eine Nachzahlungsaufforderung für Energiekosten und Stromkosten. Das ist ja nicht nichts. Das ist ganz, ganz belastend für diese Menschen. Da gilt es zu handeln!

Ganz ehrlich: Wir sehen kein wirkliches, konstruktives, zielgerichtetes Handeln. Wenn Sie den Familienbonus erhöhen, dann trifft das nur jene, die sehr gut verdienen. Wenn Sie die Pendlerpauschale erhöhen, dann trifft es besonders wirksam jene, die mehr ver­dienen. Warum machen Sie nicht einen Pendlerabsetzbetrag, wie er von der Arbeiterkammer,


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 19

von der Gewerkschaft und von den Sozialpartnern gefordert wird? Das wäre doch längst notwendig. Ihre Maßnahmen sind nicht treffsicher, in keiner Weise. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz ehrlich: Die Mieterhöhung, das Anpassen der Richtwertmieten jetzt nicht auszu­setzen (Bundesrat Spanring: Wien! – Bundesrat Steiner: Das ist zu spät! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das rote Wien muss es ...!), ist einer der größten Fehler. Mit 1. Mai wird das umgesetzt. Bitte stoppen Sie das noch, wenn Sie es irgendwie können, und zwar rückwirkend! Warum setzen Sie das nicht aus? Das heißt für die Menschen, für die Fa­milien eine Erhöhung und Mehrbelastung von 300 bis 600 Euro im Jahr (Bundesrat Spanring: Der größte Vermieter Österreichs ...!), und zwar für 1 Million Haushalte in Österreich, und zwar nicht nur in Wien – in Salzburg, in Innsbruck, überall ist das der Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man zur Tankstelle fährt und eine Tankladung 100 Euro kostet, dann muss man sich schon fragen: Was heißt denn das für die Familien? Was heißt denn das bei den Einkommenshöhen, die wir haben? Das ist ja unerträglich, das macht ja Angst, und zwar im größten Ausmaß. Und wir sind am Beginn einer Entwicklung. Sie können nicht sagen, wir federn ein bisschen ab, es ist dann vorbei. Da braucht es wirklich eine gute und starke Krisenbekämpfung und nicht, dass man etwas ankündigt und dann nicht weiß, wie es wirkt, oder einen Teuerungsausgleich, bei dem man sagt, man gibt den Menschen Gut­scheine, aber bitte: Tuts nicht bescheißen! – Das kann doch nicht die Form sein, wie man mit Unterstützungsleistungen umgeht. Das ist eine Bankrotterklärung unserer Ver­waltung, und das hat Österreich in keiner Weise verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Entlasten Sie die Pensionistinnen und Pensionisten, es ist dringend notwendig! Wir brau­chen ganz, ganz dringend eine Senkung des Treibstoffpreises und eine Erhöhung des Kilometergeldes auf 50 Cent, einen wirklichen Teuerungsausgleich für jene Familien und jene Menschen, die es jetzt ganz, ganz dringend brauchen. Gerade die Alleinerziehe­rInnen, die erwähnt wurden, brauchen jetzt Unterstützung, weil diese wirklich um jeden einzelnen Cent raufen. Natürlich braucht es auch eine Entlastung für die Unternehmen bei den Energiekosten, das ist ganz klar. Und bitte nehmen Sie – ich darf es noch einmal betonen – die Anpassung der Richtwertmieten zurück! Sie treiben damit die Inflation noch weiter an, und das kann es doch auf keinen Fall sein.

Wir brauchen auch ganz, ganz dringend eine Verlängerung der Kurzarbeit, und zwar mit einer Nettoersatzrate von 90 Prozent. Menschen, die lange in Kurzarbeit sind, haben eine unglaubliche finanzielle Belastung. Da muss etwas getan werden, da muss gehan­delt werden. Wir wissen nicht, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung weiter fortschreibt, und wir wissen, dass wir die Kurzarbeit ganz, ganz dringend brauchen werden.

Bitte machen Sie nicht so Klein-klein-Aktionen, sondern wirkliche Stützungsmaßnah­men, die den Menschen helfen! Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate ist schon längst notwendig. Alle Sozialleistungen leiden natürlich auch unter der Inflation, das ist doch ganz klar. Ich denke da ans Kinderbetreuungsgeld und an die Sozialhilfe und alles weitere. In den Sozialmärkten sind die Regale leer, weil ein­fach so viele Menschen die Leistungen aus diesen Märkten brauchen. Wir stecken also inmitten einer unglaublichen Krise. Bitte tun Sie nicht gönnerhaft, indem Sie sagen: Ja, wir geben euch ja etwas; da ein bisschen einen Ausgleich und dort einen Ausgleich! – Es ist ganz klar, dass der Finanzminister und das Finanzministerium aufgrund der Teue­rung sehr viel höhere Einnahmen hat. Auch das ist klar.

Was eine gute Handlung war, ist, dass Sie den Vorschlag der Sozialpartner zum Preis­monitoring aufgenommen haben. Das war natürlich in jeder Richtung klug, denn man muss jetzt schauen: Wie entwickeln sich die Preise? Vor allen Dingen muss man hin­schauen: Wer sind denn die Gewinner dieser Preisentwicklungen? Wo kann man da eindämmen? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Schwarz-Grün!) Es gibt nicht nur Verlierer


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in dieser Situation, es gibt auch Gewinner, die jetzt Geld in die Taschen einstreifen, und das muss man eindeutig verhindern. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist aber der Staat!)

Auf noch etwas sei hingewiesen, weil es immer wieder sozusagen von Ihnen, Herr Fi­nanzminister, angeführt wird, auch heute in einem Interview von August Wöginger in den „Salzburger Nachrichten“: Die Gewerkschaft möge sich bei den Kollektivvertragsver­handlungen wegen der Lohn-Preis-Spirale zurückhalten. Ich darf da schon den Präsi­denten des Gewerkschaftsbundes Katzian zitieren: Zuerst werden die Preise höher, und dann müssen die Löhne steigen. Es wird nicht anders gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich wird es eine Ausgabenstärkung fürs Militär brauchen. Das ist ganz klar. In dem Zustand, wie das Militär ist, ist das keine Frage, aber es darf dadurch auf keinen Fall zu einer Einsparungswelle beim Sozialstaat kommen. Wir brauchen den Sozialstaat. Wir haben ihn in der Pandemie gebraucht, und die Leistungen des Sozialstaats brauchen die Menschen auch jetzt in dieser schweren Krisenzeit durch den Krieg. Das muss sichergestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die Ausgaben für die Gesundheit. Ihre Pandemiebekämpfung war nicht erfolgreich. Wir wissen nicht, was im Herbst wieder kommen wird. Wir brauchen die Ge­sundheitsleistungen für die Menschen und wir brauchen Bildungsleistungen – keine Frage.

Ich darf noch eines sagen: Wenn ein Bildungsminister sagt, er gibt jetzt 500 Euro Boni an die Direktorinnen und Direktoren aus, dann ist das okay, aber ganz ehrlich: Haben Sie nichts daraus gelernt? Diese Bonusvarianten sind doch schädlich! (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Die Lehrer und die Eltern ...!) Was sagen denn die Pädagoginnen und Pä­dagogen? Die bekommen keinen Fünfhunderter? Die Beschäftigten in den Kanzleien, die Beschäftigten in den Sekretariaten, die vergessen wir? Und die Schulwarte, die ver­gessen wir auch? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Lehrer! Die Eltern!) Es gibt die Leh­rer auch, natürlich. Und die ElementarpädagogInnen sind dieser Bundesregierung völlig gleichgültig, und das ist wirklich unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Stützen Sie die Menschen, schützen Sie sie, denn jetzt in der Krise brauchen Sie es ganz dringend! Bitte schauen Sie, dass Sie auch ein Gesamtkonzept haben, was den Ausbau der erneuerbaren Energie angeht. Da braucht es jetzt wirklich einen Turbo und nicht nur Blabla, sondern wirklich einen Turbo. Denken Sie immer daran: Es geht auch um die Kaufkraft der Menschen, und die Kaufkraft der Menschen hat wiederum Auswir­kungen auf die Klein- und Mittelbetriebe. Die Menschen werden – das ist ganz, ganz klar – bei den Belastungen, die auf sie zukommen, sparen, und sie werden beim Besuch beim Friseur und beim Besuch beim Wirten sparen, und sie werden in den verschiedens­ten Bereichen, auch beim Urlaub, sparen müssen, denn es geht gar nicht anders. Stützen Sie die Menschen, unterstützen Sie sie! Sie brauchen es jetzt. Die Sozialdemok­ratie wird auf jeden Fall dafür kämpfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.25


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.


9.25.17

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuschauer vor den Bildschirmen! Als ich den Titel zur heutigen Aktuellen Stunde gelesen habe – „Österreichs Weg gegen Teuerung und Inflation“ –, habe ich mir gedacht: Entweder ist das ein verspäteter Aprilscherz oder es ist wieder einmal eine Wahrnehmungsstörung innerhalb der ÖVP – gerade beim Finanzministe­rium kommt das ja des Öfteren vor, dass man zu irgendetwas keine Wahrnehmung mehr hat – oder es ist lediglich ein Bußakt der reuigen Selbstgeißelung.


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Auf jeden Fall ist es so, als würde ein Brandstifter die Brandursachenforschung der von ihm selbst gelegten Brände thematisieren, denn wenn Sie von der ÖVP und den GrünIn­nen darüber referieren, wie Sie Österreich in diesen Irrweg der Teuerung und Inflation gelotst haben – getreu dem Motto Ihres Vorgängers: „Koste es, was es wolle“ ‑, dann wäre es ja durchaus in Ordnung, aber dass Sie jetzt den Weg aus der Krise suchen, die Sie selbst verursacht haben, ist ja wirklich nur mehr erbärmlich von Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung hat mit ihrem Management by Chaos, das wir in Österreich ja nunmehr schon seit über zwei Jahren mit den damit einhergehenden sinnbefreiten Maßnahmen haben, unser Land wirtschaftlich und auch finanziell an die Wand gefahren, und es liegt wieder einmal beim Steuerzahler, den hohen Preis – im wahrsten Sinne des Wortes – dafür bezahlen zu müssen.

Und nein, Herr Kollege Buchmann, ausschlaggebend dafür, dass wir heute eine Inflation von knapp 7 Prozent haben, dass wir hohe Treibstoff-, Energiekosten und Mietpreiser­höhungen haben und dass auch die Lebensmittelkosten steigen, die die Familien und die Pensionisten ratlos machen, dass sie mit ihrem Einkommen kein Auskommen mehr finden, und das bei exorbitant steigenden Lebensmittelpreisen, ausschlaggebend dafür ist nicht der Ukrainekonflikt. Nein, dafür ausschlaggebend sind Türkis und Grün. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist einzig und allein der Unfähigkeit dieser Bundesregierung und ihren unsäglichen Coronamaßnahmen zu verdanken, und zusätzlich ein paar Mitgliedern dieser Bundesre­gierung, die wie in Trance einem verstandsbefreiten Ökotrip verfallen sind, der die Si­tuation zusätzlich verschärft. Das hat sich alles schon vor dem Ukrainekonflikt abge­zeichnet. Wenn dann noch die SPÖ – so wie heute Kollegin Schumann – mit einer wei­nerlichen Bittlitanei dazukommt und Maßnahmen gegen die Teuerung fordert, dann ist das gleichermaßen lächerlich wie unglaubwürdig. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wer war denn in den letzten zwei Jahren bei jeder blödsinnigen, unverhältnismäßigen und wirtschaftsschädigenden Maßnahme dabei? – Ja, die Sozialisten waren dabei. (Bun­desrätin Schumann: Ihr habt den Insolvenzfonds ausgeräumt! Gratuliere, FPÖ, Arbeit­nehmerInnen geschädigt!) Bei jeder sich bietenden Gelegenheit habt ihr euch billig kau­fen lassen und euch mit dieser Regierung in das türkis-grüne Coronamaßnahmenbett gelegt (Bundesrätin Schumann: Ihr habt die ArbeitnehmerInnen geschädigt!) und die eigene Bevölkerung drangsaliert. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute dann herzugehen und für das Wohl der Österreicher einzutreten: Ja, entschuldi­gen Sie, Frau Schumann, auf diese Österreicher haben Sie in den letzten zwei Jahren auch gepfiffen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! – Bundesrätin Schu­mann: Aber ihr auch! Ihr habt den Insolvenzfonds ausgeräumt! Bravo!)

Aber das ist halt der Ausfluss bei den Regierungsparteien und bei dieser Scheinoppo­sition à la SPÖ, wenn man keinen Bezug mehr zu den Menschen hat. Man hat auch keinen Bezug mehr zur Realität, wenn man sein Leben in den Tintenburgen und Elfen­beintürmen der Republik oder in Ihrem Fall in den Gewerkschafterbonzenbüros ver­bringt – in wahrscheinlich doppelt so großen Büros wie die Wohnung einer österreichi­schen Durchschnittsfamilie – und vor allem die Betriebskosten nicht selber zu tragen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen gerne vorrechnen, welche Mehrbelastungen die Familien haben. Zum Beispiel hat mir gerade ein Familienvater erzählt, dass er nunmehr eine Strompreiser­höhung von 7,79 Cent pro Kilowattstunde auf jetzt 21,91 Cent hat. Das bedeutet bei ei­nem durchschnittlichen Verbrauch in einem Familienhaushalt von 2 500 Kilowattstunden 350 Euro Mehrbelastung im Jahr. Und das bei jenem Verbund, der als Staatsbetrieb ja genau wieder in schwarzer und roter Hand ist.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 22

Dazu kommt, dass beide Elternteile natürlich mit dem Auto pendeln müssen, denn im ländlichen Raum – welche Überraschung! – gibt es weniger U-Bahnen und weniger Stra­ßenbahnen. Eigentlich kann man nicht sagen, dass der öffentliche Verkehr ein Pendler­verkehr ist, sondern es ist eigentlich ein Busreiseverkehr  man kommt rechtzeitig hin, dafür kommt man dann nicht mehr rechtzeitig zurück. Also der Weg nach Klagenfurt oder nach Sankt Veit muss beispielsweise von meiner Gemeinde Hüttenberg aus mit dem Auto absolviert werden. Das bedeutet für diese Familien bei den gestiegenen Sprit­preisen weitere Kosten in der Höhe von 2 000 Euro im Jahr, dabei haben wir diese unsägliche CO2-Bepreisung noch nicht einmal miteinberechnet – jetzt ist aber auch noch nicht geheizt und vor allem noch nichts gegessen.

Weil wir gerade bei den Lebensmitteln sind: Die örtliche Kauffrau in unserer Gemeinde sagt, dass sie in den letzten zwei Wochen 4 000 neue Preisschilder gedruckt hat, da die Lebensmittelpreise tagtäglich steigen. Da geht es nicht um Peanuts, sondern die werden um mehrere Cent erhöht. Also wenn man all diese Mehrbelastungen zusammenzählt, dann kommt eine Familie im Jahr auf mehrere Tausend Euro, die sie zusätzlich zu be­rappen hat. Das betrifft natürlich genauso die kleinen Unternehmen, aber auch die schwachen Einkommensbezieher, wie beispielsweise unsere Pensionisten, die es mit voller Härte trifft. Eines sage ich Ihnen auch: Wir sind erst am Beginn der Fahnenstange.

Was macht die Regierung in diesem Fall? – Die Regierung möchte die Menschen in unserem Land mit ein paar Hundert Euro in Form eines Teuerungsausgleichs oder eines Heizkostenzuschusses abspeisen, ebenso mit Almosen wie dem Wegfall der Energie­pauschale für Erneuerbare oder des Förderbeitrages.

Jetzt ist mir das in Ihrem Fall, Herr Finanzminister, schon klar, denn was bedeutet das für Sie? Für Sie bedeutet das mehr Steuereinnahmen, denn bei allem, was steigt, sind Sie in dieser Situation der Gewinner. Um aber die Menschen in unserem Land zu entlas­ten, braucht es sofortige Maßnahmen, damit nach zwei Jahren Belastungen endlich wieder einmal die Österreicher die Gewinner in unserem Land sind und nicht Sie, Herr Finanzminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Da braucht man auch kein Wirtschaftswissenschaftler zu sein, um zu wissen, dass na­türlich auch die Unternehmen die gestiegenen Material- und Transportkosten auf den Endverbraucher abwälzen müssen, um entsprechend konkurrenzfähig zu bleiben. Daher haben wir für die Österreicher auch einen Zwölf-Punkte-Entlastungsplan vorgelegt, um die derzeitige Kostenlawine zu stoppen. Wir werden diese Forderung noch heute in Form eines Antrages einbringen, denn um der Teuerung effektiv entgegenwirken zu können, muss es eine sofortige Steuersenkung auf Benzin und Diesel in Form einer Mehrwert­steuer- und Mineralölsteuersenkung geben. Es braucht eine Erhöhung des Pendlerpau­schales und die sofortige Streichung dieser CO2-Abgabe.

Wir brauchen für unsere Familien eine automatische Inflationsanpassung bei den Fa­milien- und Sozialleistungen, ebenso ist dies bei den Pensionen und beim Pflegegeld nötig. Da ich gestern von der Familienministerin gehört habe, dass sie das sofort ablehnt, muss ich sagen: Das ist ja sehr verantwortungsbewusst und vor allem sehr sozial. Und wir brauchen entsprechende Lohnerhöhungen für die Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten.

Was aber nach zwei Jahren schikanöser Coronapolitik gegen die eigene Bevölkerung das Wichtigste ist: Es muss endlich wieder einmal das Wohl der Österreicher an erster Stelle stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass dieses Wohl in diesem Haus außer uns jeder anderen Fraktion völlig wurscht ist (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja klar, das sieht man in der Steiermark! Bravo!), das haben Sie ja bei der Abstimmung im Nationalrat eindrucksvoll bewiesen, als Sie genau diesen Antrag der Entlastung abgelehnt haben. Also bitte hören Sie auf, hier he­rinnen mit weinerlicher Stimme Krokodilstränen zu vergießen! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 23

Uns ist Ihr Zugang völlig bewusst: Da geht es nicht um die Menschen in unserem Land, also weder dieser Chaosregierung noch der SPÖ. Die einen sind ja täglich mit der eige­nen Korruption beschäftigt, während die anderen im Utopieparalleluniversum an ständig neuen Belastungen für die Bevölkerung basteln und die Dritten sich halt ihren Sandkas­tenträumen hingeben: Egal wie, ich möchte endlich Bundeskanzlerin werden! (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Also gibt es nur eine Lösung, um wieder Freiheit und Normalität in unserem Land zu erlangen, und das sind sofortige Neuwahlen, damit dieser Spuk endlich ein Ende hat. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf der Bundesrä­tin Steiner-Wieser.)

9.34


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


9.35.20

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf folgende tatsächliche Berich­tigung vornehmen: Herr Bundesrat Ofner hat behauptet, ich sitze in einem Bonzenbüro in der Gewerkschaft, in dem eine Familie Platz hätte.

Ich lade ihn ganz herzlich ein: Kommen Sie einmal vorbei! Schauen Sie sich mein Büro an: 15 Quadratmeter! Wir wollen nicht, dass eine Familie in solch einem Büro wohnen muss, sicher nicht. Kommen Sie vorbei, schauen Sie sich das an, bevor Sie etwas reden und dort anpatzen, wo das keinen Sinn hat! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist doch keine tatsächliche Berichtigung! – Ruf bei der FPÖ: Das ist keine Berichtigung!)

9.35


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses.


9.36.00

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsident! Werter Herr Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! (Der Redner legt einen Stapel Tafeln auf das Rednerpult.) Ja, was wir derzeit erleben, ist das Zusammen­treffen von gleich drei Krisen, und das nicht nur bei uns in Österreich, sondern in ganz Europa (Ruf bei der FPÖ: ... Schwarz, Grün, Rot!): die Klimakrise, die uns noch sehr lange beschäftigen wird, die Pandemie und jetzt auch noch dieser entsetzliche Angriffs­krieg in der Ukraine mit all seinen Folgewirkungen.

Jede dieser Krisen wäre für sich allein genommen schon schwer genug und hätte enor­me Auswirkungen, alle drei zusammen potenzieren sich und sorgen wirklich für drasti­sche Verwerfungen im ökonomischen und sozialen Gefüge. Was wir derzeit erleben, ist die größte Herausforderung für Österreich, für Europa seit vielen Jahrzehnten. Was wir hier im Parlament erleben und vor allem im Nationalrat seitens der SPÖ vor zwei Tagen erlebt haben, ist Schwarzmalerei und negative Stimmungsmache: Die Menschen sind besorgt, und Sie nutzen dieses Stimmungsbild und legen noch eins drauf!

Wider besseres Wissen stellen Sie permanent falsche Behauptungen auf, wie den Re­gierungsparteien sei das egal, die Regierungsparteien würden nichts unternehmen, die Menschen seien der ÖVP und den Grünen wurscht und so weiter und so weiter. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.) Wenn Sie es heute auch etwas moderater anlegen als vor zwei Tagen im Nationalrat, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass falsche Behaup­tungen nicht wahrer werden, wenn man sie möglichst oft wiederholt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Bundesrätin Hahn: Das gilt für euch genauso! – Ruf bei der FPÖ: Ja, das müsst ihr euch merken!)

Das Spiel, das Sie hier treiben, ist mehr als durchsichtig. Wahr ist nämlich das Gegenteil: Österreich hat als eines der ersten Länder in Europa massive Entlastungsschritte für die


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 24

Menschen gesetzt und ist auch vom Umfang, vom Volumen der Unterstützungsleistun­gen her im europäischen Spitzenfeld. Entgegen Ihren Behauptungen nehmen wir diese Krisen sehr ernst und handeln (Bundesrat Spanring: Der ist ja gar kein ...!), anstatt schwarzzumalen.

Liebe Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, wir haben bereits im Vorjahr – ihr wart ja auch selbst dabei, und in der Regel habt ihr in diesem Haus auch immer zuge­stimmt – zielgerichtete Maßnahmen umgesetzt, die vor allem jene entlasten, die es oh­nehin nicht leicht haben. (Bundesrätin Schumann: Na hätten wir nicht zustimmen sol­len?! – Ruf bei der SPÖ: Das nächste Mal werden wir nicht mehr zustimmen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Habt ihr das alles vergessen?

Ich bringe Ihnen jetzt ein paar Beispiele (Ruf: Wird auch gut sein! Bundesrat Steiner: Die hat ja der Koza schon im Nationalrat gebracht! – Bundesrätin Schumann: Die ken­nen wir schon aus dem Nationalrat! – Bundesrätin Grimling: Das kennen wir schon! – weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), aber ein paar praktische Beispiele, vielleicht kommt dann wieder die Erinnerung.

Ein Beispiel (eine Tafel mit der Aufschrift „2 Erwachsene, 1 Kind, Wien Energiekosten­ausgleich € 150, Reduktion Energieabgaben € 250, Klimabonus/ Steuerreform € 950 Entlastung: ca. € 1.350“ in die Höhe haltend): Für zwei Erwachsene mit einem Kind in Wien (Bundesrätin Grimling: Entlastung 1 350! Das schaue ich mir an!) gibt es durch den Energiekostenausgleich 150 Euro, durch die Reduktion der Energieabgaben 250 Euro, durch Klimabonus und Steuerreform 950 Euro (Bundesrätin Hahn: Geht die Märchenstunde weiter?), das ist eine Gesamtentlastung von 1 350 Euro. (Bundesrätin Hahn: Das ist absolute Märchenstunde! Das stimmt so nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Oder (eine Tafel mit der Aufschrift „Alleinerzieher:in, 1 Kind, Wien Energiekostenaus­gleich € 150, Reduktion Energieabgaben € 200, Klimabonus/ Steuerreform € 500, Ent­lastung: ca. € 850“ in die Höhe haltend): Für eine Alleinerzieherin mit einem Kind in Wien gibt es eine Gesamtentlastung von 850 Euro. (Bundesrätin Schumann: Und was hat sie für eine Belastung? Was ist die andere Seite?) – Es geht darum, dass Sie behaupten, wir machen nichts. Das sind ganz klare, echte Beispiele. (Bundesrätin Schumann: Ja!)

Für eine Sozialhilfebezieherin (eine Tafel mit der Aufschrift „Sozialhilfebezieher:in, 1 Kind, Salzburg Teuerungs-/ Energiekostenausgleich € 450, Reduktion Energieabga­ben € 200, Klimabonus € 200 Entlastung: ca. € 850“ in die Höhe haltend) mit einem Kind in Salzburg gibt es durch Teuerungsausgleich, Energiekostenausgleich, Energieabga­benreduktion und Klimabonus eine Gesamtentlastung von 850 Euro.

Für einen PensionistInnenhaushalt (eine Tafel mit der Aufschrift „Pensionist:innen-Haus­halt, 2 Erwachsene, Pressbaum Energiekostenausgleich € 150, Reduktion Energieab­gaben € 250, Klimabonus/ Steuerreform € 820, Entlastung: ca. € 1.300“ in die Höhe hal­tend) mit mittlerer Pension (Bundesrätin Grimling: Was ist die mittlere Pension?) die Durchschnittspension (Bundesrat Steiner: Die da wäre? Die da wäre? – Rufe bei der SPÖ: Ja, was? Was? Wie hoch? Mittlere Pension, was ist das?)  in Niederösterreich gibt es eine Entlastung von 1 300 Euro. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Neuerliche Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Oder eine Studentin in Linz (Bundesrätin Hahn: Von was reden wir jetzt?), die Studien­beihilfe bezieht (eine Tafel mit der Aufschrift „Student:in mit Studienbeihilfe, Linz Teue­rungs-/ Energiekostenausgleich € 450, Reduktion Energieabgaben € 200, Klimabonus € 133 Entlastung: ca. € 780“ in die Höhe haltend): Teuerungs-, Energiekostenausgleich: 450 Euro; Reduktion der Energieabgaben: 200 Euro; Klimabonus: 133 Euro – das macht circa 780 Euro. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Ruf: Keine Ahnung von irgendwas! Bundesrat Steiner: ... ja, das muss man halt auch ein bisschen ...!)


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Ja, ich hoffe, mit diesen Beispielen ist das Kurzzeitgedächtnis bei einigen hier wieder etwas aufgefrischt worden. Also mit der deutlichen Anhebung des Ausgleichszulagen­richtsatzes  und damit einhergehend der deutlichen Erhöhung der Mindestpensionen, der Sozialhilfe und der Mindestsicherung –, mit der ökosozialen Steuerreform, die insbe­sondere die unteren Einkommen entlastet, mit dem Klimabonus, mit dem Energiekosten­ausgleich, mit dem Aussetzen der Ökostrompauschale beziehungsweise des Ökostrom­förderbeitrages, mit dem Teuerungsausgleich eins und zwei, mit der temporären Erhö­hung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe haben wir  und zwar nicht erst seit gestern  ein ganzes Bündel an Maßnahmen gesetzt, um vor allem jene zu entlasten, die es dringend brauchen, und ja, es wird weitere Maßnahmen geben, selbstverständ­lich. (Bundesrat Steiner: Welche?)

Was wir aber ganz sicher nicht machen werden, ist, die Gießkanne auszupacken (Ruf bei der SPÖ: Wie bei der Pendlerpauschale!), wie etwa von SPÖ oder FPÖ gefordert, die Mehrwertsteuer oder die MÖSt zu senken (Bundesrätin Schumann: Genau, wie bei der Pendlerpauschale!), denn das wären zwar populäre Maßnahmen, die gut klingen, einfach umzusetzen sind und sich gut verkaufen lassen (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), aber das war es dann schon, denn das wären auch Maßnahmen, die wenig ziel­gerichtet wären (die Bundesräte Ofner und Steiner: Genau!), weil Spitzenverdiener zum Beispiel noch mehr davon profitieren würden, Maßnahmen, die sehr viel kosten und in der Wirkung einfach verpuffen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. Bundesrat Steiner: Die Autofahrer wollt ihr alle verbieten!)

Die klugen Lösungen sind halt oft nicht die einfachsten. Es geht aber nicht um einfache Lösungen, sondern es geht darum, gute Lösungen zu haben, die dort ankommen, wo sie gebraucht werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Dafür steht diese Regierung, und daran werden wir weiter arbeiten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.42


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm dieses.


9.42.42

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ja, wir sind mit diesen steigenden Preisen nicht nur aufgrund der russischen Aggression, dieses russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine konfrontiert, aber dieser Krieg im Osten Europas hat natürlich die Situation noch weiter verschärft.

Wir haben uns als Europäische Union in einem einmaligen Schulterschluss dazu ent­schlossen, intensiv gegen die Russische Föderation, gegen das Regime Putin vorzuge­hen. Die notwendigen Maßnahmen, die gesetzt worden sind, sind sehr weitreichend, ja, die sind, was ihre Dimension und ihre Auslegung betrifft, eigentlich auch beispiellos in der Geschichte der Europäischen Union. Ich glaube, das Entscheidende dabei ist, dass wir das Putin’sche Regime treffen (Bundesrat Spanring: ... was soll das heißen?), dass wir mit den Sanktionen den Kreml und auch kremltreue Oligarchen treffen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die sind alle im Hotel Sacher!), der russischen Volkswirtschaft ins­gesamt großen Schaden zufügen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring) und somit auch die Ukrainerinnen und Ukrainer stark im Kampf gegen diese Angreifer unterstützen.

Diese Sanktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirken ja auch, wir sehen das tag­täglich. Die russische Wirtschaft ist stark unter Druck geraten. Allein die Isolierung der russischen Zentralbank hat dazu geführt, dass der Rubel in einem Ausmaß von über 40 Prozent abgestürzt ist, dass die Zinsen sich verdoppelt haben und auf über 20 Pro­zent gestiegen sind und dadurch die Refinanzierung des Staates Russland in Schwie­rigkeiten gekommen ist.


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Wir müssen aber, das sagen wir auch immer dazu, auch aufpassen, dass die Sanktionen uns EU-Mitgliedstaaten selbst nicht mehr als Russland, als das Putin’sche Regime tref­fen. Deswegen ist auch eine sorgfältige Abwägung aller Sanktionen notwendig. Beispiel Gas: Wir sind vom Gas abhängig, ja, wir sind sehr vom Gas abhängig, wahrscheinlich mehr als viele andere europäische Staaten, das ist so, ja. Deutschland betrifft es viel­leicht noch in einem ähnlichen Ausmaß – übrigens die an Russland angrenzenden Staa­ten auch, aber die haben historisch gesehen natürlich einen anderen Zugang zum Ag­gressor.

Wir müssen also schon aufpassen und uns seriös anschauen, wie die Sanktionen wir­ken, ob sie uns mehr treffen als die Russen. Das haben wir auch beim Öl- und Gas­embargo gesehen: Als sich die europäischen Regierungschefs darauf festgelegt haben, kein Embargo auszusprechen, ist der Ölpreis auf den Weltmärkten um 25 Prozent eingebrochen. Also man sieht auch da, erstens wie volatil die Märkte sind, wie volatil die Preise sind und zweitens wie man eigentlich aufpassen muss, da jede Aussage auch ihre entsprechenden Auswirkungen auf die Preise und auf die Märkte hat, und wie er­wartungsgetrieben diese Märkte sind.

In diesem Zusammenhang können wir, glaube ich, auch nur Maßnahmen verantworten, von denen wir wissen, dass wir sie sowohl wirtschaftlich als vor allem auch sozial durchhalten können. Das ist bei jeder Abwägung dieser Sanktionen, glaube ich, ganz entscheidend. Langfristig muss es natürlich Ziel sein, das ist vorhin schon angesprochen worden, dass wir uns unabhängiger machen, unabhängiger von den fossilen Energie­trägern, von den fossilen Energiequellen, vor allem natürlich aus autoritär geführten Staaten.

Ein Ausstieg von heute auf morgen, das wissen wir aber auch, ist nicht möglich, ist nicht realistisch und ist auch nicht verantwortungsvoll gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern. Also wir brauchen vorerst Energiesicherheit. Sie werden ja heute im Zuge der Bundesratssitzung auch noch über die strategische Gasreserve abstimmen. Je nach Gaspreis wird der Bund da noch einmal 1,6 Milliarden bis 2 Milliarden Euro für die Be­füllung dieser Gasreserve in die Hand nehmen.

Zurückkommend zur steigenden Inflation und den daraus resultierenden steigenden Preisen und Teuerungen: Wir erleben aktuell in vielen Bereichen Teuerungen – das wur­de bereits von allen Rednerinnen und Rednern angeführt –, die die Menschen in Öster­reich, in ganz Europa unmittelbar spüren und die sie unmittelbar treffen. Das sind arbei­tende Menschen, die beispielsweise täglich auf ihr Auto angewiesen sind, die unter den hohen Benzin- und Dieselpreisen leiden. Das sind kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund der Pandemie gerade eine Wirtschaftskrise hinter sich haben und jetzt vor den nächsten großen Herausforderungen stehen, und das sind auch Industrieunternehmen, die sehr stark vom Gas abhängig sind, für Zigtausende Arbeitsplätze stehen und diese hohen Energiekosten zu stemmen haben.

Österreich kann sich nicht allein gegen die Inflation stellen, das ist eine importierte In­flation, selbstverständlich, dafür muss man jetzt kein Wirtschaftswissenschaftler sein, um das zu beurteilen. Was kann man tun? Was kann die EZB in ihrer Kompetenz tun?  Sie hat unterschiedliche Möglichkeiten. Sie hat einen Koffer voller Möglichkeiten, muss aber auch ganz stark mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Jede Maßnahme der Europäischen Zentralbank hat natürlich auf das Wachstum, auf die Volkswirtschaft in ganz Europa große Auswirkungen. Was hat sie gemacht? – Sie hat die Anleihenkäufe zurückgefah­ren, um Geld aus dem Markt zu nehmen, um den Markt etwas zu beruhigen.

Andere Schritte, wie beispielsweise Zinssteigerungen, ja, die kann man natürlich disku­tieren die Fed in Amerika ist beispielsweise diesen Schritt mit 0,25 Prozentpunkten gegangen , aber man muss natürlich auch aufpassen, welche Auswirkungen das auf


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das Wachstum auf der einen Seite hätte, aber auch auf die Staaten, die einen höheren Verschuldungsgrad haben, wenn ich an Italien, an Spanien denke. Das hat natürlich auch ganz massive Auswirkungen, deswegen ist das Fingerspitzengefühl von Präsiden­tin Lagarde natürlich ganz stark gefordert.

Was kann die Politik in Österreich tun, um die Menschen zu entlasten – darum geht es natürlich heute hauptsächlich –, um diese Teuerungen auszugleichen, um die höheren Preise abzufedern? – Ja, das ist Aufgabe des Staates, das können wir tun. Die Preise sind ja nicht erst mit dem Krieg gegen die Ukraine, sondern bereits davor gestiegen (Zwischenrufe bei der FPÖ), auf der einen Seite vor allem natürlich aufgrund des schnel­len Wiederhochfahrens der Wirtschaft, natürlich in Kombination mit den Lieferketten, die aufgrund der Pandemie auf der ganzen Welt unterbrochen worden sind.

Frau Kollegin Schumann, ja, Sie haben vollkommen recht, wir müssen bei diesen Preis­steigerungen insbesondere auf die besonders vulnerablen Gruppen schauen. Das ist ganz, ganz wichtig, vor allem die Bezieher kleinerer Einkommen müssen in dem Zusam­menhang entlastet werden, und das tun wir eben auch – das ist eben genau der Punkt –, indem wir für besonders vulnerable Gruppen erstens einmal die Steuerreform gemacht haben.

Ich weiß, über die Steuerreform redet niemand mehr gerne, aber natürlich kommt die Entlastung gerade jetzt zur Wirkung, und das ist gut so. Wir haben die Steuerreform natürlich nicht wegen der Ukrainekrise gemacht, das ist klar, aber wir haben als einziges Land in ganz Europa eine Steuerreform trotz der Pandemie, trotz der Ukrainekrise durch­geführt.

Viele europäische Staaten haben ihre Steuerreformen abgesagt, eigentlich alle außer Österreich. Jetzt kommt uns die Steuerreform zugute, ja, weil gerade die Bezieher klei­nerer und mittlerer Einkommen ganz massiv entlastet werden und in den nächsten Mo­naten dann ja auch noch zusätzliche Entlastungsschritte folgen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Zu den Paketen: Es freut mich, Frau Kollegin Schumann, dass Sie das angesprochen haben, denn genau das war der Sinn vor allem des ersten Paketes, mit dem wir 300 Euro ganz intensiv und konkret für die besonders vulnerablen Gruppen, also für Mindestsiche­rungsbezieher, für Mindestpensionistinnen und -pensionisten, schon sehr früh, früher als alle anderen europäischen Mitgliedstaaten, zur Verfügung gestellt haben. Entfall von Ökostromförderbeitrag und Ökostrompauschale: Ja, das trifft alle, das stimmt, das ist nicht nur für die vulnerablen Gruppen, sondern das betrifft Gott sei Dank alle Gruppen der Gesellschaft, auch die Wirtschaft und Industrie mit einer großen Entlastung.

Die Deutschen zum Beispiel diskutieren erst darüber, ob sie ab dem Sommer in diesem Bereich in einen parlamentarischen Prozess gehen. (Bundesrätin Schumann: Die Deut­schen machen es nicht so schlecht ...!) Na ja, festlegen muss man sich schon. Sie haben auch gewisse Dinge noch einmal festgehalten, und ich darf mir deswegen auch erlau­ben, das hier noch einmal festzuhalten.

Also das ist das eine. Dazu kommt noch dieser 150-Euro-Gutschein, und dazu bitte auch zwei Sätze, wenn Sie mir erlauben – Sie haben das vorhin in Ihrer Rede auch etwas lächerlich gemacht. Dieser 150-Euro-Gutschein ist nicht ganz so trivial, denn – ich darf versuchen, es Ihnen zu klären –: Wir haben als Finanz von jedem Individuum die ein­zelnen Daten. Diese Entlastung in der Höhe von 150 Euro geht an einen Haushalt. Die Energieversorger haben die Daten der Haushalte. So, jetzt haben wir Gott sei Dank in Österreich einen Datenschutz, Sie kämpfen auch immer dafür, Gott sei Dank, ich unter­stütze das auch sehr, und es ist nicht ganz so einfach, zu sagen, die Energieversorger sollen jetzt 150 Euro für jeden Haushalt abziehen, insbesondere jetzt bin ich wieder beim Thema –, weil es natürlich nicht alle treffen soll, im positiven Sinne, sondern die, die es besonders brauchen.


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Sie haben sich vorhin auch noch einmal darüber lustig gemacht, dass man sozusagen mit Eigenverantwortung auch darauf schauen sollte (Bundesrätin Schumann: Wir schauen es uns genau an!), dass man den Gutschein nicht einlöst. Da sind wir aber wieder beim Datenschutz und bei den rechtlichen Herausforderungen, und so viel Eigen­verantwortung, glaube ich, kann man den Österreicherinnen und Österreichern schon zumuten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Übrigens ist das beim Energiekostenzuschuss auch interessant. Ich habe ja oft die Ge­legenheit, die Möglichkeit, mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen darüber zu sprechen, welche Maßnahmen von anderen Staaten in Angriff genommen werden. Inter­essanterweise wird dieser Energiegutschein insbesondere von den sozialdemokrati­schen Kolleginnen und Kollegen in Europa jetzt abgeschaut  also ein Konservativer, der Belgier, ja, aber der Sozialdemokrat in Portugal, der Sozialdemokrat in Schweden, alle schauen uns diesen Energiegutschein ab. Das ist schon etwas seltsam, dass das jetzt doch in ganz Europa Schule macht.

Wir sind nicht besonders stolz darauf, uns ist das recht, wenn es andere machen. (Bun­desrätin Schumann: Sie schauen sich das Notfallprogramm von Deutschland an ...!) – Ja, wir schauen natürlich immer nach Deutschland (Bundesrätin Schumann: Na frei­lich!), liebe Frau Kollegin, selbstverständlich, das ist unser großer und unser größter Partner. (Bundesrätin Schumann: Wir schauen alle voneinander ab, nicht?)  So lernen wir auch alle voneinander, vollkommen richtig. Das ist auch gut so. Momentan ist es halt so, dass wir Vorreiter in Europa sind, was die Geschwindigkeit und auch was das Volumen der Ausgleichsmöglichkeiten, der Hilfsmaßnahmen, Unterstützungsmaßnah­men betrifft. Momentan schauen halt die anderen europäischen Staaten eher zu uns, aber es wird wieder Zeiten geben, in denen wir vielleicht auch von anderen profitieren können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

So, das war das erste Paket, das 1,7-Milliarden-Euro-Paket, und wir haben dann als weiteren Schritt noch einmal ein 2-Milliarden-Euro-Paket vor allem zur Abmilderung der hohen Energiepreise zur Verfügung gestellt. Also insgesamt sind das 4 Milliarden Euro, das ist 1 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Wenn Sie, Frau Kollegin, von Klein-Klein sprechen oder Ihre Parteichefin von Almosen spricht, dann muss ich schon ein bisschen die Dimensionen zurechtrücken. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wenn 4 Milliarden Euro, 1 Prozent unseres BIPs, wenn das Klein-Klein ist (Bundesrätin Schumann: Wie viele Einnahmen haben Sie, Herr Finanzminister, aus der Teuerung? Wie viele Einnahmen haben Sie aus der Teuerung?): Das ist das Jahresbudget des Landes Tirol – des Landes Tirol, Herr Kollege Steiner! (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Steiner: ... Milliarden für sinnlose Tests! Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das Land Tirol hat ein Budget von gut 4 Milliarden Euro, und wir investieren mit diesen beiden Paketen 4 Milliarden Euro.

Also wenn das Klein-Klein ist und wenn das Almosen sind, dann muss man sich schon überlegen, ob nicht das Gespür für die Dimensionen, die Realitäten vielleicht durch die Pandemie etwas verschoben worden ist. (Bundesrätin Schumann: Wie viele Einnah­men haben Sie aus der Teuerung?)  Darf ich bitte ausreden? Sie können ja nachher noch einmal ans Rednerpult kommen. Ich habe Sie vorhin auch nicht unterbrochen.

Ich bitte, diese Dimensionen schon auch immer etwas im Fokus zu behalten. Das ist kein Klein-Klein, ganz im Gegenteil, das ist ein Riesenpaket, das sind zwei Riesenpakete (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) im Ausmaß von insgesamt 4 Milliarden Euro. (Bei­fall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Der Vergleich ist relativ simpel, man muss sich nur die anderen Länder anschauen. Was tun die? (Bundesrätin Hahn: Wie viel Mehreinnahmen hat das Finanzministerium?) Darf ich bitte ausreden? (Bundesrätin Hahn: Ich würde es gern wissen!)  Sie können ja


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gern nachher rauskommen. (Bundesrat Steiner: Die Zeit ist auch schon vorbei!) Es ist im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten ganz extrem. Also wir sehen das im Ver­gleich zu Deutschland  jetzt darf ich den Deutschlandvergleich wieder bringen , aber auch zu den nordischen Staaten wie Finnland, Schweden. (Bundesrätin Schumann: Deutschland hat ein niedriges Preisniveau!) Die Tschechen haben noch gar keine Kompensation gemacht, obwohl sie momentan eine Inflation von über 10 Prozent vor sich haben. (Bundesrat Steiner: Die Tschechen haben aber einen Deckel beim Diesel und Benzin!)

Ja, Herr Kollege Steiner, jetzt komme ich dazu. Man kann natürlich über alle Maßnah­men diskutieren. Es hat einen Riesenmaßnahmenkatalog auf dem Tisch gegeben, viele Vorschläge sind auch von den Sozialpartnern gekommen, überhaupt keine Frage. Und warum haben wir uns eben nicht für die Gießkanne, sondern für diese ganz konkreten Maßnahmen entschieden? Mehrwertsteuersenkung, erster Punkt: Mehrwertsteuer­senkung, das wurde schon vom Kollegen von den Grünen gesagt, ist auf der einen Seite nicht wahnsinnig treffsicher und ist vor allem europarechtlich nicht möglich.

Wenn man sich Maßnahmen anschaut, sollte man schon so seriös sein, sich auf der einen Seite die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, auf das Wachstum, auch auf die Beschäftigung, liebe Kolleginnen und Kollegen, anzuschauen, aber natürlich auch, ob es europarechtlich überhaupt möglich ist – und es ist halt einmal so, dass es Mindest­steuersätze in Europa gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Damit bin ich bei der MÖSt: Auch da gibt es Mindeststeuersätze in Europa. Wir hätten beim Benzin noch Spielraum von 15 Cent, beim Diesel von 8 Cent gehabt – ja, das hätte man in dieser Größenordnung machen können, es wurde natürlich auch diskutiert, aber man hat sich dann für Maßnahmen in Richtung Pendlerinnen und Pendler entschieden.

Sie haben auch über die Absetzbarkeit gesprochen ich wäre gerne auf jeden Satz eingegangen, weil jeder Satz richtiggehend einen Gegensatz herausfordert –, das ist ja genau der Pendlereuro. Der Pendlereuro ist ein Absetzbetrag, und den haben wir ver­vierfacht. (Bundesrätin Schumann: ... aber nicht die Pendlerpauschale!) Also das ist ja genau eine Maßnahme in diese Richtung. Sie könnten eigentlich heute dann auch jeder dieser Maßnahmen zustimmen, ich wäre ja froh. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Lackner.)

Eines muss ich auch noch zu der von Ihnen viel geforderten Preisobergrenze, zum Price cap sagen. (Ruf bei der SPÖ: Das haben wir nicht gefordert!) – Das hat die Gewerkschaft gefordert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Selbstverständlich hat das die Ge­werkschaft gefordert, das ist nachzulesen. – Das ist schon interessant. Also zwei Staaten in Europa machen das: Ungarn und Slowenien. In Ungarn haben wir gesehen, dass es an den Tankstellen zu einer enormen Verknappung führt. Übrigens haben wir in den 1970er-Jahren in Österreich ja dieselben Erfahrungen gemacht. Es ist ja nicht so, dass man nicht aus der Geschichte lernen könnte. Das ist das eine. Und Slowenien macht es, weil dort in drei Wochen Wahlen stattfinden. Diese Maßnahme ist auch zufälli­gerweise auf drei Wochen, bis zur Wahl, befristet. (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

Die hohe Inflation, sehr geehrte Damen und Herren, wird uns natürlich noch weiter be­gleiten, ja. Wir als Republik Österreich liegen zwar Gott sei Dank noch weit unter dem europäischen Schnitt, aber trotzdem ist die Inflation natürlich etwas, das uns weiter begleiten wird, das uns natürlich auch sehr viel Sorge bereitet. Wir rechnen mit einer Jahresinflation von circa 5,8 Prozent, das IHS rechnet mit 5,5 Prozent, also da gehen die Meinungen ein bisschen auseinander.

Wir setzen jetzt auch Sie haben das angesprochen, Frau Kollegin Schumann  eine Expertengruppe ein, die diese Inflationsentwicklung, auch, das muss man eben seriöser­weise sagen, die volkswirtschaftlichen Entwicklungen aufgrund der Inflationsentwicklung


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verstärkt beobachtet und natürlich auch Gegenmaßnahmen entwickeln kann. Wir haben aber natürlich auch viele dieser Maßnahmen, die gerade von den Sozialpartnern gekom­men sind, bereits in diese Pakete mit aufgenommen. (Bundesrätin Schumann: Es liegen aber noch welche am Tisch!)

Prinzipiell, geschätzte Damen und Herren im Bundesrat, kann der Staat, und dazu stehe ich auch, nicht jede Entwicklung auf der ganzen Welt hundertprozentig abfedern, das ist auch nicht Aufgabe des Staates, aber natürlich muss man gegen die derzeitige Teue­rung, gegen die Preissteigerungen vorgehen. Das tun wir in einem ganz massiven Aus­maß, mehr und schneller als alle anderen europäischen Staaten. Wir werden alles da­ransetzen, die Folgen für die Österreicherinnen und Österreicher und auch für unsere Wirtschaft möglichst gering zu halten.

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hat unlängst vor einem Wohlstandsver­lust gewarnt  wir werden sehen. Unser Job ist es, unsere gemeinsame Aufgabe ist es, dieses Szenario eines Wohlstandsverlustes so gut wie möglich zu verhindern. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

9.59


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zuerst hat sich noch Herr Christoph Steiner zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses.


10.00.16

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister Brunner hat in seiner Rede behauptet, eine Mehrwertsteuersenkung wäre EU-rechtlich nicht möglich. – Ich darf ihn tatsächlich berichtigen: Mehrwertsteuersenkungen sind in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union möglich. Wir haben das auch schon ein­mal gemacht.

Ich darf jetzt aus der Parlamentskorrespondenz vom 7. Juni 2020 vorlesen: „Mehrwert­steuersenkung für Gastro-, Medien- und Kulturbereich: Durch die Novelle des Umsatz­steuergesetzes wird der Steuersatz unter anderem für Getränke und Speisen in der Gastronomie, Theater- und Kinokarten, aber auch für Kunstwerke, Bücher, Zeitungen, Zoos und Naturparks bis Jahresende auf 5% reduziert.“

Das war ein gemeinsamer Antrag. Der Anwendungsbereich wurde auch auf „Gastrono­mietätigkeiten, etwa von Fleischern, Bäckern oder Buschenschanken, sowie für Schau­stellerInnen und E-Publikationen ausgedehnt. Die Änderung des Umsatzsteuergesetzes passierte den Bundesrat mit der Zustimmung aller Fraktionen.“

Liebe Frau Schumann, so sieht eine tatsächliche Berichtigung laut Geschäftsordnung aus. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

10.01


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile dieses.


10.01.40

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Finanzminister! Lieber Magnus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seher via Livestream und auf der Galerie! Schaffe, schaffe, Hüsle baue!, ist eine Rede­wendung, die uns Vorarlberger auszeichnen soll. Doch sich ein eigenes Heim zu leisten


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ist angesichts der seit Jahren steigenden Preise zusehends schwieriger geworden, und das nicht nur in Vorarlberg, sondern natürlich in ganz Österreich.

Der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung hat sich 2021 im Durchschnitt um 12,3 Pro­zent verteuert, Tendenz weiterhin steigend. Auch im täglichen Leben spüren wir die Teuerung. Der Preisindex des privaten Pkw-Verkehrs und der Preisindex für einen ty­pischen Wocheneinkauf stiegen 2021 um 6,8 beziehungsweise um 5,7 Prozent, Ten­denz weiterhin steigend. Die Inflationsrate – wir haben es schon gehört – betrug im Feb­ruar nahezu 6 Prozent, Tendenz ebenso steigend.

Deshalb sind die Entlastungsmaßnahmen für gewisse Zielgruppen nicht nur hilfreich, sondern auch wichtig, damit diese weiterhin das Leben bestreiten können. Wir entlasten daher mit einem ganzen Frühlingsstrauß an verschiedensten Maßnahmen, und da ist für jede Zielgruppe etwas dabei.

Zum einen entlasten wir mit der größten Steuerreform der Zweiten Republik Familien durch die Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro pro Kind (Bundesrätin Schumann: Ja, für die Gutverdiener!) und pro Jahr ab 1. Juli 2022.

Wir entlasten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der Senkung der zweiten und dritten Einkommensteuerstufe. Die Senkung der ersten Einkommensteuerstufe haben wir schon umgesetzt. Das ist im Übrigen ein Punkt, liebe Sozialdemokraten, den Sie jetzt fordern, aber noch vor zwei Monaten, im Februar, haben Sie bei der Senkung der zwei­ten und dritten Einkommensteuerstufe im Zuge der ökosozialen Steuerreform nicht zu­gestimmt. So ehrlich muss man dann auch sein. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Lackner. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Schumann: Wir müssen wirklich eine gute Politik machen, wenn ihr euch gar so auf uns draufsetzt!)

Wir entlasten außerdem jene, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, indem wir das Pend­lerpauschale um 50 Prozent erhöhen und den Pendlereuro vervierfachen (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann), und als wichtigen weiteren Schritt entlasten wir besonders jene, liebe Kolleginnen und Kollegen, die es dringend brauchen – vulne­rable Gruppen, Bezieher niedriger Einkommen wie Arbeitslose, Mindestsicherungs-, Aus­gleichszulagen-, Studienbeihilfenbezieher –, mit insgesamt einmalig 300 Euro. (Weitere Zwischenrufe der BundesrätInnen Egger, Grimling und Schumann.)

Das war jetzt ein kleiner Auszug aus wirklich zahlreichen Entlastungsmaßnahmen – viele haben wir in den Reden zuvor bereits gehört –, und dennoch kritisiert die Opposition die Maßnahmen als viel zu wenig. (Bundesrätin Schumann: Na wirklich?!)

Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine große Gruppe der Bevölkerung, die sich gleichzeitig fragt: Ja wer soll denn das bitte alles einmal bezahlen? (Bundesrat Steiner: Das hat man sich bei den Coronamaßnahmen gefragt, ja! 42 Milliarden ...! 42 Milliar­den! – Bundesrätin Schumann: Welche Einnahmen hat der Herr Finanzminister durch die Teuerung, welche Einnahmen?)

Nun hat Österreich sicherlich in den letzten zwei Jahren stark unter der Krise bezie­hungsweise den Krisen gelitten, und in solchen Krisenjahren ist es klar, dass der Staat helfen und viel Geld ausgeben muss. (Ruf bei der SPÖ: Das sagt der Herr Finanzminister nicht!) Solche Krisenjahre schaden jeder Volkswirtschaft.

Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz, Verlustersatz, Ausfallsbonus, NPO-Fonds, Steuerstundungen, nun Teuerungspaket eins und Teuerungspaket zwei – das sind alles Unterstützungsmaßnahmen, die wichtig sind, aber natürlich wahnsinnig viel Geld kosten.

Natürlich könnte man noch mehr Geld ausgeben und unsere Schulden dadurch weiter erhöhen. Fakt ist aber auch, dass wir EU-weit unter den top zwei bei den Coronahilfen


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sind und wir nun das größte Teuerungspaket, das es bislang in Europa gibt, auf den Weg gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

Bei der Forderung nach mehr Erleichterungen und mehr Maßnahmen muss ich den Ball dann schon an Sie, liebe Sozialdemokraten, zurückgeben (Bundesrätin Schumann: Ja! Eh klar! – Bundesrätin Grimling: Na Gott sei Dank! Ja!), denn da gibt es ein Sprichwort, das Sie offensichtlich nicht kennen. Das geht so: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn, Schumann und Spanring.) Sie waren jahrelang in Regierungsverantwortung (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP) und hätten in wirklich guten und starken Wirtschaftsjahren, wie zum Beispiel in den Neunzigerjah­ren, die Möglichkeiten gehabt, mit einem roten Bundeskanzler und einem rot geführten Finanzministerium zu sparen (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), und Sie haben das nicht gemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich finde, die Frage der Finanzierbarkeit gerade für zukünftige Generationen dürfen wir nicht außer Acht lassen. Dieser Frage müssen wir uns schon auch kritisch stellen. (Bundesrätin Schumann: Der hat sich aber der Herr Kurz bei der Aussage „Koste es, was es wolle“ nicht gestellt! Also das ist ja wohl ein Scherzerl!) Wir müssen einen guten Weg finden, um jetzt Hilfe dort zu leisten, wo sie wirklich dringend notwendig ist, aber auch sicherzustellen, dass auch unsere zukünftigen Generationen weiterhin ein gutes Leben führen können. (Bundesrätin Schumann: „Koste es, was es wolle“! „Koste es, was es wolle“!)

Meine lieben Damen und Herren, mit unserem Finanzminister an unserer Seite bin ich aber absolut zuversichtlich, dass das gelingen kann. Den Vorarlbergern eilt ja der Ruf voraus, dass sie besonders sparsam sind. (Bundesrätin Grimling: Ja, Vorarlberg ist ja überhaupt der Inbegriff! – Bundesrätin Schumann: Na ja, bei den Inseraten, bei den Inseraten! – Ruf bei der SPÖ: Wirtschaftsbund!) Das stimmt mich absolut positiv, lieber Magnus, dass dieser Balanceakt auch gelingen kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.07


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses.


10.07.16

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines muss uns schon bewusst sein: Mit der derzeitigen Teuerungswelle stehen wir erst am Anfang einer sehr besorgniserre­genden Entwicklung. Wir taumeln derzeit von einer Krise in die andere, ob es Corona ist, die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine oder der Klimawandel.

Ungeachtet der jetzt bestehenden Krisen: Wenn man sich die Daten ansieht, die zeigen, dass an den Polkappen zurzeit Abweichungen von plus 20 Grad von den langjährigen Mittelwerten verzeichnet werden, verbunden mit einem Abtauen der Eisreserven, dann sieht man, dass wir da vor einer riesengroßen Katastrophe stehen. (Bundesrat Span­ring: ...! Dann reden wir weiter!)

Eines ist aber klar: Die hohen Energiepreise schlagen sich jetzt auch bei den Preisen für den österreichischen Warenkorb nieder. Acht von zehn Gütern sind teurer geworden.

Was wäre jetzt gefordert? – Erstens: Die Senkung der Steuer auf Arbeit. Österreich be­steuert das Arbeitseinkommen mit 47 Prozent. Da, Herr Kollege Lackner, sind wir wirk­lich Europameister, denn der EU-Schnitt liegt bei 41 Prozent. Selbst Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria, sieht es als legitim an, wenn die Gewerkschaften eine 6-pro­zentige Lohnerhöhung fordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, Herr Bundesminister, sehen das leider anders. Es kommt halt darauf an, wie viel man im Monat verdient. (Rufe bei der SPÖ: Genau!)


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Schellhorn stört es auch, dass bei einer 6-prozentigen Erhöhung der Löhne nur 4,7 Pro­zent tatsächlich bei den Arbeitern ankommen würden. Beim Rest schneidet der Staat kräftig mit.

Kollegin Eder, Sie haben gefragt: Wer soll das bezahlen? – Ja, das bezahlen wir alle. Wenn die Rede davon war, dass das Hilfspaket 4 Milliarden Euro umfasst: 7 Milliarden Euro mehr werden jetzt durch die Teuerung in die Staatskasse gespült. Also ist da schon eine gewisse Refinanzierung vorhanden.

Jetzt rede ich nicht vom Treibstoff, weil ja die Kollegen von den Grünen vehement da­gegen sind, dass es eine Senkung des Treibstoffpreises gibt, weil dann die anderen Ziele nicht erreicht werden können. Dass der Treibstoffpreis aber ein Treiber ist, der die ganze Entwicklung befeuert, liegt ebenfalls klar auf der Hand – und da trifft es die Ärms­ten der Armen.

Schellhorn vermisst auch eine klare Strategie der Regierung. Im Gegensatz zur Regie­rung in Deutschland meint die österreichische Regierung, sich da irgendwie durch­wurschteln zu können. Anstatt mit Einmalzahlungen herumzudoktern, wäre es längst an der Zeit, dass die Regierung bei den Ärmsten langfristig ansetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben ja in Ihrer ersten Stellungnahme selbst bestätigt, dass da massiver Handlungsbedarf besteht. Das heißt, es wäre höchst an der Zeit, eine Erhöhung der Mindestsicherung, der Mindestpensionen und der Notstandshilfe vorzu­nehmen und den von uns schon lange geforderten Mindestlohn von 1 800 Euro einzu­führen.

Weiters braucht es eine sofortige Preisdeckelung bei Strom und Gas, denn die Strom­anbieter machen derzeit das Geschäft ihres Lebens und nutzen die Gunst der Stunde, um durch die Kopplung des Strompreises an den Gaspreis auch den Strompreis anzuhe­ben. Energiequellen wie Wasser und Wind sind aber im Vergleich nicht teurer geworden. Daher gilt eines: Die Gewinne sofort abschöpfen, umverteilen und eine Gewinnsteuer einführen!

Haupttreiber für die höheren Preise sind die Energiekosten. Diese wirken sich massiv auf das tägliche Leben aus, und zwar in Bereichen, in denen man nicht sparen kann: bei Heizung, Miete und Essen. Bitte vergessen Sie das nicht, wenn Sie die nächsten Maß­nahmen setzen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.11


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile dieses.


10.12.01

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Minister, Sie haben in Zitierung des deut­schen Kollegen gesagt, es droht ein Wohlstandsverlust und den gilt es zu verhindern. – Herr Minister, es droht kein Wohlstandsverlust, sondern es ist derzeit ein ganz massiver Wohlstandsverlust im Laufen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser Wohlstandsverlust ist zu einem Großteil – aber bei Weitem nicht allein – der Inflation geschuldet. Bitte überlegen Sie nur einmal – Sie haben es ja erwähnt –: Wir sind seit Jahren in einem Bereich der Negativzinsen. Die Leute bekommen auf ihre Sparguthaben nichts. Eine Inflation von 6 Prozent, die wir ja haben, bedeutet, dass das reale Sparguthaben der Bevölkerung um 6 Prozent pro Jahr geschrumpft wird. Wenn das kein Wohlstandsverlust ist! Ja, vielleicht ist es keiner für Bill Gates oder für Herrn Zuckerberg, denn die haben keine Sparguthaben, die haben andere Anlageformen, aber der durchschnittliche österreichische Mensch ist auf seine Konten, Sparguthaben, Fonds und dergleichen angewiesen.


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Das geht aber weiter, das betrifft genauso die sogenannte private Pensionsvorsorge. Dort gibt es nicht nur das Problem eines derzeitigen Realpensionsverlustes von 6 Pro­zent, weil es keine Erträge gibt, sondern dort gibt es seit zwei, drei Jahren meistens sogar laufende Pensionssenkungen, weil aufgrund der Nullzinspolitik nicht einmal die Verwaltungskosten dieser Fonds erwirtschaftet werden können. Man kann daher, aus­gehend von der jetzigen Inflationsrate, annehmen, dass es in den letzten zwei Jahren eine etwa 7- bis 7,5-prozentige reale Senkung der Kaufkraft bei Zusatzpensionen gibt. Das sind dramatische Entwicklungen.

Die Inflation – da haben Sie natürlich recht – ist nicht hausgemacht, sondern importiert. Das ist ein Effekt davon, dass wir in wichtigen wirtschaftlichen Fragen die Souveränität aufgegeben haben und dass wir halt im europäischen Raum drinnen sind und mehr oder minder machtlos zusehen mussten und zusehen, wie die Geldschwemme die Inflation auslöst. Diese Geldschwemme wird ja nicht nur gebremst – sie wird bei der direkten Ausgabe durch die Europäische Zentralbank eingeschränkt, weil die weniger Anleihen aufkauft –, sondern sie wird durch den sogenannten Wiederaufbaufonds extrem befeu­ert, mit dem mehr oder minder aus dem Nichts im Zugriff auf zukünftig irgendwann ein­mal zu verdienende Mittel 750 Milliarden Euro – manche sagen: 806 Milliarden Euro, mit Nebenkosten – in den Markt gepumpt werden, um die Inflation weiter anzuheizen.

Da habe ich aber von keinem Versuch von Österreich gehört, in der EU vorstellig zu werden und zu sagen: Kinder, bei der jetzigen Situation ist es ein Wahnsinn, die Mittel aus diesem Fonds weiter zu vergeben! (Beifall bei der FPÖ.) Das muss sofort einge­froren werden, unabhängig davon, dass wir mit unserer Zustimmung zu diesem soge­nannten Fonds in die Schuldenunion eingetreten sind. Ganz unabhängig davon ist es ein Gebot der Stunde, dass alles unterlassen wird, was diese Inflation weiter befeuert. Niemand kann sagen, dass diese 750 Milliarden Euro nicht ein Turbo für die Inflation sind.

Jetzt aber zu den möglichen Maßnahmen: Herr Minister, selbstverständlich wäre es möglich und auch geziemend, wie man in einer Kirche sagen würde, die Steuern zu senken, denn die inflationäre Entwicklung vor allem im Energiesektor führt zu einem Turbo bei den Staatseinnahmen. Der Staat profitiert überall mit. 40 Prozent Erhöhung des Preises eines Energieträgers bedeuten 40 Prozent höhere Staatseinnahmen.

Keinesfalls sind wir irgendwo bei den Mindestsätzen, die die Europäische Union vor­schreibt, angelangt. Es wäre überall möglich, auf die Mindestsätze hinunterzugehen. Überall wäre das möglich, wir sind nirgends bei den Mindestsätzen. Vielleicht sind wir es irgendwo, aber bei fast allen Steuern sind wir nicht bei den Mindestsätzen, weder bei den Mehrwertsteuern noch bei der Mineralölsteuer.

Wir haben auch nichts unternommen, um die gigantische Inflation, die auf dem Immo­bilienmarkt herrscht, für die Leute ein bisschen leichter erträglich zu machen. Rechnen Sie nur einmal nach, was allein die Explosion der Immobilienpreise an zusätzlichen Grunderwerbsteuereinnahmen und Einnahmen aus den Grundbucheintragungsgebüh­ren gebracht hat! Diese Einnahmen haben sich, nur aufgrund der enormen Inflation auf dem Grundstücksmarkt, in den letzten Jahren um etwa 200 Prozent erhöht. Auch da wäre es überhaupt kein Problem, von 3,5 Prozent auf 2,5 Prozent hinunterzugehen, zum Beispiel bei der Grunderwerbsteuer. Das wäre eine gewisse Hilfe und würde die Steu­ereinnahmen jetzt nicht zusammenstreichen, sondern auf das Niveau zurückführen, auf dem sie vor etwa drei, vier Jahren gewesen sind.

Es ist also viel zu tun. Das Einzige, was gemacht wird: Es werden staatliche Geschenke, Bonbons verteilt, Gutscheinchen, da eine kleine Entlastung und dort eine Möglichkeit, sich etwas zurückzuholen. – Das ist keine seriöse Politik, das ist keine Antwort auf das dramatische Szenario, das es gibt. Das kann man auch nicht damit rechtfertigen, dass


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wir von Krisen umgeben sind, sondern Krisen sind dazu da, dass darauf reagiert wird, und nicht dazu, dass Mittel im Staat akkumuliert werden, die Inflation befeuert wird, der Lebensstandard der Leute gesenkt wird und dann Geschenke verteilt werden (Beifall bei der FPÖ), noch dazu, wenn – anders als in Slowenien –, zumindest nach Ihren Aussa­gen, derzeit ja keine Wahlen anstehen. (Bundesminister Brunner: Genau!) – Auf Wie­dersehen! (Beifall bei der FPÖ.)

10.17


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


10.18.06

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich möchte meine 5 Minuten verwenden, um einen kritischen Fokus auf einen Aspekt zu richten, den ich noch zu wenig ausgeleuchtet sehe, der auch durchaus heikel ist, nämlich auf die mögliche Rolle der Energieversorger – im Konkreten der Landesgesellschaften und der Gesellschaften im mehrheitlichen Bundes­eigentum –, zur Krisenbewältigung beizutragen.

Zum Beispiel Strom: Ich möchte das gerne ein bisschen ausführen. Da gibt es eine Grup­pe, die von der Krise profitiert. Ich sage aber auch: Sie tut das nicht aus böser Absicht, nein, sondern die Logik dahinter ist eine Marktlogik. Warum ist das so? – Viele von Ihnen werden in den letzten Tagen so wie auch ich einen Brief von ihrem Stromversorger be­kommen haben, in meinem Fall von der Gruppe Illwerke VKW. Da sind sehr detailliert die Preisänderungen aufgelistet. Aus Kundensicht erfreulich und natürlich sehr, sehr wichtig ist, dass diese zumindest teils, was die Gesamtkosten, also die Stromkosten brutto, betrifft, sehr moderat ausgefallen sind. Im Falle der Illwerke VKW sind das für Kleinkunden 5 Prozent Preiserhöhung. Das ist nicht nichts, aber es ist gedämpft. Diese Dämpfung ist übrigens ausschließlich der Reduktion von Gebühren, die bundesseitig durchgeführt wurde, zu verdanken.

Werfen wir aber einen genaueren Blick auf die Stromrechnung: Da sieht man, dass im geschilderten Fall eine Erhöhung des Energiepreises um 43 Prozent ansteht. Das ist wie gesagt im Fall der Illwerke so. Wenn man Kunde des Verbundes ist, dann ist in diesem Brief eine Erhöhung um 64 Prozent dokumentiert. Das sind schon gewaltige Preiser­höhungen des Energieteiles in der Rechnung. Es lohnt sich ein Blick darauf, wie so et­was zustande kommt, um dann debattieren zu können, was man tun kann.

Argumentierter Grund für diese Preisanhebungen sind die gestiegenen Großhandels­preise am Spotmarkt. Tatsächlich sind diese jenseits von 20 Cent pro Kilowattstunde, nur für die Energie. Diese Preisbildung wiederum – jetzt wird es ein bisschen technisch – erfolgt an der Börse nach dem sogenannten Merit-Order-Verfahren. Was heißt das? – Täglich werden Strommengen bestellt, und dann werden die Erzeugungsangebote nach Preis geordnet. Und zwar wird das so lange aufgefüllt, bis die ganze Nachfrage abge­deckt ist. Der Preis definiert sich dann für alle nach dem teuersten Kraftwerk, das man braucht, und das ist in diesem Fall ein Gaskraftwerk.

Wenn wir jetzt aber auf die Produktionskosten der Landesgesellschaften und des Ver­bundes schauen, dann sehen wir, dass es ganz anders aussieht. Warum? – Weil diese in der Regel – und das ist auch gut so; da gibt es keine Kritik – einen sehr hohen Eigener­zeugungsanteil auf Basis von erneuerbaren Energien, vor allem von Wasserkraft, haben. Deren Kosten sind aber nicht gestiegen.

Es bleibt ein gewisser Teil, der zugekauft werden muss. Allerdings kaufen die Versorger für die nächsten Jahre täglich zu. Also da gibt es eine sehr, sehr starke Preisgleitung und -dämpfung, die weit unter den Marktpreisen ist. Es bleibt ein kleiner Teil, der wirklich auf dem Spotmarkt gekauft werden muss.


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Was will ich sagen? – Man kann aufgrund dieses Mechanismus davon ausgehen, dass die Energiepreiserhöhung, also der Energiepreisteil in der Rechnung, um ein Mehrfaches höher ist als die Kostenerhöhung. Oder anders formuliert: Die Landesgesellschaften und der Verbund, am Beispiel Strom, fahren in der jetzigen Situation kräftig Gewinne ein.

Was es meines Erachtens nicht geben sollte, ist, dass in einer Krise jemand durch die Krise Profite macht und diese nicht zurückgibt. (Bundesrat Spanring: In der Coronakrise hat es ja keine Gewinner gegeben!) Was wäre da also zu tun? – Die Landesgesell­schaften und der Verbund haben Eigentümer, die wir gut kennen, und diese wiederum können berechtigterweise mitreden, was mit den Gewinnen, sprich Dividendenzahlun­gen, die in Zukunft höher ausfallen werden, zu erfolgen hat. Mit anderen Worten: Aus meiner Sicht wäre es nur recht und billig, wenn diese Mittel zweckgebunden würden: für die Energiewende, für Klimaschutz, für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und na­türlich für Sonderprogramme, um einkommensschwachen Haushalten zu helfen, ihre Kosten langfristig zu reduzieren. Das ist beispielhaft. Da könnte man direkt etwas tun.

Ähnliches gilt für andere Profiteure, vor allem in der Ölindustrie – das wird ein bisschen breiter diskutiert –, auch in der Gasindustrie. Auch da, finde ich, darf man nicht einfach zuschauen. Jedenfalls kann man dort, wo Eigentümerverhältnisse bestehen, über den Umgang mit Dividenden steuern, wie mit diesen Mitteln umgegangen wird, und einen Beitrag leisten, um Preisdämpfungen für die Menschen vorzunehmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.23


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


10.23.41

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine löst einen Preisschock auf den Rohstoff­märkten aus. Gas, Öl und Agrarrohstoffe, unter anderem Lebensmittel, haben sich dadurch allesamt in einem Rekordtempo verteuert. Die Inflationsprognosen für 2022 stiegen auf annähernd 6 Prozent, somit auf den höchsten Stand seit 1985. Die Preise hatten aber schon in der zweiten Jahreshälfte 2021, ausgelöst durch das starke Wirtschaftswachs­tum und nach wie vor bestehende Probleme bei den Lieferketten, stark angezogen.

Der Höhepunkt der Preisdynamik wird für April und Mai 2022 mit monatlichen Inflations­raten von bis zu 7 Prozent erwartet, wobei die Hälfte der Inflation auf globale Faktoren zurückzuführen ist, 30 Prozent auf Liefer- und Angebotsengpässe, 20 Prozent auf Nach­frageeffekte aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs. Die Energiepreise sind für die Hälfte der Gesamtinflation 2022 verantwortlich, obwohl Energie nur einen Anteil von 7,4 Prozent am VPI-Warenkorb darstellt.

Die öffentlichen Haushalte profitieren sowohl durch die Inflation an sich als auch insbe­sondere durch die Energiepreissteigerungen. Sie profitieren durch höhere Umsatzsteu­ereinnahmen und höhere Dividenden aus den staatlichen Beteiligungen an den Energie­unternehmen – wir haben es schon gehört: Verbund, OMV –, höhere Mineralölsteuerein­nahmen und höhere Umsatzsteuereinnahmen durch Preise im Konsum. Damit eröffnen sich finanzielle Spielräume über diese Windfall Profits, die der Staat vollständig an die Haushalte und die Wirtschaft zurückgeben sollte.

Da die derzeitige Teuerung zumindest zur Hälfte über steigende Preise für fossile Ener­gieträger, vor allem für Erdgas, erfolgt, muss zudem ein rascher und konsequenter Aus­stieg aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bei gleichzeitiger Versorgungssi­cherheit erfolgen. Kurzfristig kann der Staat die Auswirkungen der Teuerung nur ab­federn: durch ein Herabsetzen energiebezogener Steuern, wie der Elektrizitäts- oder


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Erdgasabgabe, aber nicht des CO2-Preises, das Umsetzen längst überfälliger Entlas­tungsschritte und die gezielte Unterstützung der von der außerordentlichen Teuerung besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen.

Sechs Punkte im Einzelnen: Zuerst wäre da die Senkung oder Streichung der Ener­gieabgaben, Elektrizitäts- und Erdgasabgabe. Wir kommen heute noch dazu. Das un­terstützen wir. Das würde sowohl Unternehmen als auch Haushalte breit entlasten. Da ginge es heuer um 800 bis 900 Millionen Euro.

Zweitens: Die Abschaffung der kalten Progression, auf die ich noch im Detail eingehen werde, würde alle Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommensteuerzahler entlasten, daher breit wirken. Das wären heuer zwischen 1,6 und 2,1 Milliarden Euro, nächstes Jahr zwischen 1,9 und 2,6 Milliarden Euro.

Drittens: eine Senkung der Lohnnebenkosten, wovon ein Drittel nicht arbeitnehmerbezo­gen ist. Die Personalkosten sind bekanntlich oft der größte Kostentreiber in den Unter­nehmen. Die kurzfristig erzielbare Reduktion beziehungsweise das Entlastungspotenzial wären rund 0,5 Prozent, das wären 750 Millionen Euro.

Viertens: die Unterstützung von Haushalten mit niedrigem Einkommen, die darauf ab­zielt, soziale Härtefälle zu vermeiden, anstatt mit der Gießkanne eine Art Inflationsaus­gleichstransfer zu machen. Möglichkeiten dazu wären zum Beispiel die Indexierung der Familienbeihilfe, die temporäre Erhöhung bestehender Transferleistungen wie Heizkos­tenzuschuss oder Mindestsicherung sowie die gezielte thermische Sanierung und der Heizungstausch im sozialen Wohnbau.

Fünftens: die Unterstützung besonders betroffener Unternehmen, zum Beispiel durch Liquiditätshilfen, wie die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen und die frühzeitige Rückvergütung von Energieabgaben.

Sechstens: ein Aktionsplan zum umgehenden Ausstieg aus russischem Erdgas. Einen Antrag dazu hat Kollegin Doppelbauer im Nationalrat eingebracht.

Der Staat darf nicht an der Teuerung und der zusätzlichen Belastung der BürgerInnen verdienen. Von staatlicher Seite sollten daher die durch die Preissteigerungen erzielten Mehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Der größte Punkt dazu ist die kalte Progression, eine Art Inflationssteuer. Die fällt umso höher aus, je höher die Inflation ist. Sie kostet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler grob ge­rechnet jährlich rund 250 Millionen Euro pro Prozentpunkt der Inflation. Heuer wären das 1,5 Milliarden Euro.

Wir hören immer als Gegenargument nach der Wahl – denn vor der Wahl versprechen alle die Abschaffung der kalten Progression –, dass Bezieher höherer Einkommen von der Abschaffung der kalten Progression übermäßig profitieren würden. Wir haben uns das ausgerechnet, wir haben Bruttomonatseinkommen von 1 250 Euro bis 10 750 Euro verglichen: Die verhältnismäßig stärkste Belastung durch die kalte Progression gibt es beim niedrigsten dieser Einkommensbeispiele.

Während die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sich die Steuerreformen de facto selbst finanzieren, müsste die Regierung nach der Abschaffung der kalten Progression diese durch Reformen gegenfinanzieren. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.29


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.29.18Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Hinsichtlich der eingelangten und verteil­ten Anfragebeantwortungen,


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eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Euro­päischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen sind.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen ist.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen (Anlage 1) (siehe auch S. 14)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministe­rin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler von 6. April 2022 (nachmittags) bis 8. April 2022 in Griechenland, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundes­ministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab wahr­nehmen wird (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung)

3. Petition

Petition betreffend S-Bahn-Anbindung für Grazer Norden durch Errichtung einer S-Bahn-Haltestelle im Bezirk Gösting forcieren, überreicht von Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (47/PET-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe bekannt, dass von den Bundes­räten Schwarz-Fuchs, Schumann, Steiner, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Antrag auf Abhaltung einer parlamen­tarischen Enquete zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ eingebracht wurde.

Hierzu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu neh­men.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Schwarz-Fuchs, Schumann, Steiner, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, diesen Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag, den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrit­telmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ ergän­zen und diesen als 34. und somit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen An­trag 327/A-BR/2022 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gesetzt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 5 bis 8, 10 und 11, 20 und 21, 24 und 25, 27 bis 29 sowie 30 bis 33 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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10.33.271. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Übernahmegesetz und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden (1329 d.B. und 1372 d.B. sowie 10943/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfonds­gesetz 2011, das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Zahlungsdienstegesetz 2018 und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1364 d.B. und 1374 d.B. sowie 10912/BR d.B. und 10944/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Berichte.


10.34.13

Berichterstatter Otto Auer: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Übernah­megesetz und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative In­vestmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Pensions­kassengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Zahlungsdienstegesetz 2018 und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden.

Auch dafür liegen die Unterlagen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


10.35.53

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Tagesordnungspunkt 1, Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsge­setz, das Übernahmegesetz und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert


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werden: Dieses Gesetz wird von unserer Fraktion mitgetragen, und die Zustimmung dazu wird erfolgen. Nähere Details dazu werden sicher von den nach mir folgenden Red­nern erörtert.

Ich möchte auf den Tagesordnungspunkt 2 näher eingehen, da dieser von unserer Fraktion nicht mitgetragen wird. Darin werden die Begleitmaßnahmen für die Umsetzung der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanz­dienstleiungssektor gesetzlich geregelt. Die Transparenz bei der Bewerbung ökologi­scher und sozialer Merkmale und bei nachhaltigen Investitionen in regelmäßigen Berich­ten muss ab 1.1.2022 umgesetzt werden. Der Rest hätte eigentlich schon ab März 2021 und die technischen Regulierungsstandards durch die EU-Aufsichtsbehörden schon ab 29.12.2019 umgesetzt werden sollen.

Die Verordnung aus dem Jahr 2019 wurde im Jahr 2020 mit der Verordnung aktualisiert, die dann ab 1.1.2022 etappenweise in Kraft tritt. Die Änderung der Richtlinie für Versi­cherungen hätte schon bis 30.6.2021 umgesetzt werden müssen, ebenso die Richtlinie, die das Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsnormen für die Aufsichtsregelungen über die Schwarmfinanzierungsdienstleister auf den 10. November 2021 verschoben hat.

Unabhängig von den Inhalten sehen wir die Ablehnung durch die Verspätung von einem Jahr bei der Umsetzung von Richtlinien und Begleitmaßnahmen als begründet. Hinzu kommt die Kritik der AK in der Stellungnahme, dass die nachhaltigkeitsbezogenen Offen­legungspflichten nicht in die Bestimmungen des Alternativfinanzierungsgesetzes über­nommen wurden. Außerdem fehlen für AnlegerInnen wesentliche Transparenzvorgaben nicht nur dahin gehend, ob Informationen überhaupt vorliegen, sondern auch, ob sie inhaltlich kontrolliert werden. Daher stimmen wir diesem Tagesordnungspunkt nicht zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.38


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Elisabeth Matters­berger zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


10.38.41

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher auf der Galerie sowie zu Hause via Livestream! Bei den Tagesord­nungspunkten 1 und 2 geht es um eine Reihe von Gesetzesänderungen betreffend Ban­ken, Versicherungen und den Wertpapierhandel, um die Börse und um die Finanzmarkt­aufsicht. Es geht hier um die Umsetzung von EU-Regelwerken.

Es handelt sich bei diesen Gesetzesänderungen um eine sehr komplexe und kompli­zierte Materie, aber konkret soll mit Tagesordnungspunkt 1 beschlossen werden, dass die Finanzmarktaufsicht zukünftig auch die Aufgabe als Abwicklungsbehörde für zentrale Gegenparteien übernimmt. Die FMA wird dafür auch mit Sanktionsbefugnissen in Form von Verhängung von Aufsichtsmaßnahmen oder Geldstrafen gegenüber den zentralen Gegenparteien ausgestattet werden. Gegenüber dem Finanzministerium, das dann als zuständiges Ministerium fungiert, gilt zukünftig neben bestimmten Informationspflichten auch ein Zustimmungsrecht zu bestimmten Maßnahmen der Abwicklungsbehörde.

Beim Tagesordnungspunkt 2 handelt es sich um eine Umsetzung von EU-Recht. Diese erfordert unter anderem Anpassungen bei der Nachhaltigkeit von Finanzdienstleistun­gen. Nachhaltigkeit bei Finanzdienstleistungen ist wichtig und bedeutet, dass die Anle­geformen an ökologische und soziale Kriterien und Vorgaben geknüpft werden. Um ge­gen die Klimaänderungen vorzugehen, aber auch um unsere Unabhängigkeit auszubau­en, bedarf es riesiger Investitionen in den verschiedensten Bereichen, so eben auch im Finanzbereich bei den Finanzprodukten.


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Mit der zu beschließenden Novelle wird geregelt, wann Finanzprodukte als nachhaltig gelten und welche Informationen den Konsumentinnen und Konsumenten bereitgestellt werden müssen, damit diese die Nachhaltigkeit auch klar erkennen können. Bei grenz­überschreitend tätigen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sollen der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde gestärkt und verbessert werden. Auch diese Änderungen sind für die Konsumenten, aber auch für die Anleger ganz besonders wichtig.

Neue Anforderungen an Regeln kosten natürlich auch Geld, deshalb ist in diesen Ge­setzesänderungen auch eine Erhöhung des Bundesbeitrages für die Finanzmarktauf­sicht um 600 000 Euro pro Jahr enthalten. Wenn wir wirklich wollen – dieser Appell geht vor allem an die Kollegen von der SPÖ –, dass die Finanzprodukte auch von Nachhal­tigkeit bestimmt sind, dann müssen wir diese Gesetzesänderung heute beschließen.

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie namens meiner Fraktion um Zustimmung zu diesen sehr wichtigen Gesetzen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)

10.42


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Jo­hannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


10.42.38

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Auch wir werden beiden Vorhaben hier zustim­men – nicht aus Begeisterung, aber wie die Vorredner schon gesagt haben, handelt es sich um die Umsetzung von Rechtswerken der EU, von Richtlinien im Wesentlichen, und der Umstand, dass wir die eine Richtlinie jedenfalls verspätet umsetzen, ist klar. Das ist aber natürlich kein Grund, die Umsetzung jetzt abzulehnen. Also eine Verspätung kann man nicht allein dadurch beheben, indem man jetzt gar nichts macht, sondern nur, indem man den Akt nachholt.

Der Grund, warum wir inhaltlich von diesen beiden Umsetzungen, aber auch von den ent­sprechenden Richtlinien nicht ganz begeistert sind, ist einfach der weitere gewaltige Ausbau der Bürokratie, die bereits im gesamten Finanzdienstleistungsbereich herrscht. Hinsichtlich dieser zentralen Gegenpartei, die die Kollegin erwähnt hat, wird jeder fragen: Was soll das eigentlich sein? – Das ist eine Art Zwischenhändler, also im Finanzwesen sozusagen eine dritte Partei, die zwischen Käufer und Verkäufer tritt und für den Ver­käufer Käufer und den Käufer Verkäufer ist. So wird das in der Regel definiert.

In beiden Fällen wird jetzt die FMA mit neuen Aufgaben befrachtet. In beiden Fällen verschärft sich die interne Konfliktsituation, die die FMA hat: auf der einen Seite als Aufsichtsorgan über die lebenden Betriebe, auf der anderen Seite als Organ, in dem alle Daten zusammenfließen, und auf der dritten Seite als Organ, das dann im Falle eines Strauchelns eines Unternehmens die Insolvenz fast unangefochten durchführt und über die Insolvenz, über Aufsichtsmaßnahmen, über die Beistellung von Kommissaren und dergleichen entscheidet und letztendlich sogar das Unternehmen verkaufen kann.

Das ist eine sehr problematische Situation. Die Änderungen, die da gemacht wurden, um diese interne Konfliktsituation zu entschärfen, reichen bei Weitem nicht aus. Sie sind vor allem nicht in der Lage und nicht geeignet, diese zusätzliche Bürokratie in die Schranken zu weisen, aber wie gesagt: Wir stimmen – der Not gehorchend, aber nicht dem inneren Trieb – hier trotzdem zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 45

10.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


10.45.15

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Ja, endlich sind wir uns einig – leider aufgrund des Wahnsinns eines Krieges –, wir sind uns einig, dass wir raus aus Öl und Gas müssen. Die Nachfrage nach erneuerbarer Energie und dementsprechend die notwendigen Investitionen werden rasant steigen. Das kostet Geld, das kostet viel Geld, und dieses kommt teilweise von der öffentlichen Hand. Wir freuen uns sehr, dass gestern eine Einigung bekannt gegeben wurde, dass 300 Millionen Euro nun in die Förderung von erneuerbarer Energie fließen werden. Das meiste Geld für erneuerbare Energie kommt aber aus der Privatwirtschaft.

Der Finanzmarkt ist ein Instrument, das diese privaten Investitionen fördert. Das ist wichtig, denn der Bedarf an Investitionen für erneuerbare Energie ist und wird auch in Zukunft extrem hoch sein. Das braucht neben der öffentlichen Förderung eben genau vor allem privates Geld. Dieses Geld für eine bessere und klimaschonende Zukunft aus­zugeben kann einerseits ein moralischer Anreiz und andererseits simpel ein wirtschaftli­cher Anreiz sein, denn die Investitionen bringen sichere Rendite.

Es ist eben die Wirtschaft, die eines der mächtigsten Instrumente ist, mit dem wir die Transformation hin zu einer umweltschonenden und sozial gerechten Wirtschafts- und, damit einhergehend, Lebens- und Arbeitsweise schaffen. Damit aber diese Investitionen in sogenannte nachhaltige Unternehmen über das Instrument des Finanzmarktes ver­trauenswürdig sind, damit Nachhaltigkeit drinnen ist, wo sie draufsteht, und zudem Greenwashing vermieden wird, brauchen wir nun ein paar Gesetzesänderungen.

Unternehmen, die sich – grob gesagt – mit erneuerbarer Energie beschäftigen und öko­logische und soziale Kriterien erfüllen, dürfen sich als nachhaltig bezeichnen – eine Art Gütesiegel also. Wie bei einem Gütesiegel haben Sie nachhaltigkeitsbezogene Offenle­gungspflichten, die eine Überprüfung gewährleisten. Ja, bürokratisch vielleicht, aber in diesem Fall wichtig. Deswegen beschließen wir heute, dass dafür die Finanzmarktauf­sicht und die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde eingesetzt werden können und die FMA eben die notwendigen finanziellen Mittel bekommt. Ich vertraue sehr wohl auf die Prüfungskompetenz der FMA.

Leider – das möchte ich noch kurz erwähnen – hat die EU in der neuen Taxonomie auch Investitionen in Strom aus Atomenergie und Gas als nachhaltig eingestuft. Sie wissen, davon halten wir Grüne nichts, denn sie sind nicht nachhaltig – weder kurzfristig, was die Geopolitik betrifft und wie uns gerade mörderisch vorgeführt wird, noch langfristig, was die Umwelt oder das Klimadesaster betrifft.

Gerade deswegen aber sind Transparenz und eine unabhängige Prüfung das Um und Auf, wenn es um Investitionen geht, die das Prädikat nachhaltig bekommen. Daher sind die heutigen Regelungen, die vor allem die Werbung für diese Finanzprodukte betreffen, natürlich zu begrüßen, denn es geht jetzt darum, nachhaltigem Wirtschaften und einer umweltfreundlichen und damit lebensbejahenden Zukunft einen Boost zu geben. – Vie­len Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.48


10.48.49

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und wei­tere Gesetze geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 46

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.50.133. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Grundsteuergesetz 1955 geändert werden (1363 d.B. und 1373 d.B. sowie 10945/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.50.36

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Grundsteuergesetz 1955 geändert werden. Es sollen durch den gegenständlichen Be­schluss des Nationalrates die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um bei den neuen Kundmachungen nur auf die geänderten klimatischen Bedingungen Be­dacht zu nehmen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. – Danke.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte.


10.52.01

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zu die­sem Tagesordnungspunkt bin ich ebenfalls als Kontraredner delegiert und möchte hier auch kurz auf den Inhalt dieses Gesetzentwurfes eingehen.

Die Bauern werden stärker von Steuern befreit, und das ist schön so. Wir haben im Ausschuss länger darüber diskutiert, aber so richtig erhellend war das schlussendlich auch nicht, dass diese Diskussion uns irgendwie weitergeholfen hätte, diesbezüglich unsere Haltung noch zu ändern.

In Zukunft – ab 2032 – gibt es keine Hauptfeststellung mehr, und für 2023 sollen nur mehr klimatische Kriterien auf Basis des Temperatur- und Niederschlagsindex in die Haupt­feststellung der Einheitswerte für wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftli­chen Vermögens einfließen. Ab 2032 wird der neue Einheitswert je Betrieb überhaupt nur mehr festgestellt, soweit sich aufgrund der offiziellen land- und forstwirtschaftlichen Statistiken ergibt, dass sich die Wertverhältnisse der natürlichen und wirtschaftlichen Er­tragsbedingungen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre nachhaltig verändert haben.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 47

Die Arbeiterkammer rechnet in ihrer Stellungnahme damit, dass die auf Basis der Voll­pauschalierung ermittelten bäuerlichen Einkommen und somit auch die Sozialversiche­rungsbeiträge und die Grundsteuer damit weiter sinken werden – und dies, obwohl die landwirtschaftlichen Einkommen laut Grünem Bericht viel höher sind. Über weite Stre­cken liegen die steuerlichen Bemessungsgrundlagen unter den tatsächlichen Einkünften.

Die Arbeiterkammer empfiehlt daher dringend, „die Einkommensbesteuerung der land­wirtschaftlichen Betriebe auf saubere Beine zu stellen“.

Vonseiten der Landwirtschaftskammer Österreich wird diese Aktualisierung begrüßt, und man freut sich, dass die überbordende Bürokratie, die ja mehr kostet, als nützt, dadurch weiter eingedämmt wird.

Bekämpfen wir die überbordende Bürokratie auch bei der Arbeitnehmerveranlagung für die nächsten zehn Jahre, wenn jemand in einem fixen Dienstverhältnis ist! Dann können wir hier sicher auch bei diesem Vorschlag und dieser Entbürokratisierung mitgehen. Das würde auch die Arbeitnehmer über längere Zeit entlasten. (Beifall bei der SPÖ.) Daher möchte ich abschließend noch einmal festhalten, dass wir diesem Gesetzesvorschlag unsere Zustimmung nicht erteilen. – Vielen Dank. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

10.54


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm das Wort.


10.55.06

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ingo Appé! Es gehört dazu, dass dieses sehr bewährte Besteuerungssystem in der Land- und Forstwirtschaft von der sozialdemokratischen Seite kritisiert wird.

Das ist ein System, das, glaube ich, die Einkommenssituation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft – und die ist wirklich nicht beneidenswert – sehr gut abbildet und auch verhindert, dass wirklich eine überbordende Demokratie für die Einkommensfest­stellung notwendig ist. Bitte sehen Sie sich die Auswertungen im Grünen Bericht genau an, dann werden Sie erkennen, dass da einfach in ganz wenigen Fällen Einkommen­steuer anfällt! Dann braucht man auch keine Einkommensermittlung, wie sie vielleicht in sonstigen wirtschaftlichen Bereichen üblich ist.

Ich darf aber jetzt, bevor ich ein paar Worte zu dem Gesetz sage, noch einen kurzen Abriss machen. Wie geht es der österreichischen Landwirtschaft in gegebenen Krisen­zeiten? – Du hast es selber zuerst angesprochen: Wir haben nicht nur eine Krise. Wir haben nicht nur eine Ukrainekrise, die uns alle, glaube ich, sehr zum Nachdenken bringt, wir haben auch eine Pandemiekrise, und wir haben auch eine Klimakrise. Von der Kli­makrise ist gerade die Landwirtschaft besonders betroffen. Die Landwirtschaft ist eigent­lich immer der erste Bereich, der die Auswirkungen der Klimakrise sehr schnell und sehr unmittelbar zu spüren bekommt.

Aber noch einmal zurück zur Krise der Pandemie: Der 13. März 2020 hat für uns alle, vor allem aber für die Konsumentinnen und Konsumenten, eine Zäsur gebracht. Die vollen Regale waren plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr. Nicht nur das Klopapier, sondern viele Produkte, die man rund um die halbe Welt zu uns in die Regale importiert hat, ohne dass da viele darüber nachgedacht hätten, waren plötzlich nicht mehr zu finden. Der Konsument in Österreich und auch in anderen europäischen Ländern hat plötzlich gespürt: Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Produkte zu jeder Zeit verfügbar sind. Es gab Gott sei Dank eine Rückbesinnung auf die Wichtigkeit der Selbstversorgung und der Ernährungssouveränität. Die heimische Landwirtschaft ist Ga­rant für die Absicherung dieser Souveränität. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 48

Aber auch die Landwirtschaft selbst leidet unter der Knappheit der Rohstoffe. Diese Knappheit macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt – mit vielen negativen Folgen, insbesondere beim Preis. Bereits vor der Ukrainekrise kam es zu Steigerungen bei Preisen für Saatgut, Betriebsmittel, Düngemittel und Treibstoffe. Wir reden dabei nicht von ein paar Prozent. Es kam zu Verteuerungen im Bereich von Verdoppelungen und Verdreifachungen der Preise.

Wir bekommen auch bei uns in der Interessenvertretung viele Anrufe von besorgten Landwirtinnen und Landwirten, die uns sagen: Wir wissen nicht, wie wir diese Betriebs­mittel bezahlen sollen. Vor allem wissen wir auch nicht, ob wir für das Produkt dann irgendwann auch einen entsprechenden Mehrerlös bekommen. – Also da herrscht ziem­lich viel Verzweiflung vor.

Trotzdem haben wir einen großen öffentlichen Auftrag in der österreichischen Landwirt­schaft: Wir haben dafür zu sorgen, dass wir die Ernährungssouveränität sicherstellen. Wenn alle Rahmenbedingungen passen, kann die österreichische Landwirtschaft rund zehn Millionen Personen ernähren. Damit haben wir auch wirklich eine gewisse Sicher­heit. Wenn man aber weiß, dass die ukrainische Landwirtschaft 600 Millionen Menschen ernähren kann und dass die zum Teil ausfällt, dann wissen wir, wie wichtig es ist, dass wir auch entsprechend auf unsere Landwirtschaft schauen und darauf schauen, dass unsere Landwirte auch das Auskommen finden.

In diesem Zusammenhang darf ich mich auch bei Bundesminister Brunner recht herzlich dafür bedanken, dass beim bisherigen Teuerungsausgleichspaket auch die Landwirt­schaft mitberücksichtigt wurde. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig. Ich wäre aber kein guter Interessenvertreter, wenn ich nicht gleich anmerken würde: Lieber Magnus, die Landwirtschaft wird aufgrund der massiven Teuerungen weitere Entlastungen brauchen, um die extrem gestiegenen Preise abzufedern, da wir sonst ja wirklich befürchten müs­sen, dass viele Betriebsaufgaben ins Haus stehen – und das nicht irgendwann, sondern sehr bald.

Also bei der Landwirtschaft zu sparen wäre absolut der falsche Weg. Das wäre so, als würden wir den Ast abschneiden, auf dem wir alle sitzen.

Zu den gegenständlichen Gesetzesnovellen: Nach der geltenden Rechtslage wäre mit 1.1.2023 eine Hauptfeststellung durchzuführen. Das wäre ein großer bürokratischer Auf­wand, ich habe ihn angesprochen: 550 000 wirtschaftliche Einheiten müssten ange­schrieben und es müsste wieder nachgefragt werden: Hat sich irgendetwas bei dir verän­dert, vor allem auch in der Bodenbewertung? – Dabei muss man wissen, dass unsere Landwirte erst vor drei bis vier Jahren neue, aktuelle Einheitswerte zugestellt bekommen haben. Also da hat sich in der Bewertung im Bereich der Böden nichts geändert – sehr wohl aber im klimatischen Bereich.

Dabei muss man wissen, die derzeit zugrunde liegenden klimatischen Verhältnisse be­ruhen auf dem Zeitraum von 1960 bis 1990, und wir alle spüren es: Das Klima hat sich massiv geändert. Es wird jetzt ein neuer Bemessungszeitraum, ein 30-jähriger Bemes­sungszeitraum, von 1990 bis 2020, zugrunde gelegt, der auch Einfluss auf die neuen Einheitswerte haben muss.

In den Gesetzesnovellen ist auch vorgesehen, dass die Digitalisierung natürlich auch bei der Feststellung der Einheitswerte noch stärker Einzug halten soll. Damit erreichen wir eine Entbürokratisierung, eine Beschleunigung der Verfahren und vor allem eine Verein­fachung der Verfahren, was auch unbedingt notwendig und sehr zu begrüßen ist.

Wir steigen ab 2032 auf eine rollierende Bewertung um. Kollege Appé hat es beschrie­ben. Das ist sehr, sehr wichtig, weil wir nicht wieder pauschal 550 000 Einheiten fest­stellen müssen, sondern nur in solchen Bereichen, wo die Schwellenwerte überschritten und objektive Indizes angepasst werden.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 49

Gut, das sind grob die Inhalte. Du hast sie sehr gut beschrieben. Ich darf sagen: Die Novelle, die wir heute beschließen, ist richtig und wichtig. Ich lade daher alle ein, diese Maßnahmen im Sinne der Bauern, im Sinne der Absicherung der so notwendigen Ernährungssouveränität und im Sinne einer Entbürokratisierung und der Sparsamkeit des Staates mitzutragen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.02


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


11.02.45

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Also eines verstehe ich bis jetzt nicht, und das ist die Ablehnung dieser Reform oder dieser Änderungen durch die SPÖ mit der Be­gründung: Entbürokratisierung ist gut, aber wir lehnen eine Entbürokratisierung ab, wenn nicht auch die Arbeitnehmerveranlagung entbürokratisiert wird. – Das ist ein Argument, dem ich leider wirklich nichts abgewinnen kann. (Bundesrätin Schumann: Wir verstehen auch nicht ...! – Bundesrätin Grimling: Wir verstehen euch auch nicht!)

Zum Gesetzesvorhaben selbst: Da hat mein Vorredner durchaus recht. Es bringt eine beträchtliche Entbürokratisierung auf der einen Seite durch den digitalen Aushang von Veränderungen statt wie bisher durch den Aushang in den einzelnen Gemeinden, auf der anderen Seite durch den Verzicht auf die laufenden Hauptfeststellungen und eine sogenannte rollierende Fortschreibung der Einheitswerte und damit der Steuerbemes­sungsgrundlagen.

Dass damit eine steuerliche oder finanzielle Entlastung der Bauern enthalten ist, sehe ich nicht. Ich habe mir alles Mögliche durchgerechnet, also das ist neutral. Es eröffnet sich durch diese rollierenden Änderungen sogar die Möglichkeit einer schnelleren Erhö­hung der Besteuerungsgrundlage. Also wenn, kann man es dazu brauchen oder missbrauchen, die Steuerlast für die Landwirtschaft schneller anzuheben, als das bisher möglich war. Ich hoffe, das geschieht nicht.

Nur eines noch zu Kollegen Raggl: Ja, vollkommen richtig, die Landwirtschaft ist eine tragende Säule, und die könnte in Österreich zehn, manche sagen, zwölf Millionen Leute ernähren. Das hängt aber davon ab, welche Preise bezahlt werden. Wir sind ja in diesem europäischen Agrarsystem sehr weit entfernt von der Bezahlung von kostendeckenden Preisen für irgendetwas – ausgenommen von Wein. (Heiterkeit des Bundesrates Tief­nig.) Der ist das einzige marktwirtschaftliche Produkt, das noch übrig ist. Auch Schnäp­se, ja, aber alles, was ein Grundstoff der Agrarindustrie ist, lebt nur von Subventionen.

Die Subventionen machen teilweise mehr als 50 Prozent des Einkommens bei vielen Produkten aus. Das ist eine wirklich ungesunde Situation und da gibt es nichts zu be­schönigen. Das ist der Grund, weshalb wir natürlich nicht für zehn oder zwölf Millionen Menschen produzieren, sondern nur knapp das produzieren, was wir verbrauchen, wenn man die Importe davon abzieht.

Ich glaube, da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben. Da steckt nicht nur ein wahnsinnig großer bürokratischer Aufwand der staatlichen Organisationen – von EU-Ebene über die Bundes- und Landesebene – dahinter, sondern auch eine riesige bürokratische Belas­tung für die Bauern, die nicht einfach ihr Produkt verkaufen können, sondern die Hun­derte Seiten im Jahr ausfüllen müssen, um einen Wirrwarr an Subventionen zu bekom­men, angefangen vom Stehenlassen eines morschen Baumes bis zur einfachen Quer­subvention des Getreidepreises.

Da etwas zu tun wäre angesagt. In der ganzen Diskussion fehlt mir ein bisschen, dass man sich mit diesem Kernthema auseinandersetzt. Zustimmen werden wir. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Raggl.)

11.05



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 50

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


11.06.08

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werter Herr Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir uns den März in Erinnerung rufen: Was hat diesen besonders charakterisiert? – Es war die Niederschlagsmenge beziehungsweise genauer gesagt die Nicht-Niederschlagsmenge. Es war der trockenste März, seit es Aufzeichnungen gibt, und damit wieder ein untrügli­ches Zeichen, dass die Klimakrise da ist und dass sie die Landwirtschaft auch massiv trifft. Es ist daher nur zu begrüßen, dass in Zukunft auch die Klimadaten in die Bewertung miteinfließen werden.

Heute geht es darum, die Bewertung des Einheitswertes neu festzusetzen, der als Grundlage für die steuerlichen und sonstigen Abgaben für die Bewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken dient. Bei der Bodenschätzung nach dem Bo­denschätzungsgesetz wird der Ertragswert des Bodens anhand von Klima- und Boden­daten alle 30 Jahre in Form der Bodenzahl ermittelt. 30 Jahre – damit ist klar: Das gilt es dringend zu aktualisieren.

Im Rahmen der Hauptfeststellung nach dem Bewertungsgesetz werden alle neun Jahre die Ertragsmöglichkeit auf Basis der Bodenzahl sowie regionale und betriebswirtschaft­liche Faktoren ermittelt. Zusammen ergibt das den Einheitswert. Dieser Einheitswert stellt die Ertragsfähigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes dar und musste bisher alle fünf Jahre mittels einer Hauptfeststellung – und das bei jedem einzel­nen Betrieb, bei jedem einzelnen Grundstück – neu festgestellt und dann mittels Be­scheid bekannt gegeben werden. Das wäre eben jetzt wieder angestanden.

Nun wird in drei Phasen auf eine die Verwaltung vereinfachende – es ist schon ange­sprochen worden: weniger Bürokratie und damit kostengünstigere Berechnung – und vor allem auch an kleine Betriebe angepasste Regelung umgestellt.

Erstens: Bei der Hauptfeststellung 2023 wird auch die Betriebsgröße neu bewertet. Es freut mich sehr, dass wir das erreicht haben. Das ist nämlich wichtig, um kleine Betriebe zu unterstützen. Vor allem bei der Sozialversicherung tragen diese kleinen Betriebe eine unverhältnismäßig hohe Abgabenlast – da gibt es eine Asymmetrie –, und es wird da wieder ein Schritt gesetzt, der das ein bisschen verbessern wird.

Zweitens werden bei der Bodenschätzung die Klimadaten an die Folgen des verhee­renden Klimawandels angepasst, zum Beispiel Temperatur- und Niederschlagsindizes, da diese sich auf veraltete Bezugswerte nur bis 1991 – das muss man sich einmal vor­stellen! – beziehen.

Drittens wird ab 2032 die Einheitswertfeststellung auf ein rollierendes System umgestellt, das heißt: Anhand von Indizes, die von ExpertInnen noch festzulegen sind, werden die Einheitswerte laufend angepasst. Sobald bestimmte Grenzwerte erreicht und überschrit­ten werden, wird eben angepasst. Im Ministerratsvortrag ist festgehalten worden, dass hierzu eine Arbeitsgruppe einberufen wird, zu der ExpertInnen wissenschaftlicher Insti­tutionen hinzugezogen werden: Agrarökonomie, Klimaforschung, Bodenforschung und Ähnliches.

Im Zuge dessen wird das gesamte System der Bewertung beleuchtet. Auch im Bewer­tungsbeirat und im Bodenschätzungsbeirat, dem bisher neben den ExpertInnen des Fi­nanzministeriums nur von der LKÖ im Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministe­rium nominierte ExpertInnen angehört haben, sollen in Zukunft mehr ExpertInnen aus der Wissenschaft hinzugezogen werden. Dadurch soll der Einheitswert laufend aktuell gehalten und die Feststellung weitgehend automatisiert werden.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 51

Und noch einmal, da es Kollege Appé angesprochen hat: Es geht hier nicht um die Pau­schalierung für bäuerliche Betriebe, diese ist im Einkommensteuergesetz geregelt – das im Übrigen 2015 von SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgelegt und beschlossen wurde ‑, es geht hier um die Berechnung des Einheitswertes.

Im Sinne der Anpassung des Steuerinstruments Bewertung von landwirtschaftlichem Boden an die klimatischen Veränderungen, der Entbürokratisierung und insbesondere der Berücksichtigung der Betriebsgröße, die sich vor allem für kleinere Betriebe, die in Wahrheit unser Rückgrat bilden, positiv auswirken wird, sind das notwendige und begrü­ßenswerte Novellierungen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.11


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet ist noch einmal Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


11.11.13

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Ich möchte nur kurz auf die Rede von Kollegen Raggl replizieren, weil das so rübergekommen ist, als hätten wir für die Landwirte nichts übrig. Das ist nicht richtig so. Es ist eigentlich so, dass wir schon sehr dafür sind, dass für die Landwirte auch eine Erleichterung gegeben sein soll, und diese auch dringend notwendig ist. (Beifall des Bundesrates Raggl.)

Wie schaut die Realität aus? Ich habe mit einem Bauern in meiner Gemeinde über die jetzige Krise und die Lieferschwierigkeiten mit der Ukraine hinsichtlich Weizen und so weiter geredet und erfahren, dass wir sehr viele Monokulturen mit Mais und Silage haben. Auf meinen Vorschlag, es wäre doch eine super Sache, jetzt Weizen anzubauen, den wir dringend brauchen, statt der Silage, die Jahr für Jahr angebaut wird, sagte er, das sei alles recht gut und schön, aber sie hätten eine vertragliche Vereinbarung mit Raiffeisen und bekommen jetzt nur das Saatgut für den Mais, und das zu einem Preis, der explodiert ist. Er bekommt ihn nicht zu dem Preis, zu dem er ihn im vergangenen Herbst bestellt hat, sondern zu dem, der jetzt am Weltmarkt dafür verlangt wird.

Das i-Tüpfelchen sei aber, dass man ihm, als er ihn bei Raiffeisen abholte, gesagt habe, man könne ihm nicht garantieren, dass man den Mais im Herbst von ihm zurücknehmen werde, denn wenn das mit dem Gas so weitergehe, sei es nicht mehr rentabel, die Maiskörner mit der Trocknungsanlage zu befeuern. Er bekommt keinen Weizen und muss Mais anbauen, obwohl er nicht einmal weiß, ob dieser dann abgenommen wird. Er hat auch gesagt, dass sie jetzt fünf große neue Silos bauen, da diese, wenn der Krieg irgendwann einmal vorbei ist, gebraucht werden.

Du (in Richtung Bundesrat Raggl) hast es auch erwähnt, dass Russland und die Ukraine mehr als 25 Prozent der Weizenproduktion in der Welt liefern und dass uns das zukünftig vor große Probleme stellt. Jetzt wird schon darüber geredet, dass zukünftig ein Kilo Brot 10 Euro kosten wird, was wieder auf die Konsumenten zurückfällt. Die Düngemittel kom­men aus Russland und können nicht mehr geliefert werden, das heißt, es gibt für die landwirtschaftlichen Betriebe Probleme über Probleme. Das hat uns natürlich auch nicht unberührt gelassen.

Die Regionalität, das hat die Coronakrise gezeigt, ist vorrangig zu beachten, das gilt auch für die Landwirtschaft. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass alles im Aus­land gemacht wird, wir haben Flächen zur Verfügung. Geht her und hebt die Förderung für die Brachflächen auf, damit dort auch etwas angebaut wird, dass der heimische Markt die Grundnahrungsmittel herstellen kann und die Exportabhängigkeit verringert wird! Ansätze sind genug da, setzt es um, dann wird es den Bauern gut gehen und uns gut gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.14


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 52

11.14.29

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Lieber Kollege Appé, das mit dem Saatgut muss ich leider berichtigen. Es ist Saatgut vorhanden, nur kann man ein Winterweizensaatgut im Frühjahr nicht anbauen, das ist nicht möglich.

Und die Biodiversitätsflächen sind im Ökoumweltprogramm enthalten, auch da kann man aufgrund der Verpflichtungszeiträume und der diversen Einschränkungen, die man hat, nicht so leicht umschwenken, das muss alles genehmigt werden. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.) Wir sind in einem siebenjährigen Verpflichtungszeitraum, und da­her müssen wir diese Maßnahmen, für die wir leistungsmäßige Abgeltung erhalten, auch während des gesamten Zeitraumes einhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Na ja!)

11.15


11.15.11

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.15.494. Punkt

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2022 (III-781-BR/2022 d.B. sowie 10946/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich bitte um den Bericht.


11.16.07

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2022.

Der Bundesminister für Finanzen hat den gegenständlichen Bericht betreffend EU-Jah­resvorschau 2022 dem Bundesrat am 23. Februar 2022 übermittelt.

Der Bericht umfasst sieben umfangreiche Bereiche und liegt Ihnen auch in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2022 zur Kenntnis zu neh­men. – Herzlichen Dank.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.


11.17.10

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschau­er auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Die Kernpunkte des Berichts betreffen, wie wir gehört haben, sieben verschiedene Bereiche und Aspekte. Da geht es also um die Förderung von Wachstum und Beschäftigung, um die Sicherstellung der makroöko­nomischen Stabilität, um die Kapitalmarktunion, um eine Reform der Unternehmensbe­steuerung, natürlich auch um die EU-Klimastrategie Fit for 55 und vieles andere mehr. Im Wesentlichen steht der Bericht natürlich unter dem Licht des Wiederaufbaus nach der Covid-Krise und zum anderen auch der Klimakrise, die es zu bekämpfen gilt.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 53

In aller Kürze kann ich sagen, dass wir in weiten Strecken den Bericht durchaus nach­vollziehen und der Position des Finanzministeriums entsprechend auch folgen können. Dennoch muss ich für die sozialdemokratische Fraktion festhalten, dass wir in einigen Bereichen durchaus Lücken im Bericht sehen und ihn deshalb auch nicht zur Kenntnis nehmen können.

Zum einen sind verschiedene Aspekte sehr vage, ja fast schon lapidar formuliert. So geht zum Beispiel für uns aus dem Bericht ganz und gar nicht hervor, wie die Haltung Österreichs respektive des BMF ausschaut, was den digitalen Euro betrifft, hier ist keine klare und eindeutige Haltung zu vernehmen. Ähnliches gilt für den Bereich der Kapital­marktunion, da heißt es lediglich, das BMF unterstütze „Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung sowie der Finanzbildung“, aber konkrete Aussagen da­hin gehend, wie diese ganz konkret ausgestaltet werden sollen, vor allen Dingen auch, wie Konsumentenschutzrechte oder auch Anlegerschutzrechte gestärkt werden sollen, das bleibt das BMF in Wahrheit hier schuldig. Lediglich der Hinweis, dass der Verwal­tungsaufwand verringert werden solle, das ist aus unserer Sicht ein wenig dürftig.

Zum anderen hinterfragen wir unsererseits die Sicht des BMF hinsichtlich des Bereichs der Unternehmensbesteuerung, konkret der Zweisäulenstrategie, sprich der Digitalsteu­er, wenn man das so lapidar formulieren darf. Gerade auch im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen – und ich glaube, das wäre unser aller Ansatz – ist es aus unserer Sicht eben nicht verständlich, weshalb Österreich eine Verknüpfung dieser beiden Säulen ablehnt, also auf der einen Seite die Zuordnung der Besteuerungsrechte und auf der anderen Seite den Mindeststeuersatz von 15 Prozent für alle multinationalen Konzerne mit einem höheren Jahresumsatz als 750 Millionen Euro. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum das abgelehnt und nicht gutgeheißen wird.

Ein weiterer Grund für unsere Nichtkenntnisnahme ist die Tatsache, dass die aktuellen Ereignisse – wir haben es heute schon mehrfach gehört – in Europa die Vorhabenspläne der EU natürlich inzwischen ja mehr als durchkreuzt haben. Dem Bericht und demzufol­ge auch den genannten Vorhaben und Projekten, Richtlinienentwürfen et cetera liegt ja noch eine Prognose der Europäischen Kommission aus dem November 2021 für ein Wirtschaftswachstum zugrunde, das damals noch mit 4,3 Prozent angegeben wurde, und ich glaube, wir sind uns da alle einig, die Tatsachen sehen heute ganz, ganz anders aus. Diese damals noch aus meiner Sicht durchaus optimistische Prognose ist wohl im Lichte des vermutlich noch weiter andauernden Angriffskrieges in der Ukraine und auch im Lichte aller daraus resultierenden gesamteuropäischen wirtschaftlichen Folgen in die­ser Höhe sicherlich nicht mehr realistisch. Auch der Experte aus dem Finanzministerium hat uns übrigens dazu im Ausschuss eindeutig bestätigt, dass dies mit Sicherheit auch eine Verschiebung der Schwerpunktsetzung zur Folge wird haben müssen.

Man ist noch davon ausgegangen, dass wir 2022 einen Post-Covid-Aufschwung erwar­ten und erreichen können, mit steigender Beschäftigung, mit gestärktem privaten Kon­sum und vielem mehr, wie es auch im Bericht heißt. Dabei wurden im Bericht sogar schon jene Risiken als solche erkannt und benannt, die inzwischen leider nicht nur auf der österreichischen, sondern auch auf der europäischen Tagesordnung stehen: die Stö­rungen und Engpässe bei den globalen Lieferketten in immer mehr Handelsbereichen – wir haben es heute auch schon gehört –, das Anhalten der teils wirklich exorbitanten Energiepreissteigerungen von Gas, Strom und was auch immer, die Teuerungswellen, die sich natürlich ganz besonders negativ auf den Konsum auswirken, und vieles andere mehr. Die Frage ist also, wie da entsprechend gegengesteuert wird.

Denken wir an die derzeit wirklich rekordartige Inflation von aktuell 7 Prozent in Öster­reich – und wer weiß, wo diese noch hinführen wird. Wir haben es schon gehört, es steigen die Lebenshaltungskosten, die Kosten für das Wohnen, das Heizen, das Pendeln,


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für Nahrungsmittel, während gleichzeitig die Löhne kaum angehoben werden, ganz im Gegenteil, ein überwiegender Teil der arbeitenden Bevölkerung muss immer höhere Reallohnverluste hinnehmen. Das heißt, in Wahrheit bleibt immer weniger Geld im Geld­börsel übrig, um es auch wirklich ausgeben zu können und das Leben damit zu be­streiten – ganz im Unterschied zu jenen, die ihr Einkommen rein aus Kapitalerträgen erhalten, also sprich Aktionäre mit Dividendenausschüttungen und dergleichen mehr. Dadurch ist mittlerweile ein Ungleichgewicht entstanden, wo ein immer größerer Teil der Menschen sagt, ich kann mir das Leben, ich kann mir, ja, das Arbeiten bald nicht mehr leisten. Und eines ist klar: Das stärkt die Kaufkraft, von der noch im Bericht so optimis­tisch berichtet wurde, auf gar keinen Fall.

Unter all diesen Gesichtspunkten ist es aus unserer Sicht ganz dringend nötig und ge­boten, die Schwerpunktsetzung, auch die Priorisierungen in den Vorhaben ganz neu zu bewerten und zu betrachten und auch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Da­her gibt es, wie ich schon gesagt habe, von uns auch keine Kenntnisnahme dieses Be­richts. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Alexandra Plat­zer zu Wort. Ich erteile ihr das Wort.


11.23.53

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher, herzlich willkommen bei uns im Hohen Haus! Mit Abstand als die größ­te Herausforderung für den Wirtschafts- und Finanzmarkt wird in der EU-Jahresvor­schau 2022 verständlicherweise die mittlerweile 24 Monate andauernde Coronapande­mie definiert. Ja, diese Herausforderung besteht natürlich nach wie vor, und es ist wich­tig, auch die Wirtschaft dafür zu rüsten. Fakt ist aber auch, dass sich mit den Angriffen Russlands auf die Ukraine eine neue Herausforderung für die Wirtschaft, den Arbeits­markt und den Finanzmarkt ergeben hat, wobei wir alle die Auswirkungen, die Dauer und den Umfang nach wie vor nicht ermessen können.

Die französische Ratspräsidentschaft nennt im Arbeitsprogramm des europäischen Wirt­schafts- und Finanzrates drei zentrale Säulen: den Aufschwung und das Wachstum nach der Krise, die Finanzierung des Wachstums von morgen und den Aufbau eines verant­wortungsvollen und nachhaltigen Kapitalismus. Ein Hauptaugenmerk wird auch darauf gerichtet, dass ein wichtiger Beitrag zum Aufbau eines verantwortungsvollen Kapitalis­mus geleistet wird, indem sich die Finanzwirtschaft auf die grüne und digitale Wende ausrichtet sowie auch gleichzeitig die Finanzkriminalität bekämpft wird.

Ich darf nun ganz kurz die wichtigsten Leitlinien umreißen. Das ist die Förderung von Wachstum und Beschäftigung mit Fokus auf grünes Wachstum zur Entwicklung einer umfassenden und koordinierten Industriepolitik, mit Blick auf faire und angemessene Löhne, das sind die Reform der Unternehmensbesteuerung, bei der zum Beispiel Kon­zerne mit über 750 Millionen Euro Umsatz künftig 15 Prozent Mindeststeuer bezahlen sollen, die Sicherstellung der makroökonomischen Stabilität, die Errichtung der Banken- und Kapitalmarktunion, die auch zum Beispiel die Finalisierung von Basel III beinhaltet, und natürlich die Umsetzung der EU-Klimaziele.

Die Europäische Union reagiert somit mit ihrem Arbeitsprogramm auf alle derzeitigen Herausforderungen. Sie hat der Covid-19-Pandemie Einhalt geboten, geht weiterhin ge­gen die Auswirkungen der Klima- und Umweltkrise vor, sorgt dafür, dass die Menschen mit der zunehmenden digitalen Wende und mit der digitalen Welt gut zurechtkommen, zeitgleich wird gegen Geldwäsche und Terrorismus vorgegangen und stellt sie sich der neuen geopolitischen Realität.


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Wie Kollegin Hahn schon erwähnt hat, lag die Prognose der Europäischen Kommission im November 2021 noch bei 4,3 Prozent Wirtschaftswachstum für die Eurozone und wurde mittlerweile aufgrund der aktuellen Vorkommnisse in der Ukraine angepasst und auf rund 3,5 bis 3,9 Prozent des BIPs revidiert.

Österreich unterstützt grundsätzlich die Meinung der Europäischen Kommission, dass eine zu frühe Rücknahme der Covid-19-Unterstützungsmaßnahmen vermieden werden soll, allerdings sollen die Maßnahmen in den Mitgliedstaaten zielgerichteter werden. Die Welt von heute ist nach wie vor durch Unsicherheit, destabilisierende Ereignisse, zuneh­mende geopolitische Auseinandersetzungen und die Klimakrise geprägt. Indem wir aber die Chancen nutzen, wird der gesellschaftliche Wandel bewirkt, den Europa braucht und den sich die Bürger und Bürgerinnen auch verdient haben. In den letzten zwei Jahren wurden die Europäische Union und auch ihre Europäerinnen und Europäer vor eine Vielzahl von Herausforderungen gestellt und doch konnten genau unter diesem Aspekt neue Werte, neue Stärken eine Einigkeit und eine entschiedene Entschlossenheit gefun­den werden.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass mit der Vorschau wirklich wesentliche und notwendige Bausteine für eine bessere Zukunft geschaffen werden und gleichzeitig mit dem Ausruf des Europäischen Jahres der Jugend 2022 auch eine besondere Auf­merksamkeit und ein schönes Zeichen der jungen Generation, die besonders in den letzten Jahren sehr stark sein musste, entgegengebracht werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

11.28


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


11.28.26

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ja, Frau Kollegin Platzer, zu dem, was Sie gesagt haben, in Kürze: Diese Vorschau des Ecofin-Rates gibt keinesfalls eine Antwort auf die drän­genden Probleme, sondern geht allen drängenden Problemen aus dem Weg und er­schöpft sich in der Wiederholung der üblichen, seit Jahren bekannten Stereotype und Phrasen vom Kampf gegen den Klimawandel, vom Stärken Europas, vom Zusammen­wachsen, vom Nachhaltig-Werden und dergleichen. Das kennen wir auch aus den letz­ten fünf Vorschauen.

Was wir vielleicht nicht kennen, ist, dass die tatsächliche Lage der Finanzsituation in der ganzen Europäischen Union in diesem Bericht komplett ausgeblendet wird, und deswe­gen ist es auch erstaunlich, dass der Bericht des Finanzministeriums über diesen Bericht nicht zumindest diese Löcher anspricht. Die Ecofin-Vorschau ist ja im November, De­zember 2021 entstanden, das war ein Zeitpunkt, zu dem in jedem Fall ersichtlich war, dass wir in eine Zeit hoher Inflation gehen. Das war klar, seit Oktober sind alle Prognosen in die Richtung gegangen. Es war klar, dass die Lieferketten nicht passen, es war klar, dass die Geldmenge für das vorhandene Angebot viel zu groß ist, und erste Prognosen sind bereits Richtung Zweistelligkeit der Inflationsraten in den USA gegangen. Die Zen­tralbank hat das noch geleugnet und verharmlost und von vorübergehenden Phänome­nen gesprochen, aber ernst zu nehmende wirtschaftliche Artikel haben diese Sicht nicht mehr geteilt.

Was wird also vom Finanzministerium jetzt befürwortet oder gutgeheißen? Das ist die Schaffung neuer Behörden wie zum Beispiel einer europäischen Geldwäschebehörde. Geldwäsche ist eines der Themen, unter denen wir den gesamten Finanzsektor, aber vor allem das Bankenwesen in den letzten zehn Jahren in einer Weise verbürokratisiert haben, die vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen ist. Als ob Geldwäsche ein Phäno­men des 21. Jahrhunderts ist, auf einmal ist alles nur noch Geldwäsche. Die Banken –


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das wird Ihnen jeder Mitarbeiter bestätigen – verrichten heute 50 Prozent ihrer Arbeit mit unproduktiven Reportings, Berichten, Statistiken, Zusammenfassungen, Meldungen und dergleichen.

Das ist schon ein Wahnsinn, und die EU will hier unbedingt noch eins draufsetzen und im Sinne der Stabilität des Bankenapparates eine neue Aufsichtsbehörde schaffen, der man wiederum berichten darf, der man wiederum reporten darf, die wiederum Untersu­chungen macht, die Kommissionen entsendet, Nachfragen macht, Fragebögen ver­schickt und dergleichen. Da hätte ich mir von unserem Finanzminister doch einmal klare Worte erwartet. Das ist nicht der Weg, den Europa geht, denn dieses Stärken Europas, von dem hier im Papier gesprochen wird, das ist nie eine Stärkung Europas, das ist eine Schwächung der europäischen Staaten und ihrer Wirtschaft und es ist eine Stärkung der europäischen Zentralbürokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber eine Stärkung der europäischen Bürokratie ist keine Stärkung Europas, ich glaube, das sollten wir mittlerweile allgemein verstanden haben. Ich kenne zumindest keinen Fall, wo wir sagen können, Europa wurde durch die europäische Bürokratie gestärkt, unser Wohlstand, unsere Sicherheit ist besser geworden. Ich kenne so etwas nicht.

Das Einzige, was weitergeht, ist die Verteilung von Mitteln zur Erhöhung der Geld­schwemme, wir haben das heute schon einmal kurz angesprochen. Es ist auch in der Stellungnahme des Ministeriums kein Wort von diesen 750 oder in Wirklichkeit 806 Mil­liarden Euro, die zusätzlich als Luftgeld, als Vorgriff auf die nächsten Jahre oder Jahr­zehnte in den Kreislauf gepumpt werden, um die Inflation zu befeuern. Da hätte ich mir zumindest erwartet, dass man kritisch anmerkt, es muss hier eine Pause geben, es muss hier ein Aussetzen geben, es muss hier ein Überdenken geben – nicht einfach weiterma­chen, als ob nichts wäre, und die Realitäten ignorieren.

Immerhin vertritt auch das Finanzministerium die österreichische Bevölkerung und ihre Interessen, so wie wir alle. Es ist unser erstes Interesse, dass bei verschiedenen drama­tischen Entwicklungen gegengesteuert wird. Dazu gehört diese Preisspirale, in die wir eingetreten sind, und da ist kein Ende in Sicht. Alle Prognosen sagen die Beschleuni­gung voraus, keine seriöse Prognose hält die Vorschau der EU von 5,5 Prozent für den Euroraum heute noch aufrecht. Das sind Dinge – wenn Sie die letzten Prognosen anse­hen, die international veröffentlicht werden –, die nicht mehr gehalten werden, die Pro­gnosen gehen sogar in Richtung Zweistelligkeit.

Hier nichts zu sagen, nichts zu tun, die EU-Bürokratie weiter werken zu lassen und das Geld, von dem immerhin mehr als 20 Milliarden Euro auch von uns stammen, munter verteilen zu lassen und die Inflation anzuheizen, das ist unverantwortlich. Das heißt, auch wir werden diesen Bericht selbstverständlich – keine Zustimmung erteilen, das können wir so nicht, aber – nicht zur Kenntnis nehmen, wie das formal korrekt heißt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


11.34.21

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen hier, aber auch vor den Bildschirmen! Ich möchte ein bisschen positiver werden als meine VorrednerInnen und zwei, gerade für uns Grüne sehr positive Regelungen beziehungs­weise Zukunftsthemen aus dem Bericht des Finanzministers betreffend die EU-Jahres­vorschau 2022 hervorheben: Das ist der Mindeststeuersatz und der CO2-Grenzaus­gleichsmechanismus.


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Zum Mindeststeuersatz: 137 Länder einigten sich im letzten Oktober darauf, dass Un­ternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro – und das sind doch so einige Tausend Unternehmen – mit einem globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent belegt werden sollen. Als ich das das erste Mal hörte, jubelte ich. Natürlich könnte man sagen, dass diese Einigung nur leere Worte waren, aber ich habe mich besonders gefreut, dass die Europäische Kommission umgehend gehandelt und im De­zember desselben Jahres diesbezüglich einen Richtlinienvorschlag vorgelegt hat, dass Großkonzerne mit der Mindestbesteuerung belegt werden, wenn sie die Muttergesell­schaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben.

Es ist noch nicht in Umsetzung, es ist ein Entwurf, aber es ist ein Riesenschritt, dass vor allem international agierende Konzerne Gewinne nicht mehr steuerschonend einstreifen dürfen. Und steuerschonend ist dabei ein euphemistischer Ausdruck, denn eigentlich kommt es eher einer legalen Steuerhinterziehung gleich, wenn Unternehmen ihre Ge­sellschaften in Ländern anmelden, die keine oder wie in manchen Mitgliedstaaten sehr geringe Steuern einheben.

Ein paar Beispiele: Ungarn und Polen haben einen Steuersatz von 9 Prozent, Bulgarien und Kroatien 10 Prozent, Irland 12,5 Prozent. Für die Unternehmen, die sich dort ansie­deln, bedeutet das einen enormen Wettbewerbsvorteil, der dazu führt, dass diese Unter­nehmen leichter wachsen, billiger produzieren können und die brav Steuer zahlenden Wirtschaftstreibenden gegen die Billigpreise dieser Riesen weniger Chance haben. Mit der Mindestbesteuerung wird nun diese Wettbewerbsverzerrung etwas ausgeglichen und vor allem der ungesunde Steuerwettbewerb und auch der Standortwettbewerb zwi­schen den einzelnen europäischen Volkswirtschaften entschärft.

Aber das für mich stärkste Argument für diesen Mindeststeuersatz ist, dass die Flucht in ein steuerarmes Land bedeutet, dass weniger Geld für das Sozialsystem hier wie dort zur Verfügung steht. Das könnte man auch als unsolidarisch bezeichnen, nämlich ge­genüber allen SteuerzahlerInnen, die die Allgemeinheit an ihrem Gewinn teilhaben las­sen, und man denke an die Ausgaben für die Pandemie, den Vernichtungskrieg Russ­lands gegen die Ukraine und – nicht zu vergessen – das Geld, das wir für die Bekämp­fung der Klimakrise brauchen. Der EU entgehen geschätzte 50 Milliarden Euro durch diese Steuerflucht, in Österreich wären es mehrere Hundert Millionen Euro Zusatzein­nahmen, Geld, das für eine soziale Absicherung und für eine Umverteilung von oben nach unten verwendet werden kann.

Anhand dieses Steuersatzes sieht man auch sehr schön, wie das alles zusammenhängt, wie jedes egoistische und allein gewinnmaximierende Verhalten auf uns alle zurückfällt, weil es uns als Gemeinschaft erhaltender Akt fehlt. Daher ist es für uns voll und ganz unterstützenswert, dass das Finanzministerium diese Besteuerung von Großkonzernen vorantreiben will, damit es in der EU keine Steueroasen mehr gibt und mehr Geld für soziale Sicherheit zur Verfügung steht.

Der zweite Punkt ist der CO2-Grenzausgleichsmechanismus, CBAM, auf Englisch abge­kürzt, gefällt mir besonders gut. Dieses Instrument ist im Rahmen des Green New Deals geschaffen worden, und damit wird ein sogenannter CO2-Zoll auf Produkte eingehoben, die in die EU eingeführt werden, wenn bei deren Produktion mehr CO2-Emissionen an­fallen, als die EU-Vorschriften es erlauben. Dieser Mechanismus wird schrittweise und im Dialog mit den in die EU importierenden Drittstaaten eingeführt. „Schrittweise“ ist ein spannender Punkt, auf den ich dann auch noch zurückkommen möchte.

Dieser CO2-Zoll hat viele Vorteile, von denen ich ein paar nennen möchte. Erstens ge­neriert die EU damit Einnahmen und sie hat damit eine neue Eigenmittelkategorie ein­geführt, die zur Tilgung der aufgenommenen Mittel für den Wiederaufbaufonds beiträgt.

Zweitens: Will man umweltschonend produzieren, muss in den Produktionsvorgang in­vestiert werden, und das macht natürlich das Endprodukt teurer. Der CO2-Zoll hebt aber


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dann diesen Preisnachteil auf, erzwingt einen Ausgleich von klimaschädlicher, billiger Produktion und klimaschonender, aber teurer Produktion, und das trägt zur Entzerrung des Wettbewerbs bei.

Drittens: Mit einem solchen CO2-Ausgleich wird die Abwanderung europäischer Produ­zentInnen in Länder mit weniger Klimaschutzauflagen unterbunden.

Viertens: Klimaschädliche Produktion kostet uns alle Gesundheit und Geld, die Aus­gleichsabgabe dient daher auch der Kostenwahrheit.

Und fünftens, zum Dialog mit den Drittstaaten: Durch diese Art Vorwarnung der Impor­teure und die nicht sofortige Einführung des CO2-Zolls wird dazu angeregt, die Dekarbo­nisierung der Industrie in den Ländern voranzutreiben, die mit der EU Handel treiben wollen. Die EU ist eine begehrte Handelspartnerin, das heißt, das wird für viele Länder ein Anreiz sein, in Dekarbonisierung zu investieren. Das bedeutet, dass diese Maßnah­me auch global wirksam ist. Das ist gut beziehungsweise sogar sehr gut, denn Umwelt­schutz funktioniert nur global.

Das Finanzministerium wünscht eine ausgewogene Balance zwischen Umwelt, Klima, Industrie sowie wettbewerbs- und handelspolitischen Zielsetzungen. Wenn wir die Schwere der Klimakrise in die Waagschale der Ziele werfen, ist das genau im Sinne einer effizienten und grünen Klimapolitik. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.40


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesmi­nister Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm das Wort.


11.41.03

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Bundesräte! Die französische Ratspräsidentschaft hat sich sehr ehrgeizige, wichtige Ziele gesetzt, insbesondere natürlich auch, wie wir im An­schluss an die Coronapandemie künftiges Wachstum wieder finanzieren können und auch finanzieren wollen.

Frau Kollegin Hahn, es stimmt schon, dass durch den russischen Einmarsch in die Ukrai­ne die ursprünglich geplanten Schwerpunkte natürlich ein bisschen in den Hintergrund geraten sind. Da haben Sie durchaus recht. Eine rasche Reaktion der Europäischen Union war aber aus meiner Sicht absolut notwendig. Wir können es einfach nicht ak­zeptieren, dass es in Europa wieder Krieg gibt. – Vielleicht kann ich Ihnen, Frau Kollegin Hahn, da eine etwas aktuellere Fassung bringen, weil gerade in den letzten drei Wochen zwei Räte stattgefunden haben und auch die Eurogruppe wieder getagt hat. Wir haben im Ecofin-Rat natürlich die Sanktionen gegen Russland und deren wirtschaftliche Fol­gen – sowohl für Russland als auch für die Europäische Union und natürlich für uns in Österreich – als zentrales Thema behandelt.

Ich wiederhole noch einmal, dass die Sanktionen uns nicht mehr treffen sollten als die Russische Föderation. Wir hatten gerade erst vorgestern beim letzten Ecofin-Rat die Möglichkeit, mit dem ukrainischen Finanzminister per Videokonferenz zu sprechen. Er hat die schwierige Lage in seiner Heimat dargelegt, nämlich was die Menschenrechts­situation und die Kriegssituation betrifft, und natürlich mit uns auch die finanziellen Aus­wirkungen und wie sich die Ukraine einen entsprechenden Wiederaufbau vorstellt, er­örtert. Die Menschen in der Ukraine erleiden momentan Unglaubliches, und daher gibt es selbstverständlich auch seitens der Europäischen Union uneingeschränkte Unterstüt­zung. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Es ist aber klar, Sie haben recht: Die Prioritäten auch der Ratspräsidentschaft insgesamt haben sich in den letzten Wochen verändert. Das Programm wird aber nicht abgeändert, sondern es werden sich die Prioritätensetzungen verändern. Diese sind andere gewor­den. Die Verteidigungspolitik ist natürlich wichtiger geworden, und auch das Thema


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Energieunabhängigkeit wird beschleunigt behandelt. Das ist das Positive daran: Eine neue Weltordnung, wie sie momentan gerade aufbricht – so dramatisch wird man das wohl sagen müssen –, braucht in diesem Bereich auch ganz neue Schwerpunkte. Wenn man einen positiven Aspekt betrachtet, dann ist es sicherlich die Tatsache, dass die Europäische Union insgesamt sozusagen in ihren Worten und auch in ihren Taten näher zusammengerückt ist und dadurch, wie ich glaube, sicherlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird.

Natürlich wird das Wirtschaftswachstum – wie es Kollege Hübner angesprochen hat – in Europa durch den Krieg und durch die Sanktionen zurückgehen, das ist klar. Für Öster­reich rechnen wir mit circa 1,5 Prozent weniger Wachstum, als uns von den Wirtschafts­forschern attestiert worden war. Wir haben ja mit über 5 Prozent Wachstum gerechnet, jetzt liegen wir um 1,5 Prozent darunter. Für Russland allerdings werden die wirtschaft­lichen Auswirkungen ungleich dramatischer sein. Russlands Wirtschaft wird im heurigen Jahr um rund 10 Prozent einbrechen.

Ich möchte gerne noch auf ein paar Punkte eingehen, die schon angesprochen wurden, und damit vielleicht auch ein bisschen zu einer Klarstellung der österreichischen Position beitragen. Ich werde also, wie gewünscht, diese aktualisierte Wahrnehmung darstellen.

Wir haben unterschiedliche Bereiche behandelt, sowohl in der Eurogruppe auf der einen Seite als auch im Ecofin-Rat auf der anderen Seite. In der Eurogruppe ist die Vervollstän­digung der Bankenunion auch ein ganz entscheidendes Thema. Bis zum Europäischen Rat im Juni haben wir einen detaillierten Arbeitsplan, der vorgestellt worden wird. In die­sem Zusammenhang gibt es noch ein paar offene und strittige Punkte und auch ein paar offene Fragen.

Wir behandeln in der Eurogruppe aber auch die Fragestellungen der internationalen Rol­le des Euro und auch des digitalen Euro, den Sie angesprochen haben, Frau Kollegin. Wir befürworten diesen digitalen Euro auch in Anbetracht aller Fragen, die im Konsu­mentenschutzbereich und in allen anderen Bereichen auf uns zukommen werden. Wir setzen uns sehr dafür ein, diesen digitalen Euro einzuführen, jedoch immer auch mit der Betonung vonseiten Österreichs, dass das natürlich nichts mit einer Abschaffung des Bargelds zu tun haben wird. Auch dafür setzen wir uns auf europäischer Ebene sehr ein. Man kann in diesem Zusammenhang natürlich über die Grenzwerte sprechen, in Europa reden wir von einer 10 000-Euro-Grenze. – Ich komme mir eigentlich immer ein bisschen blöd vor, wenn ich über eine 10 000-Euro-Bargeld-Grenze sprechen muss, denn wer von uns hat denn 10 000 Euro Bargeld in der Hand? Das Thema Bargeld und Erhalt des Bargelds wird aber natürlich weiterhin eine Rolle spielen. Wir setzen uns da sehr dafür ein, obwohl das jetzt nicht wirklich ein großes Negativthema ist.

Bei den Steuern, die Sie angesprochen haben, liegt der Schwerpunkt auf dem von der Europäischen Kommission im Dezember vorgelegten Richtlinienvorschlag. Wir sind vorgestern im Europäischen Rat wesentliche Schritte weitergekommen, was die Min­destbesteuerung betrifft. Die 15 Prozent sind sowieso klar, dagegen hat ja, glaube ich, niemand mehr etwas. Bei der ersten Säule gibt es aber noch Herausforderungen und Fragestellungen. Wir haben jetzt Schweden, Litauen und ein paar andere kritische Staa­ten – sogar Ungarn – so weit, dass sie bei beiden Säulen zustimmen. Es gibt aber leider noch einen Staat, der sich dagegen wehrt, nämlich Polen. Polen ist weiterhin dagegen, vorgestern wurde noch einmal die Gegnerschaft bekannt gegeben. Das ist insofern inter­essant, als keine inhaltlichen Gründe mehr vorgebracht werden konnten, weil man auf gewisse Fragestellungen Schwedens, Litauens und auch Polens eingegangen ist. Das hängt offenbar rein mit dem Einfrieren der RRF-Gelder gegenüber Polen zusammen, weil gewisse Rechtsstaatlichkeitskriterien nicht eingehalten werden. Das verknüpft Po­len jetzt leider mit der Zustimmung für die digitale Mindestbesteuerung.


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Ein weiterer Punkt ist natürlich auch die Umsetzung des Fit-for-55-Paketes. In diesem Zusammenhang wurde von Kollegin Mag. Kittl auch schon der CBAM erwähnt. Das geht immer ein bisschen unter, aber die Europäische Union hat hier tatsächlich einen gewalti­gen Kraftakt vorgenommen. Das ist auch beschlossen, der CBAM ist in Kraft. Das ist wichtig für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union beziehungs­weise der Regionen auf der Welt, die für Klimaschutz mehr tun als andere. Das war, glaube ich, bereits ein ganz wichtiger und entscheidender Schritt des vorletzten Ecofin-Rates, bei dem das beschlossen worden ist.

Was die fiskalische Situation auf europäischer Ebene betrifft, war und ist es, wie ich glaube, wichtig, dass wir in der Pandemie auch fiskalisch gegengesteuert haben. Das war aber nur möglich, weil wir in besseren Zeiten entsprechend gespart haben. Wenn in diesem Zusammenhang über geänderte Fiskalregeln gesprochen wird, dann muss klar sein, dass alle Veränderungen – meinetwegen auch Verbesserungen – vor allem die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisten müssen. Das steht bei allen Re­geln, die wir diskutieren, ganz im Zentrum.

Es hat jetzt bei der Covid-Pandemie einmalige Ausnahmesituationen gegeben, und da kann ja dieser Stabilitäts- und Wachstumspakt durchaus auch – wie es derzeit der Fall ist – ausgesetzt werden. In der Kommission überlegt man sich jetzt bis Mai, ob eine weitere Aussetzung im Sinne dieser General Escapeclause dann auch vorgenommen werden kann. Man muss allerdings immer im Auge behalten: Solche Ausnahmen für bestimmte Investitionen können zwar durchaus verführerisch klingen, beispielsweise wenn wir über grüne Investitionen gegen den Klimawandel sprechen. Dabei stellt sich jedoch immer die Frage: Wer definiert, was grün ist? – Sie haben das eh auch angespro­chen: Wir haben die Situation, dass in der Taxonomieverordnung Nuklearenergie auch als grün eingestuft wird. Man muss da also wirklich vorsichtig sein, wenn wir über solche Ausnahmen, beispielsweise bei grünen Investitionen, sprechen, und auch entsprechend dagegenhalten.

Ich habe immer vorgeschlagen, dass man die Taxonomie zweiteilen könnte, in eine wirk­lich grüne Taxonomie und eventuell in eine Übergangstaxonomie, wo Gas eine Rolle spielen kann. Für uns ist aber Nuklearenergie natürlich auf jeden Fall ausgeschlossen.

Ich hoffe, ich habe Ihnen hiermit etwas mehr Klarheit über den momentanen Stand der Diskussion auf europäischer Ebene geben können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.50


11.50.34

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.50.585. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Energiekostenausgleich eingeführt wird (Energiekostenausgleichsge­setz 2022 – EKAG 2022) (2314/A und 1377 d.B. sowie 10914/BR d.B. und 10947/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1378 d.B. sowie 10948/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 61

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (2313/A und 1376 d.B. sowie 10949/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2315/A und 1379 d.B. sowie 10950/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 5 bis 8, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 8 ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um die Berichte.


11.51.59

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Präsident! Ich bringe den Be­richt des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Energiekostenausgleichsgesetz eingeführt wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdaten­bankgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgaben­vergütungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 62

11.53.47

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In der Aktuellen Stunde ist über den österreichischen Weg gegen die Teuerung und die Inflation schon sehr viel gesprochen worden. Ich glaube, das ist, wie schon gesagt wurde, ein ernstes Thema, und ich meine, man braucht auch nicht beleidigt zu sein, wenn die Opposition einmal ein bisschen schärfer auftritt, Herr Kollege Lackner! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass eine beispiellos hohe Inflation von 7 Prozent derzeit die Energiepreise befeuert, ist bekannt und jetzt auch schon mehrfach erwähnt worden. Das ist keine Entwicklung von heute auf morgen. Auf das Phänomen dieser explodierenden Energiekosten haben wir von der SPÖ auch schon vor einigen Monaten hingewiesen, und seit Monaten fordern wir praktikable und sinnvolle Maßnahmen, um die Teuerung bei den Strom- und Gaskos­ten abzufedern.

Ich glaube, alle wissen, dass wir die Partei sind, die versucht, entsprechende Maßnah­men zu setzen, um diese Teuerungen vor allem für jene Personen möglichst niedrig zu halten, die davon zuerst und besonders stark betroffen sind, nämlich die sozial Schwa­chen. Das geschieht nun gemeinsam mit Ihnen mit diesem Energiekostenausgleich, zu dem ich jetzt kurz spreche. Wir glauben allerdings, dass eine wirkungsvolle Entlastung leider Gottes nicht erreicht wird.

Ich glaube auch, dass die Aussage, die getroffen wurde, dass die Menschen in Zukunft mit weniger Lohn auskommen müssen, nicht gut ankommt. Ich bin darauf in den letzten Tagen schon öfter angesprochen worden. – Vielleicht war das auch nicht so gemeint, wie es rübergekommen ist.

Die beschlossene Einmalzahlung von 150 Euro pro Haushalt ist unserer Meinung nach sicherlich kein ausreichendes Mittel, um vor allem auch jenen Menschen in Österreich zu helfen, die unter dieser massiven Steigerung der Lebenshaltungskosten zu leiden haben. Ich meine auch nicht, dass Kollegin Schumann das jetzt ins Lächerliche gezogen hat. In den Ausschüssen konnten die Beamten des Finanzministeriums nämlich tatsäch­lich nicht genau erklären, wie die Erhebung hinsichtlich der Zahlung von 150 Euro schlussendlich vorgenommen werden soll, und zwar im Hinblick darauf, ob die Grenze von 11 000 Euro brutto monatlich für einen Mehrpersonenhaushalt überschritten wird. Ich glaube, dass die Menschen nicht genau wissen, wie das ablaufen soll, und deswegen meine ich, Herr Bundesminister, lieber Magnus, der du in diesem Zusammenhang so streng reagiert hast, dass man das den Leuten doch noch einmal näherbringen sollte.

In Wahrheit verhält es sich in dieser Situation nämlich so – das wurde heute auch schon erwähnt –, dass der Staat und der Finanzminister die wahren Profiteure dieser Situation sind. Wenn man sich diesen Rechner der E-Control anschaut, dann sieht man, dass es nicht so schwer nachzurechnen ist, dass die Energiepreise für Strom und Gas auf 1 200 Euro steigen und davon das Finanzministerium allein 200 Euro nach Abzug des Energiekostenausgleichs kassiert. Da fehlen ja eigentlich 50 Euro, man hätte also schon auf 200 Euro erhöhen können. – Aber wie auch immer.

Es ist heute an dieser Stelle – ich glaube, von Dipl.-Ing. Gross – auch schon gesagt worden, dass die stromerzeugenden Industrien sicherlich Gewinne in Höhen machen, die ich jetzt gar nicht feststellen kann. Ich glaube also, dass diese eher viel Geschick brauchen werden, um das heuer in ihren Bilanzen irgendwie zu verstecken.

Um den Haushalten angesichts der hohen Inflation bei der Finanzierung von Grundbe­dürfnissen zu helfen, muss dieser Zuschuss also deutlich höher ausgestattet werden. Ansonsten wird es heuer einen enormen Zuwachs bei der Zahl von Menschen geben, die unter der Armutsgrenze leben. Ich gehe jetzt nur von Kärnten aus: Bei uns leben


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circa 9 000 Personen unter der Armutsgrenze. Diese Zahl wird sich wahrscheinlich ver­doppeln, ebenso natürlich auch auf Österreichebene.

Ich habe es mir aufgeschrieben, und das ist ja auch eine Forderung unserer Partei, dass die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas befristet gänzlich ausgesetzt werden könnte. Das ist erklärt worden, ist dann aber widerrufen worden, wobei ich das nicht verstanden habe, weil es doch in unseren Nachbarländern das eine und das andere Mal in diese Richtung gegangen ist. Jedenfalls meinen wir aber auch, dass es einen Preisdeckel bei Strom für jene Menschen geben sollte, die ein geringes Einkommen haben.

Dazu auch noch eine Erklärung, weil du den Kopf geschüttelt hast: Diese 4 Milliarden Euro, die eingesetzt werden, sind eine große Summe, das muss man wirklich sagen, keine Frage. Es geistern aber immer Zahlen in der Größenordnung von 7 Milliarden Euro herum, die eingenommen werden. Im Hinblick darauf wäre es vielleicht doch interessant, zu wissen, was jetzt im Jänner, Feber, März beziehungsweise halt in den vergangenen Monaten zusätzlich an Finanzmitteln im Finanzministerium eingegangen ist. Kann man das darstellen? Noch einmal: Du hast ja bei der Nennung der Summe von 7 Milliarden Euro den Kopf geschüttelt.

Ich muss jetzt Präsidenten Strugl zitieren, den ich, glaube ich, am Sonntag oder jeden­falls in der letzten Zeit irgendwann im Fernsehen gesehen habe. Er hat eine klare Aussa­ge getroffen, was das Ganze betrifft. Er kommt, glaube ich, aus Oberösterreich, und er hat eine entscheidende Aussage getätigt.

Er sagt, dass er direkten Eingriffen in den Energiemarkt zur Stabilisierung der Preissitua­tion eine klare Absage erteilt. Das muss er auch tun, das verstehe ich. Er sagt, dass es gilt, hier vorsichtig zu sein, weil wir den Markt brauchen. Er meint, es müsste jede Kilo­wattstunde genützt werden, die in Österreich erzeugt wird, und dass es vor allem bei den erneuerbaren Energien viel schneller gehen sollte als bisher, diese auszubauen. Das Gleiche gelte für die Netze und für die Speicher.

Ich habe mir das deswegen herausgesucht, weil erneuerbare Energien ja auch in deinen Bereich als Staatssekretär fielen, und ich werde das auch der Frau Ministerin beim nächsten Punkt sagen. Dieses Energieeffizienzgesetz und auch das Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz selbst liegen noch immer auf dem Tisch, es gibt aber keine Verordnungen dazu, und das wundert uns. Ich habe immer das Gefühl, dass vielleicht die eine Partei die andere irgendwie daran hindert.

Etwas muss man – um noch einmal auf Herrn Strugl zurückzukommen – erwähnen, und da gebe ich ihm 100-prozentig recht: Wir brauchen jetzt mehr Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung, wenn es darum geht, flächenmäßig Fotovoltaik aufzustellen, und wenn es gilt, Leitungen bei Windrädern zu graben, Umweltverträglichkeitsprüfungen, die teilweise bei großen Projekten bis zu zehn Jahre dauern, zu verkürzen und so schnell wie möglich abzuwickeln, damit wir wirklich den notwendigen Strom bekommen, den wir brauchen.

Noch einmal: Teuerungen treffen immer die sozial Schwachen. Für diese wollen wir uns einsetzen. Deswegen bitten wir auch, in diesem Fall eine Möglichkeit zu finden, mehr Geld dafür bereitzustellen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile dieses.


12.02.13

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seherinnen und Zuseher! Ja, wir erleben gerade enorm herausfordernde Zeiten. Diesbe­züglich sind wir uns, denke ich, alle einig. Nach mehr als zwei Jahren Coronapandemie,


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deren Aus- und Nachwirkungen noch immer zu spüren sind, kommt nun noch der schreckliche Krieg in der Ukraine hinzu, der einerseits unbeschreibliches Menschenleid verursacht und andererseits auch die Teuerung noch einmal enorm befeuert. Die Menschen in unserem Land sind aktuell mit der höchsten Inflation beziehungsweise Preissteigerung seit vielen, vielen Jahren konfrontiert, und besonders massiv macht sich das in den Bereichen Energie und Treibstoffe, aber auch bei den Dingen des täglichen Bedarfes bemerkbar.

Gerade Menschen mit geringem Einkommen stehen daher oft vor großen finanziellen Herausforderungen und machen sich Sorgen um die Deckung ihrer Grundbedürfnisse. Daher gilt für uns als Volkspartei und auch für die Regierung natürlich der Grundsatz, insbesondere jenen zu helfen, die dringend Unterstützung benötigen, und das tun wir. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir reagieren mit einem Entlastungspaket, das Preissteigerungen abfedert, und ein zen­trales Element dabei ist der Energiekostenausgleich in Form eines Gutscheins in Höhe von 150 Euro, den es heute zu beschließen gilt. Mit diesem Gutschein helfen wir prak­tisch und unbürokratisch. Er hilft insbesondere einkommensschwächeren Haushalten, AlleinerzieherInnenfamilien, aber auch Seniorinnen und Senioren. Dadurch können etwa auch finanzielle Notlagen aufgrund der nächsten Stromrechnung abgefedert und verhin­dert werden. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Immer wieder werden wir mit der Kritik – das ist jetzt auch von Kollegen Novak gekommen – konfrontiert, dass dieser Gutschein als Maßnah­me gegen die Teuerung ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein sei. – Das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn man muss diesen Energiekostenausgleich ja als Einzelmaßnah­me in einem Gesamtpaket sehen, in Kombination mit allen bisher fixierten und noch ge­planten Maßnahmen, die gegen die Teuerung wirken. Dazu zählen der Teuerungsaus­gleich für Arbeitslose, Mindestsicherungs- und Ausgleichszulagenempfänger, Studien­beihilfenbezieher und Mobilitätsstipendiaten, für die er auf 300 Euro verdoppelt wurde. Das ist bereits auch in Auszahlung. Für Negativsteuerbezieher gibt es zudem einen ein­maligen negativsteuerfähigen Betrag von 100 Euro.

Weiters nenne ich die Aussetzung der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbe­trags. Diese Maßnahme bringt heuer 100 Euro Entlastung für jeden Haushalt, entlastet aber auch Klein- und Mittelbetriebe und hilft ihnen enorm. Außerdem gibt es eine Sen­kung der Abgaben auf Erdgas und Elektrizität um rund 90 Prozent bis Juni 2023. Das entlastet die österreichischen Haushalte und Unternehmen insgesamt um 900 Millionen Euro. Weiters werden die Pendlerinnen und Pendler durch die Erhöhung der Pendler­pauschale und des Pendlereuro entlastet.

Insgesamt – das ist heute schon mehrfach erwähnt worden – macht dieses Paket zur Abfederung der Teuerung für die Österreicherinnen und Österreicher 4 Milliarden Euro aus. Energiekostenzuschuss und alle anderen Maßnahmen zusammengenommen erge­ben also ein wirklich starkes Paket, das sich auch im europäischen Vergleich mehr als sehen lassen kann. So gibt es beispielsweise pro Person knapp dreimal so viel zur Teuerungsabfederung, wie das bei unseren deutschen Nachbarn der Fall ist.

Herr Kollege Ofner, Sie haben das in der Aktuellen Stunde so dargestellt, als wäre man, wenn man Österreicher ist, ständig auf der Verliererseite. – In diesem Fall ist man wirk­lich viel mehr im Vorteil, wenn man in Österreich zu Hause ist, wo starke Pakete ge­schnürt wurden, und nicht beispielsweise in Deutschland. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Stimmt ja nicht!)

Unser Paket gegen die Teuerung ist auch sozial ausgewogen. Ich lege Wert darauf, das zu betonen: Es geht uns darum, den Schwächsten unserer Gesellschaft bestmöglich unter die Arme zu greifen, aber auch den Mittelstand und die Unternehmen nicht zu


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vergessen. Das ist sozial ausgewogene Politik, und dafür stehen wir mit diesen Maßnah­men. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Aktuell kann niemand tatsächlich seriös sagen, wie lange die Teuerung auf diesem Niveau bleiben wird. (Bundesrat Ofner: So lange, bis es Neuwahlen gibt!) Die geplanten und gesetzten Maßnahmen werden Notsituationen abfe­dern und Wirkung zeigen. Selbstverständlich werden wir auch weiterhin aufmerksam beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Wenn die hohe Teuerung ein längerfristiges Phänomen bleibt, wird es auch weitere Hilfen – zumindest für die Schwächsten in der Gesellschaft – brauchen.

Übrigens: Auch die Europäische Zentralbank könnte einen wichtigen Beitrag zur Ent­schärfung der Lage leisten. Man muss nämlich feststellen: Die aktuelle Teuerung in Kombination mit der Nullzinspolitik ist eine Vermögensteuer für die kleinen Sparer. Das betrifft beispielsweise oft Seniorinnen und Senioren. Wenn man vor zehn Jahren 10 000 Euro aufs Sparbuch gelegt hat, sind heute aufgrund der Inflation und der niedri­gen Zinsen nur noch etwa 8 500 Euro übrig. Daher auch mein Appell an die EZB: Die Zinspolitik muss in Anbetracht dieser hohen Inflation rasch geändert werden, um nicht die kleinen Sparer schleichend zu enteignen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.09


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Michael Bernard.


12.09.49

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Bevor ich zu den Details des Alptraums komme, der mittlerweile große Teile unserer Bevölkerung betrifft, stelle ich fest: Es geht in diesem Zusammenhang um jene Bevölkerungsgruppen, die jahrelang schwer gearbeitet haben und viele Entbehrungen hinnehmen mussten. Dabei sprechen wir nicht mehr nur von den Sozialhilfeempfängern, sondern mittlerweile wird die sogenannte Mittelschicht tag­täglich durch die gesetzten Maßnahmen dieser Bundesregierung in Richtung Armut ge­trieben.

Ich kann  und ich denke, es geht vielen so – die Ausreden nicht mehr hören. Die mitt­lerweile tagtäglich zunehmenden Belastungen, quasi geschmückt mit den anscheinend immer tiefer werdenden Korruptionssümpfen, lassen den größten Optimisten depressiv werden. Es ist schrecklich anzusehen, wie viele österreichische Familien sich mittlerwei­le in der Armutsspirale befinden. Es hilft den Familien nichts, wenn diese Bundesregie­rung einen Energiegipfel medienwirksam einberuft, aber außer Spesen und heißer Luft nichts produziert. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Ist es ein Armutszeugnis oder ist es eine besondere Art der Wertschätzung des Bun­desrates, wenn gezielte Fragen im Finanzausschuss des Bundesrates gestellt werden, jedoch unbeantwortet bleiben? Zumindest ist hervorzuheben, dass diesmal zwar eine Antwort gekommen ist, allerdings in einer Form, die meiner Meinung nach zu wünschen übrig lässt. Dass bei der MöSt eine einmonatige Verzögerung bei der Abfuhr besteht, weil diese grundsätzlich am 25. des Folgemonats fällig ist, und dass bei den Energieab­gaben und der Umsatzsteuer eine zweimonatige Fälligkeit am 15. des zweitfolgenden Monats gegeben ist, das wissen die meisten von uns. Das müsste uns aber nicht extra erklärt werden.

Leider ist es für mich zusätzlich erschwerend, dass die von mir gestellten Fragen be­treffend Vergleichszahlen nicht entsprechend beantwortet wurden. Ich wollte wissen, wie viel Mineralölsteuer und wie viel Mehrwertsteuer auf Diesel, Benzin und Heizöl im Jän­ner, Februar und März 2021 und im Vergleichszeitraum im Jahr 2022 an den Finanzmi­nister einbezahlt wurden, ebenso wie viel Mehrwertsteuer auf Gas und Strom. Diese


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Frage ist nicht in angemessener Art und Weise beantwortet. Es wurden Jänner und Februar 2021 zusammengefasst, und das, was im März 2022 eingegangen ist, wurde auch nicht erwähnt. Normalerweise hätten diese Zahlen ja schon auf dem Energiegipfel vorliegen müssen.

Vielleicht ist aber auch ein Grund dafür, dass wir die richtigen Zahlen nicht bekommen, dass der größte Profiteur der explodierenden Energie- und Treibstoffpreise unser Fi­nanzminister ist. Je höher der Basispreis ist, desto höher sind natürlich auch die Steuer­einnahmen. Der Dieselpreis besteht zu 49 Prozent aus Steuern und Abgaben, bei Ben­zin sind es sogar 54 Prozent. Durch die CO2-Strafsteuer, die ab 1. Juli noch zusätzlich eingeführt wird, beziehungsweise die Abschaffung des Dieselprivilegs wird uns der Fi­nanzminister in Zukunft noch unverschämter abkassieren. Der Dieselpreis wird sich durch die Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung bis 2025 zusätzlich noch einmal um weitere 21,5 Cent pro Liter erhöhen; 14,8 Cent sind es bei Benzin. – All das sind Maßnahmen, die bei der für mich ökoasozialen Steuerreform beschlossen wurden, und diese haben nichts mit dem Ukrainekonflikt zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Die schlechteste und anscheinend korrupteste Bundesregierung hat es auch schon bei der kalten Progression vorgezeigt: Nehammer und Co nehmen der Bevölkerung zuerst viel Geld weg, und dann verteilen sie im Rahmen der ökoasozialen Steuerreform Almo­sen. Energiesteuern und Umweltabgaben in allen Ausprägungen werden zuerst kompli­ziert vom Finanzminister eingehoben. Diese wurden schon erwähnt: Mineralölsteuer, CO2-Strafsteuer, Elektrizitätsabgabe, Ökostrompauschale, Erdgasabgabe, Kohleabga­be. Ich kann mich noch erinnern: Als wir voriges Jahr die Anträge betreffend NoVA ein­gebracht haben, wurde von eurer Seite hier immer wieder dagegengestimmt. Es sind zusätzliche 510 Millionen Euro, mit denen die österreichische Bevölkerung weiter belas­tet wird. Ein sehr kleiner Teil dieser Energiesteuern und Umweltabgaben fließt dann – wie vorhin schon erwähnt – als Almosen mit einem irrsinnigen Verwaltungs- und Büro­kratieaufwand wieder an die Bevölkerung zurück.

Die Bevölkerung finanziert sich wie bei der kalten Progression diese Entlastung selbst. Es wird der Bevölkerung mehr weggenommen, als den Menschen letzten Endes zurück­gegeben wird. Ich darf diesbezüglich noch einmal auf die schwarz-grüne CO2-Strafsteu­er verweisen, die nichts anderes ist als eine zusätzliche Mineralölsteuererhöhung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes. Auch der regionale Klimabonus ist nichts anderes als ein Bürokratiemonster, ebenso wie der Energiekostenausgleich, der heute wahr­scheinlich beschlossen werden wird. Die CO2-Strafsteuer ist eine Steuer, die vom Finanz­minister kompliziert eingehoben wird und dann in Form eines regionalen Klimabonus durch die Umweltministerin noch komplizierter und auch ungerecht verteilt wird. Es wird für die Vollziehung dieser CO2-Strafsteuer sogar eine eigene Behörde, das Amt für den nationalen Emissionszertifikatehandel mit bis zu 65 neuen Planstellen, eingerichtet.  So sieht die Verwaltungsvereinfachung in der Handschrift dieser Bundesregierung aus!

Kommen wir nun zum nächsten Bürokratiemonster, dem Energiekostenausgleichsge­setz, das ebenfalls ein Negativbeispiel für Verwaltungsvereinfachung ist. Ich weiß nicht, wie viele sich dieses Gesetz durchgelesen haben: An eine Adresse in Österreich wird, wie wir heute schon gehört haben, per Post ein Gutschein mit einem Fragebogen ver­schickt. Ob der Gutschein letzten Endes eingelöst werden darf oder nicht, muss der Haushalt selbst überprüfen, und dann werden andere Institutionen damit befasst, damit alles kontrolliert wird.

Man muss sich das vorstellen: Dafür, dass 150 Euro ausbezahlt werden, gibt es sechs Organisationseinheiten, die involviert sind: das BMI mit den Meldedaten, das BMF, das Bundesrechenzentrum, die Buchhaltungsagentur des Bundes, die Stromlieferanten. Und man staune, denn was kommt als sechste Institution!?  Natürlich wieder einmal die Co­fag! Die Experten, die im Ausschuss befragt wurden, konnten auch keine klare Linie


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zeichnen. Die einzige auffällige Aussage, die sie getätigt haben, war, dass auf jeden Fall jeder einzelne Antrag von der Finanz genau überprüft wird.

Meiner Meinung nach wäre es nicht mehr komplizierter gegangen! Die Verwaltungskos­ten und die Rechtsbefolgungskosten sind dabei höher als die Entlastung der Bevölke­rung. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Finanzminister! Sparen Sie sich diesen Umverteilungsbürokratismus und senken Sie sofort die Steuern und Abgaben auf Energie und Treibstoff, insbesondere die Mine­ralölsteuer und natürlich die Umsatzsteuer! Das wäre einfach und unbürokratisch und würde die Bevölkerung sofort und auch transparent bei jedem Mal Tanken entlasten. Verteilen Sie nicht über Gutscheine oder Steuererklärungen ein paar Hunderter!

Angesichts dieser Rekordinflation von 5,9 Prozent – das ist der höchste Wert seit 1984! – frisst die kalte Progression sämtliche Steuerentlastungen gleich wieder weg. Die sofortige Abschaffung der kalten Progression und ein Vorziehen der Senkung der zwei­ten und dritten Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer, und zwar rückwirkend mit 1.1.2022, nicht erst irgendwann nächstes Jahr, sind ein Gebot der Stunde, um die Öster­reicher nachhaltig, transparent und sofort spürbar zu entlasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Einige Zahlen und Fakten: Seit Monaten sehen sich die heimischen Haushalte und die Wirtschaft mit enorm steigenden Gas- und Stromkosten konfrontiert. Als ebenso drama­tisch ist mittlerweile, wie vorhin schon erwähnt, die Entwicklung der Treibstoffpreise zu bezeichnen. Zur Erklärung: Haushaltsenergie war im Vergleich von Jänner 2021 zu Jän­ner 2022, als es noch keinen Ukrainekonflikt gab, um 22 Prozent teurer. Heizöl kostete im Jänner 2022 ohne Ukrainekonflikt um 45,8 Prozent mehr, Diesel war um 30 Prozent und Superbenzin um 28,2 Prozent teurer. Die enorme Steigerung des Preises für Heizöl führt zum Beispiel dazu, dass allein bei einem 3 000-Liter-Tank, wie ihn die meisten haben, die Kosten von Jänner 2021 zu Jänner 2022 um 850 Euro gestiegen sind. Der Preis für Erdgas ist von Jänner 2021 auf Jänner 2022 um 37,3 Prozent gestiegen, auch ohne Ukrainekonflikt.

Im Februar stieg der Arbeitspreis für Gas um 70 Prozent – da ist jetzt der Ukrainekonflikt mit dabei –, Heizöl verteuerte sich um 50 Prozent. Die Kostenlawine rollt ungebremst über Österreich. Die negativen Auswirkungen dieser Kostenlawine spüren die Österrei­cherinnen und Österreicher tagtäglich. Im März wird dann der Treibstoff zum Luxusgut. Die Treibstoffpreise haben mittlerweile mit zuletzt über 2 Euro je Liter ein Niveau erreicht, das alle trifft, die tagtäglich auf die Nutzung eines Kfz angewiesen sind, vor allem die vielen Pendler. Existenzen werden massiv bedroht, die tägliche Fahrt zur Arbeit wird zu einer steigenden finanziellen Belastung. Für viele Pendler sind öffentliche Verkehrsmittel aufgrund des fehlenden bedarfsgerechten Angebots beziehungsweise aus zeitlichen Gründen keine sinnvolle Alternative.

Angeblich wurde ja, medienwirksam verkündet, die Bundeswettbewerbsbehörde einge­schaltet. Man hat nichts gehört, was da herausgekommen ist – oder war das vielleicht nur, um von den fragwürdigen Alkoholexzessen rund um die Gattin des Bundeskanzlers abzulenken?

Wohnen wird bald für einen großen Teil der Bevölkerung unleistbar: Man muss sich vorstellen, dass einkommensschwächere Haushalte mittlerweile bis zu zwei Dritteln ih­res Einkommens fürs Wohnen ausgeben!

Die Nahrungsmittel werden teurer: Die Preise für Brot und Getreideerzeugnisse stiegen alleine im Februar 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,9 Prozent, Gemüse um 6,8 Prozent, Käse, Eier und Milch um 3 Prozent, Öle und Fette um 12,9 Prozent. Zusätz­lich belastet die dramatische Energiepreissituation die heimische Wirtschaft, das darf man auch nicht vergessen, und gefährdet Arbeitsplätze massiv.


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Herr Finanzminister Brunner, echte Entlastungsmaßnahmen dulden keinen Aufschub mehr! Es ist nun dringend an der Zeit, dass diese Bundesregierung von einer reinen Ankündigungspolitik Abstand nimmt und endlich sofort wirksame Maßnahmen zur Ent­lastung der Menschen auf den Weg bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass Haushalte, Familien, Alleinerzieher, Pensionisten, Arbeitslose und Menschen mit geringem Einkommen Gefahr laufen, sich infolge der enormen Teuerungen das Leben nicht mehr leisten zu können und insbeson­dere aufgrund der gestiegenen Energiepreise ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr zahlen zu können, und dass sie in der Folge in ungeheizten Wohnungen sitzen müssen.

In diesem Zusammenhang stellen wir daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawi­ne stoppen – Entlastung für Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend Regierungsvorla­gen zuzuleiten bzw. die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, die die Umsetzung, insbesondere nachstehender Forderungen, im Sinne des Stopps der derzeitigen Kosten­lawine zur Entlastung für Österreich sicherstellen:

1. Sofortige massive Steuersenkung auf Benzin und Diesel durch Halbierung bezie­hungsweise bei weiteren Preisanstiegen völlige Streichung sowohl der Mehrwertsteuer als auch der Mineralölsteuer

2. Signifikante Erhöhung des Pendlerpauschale, um Arbeitnehmer zu unterstützen, die für den Weg zum Arbeitsplatz auf ihr Auto angewiesen sind

3. Sofortige Streichung der im Zuge der Steuerreform beschlossenen CO2-Abgabe, um einen weiteren Preisanstieg bei Treibstoffen zu verhindern

4. Halbierung beziehungsweise bei weiteren Preisanstiegen völlige Streichung der Mehr­wertsteuer auf Gas und Strom für Privathaushalte aber auch für kleine und mittlere Un­ternehmen

5. Einführung eines bundesweiten Heizkostenzuschusses für bedürftige Personen in der Höhe von mindestens 300 Euro pro Haushalt und Jahr

6. Automatische Inflationsanpassung sämtlicher Versicherungs-, Familien- und Sozial­leistungen, insbesondere der Pensionen, des Arbeitslosengeldes sowie der Familienbei­hilfe und des Pflegegeldes

7. Zusammenstellung eines Warenkorbs von Grundnahrungsmitteln samt Halbierung beziehungsweise Streichung der Mehrwertsteuer auf die darin enthaltenen Produkte

8. Signifikante Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer, welche die Teuerung in vollem Um­fang abdecken

9. Im Gegenzug deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, um die Unternehmer nicht über Gebühr zu belasten und einen weiteren Preisanstieg bei den Produkten und Dienst­leistungen zu verhindern

10. Sofortiges Ende der schikanösen und extrem teuren Corona-Politik, insbesondere von millionenfachen Massentestungen gesunder Bürger – Keine Lockdowns mehr!

11. Evaluierung von Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine hin­sichtlich der finanziellen Auswirkungen auf die Österreicher – Keine Sanktionen, mit de­nen sich Österreich ins eigene Fleisch schneidet!


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12. Konsequenter Einsatz der Bundesregierung auf EU-Ebene gegen weitere gemein­same Schuldenaufnahmen und gegen alle Maßnahmen, die zur Umverteilung von Ver­mögen in die finanziell angeschlagenen Südstaaten führen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.24


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Michael Ber­nard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kosten­lawine stoppen – Entlastung für Österreich“ wurde gemäß § 43 Abs. 4 GO-BR vervielfäl­tigt und verteilt, in seinen Kernpunkten erläutert, ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


12.25.18

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Herr Minister! Mit dem ersten Antiteuerungspaket und dem weiteren vor circa zwei Wochen vorgelegten Energiepaket wurden vor allem Maßnahmen zum Abfangen gestiegener Energiekosten gesetzt. Diese können sich se­hen lassen, meine ich – auch wenn sich manche beharrlich weigern, das sehen zu wol­len. Die Bürgerinnen und Bürger werden das im besten Sinne spüren, und das ist das Wichtigste.

Bereits beschlossen ist der Teuerungsausgleich von 300 Euro pro Person. In den Ge­nuss dieses Beitrags kommen vor allem vulnerable Gruppen, das haben wir jetzt schon mehrfach gehört, und das ist eine sehr wichtige und schöne Maßnahme, weil sie ei­gentlich auch die sozial treffsicherste ist. Dieser Ausgleich ist jetzt nicht speziell auf die Energiekosten abgestimmt, wurde aber durch die im Vorjahr stark gestiegenen Energie­kosten ausgelöst. Ausgesetzt wurden der Ökostromförderbeitrag und die Ökostrompau­schale, das sind im Schnitt immerhin um die 110 Euro pro Haushalt. Die Energieabgabe wird auf die Hälfte reduziert, das ist, wenn man mit Gas heizt, in einer Dimension von etwa 75 Euro.

Heute kommen mit dem zu fassenden Beschluss zum Energiekostenausgleichsgesetz noch einmal 150 Euro pro Haushalt dazu. Die Grenze dafür ist die ASVG-Höchstbe­messungsgrundlage, und das Ganze ist steuerfrei, das muss man auch dazusagen. Das betrifft natürlich alle niedrigen Einkommen und geht hinein bis in den Mittelstand.

Sehr intensiv und emotional diskutiert werden ja wie immer die Treibstoffpreise und in diesem Zusammenhang vor allem die gestiegenen Kosten für PendlerInnen. Um die Leute zu entlasten, die tatsächlich auf ihr Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kom­men, wurden wirklich massive Erhöhungen beschlossen: Das Pendlerpauschale wird verdoppelt und der Pendlereuro vervierfacht.

Jetzt kann man darüber diskutieren, wie sinnvoll das ist – es ist ja durchaus kontrovers, auch aus meiner Sicht –, aber auf jeden Fall ist es sinnvoller, als die Mineralölsteuer zu senken oder gar die Mehrwertsteuer zu senken. (Ruf bei der FPÖ: Warum?) Die Pend­lergeldanpassung unterstützt nämlich eben jene, die aufgrund des Arbeitsweges betrof­fen sind, und funktioniert nicht nach dem Gießkannenprinzip. Wir sagen aber natürlich schon dazu, dass das Pendlerpauschale selbstverständlich überarbeitet und sozial treff­sicherer gemacht gehört, keine Frage. Wichtig ist auch, dass es sich dabei um eine zeit­lich befristete quasi Notmaßnahme handelt, auch das ist eine ganz, ganz wichtige Rah­menbedingung.


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Es geht da schon um wirklich beachtliche Summen. Ich habe den Pendlerrechner des Finanzministeriums herangezogen und ein Beispiel aus meinem Bundesland durchge­rechnet: Wohnort im Bregenzerwald, Arbeitsort in Feldkirch, 60 Kilometer pro Strecke. Jetzt hören Sie zu: Das Pendlerpauschale verdoppelt sich auf 5 000 Euro und der Pend­lereuro steigt von 120 auf 480 Euro – das ist schon richtig viel Geld! (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Weiters nicht zu vergessen ist der Klimabonus, das sind mindestens 100 Euro pro Per­son. In vielen Fällen, also für Leute, die nicht in zentraler Lage wohnen, sind es 200 Euro pro Person. Nehmen wir einen Haushalt mit zwei minderjährigen Kindern, da sind das 600 Euro allein durch den Klimabonus. Da kommt schon etwas zusammen: In Summe sind das dann weit über 1 000 Euro; mein Kollege Lackner hat das in der Früh schon aufgezeigt.

Zur Wirksamkeit der Ausgleichsmaßnahmen hat die Österreichische Energieagentur vor ein paar Tagen eine Berechnung vorgelegt, bezogen auf Strompreise, die zeigt, dass in vielen Bundesländern durch die gesetzten Maßnahmen die Preiserhöhungen sogar überkompensiert werden. Das soll sein, aber das nur einmal zur Klarstellung – das wur­de von einer unabhängigen Experteneinrichtung errechnet.

Da sind wir jetzt aber noch lange nicht fertig, das waren nämlich erst die Direktzahlungen des Bundes. Nicht zu vergessen sind die Direktzahlungen der Bundesländer und da vor allem die Heizkostenzuschüsse. In Vorarlberg, das die höchsten Heizkostenzuschüsse gewährt, sind das 270 Euro für einkommensschwache Haushalte. Vorarlberg – unter Regierungsbeteiligung der Grünen übrigens – diskutiert darüber, das weiter zu erhöhen.

Mit dem Genannten sind wir noch nicht fertig: Es gibt noch viele weitere Leistungen, auch indirekte und abrufbare Leistungen. Dazu gehören etwa 105 Millionen Euro, die bereitgestellt werden, damit die Länder die regionalen Klimatickets preisreduzieren und den ÖV weiter ausbauen können. Ich erinnere daran, dass das übrigens nicht das erste ÖV-Paket ist. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, um leistbare Mobilität sicherzu­stellen.

Von den gestiegenen Energiekosten sind ja auch die Verkehrsbetriebe betroffen, und um die Kosten für die Tickets im ÖV nicht erhöhen zu müssen, erhalten die Länder dafür jährlich 70 Millionen Euro. 30 Millionen Euro gibt es, um die Lehrlings- und Schülerfrei­fahrten weiterhin gratis zu ermöglichen und auch dort die gestiegenen Kosten abzu­fangen.

Wichtig ist ebenfalls, dass Haushalte gut beraten werden, denn es ist wichtig, dass auch vor Ort Maßnahmen gesetzt werden, um Energie einzusparen und die Energiekosten dauerhaft zu senken. Da gibt es ein eigenes Paket, um Energieberatungen zu unterstüt­zen, mit einem Fokus auf einkommensschwache Haushalte. Das ist eine wichtige Unter­stützungs- und Begleitmaßnahme zusätzlich zu all den Beratungsleistungen, die in den Ländern bereitgestellt werden.

Noch etwas, das viel zu wenig bekannt ist, denke ich – die Förderung ist gerade im Fer­tigwerden –: 10 Millionen Euro für ein Förderprogramm für besonders energieeffiziente Weißware, es ist heute schon einmal angesprochen worden. Das ist sehr wichtig, weil gerade Weißwarengeräte sehr energieintensiv sind, und da kann man mit hocheffizien­ten Geräten den Stromverbrauch schon einmal halbieren. Die Förderhöhe wird bis zu 100 Prozent für einkommensschwache Haushalte betragen.

Neben den kurzfristigen Maßnahmen ist es natürlich wichtig, auch den Umstieg auf er­neuerbare Energieträger zu unterstützen. Auch da brauchen sich die Programme nicht zu verstecken: 800 Millionen Euro allein letztes Jahr und heuer für die thermische Sanie­rung und den Heizungstausch, für den Umstieg auf Erneuerbare und Fernwärme, „Raus


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aus Öl und Gas“. Der Bund zahlt zum Beispiel bis zu 7 500 Euro für den Heizungstausch im Einfamilienhaus. Ganz frisch wurde mit April die Förderung für den Kesseltausch in Mehrparteienhäusern um 50 Prozent angehoben.

Neu ist weiters – auch das ist zu wenig bekannt –: Es gibt zusätzlich zur Förderung einen Steuerabsetzbetrag für thermische Sanierung und Kesseltausch. Das sind immerhin 8 000 Euro Steuerabsetzbetrag bei thermischer Sanierung und noch einmal 4 000 Euro zusätzlich beim Kesseltausch.

Seit Jänner läuft ein Programm – das gehört mehrfach erwähnt, weil es eine sozialpoli­tisch besonders tolle Maßnahme ist –, das einkommensschwache Haushalte beim Kes­seltausch mit bis zu 100 Prozent der Kosten unterstützt. Um da einmal konkrete Zahlen zu bringen: Das sind zum Beispiel 25 000 Euro bei Pelletsheizungen und knapp 20 000 Euro beim Umstieg auf Fernwärme auf die Hand.

Weiters ist im zweiten Paket ein Zusatzpaket in Höhe von 250 Millionen Euro für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger enthalten, um Förderlücken zu schließen und die Energiewende voranzutreiben.

Kollege Günther Novak, du hast das Fehlen der Verordnung bemängelt: Gerade gestern ist die Investitionsförderungsverordnung erlassen worden und ist jetzt in Kraft. Heuer werden allein für den Ausbau von Fotovoltaik 240 Millionen Euro an Investitionsförde­rung bereitgestellt. Natürlich, da gebe ich dir recht, Kollege Novak, sind da auch die Gemeinden und die Länder gefordert, das in der Raumplanung und im Baurecht entspre­chend zu unterstützen.

Noch gar nicht erwähnt haben wir all die Unterstützungsmaßnahmen für die Betriebe, die sich indirekt natürlich ebenfalls preisdämpfend auf die Haushalte auswirken, wenn Produkte und Dienstleistungen gekauft werden.

Jetzt kann man schon das eine oder andere kritisieren – einverstanden! –, aber ich finde es schon wichtig, nicht die Gesamtperspektive aus den Augen zu verlieren und auch zu berücksichtigen, mit welcher Geschwindigkeit das alles umgesetzt wurde und natürlich auch umgesetzt werden musste. Das wollte ich mit dieser Aufzählung ein bisschen zeigen.

Jedenfalls ist im Energiebereich wirklich einiges gelungen, und da sind wir schon ein bisschen stolz darauf, denn das leistet einen großen und wichtigen Beitrag zum sozialen Ausgleich. Diese Milliardenbeträge, die ausgegeben werden, werden in den Geldbörsen der BürgerInnen spürbar sein und viel dazu beitragen, die Belastung zu reduzieren, und zwar vor allem bei jenen, die es nicht so dick haben. So soll es sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.35


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich begrüße nun die Frau Bundesminis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


12.36.03

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es sind vier Ge­setzesvorlagen, die in dieser Debatte zusammengefasst werden, und ich möchte auf zwei näher eingehen.

Zuerst zu einer Vorlage, die wir positiv sehen und der wir zustimmen, nämlich die Ände­rung des Energieabgabenvergütungsgesetzes, mit der die Vorausvergütung von 5 auf


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25 Prozent erhöht werden soll. Wir finden, das ist eine hilfreiche, liquiditätsstärkende Maßnahme, die auch ohne Zusatzaufwand, ohne Administrationsaufwand durchgeführt werden kann, deswegen stimmen wir dem zu.

Der nächste Gesetzentwurf ist das Energiekostenausgleichsgesetz, da ist viel zu kritisie­ren. Da geht es um diesen 150-Euro-Gutschein, der an Haushalte geht – beziehungs­weise geht er in Wirklichkeit an Einzelpersonen, die nach Haushalten zusammengefasst werden oder auch nicht. Die Einkünfte dieser Personen werden herangezogen, anhand derer sie selber feststellen können, ob sie diesen Gutschein in Anspruch nehmen dürfen. Da geht es um eine Grenze von 55 000 Euro an Einkünften pro Erwachsenem in diesem Haushalt pro Jahr. Das sind ungefähr 4 000 Euro brutto pro Monat – nur zum Vergleich: Das ist fast das Doppelte des Medianeinkommens, das bedeutet, diese Maßnahme ist nicht nur für die einkommensschwachen Haushalte, sondern in Wirklichkeit für den Großteil der Haushalte in Österreich gemacht.

Wie wird das Ganze abgerechnet? – Sehr kompliziert, der Kollege von der FPÖ hat es schon genannt. Irgendwie haben es die Regierungsparteien geschafft, da auch noch die Cofag einzubeziehen, die große Förderungs-Blackbox, die geschaffen wurde. Das lässt hinsichtlich der Transparenz dieser Abrechnung Schlimmes befürchten.

Wann bekommen die Haushalte den Betrag des Gutscheins? Sie bekommen das Geld ja nicht gleich ausbezahlt, sondern es ist ein Gutschein, den sie ihrem Energieversorger schicken, der ihn bei der nächsten Jahresabrechnung berücksichtigt. Das wird nicht bei ihren monatlichen oder zweimonatlichen Vorauszahlungsbeträgen berücksichtigt, son­dern erst bei der nächsten Jahresabrechnung. Es kann natürlich sein, dass das den Personen erst im ersten oder vielleicht sogar erst im zweiten Quartal 2023 zugutekommt, also insofern bringt das Ganze für die Liquidität dieser Haushalte nichts.

Das ist eine Verteilaktion, die viel bürokratischen Aufwand erfordert und auch Kosten verursacht. Übrigens bekommen auch die Energieversorger dafür, dass sie bei der Ab­wicklung des Ganzen mithelfen, einen Zuschuss, der auch nicht so gering ist.

Bei dieser Konstruktion kommt dann auch noch die Kuriosität dazu, dass man selber beurteilen muss, ob man für diesen Gutschein, der an alle Haushalte verschickt wird, anspruchsberechtigt ist. Über die Medien kommen dann Aufrufe zu einem freiwilligen Verzicht auf die Einlösung des Gutscheins. Besser wäre es, Haushalte mit niedrigeren Einkommen gezielt zu unterstützen, zum Beispiel durch eine temporäre Erhöhung der Heizkostenzuschüsse der Länder. Noch besser wäre es, die kalte Progression abzu­schaffen – ich habe es heute schon erwähnt –, eventuell in Kombination mit einer vorübergehenden Steuersenkung auf Energieträger.

Wie kann diese Steuersenkung funktionieren? – Sie haben es vorhin in der Aktuellen Stunde schon angesprochen, es gibt gewisse Rahmenbedingungen, was die Umsatz­steuer und die Mineralölsteuer betrifft. Wo Sie aber eine Möglichkeit hätten, wäre, die Mineralölsteuer aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage herauszunehmen. Das ist nämlich eine Systemwidrigkeit, die es an mehreren Stellen im österreichischen Steuer­system gibt, dass eine Steuer zur Bemessungsgrundlage einer anderen Steuer dazu­kommt.

Das ist da der Fall, die Mineralölsteuer ist Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer, das ist auch der Fall bei der Energieabgabe und der Gebrauchsabgabe, die Bemessungs­grundlage der Umsatzsteuer ist. Das ist auch so bei der Grunderwerbsteuer, die Bemes­sungsgrundlage der Umsatzsteuer ist. Das wäre eine Möglichkeit, wie Sie eine Steuer­senkung umsetzen können, die auch ein bisschen systemkonformer wäre.

Zum Schluss noch ein praktischer Tipp für niedrigere Energiekosten, insbesondere wenn Ihre Energiekosten nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt sind, wie es insbesondere bei den Heizkosten aus fossilen Energieträgern der Fall ist, also wenn Sie mit Gas oder


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mit Öl heizen. Wenn sich im Laufe einer Abrechnungsperiode – die beträgt bei den Ener­gieversorgern normalerweise ein Jahr – der Preis stark ändert, insbesondere wenn er sich erhöht, woher wissen die Energieversorger, wie viel Gas Sie in dem Zeitraum ver­braucht haben, als der Tarif niedrig war, und wie viel, als der Tarif hoch war? Wenn Sie nicht zufällig einen Smartmeter wie beim Strom haben – und beim Gaszähler haben Sie so etwas normalerweise nicht –, weiß es der Energieversorger nicht, sondern er führt eine lineare Extrapolation durch. Das führt dann dazu, dass Sie für das gesamte Jahr einen Mischpreis bezahlen – auch wenn der Gaspreis erst mit 1. Mai erhöht wird und Sie Ihre Heizung vor dem 1. Mai abgeschaltet haben. Ich würde Ihnen daher raten, machen Sie eine Zählerstandsbekanntgabe an Ihren Energieversorger, damit Sie nicht rückwir­kend für das ganze letzte Jahr einen höheren Mischpreis bezahlen. – Danke sehr. (Bei­fall bei der SPÖ.)

12.42


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile dieses.


12.42.21

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste auf der Gale­rie, geschätzte Zuseher zu Hause! Wir behandeln heute unter den Tagesordnungspunk­ten 5 bis 8 die Maßnahmen der Regierung, die die gestiegenen Kosten des täglichen Lebens, die durch die Preissteigerungen verursacht werden, abfedern sollen.

Im Besonderen sind das die Energiekosten – Strom, Gas, Heizöl und Treibstoffe –, bei denen es unbedingt einen Ausgleich für die Teuerung braucht. Zum einen wurde die Ökostromabgabe bereits ausgesetzt, andere Abgabensenkungen sind noch in Planung. Als gesamtes Budgetvolumen sind circa 3,7 Milliarden Euro zur Abfederung auf den Weg gebracht worden. Das ist nicht wenig, und vor allem kommt es zielgerichtet bei den Men­schen an, denn es wirkt direkt beim Verbrauch und bei der Kostensteigerung, die von den Anbietern weitergegeben werden kann.

Der Teuerungsausgleich für vulnerable Gruppen wurde von 150 auf 300 Euro erhöht, auch das kommt direkt bei den Menschen an, die es brauchen. Weitere Abgabensenkun­gen für Strom und Gas wurden zu 90 Prozent umgesetzt und schlagen mit 900 Millionen Euro zu Buche.

Die Treibstoffrückvergütung für KMU in Höhe von 120 Millionen Euro, die wiederum die Wirtschaft belebt, ist ebenfalls eine direkte Hilfe, die bei den Betrieben ankommt und die Wirtschaft stärkt.

Zur Kontrolle wurde die Bundeswettbewerbsbehörde eingesetzt, die bei den Energiean­bietern Transparenz schaffen soll, damit die Menschen Sicherheit haben, dass nicht irgendwelche ungerechtfertigten Preissteigerungen weitergegeben werden.

Geschätzte Damen und Herren! Not, Leid, Angst: All das findet man zehn Autostunden weit weg von uns beim Krieg in der Ukraine. Der Einfluss auf die Teuerung ist sehr, sehr groß und wird durch diesen Krieg verursacht. Wir als Österreich sollten daher darauf achten, dass wir in Zukunft bei vielen Dingen eine gewisse Unabhängigkeit erreichen, denn aktuell sehen wir die negativen Auswirkungen des Krieges auf uns.

Wichtig sind uns – und vor allem mir als Landwirt – der Ausbau und die Stärkung er­neuerbarer Energien, vor allem Windkraft und Co. Es ist mir wichtig, dass wir die UVP-Verfahren verkürzen, um ein größeres Angebot schaffen zu können. Wir erreichen damit zum einen eine bessere Versorgungssicherheit, zum Zweiten wirkt sich ein höheres Angebot natürlich auch immer positiv auf den Preis aus. Das heißt, der Preis könnte dadurch sinken.


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Die Auswirkungen des Krieges auch auf die Versorgung mit landwirtschaftlichen Pro­dukten beschäftigen uns. Es geht vor allem um Weizen, Sonnenblumenöl, Rapsöl und Mais, diese Produkte werden verstärkt in der Ukraine hergestellt. Meine sehr geschätz­ten Damen und Herren, ich kann Sie aber beruhigen: Die Versorgung Europas und vor allem Österreichs ist gesichert. Die Länder, die das stark betrifft, sind etwa Ägypten und afrikanische Länder. Es muss uns ein Anliegen sein, dass auch dort die Versorgung gewährleistet ist, denn sonst werden neue Flüchtlingsströme ausgelöst werden, und wir haben in Europa wieder neue Probleme zu bewältigen.

Die eigene Produktion zu stärken ist in Zeiten wie diesen sehr, sehr wichtig. Wenn wir alle ein bisschen darauf schauen, Produkte österreichischer Herkunft zu kaufen, so stärken wir unsere Betriebe. Unsere Familienbetriebe garantieren die Versorgung mit regionalen, frischen und vor allem gesunden Lebensmitteln, ihre Einkommen werden dadurch gestärkt und sie haben eine sichere Existenzgrundlage.

Ich möchte die Verteuerung ein bisschen genauer darstellen: Es gab zum Beispiel im letzten Jahr beim Dünger Preissteigerungen um 300 Prozent auf circa 600 Euro pro Ton­ne. Das ist dadurch bedingt, dass 80 Prozent der Düngererzeugung in russischer Hand sind und zur Düngererzeugung hauptsächlich Gas benötigt wird. Wir befinden uns da also in einer Abhängigkeit, was wir ändern müssen.

Die Erhaltung und Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Gemeinsame Agrarpolitik sind mir ebenfalls wichtig. Moderate Maßnahmen müssen gesetzt werden, und es ist sowohl für die biologische als auch für die konventionelle Landwirtschaft wichtig, dass Pflanzenschutzmittel und Dünger erlaubt sind, damit wir die Produktion im eigenen Land absichern können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Coronahilfsmaßnahmen, ökosoziale Steuerre­form und Teuerungsausgleich sind Maßnahmen der Regierung, die den Menschen und der Wirtschaft in diesen herausfordernden Zeiten Hilfe und Sicherheit geben können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.47


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Spanring wünscht das Wort. Ich er­teile es ihm.


12.47.55

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr­schaften auf der Regierungsbank! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie, es ist schön, dass nach so langer Zeit wieder einmal jemand hier ist! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Diese Diskussion hier mit­zuverfolgen bereitet einem wirklich ein bisschen Magenschmerzen: So viel Unehrlich­keit, so viel Heuchelei, so viel Meinung und so wenig Wissen – das ist die passende Zusammenfassung für diese schwarz-grünen Aussagen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundes­rat Steiner: Bravo! – Zwischenruf bei den Grünen.)

Wenn jetzt einer - -


12.48.39*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Für das Wort „Heuchelei“ erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf. (Bundesrat Steiner: Aber es ist ja Heuchelei! Heuchelei ist und bleibt Heuchelei!)

*****


12.48.46


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Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Wenn jetzt einer dem anderen den schwarzen Peter zuschiebt – egal ob ÖVP, Grüne, SPÖ oder NEOS –, dann können Sie alle gemeinsam gleich wieder damit aufhören. Sie alle waren es nämlich: Sie alle, die mit dieser desaströsen Coronapolitik den Anstoß für diese Abwärtsspirale gegeben ha­ben! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo!)

Und: Nein, es war nicht der Krieg! Der befeuert das Ganze jetzt natürlich, aber es hat lange davor begonnen: Ein Jahr bevor dieser Krieg angefangen hat, sind die Energie­preise an der Börse bereits gestiegen. Herr Finanzminister Brunner hat das ja heute bestätigt, er hat ja den eigenen Parteikollegen, der in seiner Rede gesagt hat, das alles wäre erst jetzt passiert, Lügen gestraft – das stimmt eben nicht!

Und: Nein, schuld war eben nicht das Virus, sondern schuld sind die evidenzlosen, über­zogenen und unverhältnismäßigen Maßnahmen der Regierung (Beifall bei der FPÖ), die unterstützt wurden von SPÖ und NEOS, gleichgeschaltet mit anderen Regierungen, gleichgeschaltet mit der Europäischen Union, die den gleichen Schwachsinn und Unsinn mitgemacht haben!

Jene Länder, die einen anderen Weg gegangen sind und heute wirtschaftlich, aber auch was die Gesundheit der Bevölkerung angeht, wesentlich besser dastehen, wurden hin­gegen im Auftrag der Regierenden ungeprüft medial verrissen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir haben Sie immer davor gewarnt und wir mussten leider recht behalten: Sie alle haben einhellig mit Ihrer Lockdownpolitik die Wirtschaft nachhal­tig geschädigt und Zigmilliarden Euro verbrannt – Geld, das wahrscheinlich noch unsere Ururururenkerln werden zurückzahlen müssen. Da oben (auf die Besuchergalerie wei­send) sitzt heute die Jugend, die werden das Ganze ausbaden müssen. (Bundesrat Stei­ner: Die können sich bei der ÖVP bedanken!)

Sie, meine Damen und Herren, haben den ersten Dominostein umgestoßen, und jetzt fällt ein Dominostein nach dem anderen in dieser ewig langen Reihe. Ein Stein folgt dem nächsten, und Sie sind nicht gewillt, hier tatsächlich ernsthaft einzugreifen und das zu stoppen.

Warum auch? – Der Herr Finanzminister und die Bundesländer verdienen sich ja gerade eine goldene Nase mit den Steuermehreinnahmen, während es tagtäglich mehr Lands­leute in unserem Land gibt, die sich aussuchen müssen: Heizen oder essen?

Passend dazu titelte vorgestern die „Presse“ in einem Leitartikel: „Die größte Vermö­gensvernichtung seit dem Zweiten Weltkrieg“, geschrieben von Josef Urschitz. Ich glaube, er ist nicht der Freiheitlichen Partei zuzuordnen, ganz eindeutig nicht. Im Arti­kel heißt es: „Die Inflation wächst sich in Verbindung mit der Untätigkeit von Regierung und EZB“ – Europäischer Zentralbank – „zu einer Art versteckter Vermögensabgabe zur Staatssanierung aus.“

Was bedeutet das? Wir haben mit knapp 7 Prozent „die höchste Inflation seit dem Be­ginn der 1980er-Jahre“. Und die Teuerung wird bald in Richtung Zweistelligkeit mar­schieren – man braucht kein Hellseher zu sein, um das zu erkennen –, so wie das üb­rigens in einigen europäischen Ländern schon der Fall ist, siehe Spanien.

Im Unterschied zu 1980, als wir auch so eine hohe Inflation hatten, aber auf den Spar­büchern 5 Prozent oder mehr an Zinsen bekamen, bekommen wir heute 0,125 Prozent, wenn es gut geht – und davon muss man 25 Prozent Kest abziehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Und da ich das heute gehört habe: Wovon reden Sie? Ihre einzige Sorge ist, wir müssen raus aus dem russischen Gas. Was Sie nicht verstehen, ist, dass es im Moment leider keine echte Alternative dazu gibt. Wer etwas anderes behauptet, ist falsch informiert und


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informiert falsch. (Bundesrat Steiner: Der lügt!) Es gibt nur die eine Pipeline, die unsere Versorgungssicherheit garantiert, und das ist halt leider einmal diese Pipeline zu diesem russischen Gas. Es gibt weder die Häfen noch die Tanker, damit wir mit Flüssiggas aus den Schurkenstaaten wie Saudi-Arabien oder Katar auch nur annähernd versorgt wer­den können.

Ganz nebenbei, weil ich jetzt „Schurkenstaaten“ gesagt habe: Amnesty International lässt ganz lieb grüßen – Menschenrechte und so, vielleicht haben Sie schon einmal ein bisschen davon gehört.

Genauso wenig können wir mit Frackinggas aus den USA versorgt werden. Da lässt übrigens Greenpeace recht herzlich grüßen. Wo Schiefergas gefördert wird, entstehen nämlich Mondlandschaften, so schaut das dann aus. Niemand weiß, welche langfristigen Schäden entstehen, wenn aus 5 000 Metern Tiefe das Gas mittels Chemikalien geför­dert wird. Die Chemikalien werden dort nämlich mit über 1 000 Bar hineingepresst, das Gas löst sich dann aus dem Gestein, aber die Chemikalien gelangen ins Grundwasser. Von den schwerölbetriebenen Tankern, mit denen dieses Gas dann gekühlt zu uns kom­men soll – die nächste Umweltsünde –, spreche ich gar nicht.

Was ändern wir damit? – Wir wechseln von einer Abhängigkeit in die nächste. Besser wird es in Wahrheit dadurch nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Und das ist Ihre schwarz-grüne Umweltpolitik, meine Damen und Herren? – Das ist eher ein schwarz-grüner Irrsinn, schwarz-grüner Wahnsinn! Wie in der Coronapolitik sind Sie hier im Blindflug unterwegs und reiten uns immer weiter in den Morast, bis wir letztendlich allesamt stecken bleiben und selbst da nicht mehr rauskommen.

Fakt ist: Wenn wir die russische Energielieferung boykottieren oder, anders herum, wenn Russland uns das Gas abdreht, ja, meine Damen und Herren, dann wird es bei uns finster und kalt! Dann ist Schicht im Schacht, dann haben wir ein Blackout, das sich gewaschen hat! Und jeder, der sagt, dass es nicht so ist, der ist falsch informiert oder informiert falsch! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, das ist ein Blackout, das Sie von Schwarz und Grün se­henden Auges mitverursachen. Ihre grüne Märchenpolitik der erneuerbaren Energie ist derzeit reine Utopie. (Bundesrat Steiner: Heuchelei!) Natürlich ist erneuerbare Energie der richtige Weg, da bin ich ja ganz bei Ihnen, aber das ist ganz einfach nicht von heute auf morgen umsetzbar. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und wer etwas anderes behauptet, der ist falsch informiert oder informiert falsch, ganz einfach! (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Bader. Herr Kollege, hören Sie zu, ich werde es Ihnen noch ganz genau erklären!

Die Grünen wollen das jetzt mit aller Gewalt durchdrücken, koste es, was es wolle. Kolla­teralschäden, die dabei entstehen, sind Ihnen scheißegal. Ich muss es leider in dieser Deutlichkeit hier ansprechen. Das ist grüne Ideologie! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! – Rufe bei der ÖVP: Ordnungsruf!)


12.56.16*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bitte mäßigen Sie sich bei Ihrer Wort­wahl! Für den Ausdruck „scheißegal“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Bundesrat Steiner: Aber Scheißerei ist und bleibt eine Scheißerei! – Heiterkeit bei der FPÖ sowie Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

*****


12.56.29

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Es tut mir leid, dass ich das hier in aller Deutlichkeit so ansprechen muss, aber anders verstehen Sie es halt leider einfach


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nicht. Das ist grüne Ideologie. Und noch viel schlimmer ist, dass diese grüne Ideologie von der ÖVP zu 100 Prozent mitgetragen wird.

Übrigens: Es gibt ja bereits Technologien, um aus Erdgas und Öl auszusteigen, die ha­ben wir ja schon. Damit können wir aus österreichischer Sicht unabhängig, also energie­autark, werden. Ich erkläre es Ihnen jetzt, Herr Kollege.

Als Beispiel nenne ich da die Wasserkraft. Aber um das Erdgas in Österreich kompen­sieren zu können, bräuchten wir in Österreich 140 Wasserkraftwerke in der Größe des Kraftwerkes Wien-Freudenau, 140! Das Problem dabei: Die Grünen wollen nicht, dass weitere Wasserkraftwerke in Österreich gebaut werden! So schaut es aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Gut, dann nehmen wir etwas anderes, dann nehmen wir die Windkraft. Da spreche ich von den Windrädern der neuesten Technologie, von der letzten Generation. Das ist wirk­lich etwas Tolles. Das ist nicht vergleichbar mit dem, was inzwischen steht. Die sind sehr gut, aber um das Erdgas auszugleichen, bräuchten wir 80 000 Windkrafträder in Öster­reich, 80 000! Wir haben es in den letzten 30 Jahren geschafft, 1 350 Windräder in Be­trieb zu nehmen. Und was passiert, wenn zum Beispiel einmal ein paar Stunden kein Wind weht? Oder vielleicht einmal ein paar Tage? Haben Sie darüber einmal nachge­dacht? (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Oder nehmen wir die Fotovoltaik. Um das Erdgas zu ersetzen und Österreich zu versor­gen, bräuchten wir eine Fotovoltaikanlage in der Größe von 350 Quadratkilometern. 350 Quadratkilometer, das ist nicht ganz die Größe von Wien. Und was ist, wenn ein paar Tage Schlechtwetter ist, wenn die Sonne ein paar Tage nicht scheint? Das kann ja in Österreich manchmal passieren, wie zum Beispiel heute.

Wir können auch die nachwachsenden Rohstoffe in Österreich verwenden. Machen wir Hackschnitzelkraftwerke! Das alles sind tolle Sachen. Das Problem ist nur: Um das Erdgas zu ersetzen, steht dann in sieben bis acht Jahren in Österreich kein einziger Baum mehr. Haben Sie daran gedacht? All diese Dinge ignorieren Sie, Sie denken ein­fach nicht daran! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Meine Damen und Herren, bei all diesen Zahlen, die ich Ihnen jetzt genannt habe – und die Grünen lachen da natürlich, denn das sind ja Utopisten, die kriegen ihren Strom aus der Steckdose! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das ist natürlicher Strom. Und das Kalberl muss nicht leiden, denn die Grünen kaufen das Fleisch ja im Geschäft, nicht beim Bauern. Also ihr seid wirklich Utopisten, es ist halt leider so. (Bundesrat Schreu­der: Danke, dass ...!)

Was ich da noch gar nicht miteingeplant habe: Was passiert, wenn noch mehr Leute zum Beispiel auf das E-Auto umsteigen, wie von Ihnen gefordert? Woher wollen Sie dann den Strom bekommen? Das ist einfach unmöglich.

Es ist gut, meine Damen und Herren, dass in diesem Bereich etwas passiert, das ist richtig und wichtig; aber das, was diese Regierung macht, ist unverantwortlich und ge­fährlich.

Jetzt kommen wir zum springenden Punkt: Ein guter Teil der jetzt bestehenden hohen Inflation ist genau diesem grünen Wahnsinn geschuldet. Man kann nämlich auch Grün­flation dazu sagen. (Ruf bei der FPÖ: Bravo!) Jeder, der sich das mit Hausverstand an­schaut, sieht, dass dieser ganze Green Deal einen massiven Schaden für die europäi­sche Industrie, auch für die klein- und mittelständischen Betriebe im globalen Wettbe­werb bringt; weil wir da einem CO2-Ziel hinterherhinken müssen, das wir in Wahrheit niemals erreichen können.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat, ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Sie haben die vereinbarte Redezeit von 10 Minuten schon lange überschritten.



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Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Frau Präsidentin! Ich bedanke mich. Ich weiß nicht, warum wir jedes Mal darüber diskutieren müssen. Es ist wieder nicht in der Präsidiale besprochen worden: Es gibt diese Redezeitvereinbarung nicht. Das mag schön sein, dass Sie das für sich einmal beschlossen haben, für uns gibt es sie nicht. Ich werde meine Zeit, die ich brauche, benutzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir laufen einem CO2-Ziel hintennach, das wir so nicht erreichen können. Ja, natürlich können wir es erreichen, wenn wir es so machen wollen wie die Grünen. Dann müssen wir aber mit massiven Einschränkungen und mit massiven Schäden für die europäische Wirtschaft rechnen. Und genau das passiert gerade.

Europa, meine Damen und Herren, verursacht 8 Prozent des gesamten globalen CO2-Aus­stoßes. China verursacht 30 Prozent, aber wir machen jetzt bei uns CO2-Steuern. Das ist verrückt! Die Chinesen reiben sich im Moment die Hände, die lachen uns aus. Der Zertifikatehandel erhöht die Energiepreise, und das führt dazu, dass unsere Grundstoff­industrie aufgrund dieser Preissituation nicht mehr konkurrenzfähig ist. Darum geht es, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ.)

In China werden dann derselbe Stahl, dasselbe Aluminium, dieselben anderen Rohstoffe produziert, nur ist dort der CO2-Ausstoß dreimal so hoch; und wir sind nicht mehr konkur­renzfähig, wir können dann nicht mehr produzieren.

Jetzt brauchen auch die Grünen keine Ausreden zu haben beziehungsweise zu suchen und zu sagen, ein Wahnsinn, es ist alles so teuer. Ich kann mich noch sehr gut an die Aussagen des Herrn Vizekanzlers Kogler da herinnen erinnern, nämlich vor einigen Mo­naten, als das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen worden ist und als die NoVA-Erhöhung beschlossen wurde. Was hat er gesagt? – Fossile Energie muss deutlich teurer werden, das müsse richtig wehtun. Und jetzt hat er es geschafft: Es tut richtig weh. Es tut jedem Österreicher richtig weh, wenn er an der Tankstelle steht. Und die ÖVP unterstützt diesen Wahnsinn.

Es gibt viele Möglichkeiten, meine Damen und Herren, der Teuerung entgegenzuwirken und die Menschen in unserem Land zu entlasten. (Bundesrat Gfrerer: Das machen wir!) Das ist auch in unserem Zwölf-Punkte-Plan so ausgeführt, den heute Bundesrat Michael Bernard mittels Antrages eingebracht hat. Stimmen Sie diesem Antrag zu!

Wer jetzt noch nicht verstanden hat, in welche Richtung es mit dieser schwarz-grünen Regierung geht, dem ist einfach nicht mehr zu helfen.

Ich schließe meine Rede mit dem Abschlusssatz des Artikels aus der „Presse“, den ich zuvor schon zitiert habe. Darin heißt es: „Aber wenn sich nicht der leiseste Protest gegen diese Vermögensabgabe durch die Hintertür regt, haben wir wohl nichts anderes ver­dient.“

Denken Sie einmal darüber nach! (Anhaltender Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

13.03


13.03.30*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Spanring! Ich möchte Sie darauf hinweisen: Die Redezeitvereinbarung von 10 Minuten gibt es sehr wohl, und so­lange diese in der Präsidiale nicht aufgehoben wird, gilt sie auch weiterhin.

Herr Bundesrat Steiner! Für Ihre Zwischenrufe „Heuchelei“ und „Scheißerei“, die Sie sehr laut gerufen haben, gibt es von mir auch einen Ordnungsruf. (Ruf bei der FPÖ: Schön! – Bundesrat Steiner: Frau Präsidentin! Zur Geschäftsordnung!)

*****

Bitte, Herr Bundesrat Steiner.



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13.03.58

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsiden­tin! Ich weiß nicht, wie oft wir die Diskussion mit dieser angeblichen Vereinbarung der Redezeitbeschränkung hier noch führen.

Das kann gut sein. – Ich habe es nämlich jetzt wahrscheinlich besser recherchiert als Sie: Als diese Redezeitvereinbarung vor 20 oder vor 15 Jahren beschlossen bezie­hungsweise in der Präsidiale besprochen wurde, gab es kein einziges Mitglied der Frei­heitlichen Partei in der Präsidiale. Somit ist es kein Beschluss der Präsidiale, der jetzt Gültigkeit hätte oder haben könnte.

Wir können es in der Präsidiale neu besprechen. Informieren Sie sich über die Beschlüs­se, die Sie hier immer zitieren! Von uns war an diesem Beschluss niemand beteiligt. Ergo werden wir uns als freiheitliche Fraktion nach wie vor an die Geschäftsordnung des Bundesrates halten, und dort steht nichts von einer Redezeitbeschränkung. (Beifall bei der FPÖ.)

13.05


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Das tut hier jetzt nichts zur Sache. Es wurde in einer Präsidiale beschlossen und gilt weiterhin, es sei denn, es wird in einer Präsidiale aufgehoben, egal, wer damals dabei war oder nicht. (Bundesrat Steiner: ...! Das ist wieder Unwissenheit von Ihnen!)

*****

Gibt es noch weitere Wortmeldungen zur Debatte? – Es ist dies nicht der Fall. Die De­batte ist geschlossen.


13.05.20

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Energiekostenausgleichsgesetz 2022.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 80

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimabonusgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

13.08.129. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2359/A und 1392 d.B. sowie 10919/BR d.B. und 10940/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


13.08.30

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirt­schaftsgesetz 2011 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. April 2022 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


13.09.25

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Erdgas hat sich in Österreich zu einem wesentlichen Energieträger entwickelt. Durch den Bau von Pipelines ist hier eine langfristige und regulierte Versorgung gewährleistet gewesen. Es ist ein Teil der Energie, den die Wirtschaft braucht, es ist ein Teil der Energie, den wir auch zur Stromversorgung brauchen, und viele Haushalte heizen mit Erdgas.

Seit dem 24. Februar, seit dem Einmarsch in die Ukraine hat sich in Europa, in der Welt sehr vieles verändert, weil militärisch, wirtschaftlich und vor allem auch energiepolitisch andere Vorzeichen herrschen.

Unter diesen Vorzeichen finden wir es beziehungsweise findet es die Bundesregierung notwendig, hier ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen, nämlich eine stra­tegische Gasreserve zu entwickeln.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 81

Ich glaube, das ist ein wesentlicher, wichtiger Beitrag. Es geht darum, die Versorgungs­sicherheit zu verstärken beziehungsweise zu gewährleisten und im Falle einer Liefe­rungsunterbrechung auch entsprechend aufrechtzuerhalten.

Es ist dies eine Maßnahme, die sicher mit Kosten verbunden ist, denn jetzt Gas einzula­gern, da es nur höherpreisig oder schwerer verfügbar ist, wird nicht zum Normaltarif funktionieren, das wird uns allen klar sein.

Es ist dies eine Maßnahme, die auch der Bund – der Herr Finanzminister hat heute schon darauf hingewiesen – finanzieren wird. Die Kosten werden auf 1 bis 2 Milliarden Euro geschätzt. Es wird also seitens dieser Bundesregierung sehr wohl etwas für Ener­giesicherheit getan.

Es ist geplant, dass sich diese strategische Reserve am energieintensivsten Monat, dem Jänner, orientiert, dass die Höhe dieser Reserve per Verordnung festgelegt wird und dass auch der Hauptausschuss des Nationalrates auf die Menge der Einlagerung und auf die Menge und Art der Auslagerung Einfluss hat.

Ich finde, dass das eine gute Maßnahme ist, die breite Zustimmung finden wird; weil Österreich momentan zu 80 Prozent vom russischen Erdgas abhängig ist und weil es notwendig ist, diese Abhängigkeit Schritt für Schritt abzubauen, weil es sicher notwendig ist, die Versorgung breiter aufzustellen.

Jede Krise bietet aber auch eine Chance. Ich glaube, die Reduktion dieser Abhängigkeit kann zu einem guten Teil auch über den Ausbau von erneuerbarer Energie funktionieren. Dann werden wir unsere Finanzmittel nicht nach Russland oder in die ölproduzierenden arabischen Länder schicken, sondern die Wertschöpfung kann dann vor Ort, regional, in Österreich, heimisch erfolgen.

Ich darf darauf hinweisen, dass gerade im Bereich Heizen unserer Wohnungen, wo wir ja noch weitgehend vom Gas als Brennstoff abhängig sind, durchaus noch Potenzial besteht, den heimischen Energieträger Holz einzusetzen, nämlich auch zeitökonomisch und zeitgemäß einzusetzen in Form von Fernheizwerken, in Form von Nahheizwerken, in Form von Pellets. Es sind hier durchaus noch Ressourcen vorhanden, um den Ener­gieträger Holz stärker auszubauen und zu verwenden.

Ich darf aber auch darauf hinweisen, Frau Bundesminister, dass es im Bereich von Bio­gas noch Möglichkeiten gibt, nämlich Abfälle und Rohstoffe, die in der Verfütterung nicht verwendet werden können, in Biogasanlagen einzusetzen und diesen Energieträger Biogas teilweise zum Ersatz des Erdgases, aber auch als Treibstoff zu verwenden. Ge­rade im Bereich der Schwerlastfahrzeuge bestehen ja wenig bis keine Alternativen. Hier stehen Biogas beziehungsweise Biotreibstoffe zur Verfügung, die technologisch einsatz­bereit sind und nur verstärkt eingesetzt werden müssen.

Wir werden der Vorlage betreffend diese strategische Reserve zustimmen, und zwar mit der Bitte, den Ausbau erneuerbarer Energieträger auch entsprechend voranzutreiben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.14


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


13.14.59

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist der erste Punkt auf der Tagesordnung, den wir heute gemeinsam beschließen werden.

Kollege Preineder hat das schon sehr ausführlich erklärt. Dieser Überfallskrieg von Russland auf die Ukraine hat alle auf der Welt eigentlich fassungslos gemacht. Vor allem


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 82

die Bevölkerung der Ukraine leidet massiv darunter. Es besteht auch die nicht unbe­rechtigte Befürchtung, dass aus diesem derzeit noch lokalen Krieg ein Konflikt werden könnte, der sich dann unkontrolliert ausweitet.

Es gab und gibt Sanktionen, es gibt jeden Tag Sanktionen, aber auch Sanktionen haben ihre Grenzen. Der gegenwärtige Konflikt zwischen Russland und der Ukraine veran­schaulicht einmal mehr, wie abhängig Europa von russischen Energieträgern ist.

Die vielen Vorteile, die uns das billige russische Gas in den vergangenen Jahrzehnten gebracht hat, rächen sich nun fatal, denn eine Verringerung oder gar Einstellung der Gaslieferung aus Russland hätte wirklich verhängnisvolle Folgen für unzählige Haushal­te, die mit Gas heizen und kochen, und vor allem für die Industrie.

Wir diskutieren meiner Meinung nach über die größte Krise nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich hoffe, dass es nicht zu dem kommt, was wir uns unter Umständen in den kühnsten Albträumen vorstellen. Wenn es dazu kommt, dann ist es wie ein Tsunami, das können wir hundertprozentig an dieser Stelle sagen.

Wir haben in der Vergangenheit auf Atomkraftwerke verzichtet, auch wollten wir flä­chendeckende Fotovoltaikanlagen nicht genehmigen. Wir haben auch gesagt, so wie bei uns in Kärnten, dass es sehr schwierig ist, Windräder zu realisieren, und wir haben auch alle Kohlekraftwerke geschlossen. Nun haben unsere Nachbarländer im Gegensatz zu uns Möglichkeiten, etwa mit der Atomkraft, beispielsweise Frankreich mit diesen kleinen Atomkraftwerken. Und wenn Deutschland jetzt aus der Atomkraft doch nicht aussteigt, sondern halt ein paar Jahre später, und jetzt wieder beginnt, mit der Kohle zu arbeiten, dann wird es denen wahrscheinlich besser gehen, wenn es wirklich dazu kommt, dass das Gas abgedreht wird.

Jedenfalls ist die Aktivierung des Notfallplans mit einer engmaschigen Überwachung notwendig, ja derzeit die logische Konsequenz; darüber brauchen wir nicht zu diskutie­ren. Wir haben 96 Terawattstunden, wenn die Lager voll sind, glaube ich. Im Moment haben wir 13 oder 14 Terawattstunden. Damit kommen wir einen Monat, vielleicht sechs Wochen aus, wenn wir alles befriedigen, was notwendig ist.

Aus dieser Abhängigkeit gibt es kurz- und mittelfristig kein Entkommen. Andere Gaslie­feranten können nicht ohne weiteres einspringen. Und, der Kollege (in Richtung Bundes­rat Spanring) hat es ja ausführlich erklärt: Wenn wir jetzt darüber reden, Gas aus Nor­wegen, Gas aus dem Iran oder von woanders liefern zu lassen oder Frackinggas aus Amerika, obwohl wir immer dagegen waren, Frackinggas zu verwenden, so wäre das in gewisser Hinsicht verlogen.

Ich glaube auch, dass wir als Österreich, aber auch andere Länder es 2014, bei der Annexion der Krim, verabsäumt haben, entsprechend zu reagieren. Damals hätten wir eigentlich schon wissen müssen, was auf uns zukommen könnte.

Deswegen ist es begrüßenswert, dass es jetzt mit der Änderung des Gaswirtschaftsge­setzes eine Speicherpflicht, wie sie mit dem Erdölbevorratungsgesetz bereits existiert, auch für Gas auf eine gesetzliche Basis gestellt wird.

Auch wenn derzeit der Gasbezug noch läuft, so ist aufgrund der ungeheuren Energie­verteuerung Gas für viele Menschen ganz einfach nicht mehr leistbar. Wir haben alle Punkte durchdiskutiert, die wir dem Finanzminister vorgeschlagen hatten: Wir haben über die einkommensschwachen Haushalte gesprochen, das Energiekostenausgleichs­gesetz ist jetzt beschlossen worden.

Wir wissen, dass Mütter, PensionistInnen, Kleinstbetriebe derzeit große Probleme mit den diesbezüglichen Kosten haben. Auch wenn wir Mehrwertsteuerreduzierungen, ei­nen Inflationsausgleich für schwache Familien oder einen Preisdeckel machen würden,


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wie auch immer: Es ist notwendig, dass wir etwas machen, ich glaube aber nicht, dass es so kommen wird, wie wir uns das vorstellen.

Frau Bundesministerin, ich habe in einer Fernsehsendung gesehen, dass der Präsident der Industriellenvereinigung Sie ganz schön angegriffen hat. Der Grund dafür war, so hat er es gesagt – vielleicht erklären Sie uns das auch –, dass er, also die Wirtschaft, ausgeschlossen worden sei, nicht dabei gewesen sei, als es zu den Punkten, welche die Maßnahmen betreffen, kam.

Was mich schon ein bisschen wundert – das habe ich auch vorhin gesagt –, ist, dass das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das Energieeffizienzgesetz und das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, dass die Verordnungen noch immer nicht fertig sind. Ich meine, wir haben leicht reden, wenn wir hier stehen. Wer auch immer das verhindert, ich habe jedoch oft das Gefühl – und auch das habe ich in meiner letzten Rede gesagt –, dass sich die Koalition da wahrscheinlich teilweise intern behindert.

Ja, der Druck wird immer größer. Ich habe mir da einen Kommentar vom „Standard“ rausgesucht, geschrieben von einer gewissen Petra Stuiber, in dem es heißt: „Raus aus russischem Gas und Öl“. Wenn das jetzt alles auf uns zukommt und der Druck über die Presse größer wird, man muss sich einmal vorstellen – das ist heute schon mehrfach festgestellt worden, Kollege Preineder hat es auch gesagt –, was das dann für eine Katastrophe wäre, wenn bei uns das Gas abgedreht werden würde; aber nicht nur für die kleinen Wohnungen in den Städten, die eine Gasheizung haben. Wir im Mölltal zum Beispiel heizen ja mit Holz, Pellets, Erdwärme und was weiß ich, womit noch. Wir sind nicht darauf angewiesen. Wenn man aber bedenkt, welche brutalen Auswirkungen es hätte, das Gas abzudrehen , und wenn der Druck immer größer wird, das zu tun, dann sage ich: Gute Nacht, Österreich!, denn wir sind zu 80 Prozent davon abhängig.

Zum Schluss – ich habe etwas mitgenommen, was ich auf Puls 4 gesehen und wozu ich mir etwas ausgedruckt habe –: Ich habe vorhin schon einen anderen Präsidenten zitiert, jetzt bemühe ich also den CEO der Heinzel Group und Präsident von Austropapier – auch die Kollegin, die Frau Präsidentin (in Richtung Präsidentin Schwarz-Fuchs) hat ja eine Druckerei mit sehr vielen Mitarbeitern –: Wenn dort der Betrieb eingestellt wird, können wir auch Gute Nacht sagen. Ich rede jetzt nicht von der Voest und vielen anderen Bereichen. Keine Produktion bedeutet ja nicht nur, dass kein Papier für den Druck und so weiter hergestellt wird, es betrifft auch so viele weitere Dinge, bei Hygieneartikeln angefangen. Und wenn man bedenkt, dass die Papierindustrie auch über hunderttau­send Haushalte in Österreich heizt, dann kann man sich vorstellen, was da alles auf uns zukommen könnte.

Ganz ohne Erdgas wird es dort nicht gehen, obwohl sie ja auch schon Biomassekessel einsetzen, und jeder denkt natürlich darüber nach, wie man in diesem Bereich tätig wer­den kann. Es hilft nichts, wir müssen da dabei sein.

Ich wünsche mir, dass dieser Tsunami nicht über Österreich hereinbricht, dass es nicht so weit kommt, dass es kein Gas mehr gibt – ob wir nun von unserer Seite entscheiden, dass wir es nicht mehr wollen, oder ob der sogenannte Patriarch aus Russland es uns unter Umständen abdreht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


13.23.45

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Wie vorhin schon erwähnt, geht es um die Schaffung gesetzlicher Rahmen­bedingungen für eine Notstandsreserve von Erdgas. Beim Erdöl haben wir bereits eine,


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 84

sie gilt für 90 Tage und ist vor allem für Haushaltskunden und die sogenannten Sozialen Dienste gedacht.

Der heutige Beschluss zur Gasbevorratung ist wichtig und richtig, denn die Versorgungs­sicherheit steht an oberster Stelle. Eine Reserve im Gasbereich hatten wir bisher nicht, so, wie wir auch anderes nicht hatten. Man muss schon anmerken, dass jahrelang nichts gemacht wurde. Wir Freiheitlichen standen und stehen immer für eine vernünftige Ener­giepolitik und eine ausgewogene Verfolgung von drei Zielen, von denen selbstverständ­lich auch der Umstieg auf erneuerbare Energien ein Teil ist. Dabei dürfen wir aber sicher nicht auf die Versorgungssicherheit vergessen und auch der Netzausbau ist immer wie­der ein wesentliches Thema. Auch da gibt es große Versäumnisse, für die wir hoffentlich jetzt nicht alle noch zusätzlich den Preis zahlen müssen.

Die Wirtschaftlichkeit und die Leistbarkeit sollte man auch nicht aus den Augen lassen, es gibt derzeit ja eine massive Entwicklung im Preisbereich. Natürlich muss ich – wie es auch der Kollege schon gemacht hat – das Thema Biogasanlagen ansprechen. Ich weiß schon, dass wir nicht genug Biogasanlagen in Österreich aufstellen können, um den kompletten Gasbereich abzudecken, davon sind wir meilenweit entfernt. Es ist aber jah­relang von eurer Seite alles probiert worden, es sind Steine in den Weg gelegt worden, wenn jemand sein Biogas nicht verstromen, sondern ins Netz einspeisen wollte, obwohl das ganz einfach gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist jetzt aber nicht das Thema, sondern es geht um die Pflicht zur Notstandsreserve bei Erdgas. Diesbezüglich wurde am 24. Februar dieses Jahres im Nationalrat ein ent­sprechender Entschließungsantrag von den Freiheitlichen eingebracht. Darin wurde die Regierung aufgefordert, eine Regierungsvorlage vorzulegen, und siehe da: Es ist dies­mal sehr, sehr schnell gegangen. Das sehe ich durchaus positiv und wir Freiheitliche werden diesem Gesetz auch die Zustimmung geben.

Das ist jetzt ein Gesetz, das aus der Not entstanden ist, man kann aber auch sagen, dass es durchaus ausgewogen ist. Mit den 12,6 Terawattstunden, die ein Achtel des Jahresverbrauchs darstellen, wird zumindest die Erdgasversorgung für einen Mustermo­nat, nämlich den Jänner, gesichert. Vorschläge der Europäischen Union, dass man so­zusagen verpflichtend 80 Prozent oder 90 Prozent der Lagerkapazitäten als Reserve halten muss, werden derzeit auch diskutiert. Da wir Freiheitliche für Energiepolitik mit Hausverstand stehen, sehen wir den heutigen Gesetzesbeschluss auf jeden Fall als ei­nen Schritt in die richtige Richtung.

Frau Minister, Sie haben in Ihrer letzten Rede zu mir persönlich gesagt, dass ich, wenn ich Kritik zu äußern habe, diese direkt an Sie richten soll. Am nächsten Tag hat mir dann ein Mitarbeiter Ihres Hauses geschrieben und mich in Ihrem Namen darum gebeten, die Fragen, die nicht beantwortet worden sind, noch einmal zu stellen. Das habe ich ge­macht. Ich habe zweimal urgiert und bis jetzt habe ich nichts zurückbekommen. Wir werden daher diesbezüglich heute noch eine eigene Anfrage einbringen. Sie sehen also, dass ich mich daran halte und mich direkt an Sie wende. Die Fragen sind, glaube ich, nicht so schwer zu beantworten, sodass man sie nicht beantworten könnte.

Ich hätte dann noch eine Frage, die Sie vielleicht jetzt beantworten können, weil es schnell gehen müsste und nicht drei Monate Zeit hat: Bezüglich E-Ladestellen für Schwerlast-Lkw sagen Sie, dass das alles kein Problem ist und die Raststellen ausge­baut werden. Warum gibt es dann für die Raststellen, die derzeit gebaut werden, Pläne, wo auf Asfinag-Parkplätzen kein einziges Stromkabel für eine E-Ladestelle für Schwer­last-Lkw eingezeichnet ist? Vielleicht könnten Sie der Sache nachgehen und mir das vorab melden, denn jetzt ist Baubeginn, die Bagger fahren bereits auf, und vielleicht könnte man das auch gleich nachholen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 85

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


13.28.42

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Der Hintergrund zu diesem Tagesordnungspunkt ist ja ein sehr bitterer, nichtsdestotrotz oder gerade deswegen sind wir jetzt gefordert, die Dinge klar anzusprechen und die nötigen Maßnahmen zu setzen. (Vizepräsident No­vak übernimmt den Vorsitz.)

Allerspätestens seit dem 24. Februar sollten eigentlich auch jene aufgewacht sein, die es davor nicht sehen wollten, die nicht sehen wollten, dass wir nicht nur prinzipiell eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern haben, sondern dass diese Abhängigkeit vor allem bei Gas extrem einseitig ist und sich auf ein Land konzentriert.

Führende Akteure und auch SpitzenpolitikerInnen wollten nicht wahrhaben, dass Putin Russland seit vielen Jahren, seit mindestens 15 Jahren, in ein autokratisches, diktatori­sches, antiliberales Regime umgebaut und seine Einflusssphären systematisch erweitert hat. Man pflegte stattdessen öffentlichkeitswirksam Freundschaften mit Putin, übrigens auch noch nach der Annexion der Krim, und bildete sich noch etwas darauf ein. Der Rubel und so mancher Aufsichtsratsposten waren offenbar wichtiger als der Blick auf das Wohlergehen des Landes.

Eine wiewohl für alle, die sich damit auseinandersetzen, wenig überraschende, aber ins­gesamt bittere Erkenntnis ist – das wurde schon mehrfach angesprochen, denn jetzt wissen es plötzlich alle –, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und im Spe­ziellen von russischem Erdgas nicht von heute auf morgen, auch nicht von einem Jahr auf das andere und auch nicht binnen zwei Jahren beendet werden kann. Und leider muss festgehalten werden, dass diese Abhängigkeit selbst verschuldet ist. Es ist ein nicht ganz leichtes Erbe, das jetzt da ist und mit dem es nun einmal umzugehen gilt.

Jetzt gilt es auch nach vorne zu schauen. Besondere Bedeutung kommt dabei jetzt, mitten in der Krise, der Sicherstellung der Versorgung zu. Ich hätte bei Regierungsantritt auch nicht gedacht, dass das solch ein Thema werden wird. Es bedarf dazu mehrerer Maßnahmen, eine davon – sie steht im Zentrum des jetzigen Beschlusses – ist die Ände­rung des Gaswirtschaftsgesetzes zur Bildung einer strategischen Gasreserve. Diese ist für Notfälle gedacht, sollte es zu einer schwerwiegenden Unterbrechung der Gasversor­gung kommen, und ihr Ausmaß entspricht ungefähr dem Gasbedarf eines kalten Jänners.

Sollte die Gasreserve gebraucht werden, ist allerdings schon Feuer am Dach, und Ener­gielenkungsmaßnahmen sind wohl bereits längst wirksam. Das Energielenkungsgesetz erlaubt eine stufenweise Vorgangsweise: beginnend mit Verpflichtungen der Gaswirt­schaft, laufend Daten zu liefern, um eine detaillierte und zeitnahe Übersicht zu haben – diese Stufe läuft ja bereits –, geht es dann weiter über Sparaufrufe und so weiter bis hin zu selektiven und breiten Abschaltungen. Am besten geschützt sind die Haushalte. Ich war in meinem Bundesland selber in die Ausarbeitung entsprechender Verordnungen zur Vorsorge involviert. Niemand hätte gedacht, dass wir das jemals brauchen werden, und wir hoffen sicher alle, dass es dabei bleibt.

Die Vorbereitungen laufen selbstverständlich sehr intensiv, die dazugehörigen Detailver­ordnungen sind in der Fertigstellung. Es ist schon eine extrem heikle Angelegenheit, es geht da um wichtige Details wie Verbrauchsgrenzwerte, Reihenfolgen von Abschaltun­gen et cetera, das ist nichts Lustiges und es möge uns hoffentlich erspart bleiben. Selbst­verständlich ist die zuständige Behörde, die Energie-Control, in Kontakt mit den Großver­brauchern, das sieht ja übrigens das Energielenkungsgesetz vor.

Die Europäische Kommission arbeitet ihrerseits an europaweiten Regelungen für die Speicherbewirtschaftungen, da wird wahrscheinlich noch etwas kommen und das ist


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auch gut so, trotzdem ist es natürlich angebracht und klug, jetzt auch selber eine Kri­senvorsorge gesetzlich auf die Reihe zu bringen.

Es zeigt sich übrigens in ganz Europa das gleiche Muster wie in Österreich: Die von russischen Gesellschaften bewirtschafteten Gasspeicher – in Österreich ist das vor al­lem der Speicher Haidach, ein sehr großer Speicher – wurden nach dem letzten Winter nicht mehr befüllt. Das hat wesentlich zu der Preishausse beigetragen, die wir seit eini­gen Monaten erleben.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Diversifizierung, diese dauert schon deutlich länger. Es ist leider nicht möglich, einfach zu sagen: Na ja, dann kaufen wir das Gas halt woanders! Dieses Woanders gibt es leider nicht, jedenfalls geht das nicht binnen einem, zwei oder drei Jahren, jedenfalls nicht in einem größeren Ausmaß.

Dass wir zu 80 Prozent von Russland abhängig sind, ist eine große Last, man kann da nicht einfach switchen. Das gilt für ganz Europa. Und es ist ein essenzieller Punkt: Eine erfolgreiche Diversifizierung für Österreich geht nur gemeinsam im europäischen Kon­text. Nur mit einer europäischen Beschaffungspolitik, nur dann, wenn die vorhandenen Bezugsmöglichkeiten solidarisch in Europa aufgeteilt werden, kommen wir tatsächlich weiter. Ein Land wie Österreich – und das gilt auch für viele andere Länder in Europa – spielt allein am Weltmarkt keine Rolle. Wir würden den Kürzeren ziehen, einen hohen Preis zahlen und das würde Europa in seiner Verhandlungsposition gegenüber Russland schwächen.

Eine Diversifizierung in einem überschaubaren Zeitraum kann durch eine gewisse Er­höhung der Lieferungen aus anderen Ländern erfolgen, soweit diese überhaupt in der Lage sind, die Mengen zu erhöhen – das ist leider sehr begrenzt möglich –, dazu braucht es Pipelinekapazitäten und auch diese stehen nur bedingt zur Verfügung. Wir sprechen da etwa von Gas aus Norwegen oder aus Nordafrika. Eine besonders wichtige Option ist die weitere Erhöhung der Versorgung mit Flüssiggas, LNG , von Flüssiggasimporten. Dazu braucht es aber auch erst Lieferländer und die nötige Infrastruktur. Man kann das nicht einfach so aus dem Boden stampfen, es braucht Jahre, bis da eine spürbare Ver­besserung eintritt. Und: So sehr wir sie uns wünschen, es ist eine teure Option.

Das Ganze hat außerdem – das geben wir ganz offen zu – einen bitteren Beigeschmack, was die potenziellen Lieferländer betrifft. Die meisten davon sind leider auch keine De­mokratien. Es hat auch einen bitteren Beigeschmack, was den Klimaschutz betrifft. Das ist durchaus ein Dilemma und hat es als solches leider an sich, dass es keinen wirklich guten Weg heraus gibt. Im Moment hat halt nun einmal die Versorgungssicherheit einen sehr, sehr hohen Stellenwert.

Wenn wir es europaweit schaffen wollen – europaweit –, uns in fünf bis sieben Jahren von russischem Gas zu befreien, wird das gigantische Anstrengungen erfordern, die ich gar nicht hoch genug einschätzen kann. Nicht nur das: Gas bleibt ein fossiler Energie­träger, das darf man nicht vergessen, es bleiben Abhängigkeiten und das wird sich auf den Preis niederschlagen. Da muss man auch reinen Wein einschenken: Die Zeiten von derart billigem Gas und billiger Energie sind bis auf Weiteres jedenfalls vorbei.

Damit kommen wir zum wichtigsten Punkt: Raus aus fossilen Energieträgern, raus aus Gas und Öl!, das haben wir nämlich weitgehend selbst in der Hand. Für den Ausstieg braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen, und da zeigt sich leider – ich sage das ganz offen –, dass es politisch extrem schwierig ist, wir stoßen da auf massivste Wider­stände. Fast täglich versuchen jetzt ausgerechnet jene zu erklären, was zu tun ist, die genau diese Wende seit vielen Jahren systematisch behindern.

Ich appelliere daher wirklich in aller Ernsthaftigkeit an so manche Funktionäre in den Verbänden und – das muss ich jetzt auch kritisch anmerken – beim Koalitionspartner:


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Bitte gebt die Blockaden endlich auf, damit wir die Gesetze an den Start kriegen, die wir für die Energiewende dringend brauchen! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Die Energiewende ist eine wunderbare Sache. Sie schafft Versorgungssicherheit, stabile und leistbare Energiepreise. Sie ist unabdingbar für den lebensnotwendigen Klima­schutz, ist ein Beitrag für den Frieden. Nutzen wir diese traurige Situation jetzt wenigs­tens, damit wir endlich einen massiven Schritt weiterkommen! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Preineder.)

13.37


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Leonore Gewessler. – Ich erteile Ihnen das Wort, bitte.


13.37.58

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für die bisherigen Redebeiträ­ge, daraus ist breite Zustimmung zu dem Vorschlag erkennbar. Das freut mich, weil er in einer schwierigen, einer herausfordernden Zeit kommt. Adi Gross hat die Herausfor­derungen, vor denen wir stehen, ja ausführlich beschrieben, diese sind aber – das möch­te ich an dieser Stelle auch sagen – noch einmal anders zu beurteilen als jene, vor denen die Menschen in der Ukraine gerade stehen.

Der Krieg in der Ukraine stellt in vielerlei Hinsicht eine Zeitenwende dar, auch im Hinblick auf die europäische und österreichische Energiepolitik. Wir bringen hier in einem wirklich sehr, sehr schnellen Prozess ein Gesetz auf die Reise, und ich danke noch einmal allen Fraktionen, die dazu beigetragen haben, dass das gelingt, dass das jetzt so schnell be­schlossen werden kann und wir uns damit absichern können. Es schafft kurzfristig Lin­derung und sorgt dafür, dass wir den nächsten Winter abgesicherter starten.

Ich schaue jetzt zu Kollegen Novak – (in Richtung Vizepräsident Novak) Entschuldigung, zu Herrn Präsident Novak, er sitzt ja jetzt als Präsident hinter mir! –, der das vorhin gerade eingefordert hat: Eine Zeitenwende ist es auch, weil wir gestern eine Verordnung für das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auf den Weg gebracht haben, die im Vergleich zum vorgestellten Begutachtungsentwurf die Mittel für den Ausbau der Erneuerbaren noch einmal deutlich, deutlich, deutlich erhöht hat. Wir bringen ein Rekordbudget von rund 300 Millionen Euro in diesem Jahr für die kleinen und mittleren Erneuerbarenanla­gen auf den Weg, und das ist genau das, was es jetzt braucht.

Und ja, ich habe einen Gesetzentwurf für Versorgungssicherheit vorgelegt und das Ge­setz wird beschlossen. Die Lehre aus der Situation, in der wir uns jetzt befinden, aus dieser Abhängigkeit, die wir jeden Tag schmerzlich spüren, der Erpressbarkeit, in der wir uns befinden, muss aber der Weg hinein in die erneuerbaren Energien sein, muss der Weg in die Energieeffizienz sein, und zwar sowohl in Österreich als auch in Europa. Darum geht es jetzt mindestens genauso.

Daher ist die Antwort auf die Frage von Kollegen Novak: Es freut mich sehr, dass es gestern gelungen ist, diese Verordnung auf den Weg zu bringen. An alle Bürgermeiste­rInnen hier im Raum, die vielleicht für das Gemeindehaus Fotovoltaik machen wollen, an Betriebe, die ihre eigene Windkraftanlage bauen wollen, an Energiegemeinschaften, die sich überlegen, gerade jetzt zu starten: Wir haben gestern mit dieser Verordnung wirklich einen Meilenstein gesetzt. Das freut mich sehr und das ist ein mindestens ge­nauso wichtiger Baustein wie das Gesetz, das wir heute auf den Weg bringen.

Ich möchte nur noch ein paar Dinge ergänzen: Die Gasreserve steht, wie es in den Re­den schon unterschiedlich angesprochen wurde, im Einklang mit den Vorschlägen der EU-Kommission. Die EU-Kommission hat einen Legistikvorschlag auf den Tisch gelegt, um auch europaweit eine Speicherverpflichtung auf den Weg zu bringen. Es macht trotz­dem Sinn, dass wir mit diesem Gesetz erstmals in Österreich die Möglichkeit schaffen,


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dass der Staat über die AGGM – darauf komme ich gleich noch einmal zurück – Gas beschafft und eine Notreserve anlegt. Das ist ein wichtiger Beitrag für den nächsten Winter, eine wichtige Maßnahme, um im Fall eines Lieferrückgangs oder sogar eines Lieferstopps besser gerüstet zu sein. Sie wird – auch das ist schon erwähnt worden und ist, glaube ich, wichtig – als Energielenkungsmaßnahme ja auch durch das Parlament, durch den Hauptausschuss beaufsichtigt.

Noch einmal zur Einordnung: Der Gasvorrat, den wir anlegen, entspricht dem Bedarf eines kalten Wintermonats, eines Monats mit Maximalverbrauch. Es sind 12,6 Terawatt­stunden, die bis zum 1. November 2022 bereitgestellt und in den österreichischen Spei­chern eingelagert werden sollen. Wie auch schon erwähnt wurde, steht der Gasver­brauch zwischen Sommer- und Wintermonaten teilweise in dem Verhältnis von eins zu drei. Wie lange diese Reserve im Zweifelsfall wofür auch immer eingesetzt wird, hängt also sehr davon ab, über welchen Monat wir tatsächlich sprechen. Das nur noch einmal zur Einordnung der Menge.

Die strategische Gasreserve wird von der AGGM beschafft. Das ist ein Akteur, den viele wahrscheinlich erst im Zuge der aktuellen Diskussionen wirklich wahrgenommen haben, es ist der Verteilgebietsmanager in den drei österreichischen Marktgebieten. Für Gas gibt es drei Marktgebiete in Österreich: Vorarlberg, Tirol und das Marktgebiet Ost, also alles außer Vorarlberg und Tirol. Die Konstruktion über den Verteilgebietsmanager ist dieselbe, wie sie auch die deutsche Gasbevorratung gemacht hat, das deutsche Modell funktioniert also analog zu unserem. Das dortige Pendant ist das sogenannte Trading Hub Europe, dieses beschafft die geplante deutsche Reserve. Wir machen das über die AGGM.

Auch da noch einmal: Die Reserve ist eine Versicherung. Sie macht uns weniger er­pressbar, ist aber eine Reserve für den Notfall – dass auf Vorräte zugegriffen werden kann und daraus Haushalte, Unternehmen versorgt werden können. Eines tut sie aber nicht, das sage ich hier in der Länderkammer sehr bewusst: Die strategische Gasreserve befreit die Gasversorger nicht von ihrer Verpflichtung, die Versorgung der Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Für die Verpflichtung der Gasversorger, auch der Landes­gasversorger, gilt weiterhin der Versorgungsstandard nach der EU-Gasversorgungssi­cherheitsverordnung, also der Gas-SOS-Verordnung. Die Gasversorger in Österreich haben den geschützten Kunden gegenüber eine Verpflichtung, die Versorgung sicherzu­stellen.

Sie wissen, dass wir bereits seit vielen Jahren eine Reserve für Erdöl haben. Sie basiert auf internationalen Verträgen, wo innerhalb der Internationalen Energieagentur beraten wird, wie damit umgegangen wird, und wo es dann zur Freigabe der Ölvorräte auch in Österreich eine Einbeziehung des Gesetzgebers gibt. Genauso wird es hier sein: Die Freigabe der Gasreserve wird durch eine Maßnahmenverordnung nach dem Energielen­kungsgesetz angeordnet, muss aber im Hauptausschuss eine Zweidrittelmehrheit erhal­ten, wie das beim Thema Öl eben auch ist. Das Gas kann dann über den Weg des Bilanzgruppensystems an die Versorger übergeben werden. Wir schaffen das Gas jetzt mit öffentlichen Mitteln an und im Notfall kann dieses Gas dann zum aktuellen Tages­preis oder zum Anschaffungspreis – je nachdem, welcher der höhere ist – freigegeben werden, das heißt, verkauft und dementsprechend auch bezahlt werden.

Ich freue mich, dass dieses Gesetz jetzt rasch beschlossen werden kann, diese Ge­schwindigkeit ist wichtig und situationsadäquat. Den Redebeiträgen entnehme ich breite Unterstützung, also freue ich mich vorsorglich darüber, bitte aber trotzdem um Ihre breite Zustimmung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.45


13.45.50

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 89

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehr­heit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.47.3210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Beendigung der Rechtswirkungen des Art. 11 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Republik Ös­terreich und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1330 d.B. und 1391 d.B. sowie 10941/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Beendigung des Ab­kommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1419 d.B. sowie 10942/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11 ist Frau Bundesrätin Elisa­beth Wolf. – Ich bitte um die Berichte.


13.48.35

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Tribüne! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Beendigung der Rechtswirkungen des Art. 11 Abs. 3 des Abkom­mens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 90

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ebenso bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Lettland zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland über die Förderung und den Schutz von Investi­tionen.

Dieser Bericht liegt ebenso vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. – Vielen Dank.


13.49.52

Vizepräsident Günther Novak: Bei uns eingetroffen ist Frau Dr. Alma Zadić, Bundesmi­nisterin für Justiz. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Gibt es Wortmeldungen dazu? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Beendigung der Rechtswirkungen des Art. 11 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Re­publik Österreich und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.51.3612. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialge­richtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dol­metschergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsge­setz, das E-Commerce-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienzeitbonusgesetz geändert wer­den (Zivilverfahrens-Novelle 2022 – ZVN 2022) (1291 d.B. und 1400 d.B. sowie 10924/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 91

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


13.52.04

Berichterstatter Sebastian Kolland: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdik­tionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ge­richtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Ge­richtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das E-Commerce-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienzeitbonusgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


13.53.03

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Digitalisierung durchzieht mittlerweile viele Le­bensbereiche und wurde durch die Pandemie nochmals beschleunigt. Denken Sie nur an die vielen Videokonferenzen, die während der letzten zwei Jahre ganz selbstver­ständlich aus dem Homeoffice geführt wurden! Auch in der Justiz kommt es laufend zur Anpassung von Prozessen und Abläufen im Zuge der Digitalisierung und des Projektes Justiz 3.0.

Im europäischen Vergleich nimmt die österreichische Justiz in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein; das konnten wir auch am Dienstag im Justizausschuss so vernehmen. Mit den Gesetzesänderungen der Zivilverfahrens-Novelle werden die notwendigen An­passungen vorgenommen, um der zunehmenden Digitalisierung Rechnung zu tragen. Dazu möchte ich drei Punkte herausgreifen.

Erstens die digitale Aktenführung: Eines der Ziele ist, eine möglichst vollständige digitale Aktenführung zu gewährleisten und damit die parallele Führung des Papieraktes zu ver­meiden. Das soll unter anderem durch die Minimierung der Einbringung von physischen Originalen erreicht werden, indem möglichst viele Eingaben elektronisch erfolgen und Urkunden nur mehr in Abschrift vorzulegen sind, soweit deren Vorlage in Urschrift nicht ausdrücklich vom Gesetz angeordnet oder vom Gericht verfügt wird.

Zweitens die Gerichtsgebühren: Die Gebühren für Aktenabschriften wurden bislang im­mer noch nach ausgedruckten Seiten bemessen. Das soll in Zukunft durch die Neure­gelung der Gerichtsgebühren für Akteneinsicht an die digitale Aktenführung angepasst werden. Zudem soll generell im heurigen Jahr die Inflationsanpassung und damit die Erhöhung der Gebühren ausgesetzt werden.

Drittens das Sachverständigenwesen: Gerichtssachverständige werden häufig durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Behörden bestellt, was zu einer starken Belastung und Überschreitung der für die Gutachtenerstellung gesetzten Fristen führt. Mit der ge­planten Änderung der Zivilprozessordnung soll ein Beitrag zur Verfahrensbeschleuni­gung sowie zur Sicherstellung der Qualität der Gutachten geschaffen werden, indem


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 92

jene Sachverständigen, die bereits in mehr als zehn Verfahren die von der beauftragen­den Stelle gesetzte Frist zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens überschritten ha­ben, dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen haben.

Diese drei Beispiele aus der heute zu beschließenden Zivilverfahrens-Novelle verdeutli­chen, dass damit weitere Schritte im Sinne der Modernisierung der Justiz geschaffen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.56


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich erteile ihr das Wort.


13.56.23

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Minister! Werter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bürgernah, effizient, modern: Das sind Eigenschaften, die ein ständiges Verändern brau­chen, ein Anpassen an die Zeit, und vor allem geht es ums Besserwerden.

Grundsätzlich denkt man da nicht sofort an Behörden und Ämter oder gar an die Recht­sprechung, doch gerade bei uns in Österreich ist die letzten Jahre irrsinnig viel passiert, und man kann durchwegs behaupten, die Behörden sind ihrem Klischee entkommen.

Schauen wir auf die vorliegende Zivilverfahrens-Novelle! Was hat sich nicht alles im Be­reich der Digitalisierung die letzten Jahre schon getan: Akteneinsicht per Knopfdruck im Grundbuch, im Firmenbuch, Anerkennung der digitalen Handysignatur und die Grün­dung von Gesellschaften online.

Das sind keine Selbstverständlichkeiten oder gar logische Entwicklungen, wie manche oft meinen. Gerade die vorliegende Zivilverfahrens-Novelle hat die Anpassung der Ver­fahrensgesetze an die fortschreitende Digitalisierung zum Ziel, die vor der Justiz nicht Halt macht. Ganz im Gegenteil, die digitale Aktenführung und Verfahrensführung wird vor allem bei Gerichten und bei Staatsanwaltschaften im Bereich der Initiative Justiz 3.0 noch einmal wesentlich verstärkt und ausgebaut.

Geschätzte Damen und Herren, wir machen die Justiz mit diesem Entwurf noch bürger­näher. Es kommt mit dieser Novelle zu zahlreichen Verbesserungen des Verfahrens­rechts, die eine Erleichterung der Verfahrensführung, insbesondere auch eine Verbesse­rung beim Zugang zum Recht und einen besseren Überblick über die Rechtslage brin­gen, gerade auch für die Rechtsanwender, und – das ist von besonderer Bedeutung – für die Bürgerinnen und Bürger eben mehr Bürgernähe.

Ich will es mit ein paar praktischen Beispielen noch unterlegen: die Einbindung einer elektronischen Identität für Sachverständige und Dolmetscher. Digitale Akten ermögli­chen auch digitale Kopien, wobei der Preis nunmehr nach dem Datenvolumen berechnet wird und nicht mehr nach Seiten, was ja sehr praktikabel ist. Zu erwähnen sind auch die Anpassung und die Reduktion der Gerichtsgebühren. Meine Vorrednerin hat es bereits gesagt und ich möchte hier auch noch besonders hervorheben, dass angesichts der heute schon vielfach angesprochenen Teuerung auch hier entlastet wird, und zwar wird die diesjährige Valorisierung der Gerichtsgebühren ausgesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind wirklich schon weit im digitalen Fortschritt, und man kann durchwegs sagen, wir spielen eine Vorreiterrolle. Der Vergleich macht es sichtbar. Schauen wir nur, was sich in unseren Nachbarländern alles tut! Ich als Inn­viertlerin mit direktem Blick auf Bayern vergleiche gerne mit dem doch zehn Mal so gro­ßen Deutschland, und viele der bereits genannten Dinge wie eben digitaler Akt, digitales Grundbuch oder Firmenbuch sind für uns schon selbstverständlich, aber bei unseren Nachbarn noch nicht.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 93

Die Justiz ist ein wichtiger Teil unseres Rechtsstaates und vor allem auch wichtig für unsere Demokratie. Mit der vorliegenden Novelle beschreiten wir in Österreich einen nächsten Schritt im digitalen Zeitalter. Geben wir der modernen, effizienten und bürger­nahen Zivilverfahrens-Novelle unsere Zustimmung! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

14.00


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Mag. Gross­mann. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


14.00.32

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zivilverfahrens-Novelle hat, wie meine Vorrednerinnen schon sehr detailliert ausgeführt haben, die Digitalisie­rung der Justiz im Fokus.

Bei diesem Prozess nehmen wir, wie meine Vorrednerin schon geschildert hat, eine Vorreiterrolle ein. Auch haben wir mit diesem Prozess schon sehr früh begonnen, schon im Jahre 2013 war es in Österreich nämlich möglich, eine Eingabe mittels Bürgerkarte beziehungsweise Bürgerinnenkarte vorzunehmen.

Dieser Prozess ist sehr besonnen, wie ich meine, und in aller gebotenen Vorsicht schritt­weise vorangegangen. Diese Vorsicht ist auch dringend geboten, denn bei der Justiz handelt es sich ja, wie Sie wissen, um eine höchst sensible Materie. Deshalb sind auch höchste Ansprüche an die Datensicherheit zu stellen.

Ich habe in diesem Zusammenhang auch im Ausschuss die Frage gestellt, wie resilient unser Justizsystem gegenüber Hackerangriffen ist. Diese Frage werden wir wahrschein­lich noch sehr oft stellen müssen. Ich hoffe, dass wir da nicht irgendwann einmal nega­tive Erfahrungen machen und feststellen müssen, dass die unter Umständen hochsen­siblen Daten nicht absolut sicher sind. Hier ist also größte Vorsicht angebracht.

Die Digitalisierung soll Verfahren effizienter machen, sprich einfacher, schneller und auch billiger – so eben die Intention laut den Materialien. Das wäre auch dringend not­wendig. Wir haben nämlich schon sehr oft die Frage diskutiert, dass in Österreich die Gerichtsgebühren unverhältnismäßig hoch, mehr als kostendeckend, sind, und damit eigentlich schon den Charakter einer Gebühr verlassen und den Charakter einer Steuer annehmen, was aber wiederum verfassungsrechtlich problematisch ist.

Daher nehme ich die Ankündigung einer Gebührensenkung sehr, sehr wohlwollend auf. Ob sich die Hoffnungen, die insgesamt mit der Digitalisierung verbunden werden, auch in dem Maße realisieren, hängt freilich davon ab, ob ausreichend und entsprechend gut geschultes Personal und natürlich auch die entsprechende Ausstattung der Arbeitsplät­ze vorhanden sind. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit diese Intentionen, wie sie angestrebt werden, auch in die Realität übergeführt werden können.

Am wichtigsten ist aber der bürger- und bürgerinnennahe, niederschwellige Zugang zum Recht. Davon soll niemand ausgeschlossen werden, auch nicht Menschen, die eben nicht zu den sogenannten Digital Natives gehören. Darauf muss bitte bei allen Reformen Bedacht genommen werden.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die Ausführungen meines Kollegen Christian Drobits im Nationalrat zum Thema Altersdiskriminierung. Zum Beispiel bei Kre­ditvergaben wird es älteren Menschen unmöglich gemacht, Investitionen in den Klima­schutz zu tätigen – wir haben das vorhin auch diskutiert –, etwa für einen Heizungs­tausch, weil sie schlichtweg keinen Kredit bekommen. Also diese Fragen der Altersdiskri­minierung müssen wir bitte dringendst in den Fokus nehmen (Beifall bei der SPÖ), sonst schließen wir einen Großteil der Menschen von gut gemeinten Maßnahmen aus.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 94

In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

14.04


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm.


14.05.05

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, es ist wirklich bemerkenswert, was seit 2016 im Bereich der Digitalisierung weitergegangen ist. 2016 erfolgte der erste Mausklick am Arbeits- und Sozialgericht in Wien, der erste Beschluss, der elektronisch gefasst worden ist, und heute sind wir wirklich Vorreiter, was die Digitalisierung im Bereich der Justiz betrifft.

Das ist ja auch in unserer Zeit, 2017 bis 2019, vorangetrieben worden, und heute sind wir endgültig bei diesem Beschluss angekommen, der, ja, sinnvoll ist und dem wir auch unsere Zustimmung geben werden.

Eines dürfen wir nicht vergessen, Frau Bundesminister: Das kostet auch Geld. Wir brau­chen auch die Hardware dazu, und das ist uns gleichfalls ein besonderes Anliegen. Die Digitalisierung ist das eine, aber man muss auch die finanziellen Mittel in die Hand neh­men, um das umsetzen zu können.

Ein kleiner Punkt, über den man sicher noch diskutieren kann – aber das wird ja die Erfahrung in weiterer Folge zeigen –, ist, ob es am Ende einer Tagsatzung tatsächlich sinnvoll ist, das Ganze vorzuspielen, anstatt das durchzulesen oder durchlesen zu kön­nen. Das wird die Erfahrung sicher zeigen, aber ja, es wäre auch möglich, das eine oder andere noch zu verändern.

Im Großen und Ganzen ist das eine gute Gesetzesänderung. Darum werden wir dem auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.06


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Dr. Alma Zadić. Ich erteile es ihr.


14.06.44

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Bun­desrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Vision als Justizministerin ist es, dass wir die Justiz bürgernäher, effizienter und auch moderner gestalten. Mit dieser Zivilverfahrens-Novelle schaffen wir nun einen wichtigen Schritt, um diese Vision auch in die Tat umzusetzen.

Der erste große Teilbereich in dieser Novelle ist natürlich die Digitalisierungsoffensive, die unter dem Titel Justiz 3.0 firmiert. Bei Justiz 3.0 handelt es sich um die digitale Akten- und Verfahrensführung. Ich habe bereits in Ausschüssen und auch im Nationalrat aus­geführt, dass es mein Ziel ist, die gesamte digitale Aktenführung zu beschleunigen, so­dass wir auch die Staatsanwaltschaften schon heuer komplett auf Justiz 3.0 umstellen können. Danach folgen natürlich die Landesgerichte, die Bezirksgerichte, und ich hoffe wirklich sehr, dass wir sehr bald die gesamte Justiz auf die digitale Akten- und Verfah­rensführung umstellen können.

Damit tatsächlich unsere etablierten Prinzipien und natürlich auch der hohe Rechts­schutz und die Qualität gewahrt bleiben, braucht es auch gewisse Änderungen im Zivil­verfahrensrecht. Genau diese Änderungen gibt es jetzt mit dieser Zivilverfahrens-No­velle, denn wir wollen diesen Rechtsschutz und die hohe Qualität ja auch im digitalen Bereich beibehalten.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 95

Der zweite wichtige Punkt ist der Zugang zum Recht. Dieser wird natürlich erleichtert, wenn die Kosten reduziert werden. Daher ist die Reduktion der Gerichtskosten ein zwei­ter wichtiger Punkt in dieser Novelle.

Wir haben die Gebühren für die Akteneinsicht neu geregelt, denn natürlich, wenn alles digitaler, einfacher und schneller wird, braucht man auch nicht für jeden ausgedruckten Zettel etwas zu bezahlen. Daher werden wir mit dieser Neuregelung der Gebühren auch die Akteneinsicht, insbesondere was die Kosten betrifft, in diesem Zusammenhang redu­zieren.

Was die Gerichtsgebühren als solche betrifft, so haben wir uns dazu entschlossen, die Valorisierung, die ja anstehen würde, für heuer aufgrund der Inflation auszusetzen. Weil wir wissen, wie schwierig derzeit alles ist, haben wir sie heuer ausgesetzt. Eine Erhö­hung der Gerichtsgebühren würde den Zugang zum Recht erschweren, und das soll es auch nicht sein.

Weiters möchte ich die Vergleiche attraktivieren. Deswegen haben wir die Vergleichs­gebühren mit dieser Zivilverfahrens-Novelle reduziert, denn wir wollen ja die Menschen dazu animieren, tatsächlich Vergleiche abzuschließen und nicht große, streitige Verfah­ren zu führen, die am Ende des Tages viel Geld kosten. Daher sind Vergleichsab­schlüsse attraktiver gestaltet.

Ein dritter wichtiger Punkt ist natürlich die Qualität, und es geht um die Qualität der Sach­verständigen. Deswegen haben wir hier auch diverse Verbesserungen bei den gerichtli­chen Sachverständigen vorgenommen.

Dabei wurde primär auf die Aspekte der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrens­ökonomie, aber auch der Qualitätssicherung geschaut. So müssen, um nur ein Beispiel zu nennen, Sachverständige, die bei mehr als zehn Verfahren ihre gesetzten Fristen überschritten haben, dies dem Richter mitteilen. Dann wird sich der Richter wohl überle­gen, ob er nicht vielleicht einen anderen Sachverständigen bestellt. Ich glaube, dass das im Sinne der Verfahrensbeschleunigung ein wichtiger und richtiger Schritt ist.

Mit diesem Gesetzentwurf, meine verehrten Damen und Herren, schreiten wir bei der Modernisierung der gesamten Justiz voran. Wir werden bürgernäher, wir werden effi­zienter und wir werden auch moderner. Ich möchte mich bei allen, die im Justizministe­rium daran gearbeitet haben, für die Umsetzung dieser Vision herzlich bedanken. Ich hoffe, dass dieser Antrag bei Ihnen Zustimmung findet und Sie keinen Einspruch erhe­ben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

14.11


14.11.03

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.11.3713. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend eine Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritan­nien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäi­schen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar (1296 d.B. und 1401 d.B. so­wie 10925/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 96

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Bericht.


14.12.06

Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 be­treffend eine Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Kö­nigreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm.


14.12.58

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Erstredner hat man den Vorteil, dass man ein bisschen erklären kann, worum es geht: Das ist eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen Österreich und dem Vereinigten Königreich über die Ausdehnung des Anwen­dungsbereichs des Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar.

Das Europäische Auslieferungsübereinkommen des Europarats ist für Österreich ja so alt wie ich, nämlich seit 1969 in Kraft. Es regelt die Auslieferung von Beschuldigten und Verurteilten zwischen den Vertragsparteien.

Das Abkommen war allerdings nicht anwendbar bezüglich Gibraltar, und dann haben sich eben das Vereinigte Königreich und Österreich mittels Noten darauf verständigt, dass man dies ändern möchte. Dafür ist eine parlamentarische Abstimmung notwendig, und das beschließen wir eben jetzt hier.

Hinzu kommt natürlich auch noch der Brexit, weswegen jetzt das Europäische Auslie­ferungsübereinkommen statt des Europäischen Haftbefehls zur Geltung kommt.

In der Präsidiale haben dann alle gemeint, das ist ein spannender Punkt, um sich zu Wort zu melden. Ich habe das Technische gerne erklärt und bin gespannt auf die Rede­beiträge dazu. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile es ihm.


14.14.37

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Ich schließe mich dem Redebeitrag von Marco Schreuder an. Ich hoffe, dass dieses Abkommen wenig Praxisrelevanz haben wird. Das Abkommen dient der besseren Rechtsverfolgung von Straftätern und damit auch der Erhöhung der Rechtssi­cherheit in unserem Land und auch in Gibraltar.

Ich hoffe daher, dass wir dem einstimmig zustimmen können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.15



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 97

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


14.15.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Genau genommen müssen wir gar nicht zustimmen, wir sollen nur keinen Einspruch, keinen Einwand erheben. (Bundesrat Himmer macht das Dau­men-hoch-Zeichen.)

Lieber Marco! Ein kleiner Fehler: Das ist ein sehr relevantes europäisches Übereinkom­men, das auch viel genützt wird. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) – Ah, dann war es Kollege Raggl. Irgendjemand hat gesagt, dass das möglichst wenig zur Anwendung kommt. Es ist an sich ein wichtiges Übereinkommen, das auch regelmäßig zur Anwen­dung kommt.

Die Ausweitung passiert ja relativ einfach durch eine Mitteilung an die Generalsekretärin beziehungsweise an den Generalsekretär des Europarates. Das ist im ersten, im zweiten und im dritten Zusatz passiert. Mit dieser Mitteilung, heißt es im Zusatzprotokoll, wird es auf jene kleine Halbinsel, die durch den Spanischen Erbfolgekrieg 1704 zum Vereinigten Königreich gekommen ist, ausgedehnt. Wenn jetzt kein Vertragsstaat in den nächsten 90 Tagen Einspruch erhebt, ist die Ausdehnung gültig. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.16


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat An­dreas Arthur Spanring. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Spanring – auf dem Weg zum Rednerpult –: Die Freude ist groß!)


14.17.01

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Grund, warum wir uns hier und heute mit dieser Gesetzesmaterie beschäftigen, ist, dass mit dem Austritt Großbritanniens aus der Euro­päischen Union noch einige gesetzliche Regelungen offen geblieben sind, so eben auch diese Vereinbarung über die Ausdehnung des Europäischen Auslieferungsabkommens auf Gibraltar.

Auch wenn jetzt durch die Möglichkeit eines Europäischen Haftbefehls samt eben dann der Übergabe des Delinquenten die Auslieferungsabkommen ein wenig an Bedeutung verloren haben, so wurde es auch im Ausschuss von Experten gesagt, sind diese natür­lich wichtig.

Wir wollen ja nicht, dass sich diverse Verbrecher innerhalb Europas absetzen können, sondern hier soll die länderübergreifende Strafverfolgung auf dem europäischen Kon­tinent natürlich möglichst reibungslos funktionieren. Wir werden somit gegen diese Ver­einbarung keinen Einspruch erheben.

Also, liebe ÖVP, mit Gibraltar wird es nichts, da werden Sie ausgeliefert. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Bei diesem Gesetz geht es ja um die Rückholung von Straftätern. Es ist aber nicht so, dass wir in Österreich zu wenige Straftäter hätten. Darum werden wir einen entspre­chend passenden Entschließungsantrag einbringen, um Österreich wieder ein wenig zu entlasten. Es geht um die Haftverbüßung von in Österreich verurteilten Ausländern in deren Heimatland.

Warum das so wichtig ist, zeigt eine Anfrage, die Nationalratsabgeordneter Christian Lausch im Dezember 2020 an das Justizministerium gestellt hat: Weit mehr als die Hälfte


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 98

der Insassen in österreichischen Gefängnissen sind eben keine österreichischen Staats­bürger. Es leben rund 1,5 Millionen Ausländer in Österreich. Bei 8,9 Millionen Einwoh­nern entspricht das einem Anteil von circa 17 Prozent. Von den in den Gefängnissen Sitzenden sind aber mehr als 50 Prozent Ausländer. Aus dieser Diskrepanz kann jetzt jeder selber seine Schlüsse ziehen.

Besonders erstaunlich waren die Antworten in Bezug auf Marokko. Auf die Frage, wie viele marokkanische Staatsbürger sich in den Jahren 2010 bis 2020 im österreichischen Strafvollzug befanden, antworteten Sie, Frau Minister: 825. Auf die Frage, wie viele ma­rokkanische Staatsbürger im selben Zeitraum in ihr Heimatland zurückgeführt wurden, war die Antwort: Null.

Zwischen 1. Jänner 2010 und 30. Juni 2020 erfolgte also keine einzige Rückführung von Insassen nach Marokko, und das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen.

Man kann sagen, ein Insasse im österreichischen Strafvollzug kostet den Steuerzahler im Schnitt pro Tag circa 130 Euro. Das ist aber eine Zahl, die schon ein bisschen veraltet ist. Inzwischen wird es wahrscheinlich mehr sein. Bei circa 8 500 Insassen, die sich im Schnitt in den österreichischen Gefängnissen befinden, ist das doch eine beträchtliche Anzahl.

Wenn wir es zum Beispiel schaffen würden, nur ein einziges Prozent aller ausländischen Straftäter für ihre Haft in ihr Heimatland zu verbringen, würde das für den Strafvollzug eine Einsparung von 1,9 Millionen Euro jährlich bedeuten – 1,9 Millionen Euro jährlich, und ich rede dabei lediglich von 40 Insassen. Damit würden dann auch die Dolmet­scherkosten sinken und so weiter und so weiter. Das hätte einen positiven Effekt auf viele Dinge, lediglich einige rot-grün-besetzte NGOs wären wahrscheinlich traurig, weil es dann weniger Steuergeld gäbe, um dann wiederum mit den aufwendigen Verfahren ihrer Schützlinge das hart erarbeitete Steuergeld der Österreicher verbrennen zu können.

Deshalb und aus vielen weiteren Gründen stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ab­schluss von Staatsverträgen zur Forcierung der Haftverbüßung der in Österreich verur­teilten Ausländer im Heimatland“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesmi­nister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, den Ab­schluss von Staatsverträgen, welche gewährleisten, dass mehr in Österreich verurteilte ausländische Staatsbürger zur Haftverbüßung im eigenen Land übernommen werden, zu forcieren.“

*****

Frau Minister, mir ist klar, das ist keine leichte Aufgabe, aber Ihnen als Verantwortliche dieses Ressorts – hier möchte ich insbesondere den Strafvollzug nennen – muss es na­türlich auch ein persönliches Anliegen sein, die viel zu knapp bemessenen finanziellen Mittel, die wir haben, sinnvoller – zum Beispiel für Ausrüstung der Justizwache oder für die Erhöhung der Sicherheit in den Gefängnissen und dergleichen – einzusetzen. Das wäre natürlich mit den frei werdenden Mitteln möglich.

Ich ersuche alle Parteien, unserem Antrag zuzustimmen, und ich ersuche Sie, Frau Mi­nister, sich auch entsprechend dafür einzusetzen. Sie wissen: Unsere Gefängnisse sind


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überfüllt. Sie wissen auch, dass das wiederum zu weiteren Problemen in der täglichen Arbeit im Vollzug führt. Was Sie, Frau Minister, wahrscheinlich noch viel besser als alle hier wissen, ist: Wenn die täglich oder eigentlich schon fast im Stundentakt aufschlagen­den ÖVP-Skandale so weitergehen, werden wir sehr bald sehr viel Platz in den österrei­chischen Gefängnissen für diverse ÖVPler brauchen. (Beifall bei der FPÖ sowie Heiter­keit der Bundesräte Ofner und Steiner. Bundesrat Raggl: Sind ja schon sehr viele verurteilt worden ...!)

14.23


14.23.12

Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Abschluss von Staatsverträgen zur Forcierung der Haftverbüßung der in Österreich verurteilten Ausländer im Heimatland“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Abschluss von Staatsverträgen zur Forcie­rung der Haftverbüßung der in Österreich verurteilten Ausländer im Heimatland“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.24.4914. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes (III-773-BR/2022 d.B. sowie 10926/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich bitte um den Bericht.


14.25.14

Berichterstatter Otto Auer: Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht über den Bericht der Bun­desministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie das Achtzehnmonats-Programm des französischen, tsche­chischen und schwedischen Ratsvorsitzes.

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bun­desministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie das Achtzehnmonats-Programm des französischen, tsche­chischen und schwedischen Ratsvorsitzes zur Kenntnis zu nehmen. – Danke schön.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte.



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14.26.32

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen beziehungs­weise diesen Bericht aus folgenden Gründen nicht zur Kenntnis nehmen. Ich werde die Begründung auf zwei Punkte beschränken, die in zentrale Säulen unseres demokrati­schen Systems eingreifen. Das sind die Punkte 1.7. und 1.8. Was bedeuten diese ver­deutscht?

1.7. ist die Schaffung eines sogenannten neuen EU-Primärrechtes durch Einführung eu­ropäischer Straftatbestände. Das EU-Primärrecht zu verändern heißt, die bestehenden Verträge zu ändern oder zu brechen – wie man will; man kann auch sagen: die Verfas­sung zu ändern – und Dinge, die bisher ausschließliche Kompetenz der Nationalstaaten gewesen sind, in eine gemeinschaftliche Kompetenz zu überführen.

Worum geht es dabei? Geht es um schwere Angriffe auf Vermögen, auf Freiheit, auf Unversehrtheit und so weiter, um Schutzzwecke klassischer Straftatbestände? – Nein, darum geht es nicht. Es geht ausschließlich um sogenannte Meinungsdelikte. Es geht um Delikte, wodurch niemand angegriffen, beraubt, eingesperrt, verletzt und so weiter wird. Es geht um Äußerungen, die getätigt wurden – seien es schriftliche, seien es münd­liche, sei es in einer Diskussion, und so weiter – und als Hetze oder Hass katalogisiert werden. Hetze und Hass sind keine Begriffe, die der liebe Gott festgestellt hat, sondern Dinge, die die Konvention einer Gesellschaft festlegt. Das sind Dinge, die wir aus der öffentlichen Diskussion herausziehen, indem wir sie kriminalisieren.

Was wir ja seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, machen, ist, den Katalog der Straf­tatbestände auszuweiten und Handlungen der Bürger neu zu kriminalisieren. Da kann man ja noch sagen: Wenn es neue Formen von Finanzdelikten, neue Dinge von Über­griffen auf die sexuelle Integrität und so weiter sind, dann ja. Aber wenn es immer und vorwiegend darum geht, neue Delikte zu schaffen, die die Meinungsfreiheit, die Lehr­freiheit, die Äußerungsfreiheit einschränken, dann ist Vorsicht geboten.

Diese Primärrechtsschaffung, die in dem unter 1.7. des im Bericht beschriebenen Vorha­bens der EU beabsichtigt ist, ist ja nur der erste Schritt. Die EU bekommt dann die Kom­petenz, in diesem Bereich Straftatbestände zu schaffen. Im zweiten Schritt, nachdem der erste passiert ist, hat sie dann die Freiheit, im sogenannten sekundärrechtlichen Be­reich als europäisches Recht Verordnungen oder Richtlinien zu erlassen, die Straftatbe­stände definieren, wobei die Staaten verpflichtet werden, diese Straftatbestände und die entsprechenden Mindeststrafen, die die EU vorschreibt, einzuführen.

Damit begeben wir ganz wesentliche Fundamente unserer zivilen Rechtsordnung, unse­rer bürgerlichen Freiheiten, unserer Grundrechte in – unter Anführungszeichen – „frem­de“ Hände, in jene der EU – auch wenn wir dort 2,8 Prozent der Stimmen haben. Wir haben einen kleinen Minianteil, aber trotzdem gibt es einen Unterschied zwischen der Republik Österreich und einem Organismus, wo wir indirekt oder doppelt indirekt 2,8 Prozent zu reden haben. Zu zahlen haben wir vielleicht ein bisschen mehr, aber zu reden haben wir 2,8 Prozent.

Was bedeutet das? Selbst in den Vereinigten Staaten, die wie ein echter Bundesstaat aufgebaut sind, ist Strafrecht Landessache. Jeder der 50 oder mittlerweile 51 Bundes­staaten hat sein eigenes Strafrecht und legt selbst den Rahmen und die Tatbestände, die zu strafen sind, fest. Wir gehen also über das hinaus, was ein Bundesstaat macht, und vergemeinschaften Straftatbestände.

Warum sind die Rede-, Lehr-, Meinungs- und Pressefreiheit ein Fundament der Demo­kratie? – Weil eine Demokratie nur dann funktionieren kann, wenn ich das sagen kann, was der Mehrheit nicht passt. (Beifall bei der FPÖ.) George Orwell hat einmal den in­teressanten Satz gesagt: Freiheit ist es, den anderen Menschen das sagen zu dürfen,


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was sie nicht hören wollen. – Ich glaube, das kann man nicht besser definieren. Das Wichtige ist, dass Menschen, die Dinge sagen, die anderen auf den Nerv gehen, die sie nicht hören wollen, die sie am liebsten ausblenden würden – die diese Menschen auf­grund der Sager am liebsten einsperren würden –, trotzdem ihre Meinung äußern dürfen und dass man nicht einen Vorwand oder einen Mantel wie zum Beispiel Hetze, Verhet­zung oder Rassismus sucht, unter dem man diese Meinung kriminalisiert und dann nicht möglich macht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Weil man etwas sagen kann ...!)  Kollegin Doris Hahn, weil Sie einen Zwischenruf machen: Wir sind ja auf die­sem Weg schon ein gutes Stückchen gegangen.

Während wir hier diskutieren, während der Krieg in der Ukraine begonnen hat, hat zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland die dortige Partei AfD, die Dinge vertritt und sagt, die die anderen, nämlich die grün-rot Herrschenden mit dem liberalen Anhängsel, nicht hören wollen – sagen wir einmal, noch nicht kriminalisiert –, nach Möglichkeit aus dem öffentlichen Diskurs verbannt.

Dort hat man die AfD mit der Hauptbegründung unter Beobachtung des Verfassungs­schutzes gestellt, sie würde einen ethnischen Volksbegriff vertreten. Das heißt, der Be­griff des Volkes, den die AfD vertritt – ethnischer Volksbegriff heißt Volksvolksbegriff, denn Ethnos ist im Griechischen das Volk –, ist nicht zulässig. Es ist nicht zulässig, einen Volksvolksbegriff zu vertreten. Ich habe nachgelesen, was das eigentlich heißen soll: Ja, es ist nur mehr zulässig, einen Staatsnationenvolksbegriff zu vertreten. Unter Volk darf man im politisch gleichgeschalteten korrekten Deutschland nur noch verstehen, dass alle, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sich wie auch immer zu Deutschland bekennen, auch indem sie einen Meldezettel unterschreiben, die Deutschen oder das deutsche Volk sind.

Jede andere Auffassung, jedes andere Selbstverständnis ist bereits verfassungsfeind­lich und führt dazu, dass eine Partei, die angeblich – ich sage einmal, angeblich – so einen Begriff hat, unter Beobachtung steht, mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Teilnahme dieser Partei am öffentlichen demokratischen Leben. Das fängt mit der Ent­fernung von Leuten aus dem Staatsdienst an, die sich zur AfD bekennen, mit Begrün­dungen – dazu gibt es ja schon Verwaltungsentscheidungen im angeblich freiesten deut­schen Land der Geschichte – wie: Es ist dem rechtssuchenden Bürger nicht zumutbar, staatlicherseits mit einer Person zu tun zu haben, die sich zu einer extremistischen Partei wie der AfD bekennt. Es gibt verschiedene andere Begründungen, die bereits in diese Richtung gehen.

Da müssten bei jedem, vor allem bei einem Grünen oder bei einem Linken oder einem, der viel von Freiheit redet, der dauernd gegen Orbán protestiert, der einen totalitären Staat in Polen wachsen sieht, und so weiter – alles das, was die EU halt vorschreibt –, die Alarmglocken läuten. Kollege Schreuder müsste zum Beispiel sagen: Ja, die AfD geht mir irrsinnig am Keks! Die Leute halte ich nicht aus! Wenn ich einen AfDler sehe, gehe ich am liebsten aus dem Zimmer! Das ist fast so arg, als wenn ich dem Hübner zuhören muss – zum Beispiel, das würden Sie aber nicht sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Das stimmt aber auch!) Das ist fast so arg.

Aber komischerweise habe ich nichts gehört. Über diese in Europa wirklich einzigartige Entscheidung des immerhin bevölkerungsreichsten und bei Weitem wirtschaftsstärksten Landes Europas – Deutschland – hat niemand ein Wort verloren, weder in der soge­nannte Haltungspresse noch in der Qualitätspresse, na und schon gar nicht im Europäi­schen Parlament, in den europäischen Institutionen oder von den diversen NGOs oder Menschenrechtsorganisationen. Die haben aber sofort andere Dinge getan. Die sind sofort aufgesprungen, nachdem die Ungarn die Frechheit besessen haben, am letzten Sonntag noch einmal Orbán zu wählen. Es ist ja wirklich unglaublich! Das ist etwas, da kommt einem ja als Abonnent gewisser Zeitungen wirklich das Kotzen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Was macht die große Grundrechtsgemeinschaft der Europäischen Union? – Am nächs­ten Tag, kaum ist das Wahlergebnis amtlich, werden bereits Sanktionsverfahren gegen Ungarn wegen Verletzung der europäischen Werte, wegen Grundrechtsverletzungen, aufgrund einer illiberalen Demokratie und so weiter eingeleitet.

Was ist eine illiberale Demokratie in Europa? – Eine illiberale Demokratie ist eine Demo­kratie, in der die Bürger Entscheidungen über die Zusammensetzung ihrer Regierung und ihres Parlaments treffen, die nicht dem Grundkonsens der herrschenden europäi­schen Eliten entsprechen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravorufe der Bundesräte Span­ring und Steiner. – Bundesrat Schennach: Das ist ein ziemlicher Nonsens!) Was meinst du? (Bundesrat Schreuder: Nonsens!) Ja, ja, genau. (Heiterkeit bei Bundesrä­ten der FPÖ.)

Und wenn man dann diese Dinge anspricht, gibt es eine fundierte Diskussion von diesen Kreisen, die Demokratie, Buntheit, Offenheit, Toleranz und so weiter vertreten, und diese Diskussion läuft auf das Wort Nonsens hinaus. Nonsens macht für mich keinen Sinn, weil man sich mit solchen Argumenten ja gar nicht auseinandersetzen will, weil eine Auseinandersetzung dazu führt, dass ich meinen eigenen Standpunkt überdenken müsste. (Bundesrätin Schumann: Das gilt aber vice versa!) Und das ist natürlich in der europäischen Wertegemeinschaft und im europäischen - - (Bundesrätin Schumann: Das gilt vice versa! Das gilt vice versa, nicht? – Bundesrat Schreuder: Das gilt für Sie auch!) – Ja, ich höre Ihnen sehr gut zu, und ich überdenke meinen Standpunkt. Ich über­denke ihn, aber Sie können nicht mit „vice versa“ einmal selber abschalten. (Bundesrätin Schumann: Na, na, na, das war jetzt eine schwierige Argumentation!) Jetzt sind einmal die gefragt, die mir zuhören. Und wenn die einzige Reaktion „Nonsens“ ist, dann ist das keine wirklich tiefe Beschäftigung, würde ich einmal sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Es geht um die Beschäftigung mit Fragen wie: Was ist denn Freiheit? Ist es Freiheit, wenn die Medienlandschaft im westlichen Europa möglichst durchgeschaltet eine Mei­nung vertritt? Ist es Freiheit, wenn andere Meinungen ausgegrenzt werden, weil sie dazu führen, dass Presseförderungen infrage gestellt werden (Bundesrätin Schumann: Weil ich nicht inhaftiert werde, wenn ich mit einem weißen Zettel bei einer Demo bin!), weil sie dazu führen, dass es zu Inseratenboykotten kommen kann, und so weiter? Das ist jetzt kein – unter Anführungszeichen – „Nonsens“, um den Kollegen hier ganz links noch einmal anzuschauen (Bundesrätin Schumann: Ich habe nicht Nonsens gesagt!), den sich der Hübner ausgedacht hat, weil er hier so gemütlich steht und die Zeit verplempern will. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Dazu darf ich Ihnen eine Äußerung des Präsidenten des deutschen Zeitungsherausge­berverbandes und nebenbei auch Aufsichtsratsvorsitzenden der Axel Springer AG, Herrn Mathias Döpfner, vom vergangenen Oktober zitieren. Der wurde von einem be­freundeten Schriftsteller gefragt, was es eigentlich mit der Absetzung des Chefredak­teurs der „Bild“-Zeitung auf sich gehabt hat. Das Ganze ist unter dem Vorwand irgend­welcher sexuellen Übergriffe passiert. (Bundesrat Schreuder: Wissen Sie das, dass das ein Vorwand war? Woher wissen Sie das, dass das ein Vorwand ist?) – Ja, ja. Jetzt hören Sie mir einmal zu, dann erkläre ich Ihnen das. (Bundesrat Schreuder: Na, na! Sie wollen damit sagen, es ist ein Vorwand!) Warten Sie einmal! Es ist unter dem Vorwand sexueller Untergriffe erfolgt.

Tatsächlich ist aber gegen Herrn Reichelt – so heißt er – seit Monaten ein Kesseltreiben gelaufen, weil die „Bild“ eine in der Coronafrage dem öffentlich vorgeschriebenen Dis­kurs widersprechende Linie verfolgt hat (Bundesrätin Schumann: Also eine Weltver­schwörung!), weil sie Beiträge veröffentlicht und Zahlenmaterial gebracht hat, das nicht dem Konsens entsprochen hat.


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Ein befreundeter Schriftsteller hat Döpfner deshalb angeschrieben, und Döpfner hat da­rauf über die Medienlandschaft in Deutschland geantwortet – ich fasse das kurz zusam­men –: Wir nähern uns in unserer Medienlandschaft autoritären Verhältnissen wie in der DDR. Journalisten sind meist nur noch Propagandaassistenten, und wer gegen dieses System auftritt, hat mit jedem Tag mehr Widerstand zu erwarten, bis er nachgibt.

Wenn ein Mann wie Döpfner schon solche Sachen sagt – nicht der Hübner, da kann man sagen: Der Hübner, was der zusammenredet! –, dann müsste es dazu führen, dass man vielleicht ein bisschen mehr nachdenkt und nicht das Nachdenken nur durch das Wort Unsinn ersetzt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... Nonsens!)

Mathias Döpfner hat dadurch natürlich einen ziemlichen Wirbel ausgelöst, hat diese Wor­te ein bisschen relativieren müssen und in der üblichen Weise sagen müssen, er wollte niemandem nahetreten und er wollte niemanden verletzen. (Bundesrätin Schumann: Ja, der Strache wollte die „Krone“ kaufen! Genau, der Herr Strache!) Sie kennen ja diese ganzen Notwendigkeiten, um überhaupt im Geschäft bleiben zu können, aber er hat die­se Äußerungen nie zurückgenommen. Und wer genau verfolgt, was in der europäischen Medienlandschaft und betreffend den europäischen Freiheitsbegriff los ist, wird Herrn Döpfner nur Folge leisten können.

Ich darf erinnern – einfach nur zum Nachdenken und Mitschreiben –, was bei uns abge­sehen von dieser AfD-Sache noch passiert ist. Wir haben zwar nicht im Bundesrat, aber immerhin im Verfassungsausschuss, weil es ja eine Verordnung der EU ist, zum Beispiel beschlossen – das haben wir eh schon einmal hier erwähnt –, dass für die Verbreitung von Inhalten russischer Staatsmedien auf einer Plattform, die irgendwie dem Zugriff oder der Jurisdiktion der Europäischen Union unterliegt, in unserem Fall des österreichischen Staates, Verwaltungsstrafen von bis zu 50 000 Euro verhängt werden können. Es kann mir doch keiner erklären, dass es in einem Drittstaat – das sind wir, wir sind ja keine Krieg führende Partei – erforderlich ist, die Medienkonsumenten unter hohen Strafen daran zu hindern, sich über Aussendungen, Meinungen, wenn Sie wollen, Propaganda der anderen Seite zu informieren. Das kann ich nur damit begründen und das kann ich nur damit erklären, dass wir nicht auf dem Weg zu einer – wie es den Ungarn und Polen unterstellt wird –, sondern mittendrin in der sogenannten illiberalen Demokratie sind. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.)

Diese sogenannte illiberale Demokratie – das werden die Leute von den Grünen ja sehr gut wissen, weil sie das Wort ja in Übernahme der EU-Diktion viel verwenden – zeichnet sich dadurch aus (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ), dass man in ihr sehr wohl wählen darf, dass es verschiedene Parteien gibt, dass formal Pressefreiheit herrscht, dass aber die illiberale Demokratie die Regeln festlegt, nach de­nen man sein Recht ausüben darf, die Regeln festlegt, was man sagen darf (Zwischenruf der Bundesrätin Platzer), wo man es sagen darf – siehe das Kommunikationsplattfor­men-Gesetz in Österreich und dergleichen. Damit verlassen wir Schritt für Schritt die traditionellen Fundamente der Freiheit, die traditionellen Fundamente unserer Demo­kratie, wie sie unsere Verfassung immer noch unverändert vorschreibt, und nähern uns dem Zustand, den Leute in der ersten Reihe links und rechts den Ungarn und Polen vorwerfen, der aber in einem höheren Ausmaß bei uns verwirklicht ist.


Vizepräsident Günther Novak: 16 Minuten, Herr Doktor!


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich bin schon fertig! Damit danke ich für die Aufmerksamkeit. Es war ein bisschen länger als 10 Minuten, aber ich glaube, es war erforderlich, dass wir uns einfach gemeinsam über diese Fragen – nicht unterhalten, das geht nicht bei einer Rede – zumindest Gedanken (erheitert) machen. Die Unterhal­tung kann dann beim nächsten Beitrag erfolgen. (Ruf bei der SPÖ: Er tut sich unterhal­ten! Das sind jetzt 18 Minuten!)


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Ich bitte auch um Verständnis, dass wir diesem Bericht, der diese Probleme natürlich in keiner Weise auch nur streift, nicht die Zustimmung geben werden. – Danke. (Anhalten­der Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


14.43.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Hübner, wenn ich die Dossiers lese, die der estnische Russlandforscher Kalev Stoicescu im „New Lines Magazines“ veröffent­licht hat, dann entnehme ich, dass Sie ja sehr gut mit der Medienlandschaft in Russland vernetzt sind, vor allem mit dem Unternehmen Malofejew. Das steht zumindest so in den Medienberichten. Dieser Mann hat ja unter anderem sehr viele Treffen mit rechtspopulis­tischen und rechtsextremen Parteien in Europa organisiert.

Wenn ich aus einem Bericht von orf.at zitieren darf: „In einem weiteren zugespielten Dokument aus dem Februar 2016 schlägt eine Mitarbeiterin der Zargrad-Gruppe“ – Sie kennen die Mediengruppe, glaube ich, ganz gut, das ist die Mediengruppe von Herrn Malofejew, einem Oligarchen, der sehr nahe an Putin und am Kreml arbeitet – „rund um Malofejew vor, dass sich der FPÖ-Politiker Johannes Hübner in Österreich für die Aufhe­bung der Sanktionen gegen Russland einsetzen könnte.“ – (Bundesrat Steiner: Ja! Und weiter?)  „Zusätzlich sollte eine Medienkampagne aufgestellt werden, die über die ‚irre­parablen Schäden‘ der österreichischen Wirtschaft wegen der Sanktionen gegen Russ­land berichten sollte.“ – (Bundesrat Steiner: Und jetzt?)

„In dem von der Mitarbeiterin erstellten Dokument, bei dem es sich anscheinend um eine Art Honorar für eine Dienstleistung handelt, stellt sie fest, dass ein solches Vorhaben 20.000 Dollar [...] kosten würde, ‚im Falle einer erfolgreichen Abstimmung‘ weitere 15.000 Dollar. Im Juni 2016 brachte Hübner tatsächlich einen unselbstständigen Ent­schließungsantrag mit dem Titel ‚Aufhebung der Sanktionen gegen Russland‘ im Parla­ment ein.“ – Ich zitiere nur. (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck. – Bundesrat Stei­ner: Aber was ist daran ...?)

Sie kennen die russische Medienlandschaft ja anscheinend sehr gut, Sie könnten eigent­lich Ihre Rede – das würde ich Sie wirklich bitten, da Sie so gute Connections zu Russ­land haben –, Ihre Brandrede für die Freiheit der Presse Ihren Freunden in Russland halten. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Dort wird man bereits verhaftet, wenn man einen weißen Zettel in die Höhe hält, wo nichts draufsteht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Dort sind Worte verboten, und zwar ist es verboten, die Wahrheit zu sagen. Es ist Krieg und es entstehen Kriegs­verbrechen, und zwar seitens Russlands – das darf man dort nicht sagen. (Bundesrat Hübner: ... Unwahrheiten ...!)

Eine Sache unterscheidet uns auch, Herr Hübner, und das ist wirklich eine ganz, ganz - - (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) – Nein, Herr Hübner, Sie waren am Wort, jetzt darf ich kurz mit Ihnen reden. Wir können gerne eine Freiheitsdiskussion führen - - (Bun­desrat Spanring: Aber nicht mit euch! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Ofner und Steiner-Wieser.– Ihr wisst noch gar nicht, was ich sage, also regt euch wieder ab! Cool down, Herr Kollege Ofner! – Wir können gerne eine Freiheitsdebatte darüber führen (Bundesrat Leinfellner: Machen wir das beim Tagesordnungspunkt ...!), was tatsächlich eine erstrebenswerte Form von Freiheit ist. Ist es Freiheit, dass ich hetzen und diskrimi­nieren kann, gegen wen ich will (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das tuts ja ihr Grünen!), oder dass Gruppen, die diskriminiert werden, Freiheit vor Diskriminierung, Freiheit vor


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Hass, Freiheit vor Hetze haben, weil wir sagen, in einer diversen Gesellschaft sollen sich alle frei entfalten dürfen, ohne dass man ihnen Steine, ohne dass man ihnen Hass, ohne dass man ihnen alles entgegenwirft, was man ihnen nur entgegenwerfen kann? (Bun­desrat Ofner: Na und ihr dürft das?!) Das ist meine Idee von Freiheit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich will jetzt aber wieder auf den eigentlichen Bericht zurückkommen, um den es geht. (Bundesrat Steiner: Aber gilt das für die Ungeimpften auch?) Es geht um die EU-Vor­haben im Bereich der Justiz. (Bundesrat Steiner: Oida, gilt das auch für die Ungeimpf­ten?) Auch der Vorhabensbericht der Triopräsidentschaft Frankreich, Tschechische Re­publik und Schweden für die nächsten 18 Monate hat natürlich die Punkte im Vorder­grund, die auch in anderen Ressorts ganz stark im Vordergrund stehen, nämlich die Maßnahmen im Kampf gegen die Klima- und Umweltkrise, die Covid-19-Pandemie und die Digitalisierung, die natürlich auch im Bereich Justiz ganz entscheidend sein wird.

Manchmal wird man vielleicht ein bisschen überrascht sein, dass Klimaschutz und Covid-19-Angelegenheiten auch im Justizressort und nicht nur im Sozialressort und im Klimaschutzressort passieren, sondern dass das ein allgemeiner, ressortübergreifender Zugang ist.

Interessant fand ich in diesem Vorhabensbericht, der ja tatsächlich noch vor dem Krieg geschrieben worden ist, Folgendes – ich zitiere wörtlich –: „Zudem betont die Kommis­sion unter anderem die Bedeutung der Konzepte im Bereich Digitalisierung und die Be­mühungen auf Basis des Aktionsplans für Demokratie, um die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und zu stärken, die Grundwerte der Union zu schützen und die Widerstands­fähigkeit der Demokratie auszubauen.“

Ich finde, dieser Satz hat aufgrund der unfassbaren Ereignisse in der Ukraine einfach noch eine andere Bedeutung bekommen. Ich finde es ganz wichtig, es gerade in einem Parlament zu sagen: Sosehr Kollege Hübner und ich hier manchmal über einen Frei­heitsbegriff streiten mögen, aber wir in Österreich und wir in Europa haben eine Demo­kratie, in der dieser Streit im Parlament ausgetragen wird. Wir haben eine Demokratie, und in der Ukraine sterben derzeit Menschen, weil sie sich für diese Demokratie einset­zen und weil sie in dieser Freiheit leben wollen. Das müssen wir uns immer wieder be­wusst machen.

Bei den schwierigen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Digitalisierung, die natürlich viele Bereiche betrifft, und auch aktuell der Krieg – ist es keine Frage, dass diese Themen – auch wenn es manchmal ermüdend ist, es immer wieder zu betonen – natürlich die Aufgaben sind, die unsere Generation jetzt zu bewältigen hat.

Die Relevanz der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit bedeuten etwa auch ein entschloss­enes Vorgehen gegen Formen von Terrorismus, gegen Formen von Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus sowie die Bemühungen um einen besseren Schutz der Opfer, der Opfer von Terrorismus. Das ist aus meiner Sicht Freiheit: dass man Opfer beschützt. (Bundesrat Steiner: Was ist mit den Opfern der Corona...?)

Dazu zählt auch Hetze. Dazu zählt auch Hasskriminalität als Straftatbestand. Das ist auch deswegen wichtig, weil, wenn man diese Daten auch tatsächlich erfasst, man in ganz vielen anderen Bereichen – sei es in der Pädagogik, sei es in der Wissenschaft, in der Soziologie, sei es in all diesen Bereichen, in der Psychotherapie – dann viel, viel leichter damit umgehen kann, wenn man die Daten überhaupt einmal erheben kann. (Bundesrat Steiner: Was ist mit der Hetze gegen Ungeimpfte?) – Sie können sich gerne zu Wort melden, wenn Sie mir etwas ausrichten wollen, jetzt bin ich am Wort. (Bundesrat Steiner: Nur eine Zwischenfrage, Oida!)

Auch die Zusammenarbeit innerhalb der EU wird im Justizbereich verstärkt, und das ist auch wichtig: die Übertragung von Strafverfahren, die gemeinsamen Anstrengungen


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gegen Umweltkriminalität, das E-Evidence-Paket, das länderübergreifenden Zugriff er­leichtert – und das natürlich unter Wahrung aller Grundrechte. Ein sehr wichtiges Ziel nennt unser Dreiervorsitz derzeit auch den Datenzugang und die gemeinsame Nutzung, Bündelung und Weiterverwendung von Daten, um diese zu verbessern.

In diesem Zusammenhang ist auch der Regelungsrahmen für Onlineplattformen zu ver­stehen, um eine Stärkung ihrer Verantwortlichkeiten für einen sicheren digitalen Raum zu schaffen und den Kampf gegen illegale Onlineinhalte zu intensivieren. Dies geschieht auch derzeit ganz entscheidend im Digital-Services-Act, und da schließt sich der Kreis ja auch wieder zu Hass und Hetze. (Bundesrat Steiner: Was ist mit Hetze gegen Unge­impfte?)

Im Bereich der Unternehmensführung und der Kontrolle wird der Dreiervorsitz die Ein­führung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt fördern und im Hinblick auf ein EU-Modell verantwortungsvoller Unter­nehmen die Festlegung von EU-Standards für die Berichterstattung über die Nachhaltig­keit von Unternehmen unterstützen.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Themen nennen, die sicher auch noch ein gewisses Gezerre und auch ein Verhandlungsgezerre zur Folge haben werden, aber die für mich ganz, ganz entscheidend sind, um auch Beispiele aus dem Umweltschutz und aus dem Klimaschutz zu bringen:

Das sind natürlich die Lieferketten und dementsprechende Regelungen. Es muss in Eu­ropa ein erklärtes Ziel werden, sich für ein konsequentes Eintreten gegen Menschen­rechtsverletzungen und Umweltzerstörungen auf allen Ebenen sowie das Einfordern unternehmerischer Verantwortung durch diese verbindlichen Regeln einzusetzen.

Ein anderer Punkt – und den finde ich besonders schön, weil der auch im Bericht vor­kommt – betrifft ein Recht – und das sage ich mit ein bissel Bedauern, weil ich gerne Appleuser bin, aber das ist wirklich ein Problem –: das Recht auf Reparatur. Dieses Recht ist ganz, ganz entscheidend, um von einer Wegwerfgesellschaft weg und wieder hin zu einer Kreislaufgesellschaft zu kommen.

Wir haben gerade gestern im EU-Ausschuss über Müllsysteme gesprochen: wie viele Rohstoffe, die jetzt mittlerweile auch seltener werden, wir eigentlich noch wegwerfen und dann auch einfach in andere Länder verfrachten, obwohl wir das sehr, sehr gut nutzen könnten. Das ist ein Riesenthema. Es steht in diesem Bericht – tatsächlich im Justizbe­reich – drinnen, und ich finde das ganz wichtig.

Wir nehmen daher diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.53


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm das Wort.


14.53.50

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­her! Ich möchte einige Initiativen aus diesem Bericht ausdrücklich hervorheben: das sind jene, die gegen den Terrorismus arbeiten, gegen Hetze und Hasskriminalität arbeiten – da ist ja auch eine starke Initiative von Österreich ausgegangen –, sowie die Vermö­gensabschöpfung, die auch für die Opferentschädigung sehr wichtig ist, und die Über­tragung der Strafverfolgung, damit es eben nicht zu Doppelverfolgung oder vielleicht zu gar keiner Verfolgung kommt. Ich denke, das sind sehr, sehr wichtige Vorhaben, die da in Zukunft umgesetzt werden.

Auch ich möchte auf diese fairen Preise bei Reparaturen kommen, weil ja unsere Vize­präsidentin Sonja Zwazl – die heute leider nicht da sein kann, die zu Hause mit Corona


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und leider keinem guten Verlauf liegt und der ich von hier gute Besserung wünschen möchte – eine Vorkämpferin für den Reparaturbonus war, der offensichtlich von der EU aufgegriffen worden ist. Sie hat diesen bereits 2019 in Niederösterreich eingeführt. Da wurden alleine in Niederösterreich 3 700 Anträge gestellt, also 3 700 Geräte sind nicht in den Müll gekommen und wurden durch die Unterstützung von 240 000 Euro repariert. Das ist schon eine sehr gute Sache, und ich bin schon gespannt, wie man das mit einem Gesetz umlegen will, aber es ist natürlich sehr gut, wenn man diesem sinnvollen Anlie­gen – mehr Reparatur, mehr Nachhaltigkeit – auch nachkommt.

Nun zu einigen anderen Dingen, die hier angesprochen worden sind: So, wie ich das mitbekomme, geht es im Verfahren gegen Ungarn um Korruption, vor allem um Korrup­tion im Umkreis des Premierministers, und ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass das aufgearbeitet wird, damit wir uns nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. (Bundesrat Steiner: Ausgerechnet ein ÖVPler sagt das! Ausgerechnet ein ÖVPler! Also so schmerzbefreit möchte ich einmal sein!) Man muss in diesem Zusammenhang auch sagen, dass gerade Ungarn und Polen die einzigen Länder sind, die sich nicht an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligen, und auch da muss mehr Initiative unter­nommen werden: dass diese Europäische Staatsanwaltschaft eine Institution wird, die von allen getragen wird, und damit natürlich auch mehr Kraft bekommt.

Kollege Hübner, zu all deinen Ausführungen möchte ich nur eines einbringen: Es war Herbert Kickl, der gesagt hat: Das Recht muss der Politik folgen! (Bundesrat Steiner: Richtig!) Deine Ausführungen solltest du also mit ihm besprechen. (Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Ich habe auch noch eine sehr interessante Initiative, und zwar die Initiative zu Slapp – ausgesprochen: Strategic Lawsuits against Public Participation –, gesehen; und zwar versteht man darunter „Klagen oder Verfahren gegen Journalisten und Journalistinnen, NGOs, Medien“ und Vertreterinnen und Vertreter „der Zivilgesellschaft“, „die dem Ziel dienen sollen, diese mundtot zu machen und einzuschüchtern“. Die Klagen basieren „meist auf angeblicher Verleumdung“; „durch langwierige Gerichtsverfahren und/oder eine Kombination verschiedener Strategien“ sollen deren „Ressourcen und [...] Moral“ angegriffen und/oder „untergraben“ werden.

Das passiert ja gerade in den letzten beiden Jahren sehr, sehr oft gegen ÖVP-Politiker; und auch, um den Horizont von Herrn Kollegen Spanring von der FPÖ zu erweitern, möchte ich hier einmal einige Dinge ausführen.

Es gab in den letzten Jahren verschiedenste Anzeigen: zum Beispiel Anzeigen von Na­tionalrat Krainer von der SPÖ in der Sache Casag gegen Minister Blümel, Minister Löger und Schmid, die allesamt mangels Anfangsverdachts eingestellt wurden.

Es gab eine Anzeige von Nationalrätin Krisper sowie der Nationalräte Krainer und Ha­fenecker gegen Minister Blümel wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss, die mangels Anfangsverdachts eingestellt wurde. (Bundesrat Spanring: Erzähl uns was ..., das ist interessanter!)

Es gab fünf Anzeigen gegen Nationalratspräsident Sobotka – basierend auf anonymen Anzeigen oder Artikeln in den Medien „Kontrast“ oder „Zackzack“ –: alle mangels An­fangsverdachts eingestellt. (Bundesrat Ofner: Fünf von 150, oder was? – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Es gab eine anonyme Anzeige gegen Minister Löger wegen Spendenverdachts von Pre­miqema, von Premiqamed an die ÖVP (Bundesrätin Schumann: Was? Wegen was?): mangels Anfangsverdachts eingestellt, Frau Kollegin! (Bundesrätin Schumann – erhei­tert –: Wegen was? Ich hab’s net verstanden! – Bundesrat Spanring: Pilnacek ist nicht mehr im Amt und räumt für alle ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Eine Anzeige von Nationalrat Krainer gegen Blümel und Peschorn wegen verzögerter Aktenlieferung im U-Ausschuss wurde mangels Anfangsverdachts eingestellt. (Bundes­rat Spanring: Wenn ein Schwarzer Justizminister wäre ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte hier auch auf die Plagiatsvorwürfe gegen Ministerin Aschbacher und Na­tionalrat Weidinger hinweisen, die auch alle zu keinem Ergebnis geführt haben, und ein bisschen weiß ja jetzt auch schon Ministerin Zadić, wie das geht. (Bundesrätin Schu­mann: Völlig unschuldig ...! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte darauf hinweisen, dass Österreich ein Land ist, in dem eine Anzeige kein Urteil ist. Ein Urteil ist ein Urteil (Bundesrat Ofner: Ja, und korrupt ist korrupt!), also: Es gibt keinen verurteilten Politiker, und daher sollte sich Herr Spanring seine Vorwürfe an den Hut stecken. (Oh-Rufe bei der FPÖ.)

Ich hoffe, dass dieses Gesetz auch gegen diese Vorgangsweisen eingreifen kann, weil dann auch darunter steht: Diese Vorgehensweisen „bedrohen die Demokratie im Kern“. So kann es nicht weitergehen!

Diesem Bericht stimmen wir natürlich zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

14.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


14.59.58

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt ein paarmal noch auf die Tagesordnung schauen müssen, worum es jetzt geht: Es geht um den Bericht der Justizministerin betreffend das Arbeits­programm der EU-Kommission sowie der Triopräsidentschaft. Dieser Bericht deckt die Hauptstoßrichtungen der Kommission beziehungsweise eben der Triopräsidentschaft im Zivil- und Strafrechtsbereich eigentlich recht umfassend ab und ist daher aus unserer Sicht zur Kenntnis zu nehmen – das gleich einmal vorweg.

Die Debattenbeiträge, die wir jetzt gehört haben, sind teilweise – deswegen habe ich ein paarmal auf die Tagesordnung schauen müssen – nicht unbedingt im gegenständlichen Tagesordnungspunkt verankert, aber wie auch immer, Sie haben verschiedenste Aspek­te herausgegriffen. Ich möchte den Aspekt der Verbraucher-/Verbraucherinnenrechte herausgreifen. Da wird EU-seitig eine Stärkung der Konsumentinnen und Konsumenten angestrebt. Es wurde eben schon das Recht auf Reparatur genannt, aber zu erwähnen ist beispielsweise auch die Pauschalreiserichtlinie, die wieder einmal überarbeitet wer­den soll – diesmal mit den Erfahrungen aus der Covid-Pandemie.

Da möchte ich schon einen Appell an Sie, werte Frau Ministerin, richten, dass wir künftig bei der Umsetzung von Richtlinien gerade im Bereich des Verbraucher-/Verbraucherin­nenschutzes wieder verstärkt den Schutzgedanken im Visier haben, weil in den letzten Jahren leider die Richtlinien auf dem niedrigstmöglichen Niveau umgesetzt wurden. Was also EU-rechtlich im Bereich der Verbraucherinnen-/Verbraucherrechte geboten war, wurde gerade gemacht, um ja nicht ein Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren – aber schon um keinen Deut mehr; und da möchte ich wirklich die Bundesregierung ersuchen, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker als bisher zu berücksichtigen. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Beispielsweise hat man bei den Gewährleistungsfristen die kürzestmögliche Frist ge­nommen. Da haben sich also die Verbraucherinnen und Verbraucher einfach mehr Schutz verdient, und da bitte ich, auch bei den künftigen Richtlinienumsetzungen darauf Bedacht zu nehmen.


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Im Bereich des Strafrechtes wird eine Verbesserung der Opferrechte angestrebt. Da ist positiv zu werten, dass es ein Problembewusstsein dafür gibt, dass es da auch in Öster­reich einiges zu tun gibt. In diesem Vorhaben möchten wir Sie natürlich auch bestärken.

Insgesamt, muss ich sagen, ist dieser Bericht besser ausgefallen als die Vorhabensbe­richte aus anderen Ressorts. Beispielsweise hat uns das Finanzministerium heute ja sehr enttäuscht, deshalb haben wir den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen können; aber auch andere Berichte – wie zum Beispiel der des Sozialministers, was zum Beispiel den Diskriminierungsschutz von gleichgeschlechtlichen Paaren, Stichwort Levelling-up, be­trifft – sind sehr ambitionslos ausgefallen. Da ist also ein sehr ambitionsloser Bericht gekommen.

Insofern hebt sich Ihr Bericht, Frau Ministerin, sehr wohltuend von anderen ab, aber wie gesagt: Es zählen die Taten, weniger die Worte, und in dem Sinne hoffe ich, dass Sie gerade die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher mit größtem Engagement verfolgen.

In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. – Ich erteile es Ihnen.


15.04.19

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! (In Richtung Galerie:) Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Es ist ja auch schön, Zuseherinnen und Zuseher im Bundesrat zu haben. Sie kom­men auch zu einem sehr spannenden Thema, denn es geht um die Jahresvorschau: einen Überblick der Europäischen Kommission, eben der Triopräsidentschaft Frank­reich, Tschechien und Schweden, für das Jahr 2022. In dieser Jahresvorschau soll vor­gestellt werden, welche Projekte und welche legislativen Aktivitäten auf europäischer Ebene bis Ende des Jahres umgesetzt beziehungsweise vorangetrieben werden sollen.

Die Kommission hat das Arbeitsprogramm letztes Jahr vorgelegt, und es zeigt eine sehr hohe Ambition. Insbesondere, finde ich, leistet dieser Bericht auch einen wichtigen Bei­trag, um die justizpolitischen Herausforderungen tatsächlich auch zu bewältigen. Alles in allem orientiert sich das Gesamte an sechs politischen Zielvorgaben der Kommis­sionspräsidentin von der Leyen, die so wichtige Themen wie die weitere Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratien in Europa, der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Digitalisierung und – nicht zu vergessen, ganz wichtig! – den Euro­pean Green Deal ansprechen möchte.

Daher möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, auf ein paar Initiativen besonders auf­merksam zu machen: zum einen natürlich auf die zunehmende Hasskriminalität im In­ternet, aber auch sonst. Daher begrüße ich sehr, dass es eine fast einstimmige Annahme eines Ratsbeschlusses zur Aufnahme von Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände gegeben hat. Nur ein Land, nämlich Polen, hat sich dagegen aus­gesprochen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir bei der nächsten Ratssitzung einen einstimmigen Beschluss erzielen werden, denn Ziel ist es und muss es auch sein, den effektiven Schutz vor Hass und Hetze in ganz Europa für alle Menschen zu gewähr­leisten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch den Digital-Services-Act erwähnen, denn dieser fokussiert sich ja auch darauf, dass wir Hatespeech online effektiv und grenzüberschreitend bekämpfen können; denn letzten Endes: Ja, wir können national die besten Gesetze erlassen, aber wenn wir wirklich Hatespeech im Netz effizient und effektiv bekämpfen wollen, dann brauchen wir einheitliche Regelungen – und das Ganze


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europaweit; denn da geht es auch um einen besseren Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, und es geht auch darum, dass die Grundrechte auch im Internet gewahrt bleiben – mit klaren Transparenzregeln und Rechenschaftsrahmen und klaren Verpflich­tungen auch für die Onlineplattformen. Das Ziel ist es, Potenziale der Digitalisierung zu nützen, aber gleichzeitig auch, die Gefahren rechtzeitig zu erkennen und gegen diese Gefahren effizient aufzutreten.

Einen hohen Stellenwert in diesem Arbeitsprogramm hat für mich natürlich der Schutz der Umwelt. Ich möchte auf ein Phänomen aufmerksam machen, und das ist die Umwelt­kriminalität. Es ist ein wachsendes Problem, dass der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erheblicher Schaden zugefügt wird, und daher braucht es wirksamen, straf­rechtlichen Schutz, um eben die Umweltkriminalität bekämpfen zu können. Zig Evaluie­rungen haben bereits gezeigt, dass der derzeitige EU-Rechtsrahmen absolut nicht aus­reicht, um der Umweltkriminalität den Kampf anzusagen. Die Zahl der erfolgreich aufge­deckten, untersuchten, verfolgten und letzten Endes bestraften Fälle ist nach wie vor sehr niedrig. Man darf nicht vergessen: Die Umweltverbrechen, und damit zusammen­hängend auch andere Verbrechen – und ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Korruption erwähnen, weil Umweltverbrechen und Korruption sehr eng miteinander verknüpft sind –, sind mittlerweile fast schon so lukrativ wie der Drogenhandel. Deswe­gen müssen wir wirksame Mittel und wirksame Gesetze europaweit auf den Weg brin­gen, um der Umweltkriminalität den Kampf anzusagen.

Daher geht es auf europäischer Ebene letzten Endes auch darum, diese Strafbarkeits­lücken, die wir auch erkannt haben, zu schließen, und deswegen wird auch in dieser Ratspräsidentschaft die EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt evaluiert und geändert.

Ein weiteres zentrales Anliegen, das ich unbedingt ansprechen möchte, das einige von Ihnen auch bereits angesprochen haben, ist das EU-Lieferkettengesetz. Am 23. Februar hat es einen ersten Vorschlag der EU-Kommission gegeben, und man sieht, dass das auch ein ambitionierter Vorschlag ist. Es geht letzten Endes darum, dass wir verpflich­tende Maßnahmen brauchen, um die Unternehmerinnen und Unternehmer zu zwingen, auch wirklich europäische Menschenrechtsstandards in der gesamten Lieferkette umzu­setzen. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in Ös­terreich, die nachhaltig produzieren, die sich dafür einsetzen, dass in ihrer Lieferkette keine Menschenrechtsverletzungen vorkommen, dass in ihren Lieferketten nicht die Umwelt zer­stört wird, Wettbewerbsverzerrungen oder Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen müssen.

Es geht in erster Linie auch darum, unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, die nachhaltig produzieren, zu schützen, und deswegen braucht es Verpflichtungen. Es braucht Verpflichtungen, um die Unternehmer/Unternehmerinnen, die billigste Produkte anbieten, weil sie auf dem Rücken der Menschen produziert werden, weil sie auf dem Rücken unserer Umwelt produziert werden, tatsächlich in die Verantwortung zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Einen letzten Punkt möchte ich noch hervorheben, und das ist der umfassende Vor­schlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Schätzungen zufolge ist jede dritte Frau in der EU von Gewalt betroffen und jede zweite hat sexuelle Belästigung erfahren. Derzeit gibt es auf EU-Ebene noch kein spe­zielles Rechtsinstrument, und daher besteht auch Handlungsbedarf. (Bundesrätin Schu­mann: Ratifizierts die ILO-Konvention 190, bitte!) Für mich ist ganz klar: Die EU muss allen Frauen und Mädchen in Europa mit Schutz und Unterstützung zur Seite stehen. Gerade bei der Bekämpfung von Onlinegewalt hat Österreich eine Vorreiterrolle einge­nommen, und diese Expertise werden wir auch auf EU-Ebene einbringen, das tue ich auch in jedem JustizministerInnenrat. (Bundesrätin Schumann: Ratifizieren Sie die ILO-Konvention! – Bundesrätin Grimling: Und zwar rasch ...!)


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Wie Sie sehen, ist es ein ambitioniertes Programm, auch ein ambitionierter Bericht der EU-Kommission, und ich freue mich, dass das eine oder andere in diesem Jahr vorange­trieben werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.11


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Steiner, bitte sehr.


15.11.57

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! So kann man jetzt einige Aussagen, die da vom Rednerpult aus getätigt worden sind, natürlich nicht stehen lassen.

Wenn Herr Kollege Schreuder von den Grünen und Herr Kollege Köck von der ÖVP sich da herausstellen und von Hass und Hetze sprechen, bringt ja alleine das schon ein wenig zum Schmunzeln, aber wenn man dann ein bisschen hinter die Kulissen der ÖVP und hinter die Kulissen der Grünen schaut, dann erkennt man gleich: Das ist wieder einmal nur Heuchelei, denn Hass und Hetze der Grünen gegen die Autofahrer müssen 90 Pro­zent der Österreicher ertragen, ohne dass es irgendeinen Bericht gibt, dass sich irgend­wer beschwert. (Heiterkeit des Bundesrates Schreuder.) Jetzt kann man sich das Tan­ken dann bald nicht mehr leisten. Frau Gewessler reibt sich die Hände, Herr Kogler hat genau das umgesetzt: dass es schmerzen muss, an der Zapfsäule zu stehen. Das ist Hass und Hetze der Grünen gegen die Autofahrer. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr macht aber auch keinen Unterschied – ÖVP oder Grüne, Hass und Hetze –: Was war denn? Oder: Was wird denn dann jetzt bald wieder kommen? – Hass und Hetze gegen Ungeimpfte! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Da hört man nichts, da steht man am Rednerpult und verbreitet Hass und Hetze à la Schreuder, à la Köck von der ÖVP gegen Ungeimpfte. Herr Tiefnig hat sogar da heraußen behauptet: Ungeimpfte müssen verfolgt werden! – Dieser Hass und diese Hetze sind euch allen egal. (Beifall bei der FPÖ.) Ihr seid Heuchler – traurige, falsche Heuchler.

Dann stellt sich Herr Köck allen Ernstes hier heraus – Herr Köck, man muss es wissen, für die Galerie oben vielleicht zur Information, ist von der ÖVP, sitzt da vorne in der zweiten Reihe – und wirft anderen Regierungen vor, sie seien korrupt und Scheindemo­kratien. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Also noch einmal: Herr Köck ist von der ÖVP. Er wirft das anderen Regierungen vor, und die ÖVP hat so viele Politiker, die wegen Korruption schon verurteilt wurden oder wegen Korruption gerade verfolgt wer­den, wie keine andere Partei in ganz Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihr habt sogar im Bundesrat in euren Reihen immer noch welche sitzen, gegen die we­gen Korruption ermittelt wird; ich nenne jetzt keine Namen. Und dann liest Herr Köck vor, wie viele ja ungeschoren davongekommen sind. Ja, das war ja nur in der Zeit, als Herr Pilnacek im Innenministerium noch die Fäden gezogen hat. – Danke an Frau Zadić, dass Sie den gefeuert haben, denn das passiert jetzt nicht mehr! (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir schon bei Frau Zadić sind: Ich habe Sie ja beobachtet. Als Herr Köck von an­deren Regierungen und anderen Regierungschefs, die korrupt sind, gesprochen hat, ha­ben Sie ja selber lachen müssen. Ich habe mir schon denken können, was Sie sich da gedacht haben. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Kommen wir noch einmal zurück zu Herrn Schreuder von den Grünen – Hass und Hetze. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich erinnere Sie jedes Mal wieder: Es ist noch nicht lange her, da sind Sie, Herr Schreuder, an der freiheitlichen Fraktion vorbeige­gangen und haben diese als Nazischweine beschimpft – so viel zu Ihrer Glaubwürdig­keit, wenn es um Hass und Hetze geht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.)


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Dann, wenn es um Demokratien geht, vergießen alle Krokodilstränen, weil es in anderen Ländern mit der Demokratie so schlecht bestellt sei, aber in Österreich leben wir ja im Hort der Seligen. Jetzt gibt es einen „Standard“-Artikel – also vielleicht noch zur Erklä­rung: der „Standard“ steht jetzt der Freiheitlichen Partei de facto nicht nahe, also da kann man jetzt behaupten, was man will, aber der „Standard“ hat kein Naheverhältnis zur Freiheitlichen Partei –, der wie folgt titelt: „Forscher stufen Österreich auf Status einer ‚Wahldemokratie‘ zurück. [...] Wie Profil berichtet, gilt die Republik nun nicht mehr als liberale Demokratie, sondern nur mehr als bloße Wahldemokratie. Darunter ist zu verste­hen, dass Bürgerinnen und Bürger zwar ihre Stimme abgeben dürfen, abgesehen davon hapere es aber an den Bedingungen, die eine Demokratie ausmachen.“

Ich zitiere weiter: „Der Bericht basiert auf einem Datensatz, der mit Bewertungen von 3.700 Experten aus über 180 Staaten gespeist“ wurde. 3 700 Experten also: Das sind dann wirkliche Experten – nicht eure drei, vier, fünf Hanseln, die angeblich Coronaexper­ten sind, die man alle drei, vier Tage einmal austauscht, sondern das sind jetzt 3 700 wah­re Experten aus 180 Staaten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, mit welchen Ländern die uns jetzt gleichsetzen? – „Den gleichen Sprung nach unten machten noch Ghana, Portugal“ – und jetzt kommt’s – „sowie Trinidad und Tobago.“ (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na seawas Gschäft ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auf dieser Stufe befinden wir uns jetzt mit unserer Demokratie.

Bevor also noch einmal ein einziger Abgeordneter von den Grünen-Heuchlern oder von den ÖVP-Heuchlern sich hier herausstellt und über Demokratie, Freiheit, Hass und Hetze spricht: Denken Sie einmal über Ihre Schandtaten nach, die Sie in den letzten zwei Jahren von hier aus den Bürgern auferlegt haben, und verhaltet euch ruhig, wenn es um Hass und Hetze geht, weil ihr da komplett die falschen Ansprechpartner seid! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

15.18


15.18.47*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Steiner, ich muss Ihnen jetzt ein paar Ordnungsrufe erteilen: und zwar für das Wort „Heuchelei“, dann für „Ihr seid Heuchler“, „Grünen-Heuchlern“ und „ÖVP-Heuchlern“.

*****

Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Edi Köck. – Bitte.


15.19.05

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Ich möchte nur eine tatsächliche Berichtigung vorbringen: Ich habe nicht gesagt, dass Ungarn undemokratisch ist, ich habe gesagt, dass die Zustände dort untersucht gehören (Bundesrat Steiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Frau Präsidentin!), und zweitens habe ich nie Hass und Hetze gegen Ungeimpfte von hier verbreitet. (In Richtung Bundesrat Steiner:) Sinnhaftes Erfassen und Zuhören ist nicht deine Stärke.

15.19


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!) – Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet.

*****


15.19.36

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsiden­tin! Es hat alleine heute jetzt schon die dritte – oder die zweite – tatsächliche Berichtigung


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gegeben, die keine tatsächliche Berichtigung war. (Bundesrat Schreuder: Wortmel­dung!) Jetzt nehmen wir es ja so genau mit der Redezeit, dann nehmen wir es doch bitte auch genau, wie eine tatsächliche Berichtigung zu erfolgen hat.

Ich sage es noch einmal, eine tatsächliche Berichtigung funktioniert so, Herr Köck: Man stellt sich ans Rednerpult und verwendet die Worte folgendermaßen: Der Herr Bundesrat Soundso hat in seiner Rede behauptet, dann sagt man die Behauptung, die der Bundes­rat aufgestellt hat, dann sagt man: Das ist falsch, ich berichtige tatsächlich, und dann berichtigt man. – Sonst lernt noch einmal die Geschäftsordnung!

Frau Präsidentin, ich hoffe schon, dass Sie in Zukunft auch auf die Einhaltung der Ge­schäftsordnung schauen, denn sonst verkommen wir hier herinnen zu einem ÖVP-Kas­perltheater. (Beifall bei der FPÖ.)

15.20

*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte sehr. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Rede oder tatsächliche Berichtigung?)


15.20.48

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt kurz überlegt, ob ich mich zu Wort melden soll, aber da wir hier jetzt auch viele junge Menschen auf der Galerie haben, möchte ich doch erklären – das ist eine Wortmeldung und keine tatsäch­liche Berichtigung (Bundesrätin Steiner Wieser: Ah? Gut! Bundesrat Steiner: Bra­vo!) –: Ich halte es für ganz wichtig, was es bedeutet, wenn man über Hass und Hetze (Bundesrätin Steiner-Wieser: Maske weg vom Tisch!), zum Beispiel im Internet oder in anderen Bereichen, spricht.

Den Vergleich mit verkehrspolitischen Überlegungen über CO2-Ausstoß muss ich ganz vehement zurückweisen (Bundesrat Steiner: Und gegen Ungeimpfte?), Herr Steiner. (Bundesrat Steiner: Und gegen Ungeimpfte?) Ich habe nie gesagt, dass ich gegen Un­geimpfte bin. (Bundesrat Steiner: Ah so?) Ich habe immer gesagt, dass ich für eine solidarische Gesellschaft bin, in der alle bereit sind, sich jeweils für den anderen impfen zu lassen. (Bundesrat Steiner: Ah so? Ja?) Das war nie ein Hass und nie eine Hetze. (Bundesrat Steiner: Ja, ja! Bundesrat Ofner: Deswegen habt ihr den Impfzwang ein­geführt!) Ich habe in meinem persönlichen Freundeskreis Ungeimpfte, Herr Kollege Stei­ner, und ich versuche, sie immer noch zu überreden, sich impfen zu lassen. Das ist ein großer Unterschied. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte schon auch sagen, wozu Hass und Hetze führen können. Ich habe das Ge­fühl, dass es für euch bedeutet – da sind wir wieder beim Freiheitsbegriff –, dass ihr die Freiheit haben wollt, zu hassen und zu hetzen, gegen wen ihr wollt. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Nein, nein!) Freiheit bedeutet aber: Wohin führen Hass und Hetze (Bundes­rat Spanring: Dafür gibt es das Strafrecht!), wenn Frauen verbal erniedrigt werden? (Bundesrat Steiner: Um das geht es ja nicht!) Das ist der Beginn, und deswegen muss man bei Hass und Hetze, die sich gegen Frauen richten, sofort aktiv werden. (Bundesrat Steiner: Es geht ja überhaupt nicht um die Frauen!)

Ich weiß es – ich gehöre zu dieser Community, wie Sie wissen, bin ich offen schwul (Bundesrat Steiner: Das tragt ihr ... vor euch her, ...!) –, wenn eine Hetzkampagne und eine Hasskampagne gegen uns gerichtet ist. Ich habe viele erlebt, Herr Steiner, viel, ich habe viel Hass und Hetze, inklusive Morddrohungen erlebt. Wenn sich dieser Hass und diese Hetze im Internet breitmachen, und wir sagen, wir finden es gut, dass sich diese


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Stimmung breitmacht, und wir keine Maßnahmen dagegen ergreifen, dann kommt die nächste Welle und die nächste Welle und die nächste Welle. Deswegen müssen wir gegen Hass und Hetze sein. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Dasselbe gilt für Antisemitismus, dasselbe gilt für Rassismus – und das mit Maßnahmen, um CO2 einzuschränken, zu vergleichen, das geht einfach nicht, es tut mir leid. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.23


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir begrüßen – neu hinzugekommen – Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger, Bun­desministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. – Herzlich willkommen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ebenfalls begrüßen wir die Schülerinnen und Schüler auf der Galerie. Es freut uns, dass heute immer wieder Schulklassen bei uns sind. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Steiner, anschließend Herr Bundes­rat Karl Bader.


15.24.07

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, das kann man halt einfach nicht so ste­hen lassen, Herr Schreuder, wenn Sie sich da herausstellen und sagen, ich vergleiche das mit Autofahrerhetze. Natürlich, was habe ich denn noch gesagt? – Hetze gegen Un­geimpfte? – Kein Wort dazu. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schreuder und Plat­zer.) Was habe ich noch gesagt? – Kein Wort haben Sie dazu verloren, dass Sie eine ganze Fraktion als Nazischweine bezeichnen – kein Wort. Kein Wort!

Wieder einmal haben Sie in Ihrer Heuchelei eines gemacht – das machen Sie immer –: Sie tragen die persönliche Lebensgeschichte, die ja jeder von uns hat, wie eine Mons­tranz vor sich her. Jeder hier herinnen hat eine persönliche Lebensgeschichte, jeder hat etwas mitgemacht. Jeder hat einen Rucksack zu tragen. Jeder hat schon etwas erlebt, aber ich trage das ja nicht täglich, wenn mir irgendeine Diskussion nicht passt, wie eine persönliche Monstranz vor mir her und will dann hineinhuschen. Das ist ja keine ordent­liche politische Diskussion, Herr Schreuder, das ist alles andere als das. Wir können gerne alles auf das Persönliche herunterbrechen. (Zwischenruf der Bundesrätin Plat­zer.) Machen wir das in Zukunft! Ich habe kein Problem damit, nur ob das für die poli­tische Debatte förderlich ist, das bezweifle ich stark, Herr Kollege Schreuder.

Eines muss man schon auch noch sagen, das ist nämlich auch etwas, das mir immer mehr auffällt: Jedes Mal, wenn hier herinnen ein Vergleich gezogen oder vielleicht aus Schreiben oder sonst etwas zitiert wird, werden diese Leute da draußen, die uns Frei­heitlichen oder auch der SPÖ E-Mails schreiben, immer ausgelacht. Gerade jetzt im Na­tionalrat ist es passiert: Der SPÖ sind E-Mails geschrieben worden, auch uns. Wenn einem jemand eine E-Mail schreibt, in der er seine persönliche Lebensgeschichte dar­legt, dass er sich aufgrund der Regierung das Leben nicht mehr leisten kann, sich das Pendeln oder das Zur-Arbeit-Fahren nicht mehr leisten kann, liest man die natürlich anonym vor. Jemand, der uns eine E-Mail schreibt, die persönliche Lebenssituation schildert, der wird dann von den Grünen und von der ÖVP hier herinnen ausgelacht und belächelt (Zwischenrufe der BundesrätInnen Kittl und Kaltenegger), aber Herr Schreu­der trägt sein persönliches Leben wie eine Monstranz vor sich her, und wir alle sollen plötzlich traurig sein.


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Diese Heuchelei, Herr Schreuder und auch Herr Bader – wenn Sie jetzt herauskom­men –, geht sich auf Dauer leider nicht aus. (Beifall bei der FPÖ.)

15.26


15.26.40*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Für das Wort „Heuchelei“, das Sie schon wieder verwendet haben, erteile ich Ihnen noch einmal einen Ordnungsruf.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses.


15.26.53

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen und ZuhörerInnen auf der Gale­rie und vor den Bildschirmen! Es ist schon sehr bezeichnend, wenn sich Kollegen aus dem Bundesrat hier herstellen und davon sprechen, dass hier keine ordentlichen Diskus­sionen geführt werden. Hier herinnen wurde niemand belächelt (Bundesrat Steiner: Ah, nicht? – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ah, geh?), wenn Zitate und Geschichten gebracht wurden. (Bundesrat Steiner: Du bist ein falscher Fuffziger! Das ist ein Wahnsinn!) Hier herinnen brauchen Sie, Herr Kollege Steiner, sich nicht als Moralapostel herzustellen und da scheinheilig zu reden. (Bundesrat Steiner: Das steht sogar im Protokoll! Das steht sogar im Stenographischen Protokoll drinnen! Du falscher Fuffziger!) Jetzt stehe ich hier am Rednerpult.

Eine Fraktion, die heute schon dreimal mit Fäkalausdrücken hier unrühmlich aufgefallen ist, braucht das nicht zu tun (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen), denn auch diese Fäkalausdrücke haben mit einer ordentlichen politischen Diskussion wirklich nichts zu tun. (Bundesrat Steiner: Welche Fäkalausdrücke?)

Ich weise auch die Vorwürfe Richtung Hass und Hetze, was Ungeimpfte und Autofahrer betrifft, zurück. Es gibt keinen Hass und keine Hetze. Ich habe viele Diskussionen mit Autofahrern geführt, aber auch mit Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen. Ich habe diese Diskussionen geführt, aber hier herinnen hat von meiner Fraktion kein einzi­ges Mitglied irgendeine Hetze gegen Ungeimpfte in diesem Land geführt. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Steiner: Steht im Stenographischen Protokoll! Der Tiefnig! Der Kolle­ge Tiefnig! Da sitzt er! Da sitzt der Kollege Tiefnig!)

Das, was Sie vor sich hertragen, da ist in einer Rede ein Wort gefallen (Bundesrat Stei­ner: Ein Wort?), ja (Bundesrat Steiner: Ungeimpfte müssen verfolgt werden!), und das ist auch mit Bedauern zurückgenommen worden. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Stei­ner: Ja, ja! Wann denn? Wann denn? Das ist ja ein Wahnsinn?)

15.28


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.29.06

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Bader hat in seiner Rede behauptet, dass hier herinnen nie­mals über E-Mails oder Sonstiges gelacht wurde.

Ich berichtige tatsächlich, das ist nämlich falsch. Als ich damals die E-Mails zitiert habe, seid ihr herinnen gewesen und habt alle gelacht. Ihr habt euch hinten zusammenge­stellt – leider war die SPÖ auch dabei, das muss ich auch sagen (Zwischenrufe bei der


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SPÖ) –, und ihr habt euch darüber lustig gemacht. Bei Kollegen Steiner, der das auch gemacht hat – der hat auch E-Mails verlesen –, da steht sogar im Stenoprotokoll drinnen, dass du, Herr Kollege, hineingerufen hast: Erfunden! – So viel zum Thema Lustigma­chen, so viel zum Thema Hetze und so viel zum Thema Verächtlichmachen von Bürgern, die sich mit Dingen, mit denen sie es im Leben schwer haben, an uns wenden. (Zwi­schenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Hahn. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Auch an Sie, Herr Kollege Schreuder: Sie haben sich bis heute auch noch nicht entschuldigt. (Beifall bei der FPÖ.)

15.29


15.30.12

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.30.4215. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend eine Vereinbarung zwi­schen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der Programme im Rah­men des Ziels „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum in Mitgliedstaaten und Regionen“ und des Ziels „Europäische territoriale Zusammenarbeit (Inter­reg)“ für die Periode 2021 bis 2027 (1297 d.B. und 1398 d.B. sowie 10951/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Be­richt.


15.31.28

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der Programme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum in Mitgliedstaaten und Regionen“ und des Ziels „Europäische territoriale Zu­sammenarbeit (Interreg)“ für die Periode 2021 bis 2027.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form, ich komme daher gleich zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


15.32.30

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuhörer


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hier im Saal und zu Hause via Livestream! Seit dem Beitritt 1995 hat Österreich die Möglichkeit, auf die EU-Strukturfonds zuzugreifen. Besonders in Grenzregionen ist die Zusammenarbeit noch viel mehr gestärkt worden, wie auch bei uns im Innviertel mit der bayerischen Region.

Auch in der letzten Periode haben sich viele Projekte – europaweit 985 – ergeben, be­sonders im Interreg-Bereich. Österreich war an 283 Projekten mit 488 Akteuren beteiligt und konnte dank dieser Akteure viele Mittel aus der Europäischen Union wieder zurück­holen. Als Nettozahler ist es ein wichtiger Punkt für unser Land, dass wir keine Mittel in Brüssel liegen lassen.

Auch wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass uns der Europäische Rechnungshof vor zwei Wochen, vor der letzten Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates, berich­tet hat, dass Österreich kaum Verfehlungen in diesem Bereich gemacht hat und dadurch auch keine Rückzahlungen stattfinden müssen – ein wichtiger Punkt. Das zeigt wiede­rum, wie fair und gut unsere Projektanten mit den Mitteln der Europäischen Union umge­hen. Es sind teilweise bis zu 85 Prozent der Mittel für diese grenzüberschreitenden Pro­jekte aus der Europäischen Union nach Österreich gelangt.

Projekte beinhalten zum Beispiel den Efre, den Europäischen Fonds für regionale Ent­wicklung. Dieser wird in Zukunft mit 741 Millionen Euro dotiert sein, der ESF mit 409 Mil­lionen Euro, das sind wichtige Punkte. Es wird auch wichtig sein, dass es die Möglichkeit gibt, dass die Länder und der Bund dementsprechend zusammenarbeiten – dafür müs­sen wir heute die 15a-Vereinbarung beschließen. Wir als Fraktion der ÖVP stimmen dem natürlich gerne zu.

Ich freue mich auch, dass so viele junge Menschen hier sind. Ich appelliere an Sie (in Richtung Galerie): Nützen Sie auch in Zukunft die Möglichkeiten, mit Erasmus außerhalb Österreichs in den europäischen Ländern zu studieren! Ihr lernt Europa kennen, und es ist wichtig für unseren Frieden in Europa, dass die Jugend in die Welt hinausgeht und andere Kulturen und Regionen in Europa kennenlernt. Das wird wichtig sein, denn es werden auch in Zukunft wieder 37 Projekte, Förderprogramme der Europäischen Union zur Verfügung stehen. Die Mittel stehen, wie ich schon gesagt habe, von 2021 bis 2027 zur Verfügung.

Ich kann nur an die Jugend appellieren, diese Chance für unser gemeinsames Europa, für die Zukunft unserer verschiedenen Zugänge zur Demokratie zu nutzen. Es wird wich­tig sein, die Demokratie in Europa zu leben, denn wir sehen es gerade in der Ukraine, einem Land, das bereits vom Efre, von europäischen Mitteln profitiert hat. Leider ist es zurzeit nicht möglich, die Menschen in diesem Bereich zu unterstützen, aber ich hoffe, es wird bald wieder möglich sein, dass auch die Ukraine mit den europäischen Mitteln das Wachstum, den Frieden – den ja zurzeit alle so herbeisehnen – weiterentwickeln kann.

In diesem Sinne, Frau Bundesminister, danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Büro, dass dieses Programm wieder so gestaltet worden ist, dass wir die Mittel auch dementsprechend abholen können, und wenn Umverteilungen nötig sind, dass diese von dem einen oder anderen Kapitel in ein anderes umverteilt werden, damit auch in Zukunft die Mittel nach Österreich zurückfließen.

In diesem Sinne stimmen wir gerne zu. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

15.36


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Nicole Riepl. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 118

15.36.39

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Frau Minister Köstinger, im Nationalrat haben Sie in dieser Debatte erklärt, dass Sie eine Vereinfachung der EU-Förderabwicklung wollen. In den vergangen zwei Jahren haben Sie darüber verhandelt, diesbezüglich eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu erzielen. Ebenso ist in diesem Zeitraum viel Geld in der EU liegen geblieben – leider. Es ist verwunderlich, wie langsam die Mühlen bei der ÖVP mahlen.

Ich halte es für sehr viel sinnvoller, in Zukunft die Fördermittel zu sammeln und zentral eine Unterstützung für Projektwerber, Gemeinden, Vereine, NGOs anzubieten. Wir alle haben schon oft gehört, wie umfangreich und komplex solche Förderansuchen und auch deren Abwicklung sind, daher ist es zu begrüßen, dass es vonseiten des Ministeriums kompetente Ansprechpartner gibt.

Alle Initiativen, um ländliche Regionen zu stärken, sei es im Bildungsbereich, im Sozial­bereich, arbeitspolitisch oder in der Landwirtschaft, sind selbstverständlich zu begrüßen, und wir müssen Wege schaffen, um das vorhandene Förderbudget der EU auch auszu­schöpfen und den Zugang zu diesem Geld zu erleichtern.

Vor allem möchte ich hervorheben, dass im Sozialbereich von den Verantwortlichen in der Regierung viel zu wenig gemacht wird. (Bundesministerin Köstinger: Sozial?) Frau Köstinger, es wird zu wenig gemacht, damit es erstens auf europäischer Ebene mehr Geld für Soziales gibt, das abgeholt werden kann, und zweitens, wie bereits gesagt, werden die Möglichkeiten, die wir in Österreich haben, um das Geld abzuholen, nicht ausreichend genützt.

Ich beziehe mich da auf eine Ankündigung von Ihnen, Frau Minister Köstinger, im Be­reich der sozialen Dienste der Gemeinsamen Agrarpolitik, Gelder um 77 Prozent zu kür­zen. Nun, durch diesen Beschluss muss es einen zentralen Partner im Ministerium ge­ben, um die Arbeitswege zu vereinfachen. Vereine und Gemeinden sollen dabei optimal beraten werden, für ihren Wirkungskreis etwas Neues zu schaffen, sich Ideen und Pro­jekte zu überlegen, die der Bevölkerung vor Ort einen Mehrwert bringen. Die finanziellen Mittel dafür gibt es. Ich gehe davon aus, dass Sie da in Zukunft Fördermittel abholen werden und positive Initiativen in Österreich entstehen.

Krisen zeigen immer auf, wo im Land ein Mangel herrscht. Durch die Coronapandemie, die Klimakrise und jetzt auch durch den Krieg in der Ukraine sehen wir umso mehr, was in Österreich benötigt wird: nämlich Unterstützung von heimischen Produzenten bei Nah­rungsmitteln, um nicht von Billigwaren aus dem Ausland abhängig zu sein. Förderungen von Klein- und Nebenerwerbslandwirten sind notwendig, auf Großbetriebe muss nicht geschaut werden. Es ist ja eigentlich unfassbar, wie teuer Bioprodukte sind. Da würde ich mir Initiativen wünschen, die dem entgegenwirken.

Eines sehen wir auch ganz klar: Der Sozialstaat wird so dringend gebraucht wie noch nie. Das Leben wird immer teurer, die Menschen können sich Mieten, Heizkosten und mittlerweile auch Lebensmittel und Benzin nicht mehr leisten, um zur Arbeit zu kommen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Frau Ministerin, bitte setzen Sie das um! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

15.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.


15.40.42

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und


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vor den Bildschirmen! Vorweg: Wir werden gegen diese Umsetzung keinen Einspruch erheben. Die Beamten im Ausschuss haben auch die noch offenen Fragen beantworten können, unter anderem, dass mit diesem Beschluss eine Verwaltungsvereinfachung durch die Pauschalabrechnung erreicht werden kann, die Prüfkosten von 9 auf 3,5 Pro­zent gesenkt werden können und das Prüfsystem mit zwei Ausnahmen vereinheitlicht wird.

Immer wenn man der ÖVP zuhört, wenn es grundsätzlich um Landwirtschaftsthemen geht, glaubt man ja, dass die ÖVP die Bauernvertreter schlechthin sind. (Bundesrat Ba­der: Das sind wir auch! Das sind wir auch!) – Ja, Herr Kollege, das werde ich dir gleich erklären. Wenn ich mir dann aber die Zahlen, Daten und Fakten anschaue, ist eines ganz klar zu erkennen – der Kollege hat es gerade gesagt, die ÖVP vertritt die Bauern –: Man erkennt ein massives Bauernsterben. Also wenn das euer Vertreten ist, bah, ob das so gut ist, das weiß ich jetzt nicht. (Beifall bei FPÖ.)

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist in den letzten 25 Jahren österreichweit um weit über 30 Prozent zurückgegangen, im Burgenland sogar um über 40 Prozent. Immer noch geben leider täglich Landwirte ihre Höfe auf. Diese ÖVP, wie wir es gerade gehört haben, spezialisiert sich auf das, was sie kann: Sie sind echte Bauern- oder Volksvertreter. Und was macht ein echter Vertreter? – Er verkauft. Die ÖVP verkauft eben unsere Bauern seit Jahrzehnten. Das ist die traurige Wahrheit.

Wenn ich mir dann allerdings die Wahlergebnisse der Landwirtschaftskammerwahlen anschaue, dann kann man nur sagen (Bundesrat Preineder: ... in Niederösterreich!), man sollte Bertolt Brecht zitieren, der einmal gesagt hat: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. – Mehr gibt es dazu, glaube ich, gar nicht zu sagen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Bader: Sehr eigenartige Demokratieeinstellung! Sehr eigenartig!) – Ja, ja, ich weiß, der Wähler hat immer recht. Man merkt es ja an dieser Regierung, dass der Wähler immer recht hat. Außer der Wähler wählt in Ungarn, dann hat er nicht recht, dann muss man mit Sanktionen drüberfahren.

Jedenfalls ist diese Entwicklung des Bauernsterbens besorgniserregend und traurig. Da muss in Wahrheit mit aller Kraft von unserer Seite entgegengewirkt werden. Die Ansätze der ÖVP dazu sind die falschen Ansätze und werden keinesfalls ausreichend sein. Böse Zungen behaupten ja, die Polizei hat in dem Fall Glück, dass Kanzler Nehammer und seine Gattin keine Landwirtschaft besitzen, sonst würden zukünftig die Cobra-Beamten statt als Kindermädchen als Erntehelfer arbeiten. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Ist das lustig auch noch? – Oh-Rufe.) – Oh! Ja, Sie sehen es jetzt leider nicht, ich kann nur mehr darüber lachen. Der Herr Kollege von der ÖVP hat mir gerade den Scheibenwischer gezeigt (Bundesrat Steiner: ... von Moral! ... hat vorher von Moral geredet!), so wie das damals der Herr Bundespräsident, Herr Van der Bellen, bei Herrn Norbert Hofer gemacht hat. Das war der Kollege, der sich vorhin hierhergestellt und über uns geschimpft hat – Herr Kollege Bader –, aber ja, ich nehme es gar nicht ernst, ich nehme es auch nicht persönlich, es ist in Ordnung, es soll so sein. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Auf alle Fälle wäre das jetzt schon das Ende meiner Rede gewesen, aber ich muss die Gelegenheit nutzen, da heute Frau Minister Köstinger hier ist und heute vielleicht einmal Rede und Antwort zu einer Frage, die ich an sie habe, stehen kann. – Ich hoffe, Sie nutzen die Gelegenheit. Sie sind ja als ganz enge Kurz-Vertraute im Jahr 2017 innerhalb der ÖVP auf Werner Amon als Generalsekretär gefolgt. Jetzt sind wieder Chats bekannt geworden, wie dieser Wechsel vonstattenging. Vier Tage, bevor Sebastian Kurz die ÖVP als die neue ÖVP, in Wahrheit als Zwischenschritt im Projekt Ballhausplatz, übernom­men hat, haben Herr Blümel und Herr Schmid noch die türkise Abschussliste verfeinert. Unter anderem schreibt Herr Schmid: „Parteivorstand am Sonntag ist viel zu spät!“ – Blümel antwortet: „Viel zu spät! Der Amon der Wixer.“ – Es tut mir leid, ich zitiere das nur.


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Wir reden vom aktuellen Volksanwalt. Ich sage ganz ehrlich: Ich distanziere mich von so einem ÖVP-Sprech und von so einer ÖVP-Kommunikation, aber es ist auch in den Me­dien veröffentlicht worden. Schmid schreibt weiter: „Das muss die erste Handlung sein, weg mit diesem Arschloch.“ – Blümel antwortet darauf: „Daaaaanke!“ – Dann sind Sie gekommen, Frau Minister.

Frau Minister, was mich brennend interessiert: Wussten Sie davon? Sie sind ja auf Amon gefolgt. Ist das Usus innerhalb der ÖVP? Gehen Sie innerhalb der ÖVP so miteinander um – weil wir gerade bei Hass und Hetze waren und uns das wieder heuchlerisch vorge­worfen wurde? Es ist leider so, es ist heuchlerisch, Sie können noch fünf Ordnungsrufe geben, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist heuchlerisch. (Beifall bei der FPÖ.) Genau das ist aber diese ÖVP, nach außen hui und nach innen pfui.


15.46.06*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung, also zuerst einmal er­teile ich Ihnen einen Ordnungsruf für das Wort „heuchlerisch“. Sie haben eh schon da­mit gerechnet.

*****

Zweitens bitte ich Sie, zur Sache zu kommen, denn das tut jetzt nichts zum Tagesord­nungspunkt.


15.46.16

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin. Ich bin sofort fertig, aber man muss die Gelegenheit nutzen, wenn man die Frau Minister da hat.

Wir wissen ja bereits, wie abfällig Sie über das österreichische Volk reden. (Bundesmi­nisterin Köstinger: Ich?) So sind Ausdrücke wie Pöbel und Covidioten ja wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. (Bundesministerin Köstinger: Ich? Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesministerin Köstinger –: „Blut an den Händen“!Blut an den Händen“ hat schon gereicht! Bundesministerin Köstinger: Aber nicht das Volk! Der Kickl!) Frau Minister, ich will nur wissen: Ist das der kolportierte neue Stil der Volkspartei? – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


15.47.02

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Ja, schwierig! (Bundesrat Ofner: Es ist generell schwie­rig! – Bundesrat Steiner: Das war eine gute Replik!) Wir erleben heute wieder, dass sich eine Partei besonders auszeichnet. Mehr will ich jetzt auch gar nicht dazu sagen.

Kommen wir zum Tagesordnungspunkt! Die 15a-Vereinbarung regelt die Abwicklung einiger Programme, die aus verschiedenen Fonds der Europäischen Union gespeist werden – so weit, so gut. Positiv sehe ich, dass es nun zu einer Vereinfachung kommt, vor allem bei den Abrechnungen. Durch die Möglichkeit, bestimmte Teile pauschal abzu­rechnen, wird der bürokratische Aufwand deutlich reduziert. Ebenso positiv sehe ich die Entwicklung, dass die Prüfstellen nicht wie in der Vergangenheit an Dritte ausgelagert werden, sondern bei der Bundesagentur – oder in zwei Bundesländern eben bei der Landesverwaltung – angesiedelt werden.

Gerade die Interreg-Programme, also grenzüberschreitende Programme mit einem Nachbarstaat, halte ich für sehr wichtig. Ich habe einen Wald an der Grenzmur. Genau dort in der Mur-Au wurde vor etlichen Jahren, circa 10 Kilometer vor Bad Radkersburg,


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über ebendieses Programm eine Geh- und Radwegbrücke gemeinsam mit unseren slo­wenischen Nachbarn errichtet. Diese Brücke erfreut sich wirklich großer Beliebtheit und wird von beiden Seiten aus genutzt, um per pedes oder per Rad einen kurzen Abstecher zum slowenischen oder zum österreichischen Teil der Mur zu machen. Auf der slowe­nischen Seite gibt es auch eine sehr gemütliche gastronomische Einrichtung, die gerne genutzt wird.

Diese Brücke verbindet, und genau das ist die Intention dieser Programme. Das ist es auch, was Europa aus meiner Sicht ausmacht: gegenseitiger Austausch, den gemeinsa­men Wirtschaftsraum teilen, voneinander lernen, gemeinsam eine Brücke bauen. Und das ist es, was Diktatoren und Despoten fürchten.

Ich appelliere daher auch an die Bundesländer, diese Programme stark zu nutzen. Dabei geht es nicht primär um wirtschaftliche Vorteile, sondern eben um den Geist Europas als Antithese zu der gerade aktuell nationalstaatlich motivierten Aggression. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.49


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Ich erteile dieses.


15.49.51

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Bei der vorliegenden Regierungsvorlage zu einer Artikel-15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Län­dern handelt es sich um einen zentralen Schritt zur korrekten Abwicklung und vor allem auch zur Kontrolle der EU-Kohäsionspolitik in unserem Land.

Die EU-Kohäsionspolitik wird auf Basis von EU-Verordnungen, die seit Juli 2020 vorlie­gen, im eigenen Wirkungsbereich der Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden In­frastruktur, der institutionellen Strukturen umgesetzt. Das Bundesministerium für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus ist dabei für die Gesamtkoordination verantwortlich.

Sie wissen: Regional- und Strukturpolitik sind in Österreich kein eigener Kompetenztat­bestand des Bundes-Verfassungsgesetzes. Diesbezügliche Aufgaben werden in Öster­reich von mehreren zuständigen Bundesministerien und vor allem auch von den Bundes­ländern wahrgenommen. Daher bedarf es auch bei der vorliegenden Artikel-15a-Verein­barung dieses Beschlusses.

Seit dem Jahr 2000 werden die Rechte und Pflichten zur Umsetzung der EU-kofinan­zierten Regionalprogramme in einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern festge­legt. Die vorliegende Vereinbarung wurde jetzt über zwei Jahre mit allen involvierten Partnern auf Bundes- und Länderseite erarbeitet. Ich darf mich im Speziellen bei den Vertreterinnen und Vertretern der Länder und vor allem auch bei den Mitgliedern des Bundesrates bedanken, die an dieser Erarbeitung mitgewirkt haben.

Mit der Artikel-15a-Vereinbarung zum Verwaltungs- und Kontrollsystem haben wir auf drei Punkte besonderen Wert gelegt. Zum einen ist das die Zuständigkeit für gemäß EU-Verordnungen einzurichtende Organe des Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsystems, zum Zweiten sind es die Verfahrensbestimmungen und zum Dritten gilt es, die Verant­wortlichkeiten und Verfahren im Fall von finanziellen Berichtigungen zu klären.

Insgesamt beziehen wir uns auf drei entsprechende Fonds: den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Just Transition Fund und den Europäischen Sozialfonds Plus.

Seit Beginn der Verhandlungen zu den EU-Verordnungen für die neue Programmpe­riode haben wir uns vor allem für eine Vereinfachung der Abwicklungsmodalitäten einge­setzt. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir ein schlankeres Berichtswesen,


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die Anrechenbarkeit vereinfachter Kostenabrechnungen sowie ein leistungsorientiertes Erstattungssystem erreichen konnten.

Ich darf mich noch einmal für die aktive Mitarbeit sehr herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.52


15.52.36

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.53.0616. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betref­fend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-776-BR/2022 d.B. sowie 10952/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


15.53.51

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht über den Bericht der Bundes­ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend EU-Jahresvor­schau 2022 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Touris­mus betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.


15.54.52

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um den Bericht der Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend EU-Jahresvorschau 2022. Der wesentliche Inhalt des Verhandlungsgegenstandes, das Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für das Jahr 2022, steht unter dem Titel „Europa gemeinsam stärker machen“. Ziel ist es, gestärkt aus der Covid-19-Pandemie hervorzugehen sowie den grünen und digitalen Wandel zu beschleunigen und eine gerechte, resiliente und kohäsive Gesell­schaft zu schaffen. So wird die Kommission auch im Jahr 2022 einen Fokus auf die Um­setzung der bereits 2020 vorgelegten Prioritäten legen.


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Empfohlen wird die Reduktion des Einsatzes chemischer Pestizide um 50 Prozent, die Verringerung des Einsatzes von Düngemitteln um mindestens 20 Prozent, die Verringe­rung des Verkaufs von antimikrobiellen Mitteln für Nutztiere und Aquakultur um 50 Pro­zent sowie die Anhebung des Anteils der biologisch bewirtschafteten landwirtschaftli­chen Flächen auf 25 Prozent.

Ebenso debattiert werden sollen folgende Punkte: Festlegung von Nährwertprofilen zur Einschränkung der Bewerbung von Lebensmitteln mit hohem Salz-, Zucker- und/oder Fettgehalt im vierten Quartal; Vorschlag für eine Überarbeitung der EU-Rechtsvorschrif­ten über Lebensmittelkontaktmaterialien im vierten Quartal; Vorschlag für eine harmoni­sierte verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite im vierten Quartal; Vorschlag für eine Herkunftskennzeichnung, das heißt Ursprungsangabe, für bestimmte Erzeugnisse im vierten Quartal.

Damit diese GAP-Strategiepläne in den Mitgliedstaaten der EU wie geplant ab 2023 in die nationale Umsetzung starten können, muss der Genehmigungsprozess bis spätes­tens Ende 2022 abgeschlossen sein.

In der neuen Periode sind für Österreich in der ersten Säule – Direktzahlungen – EU-Mittel in Höhe von rund 678 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen. In der zweiten Säule – ländliche Entwicklung – sieht der GAP-Strategieplan Mittel in der Höhe von rund 1 060 Mil­lionen Euro pro Jahr vor.

Der Bericht ist durch den Ukrainekonflikt meiner Meinung nach nicht mehr aktuell. Statt durch bürokratische Maßnahmen die Landwirtschaft überzuregulieren, muss diese nun entfesselt werden, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen.

Die Folgen der jahrzehntelangen ÖVP-Landwirtschaftspolitik fallen jetzt der ganzen Be­völkerung auf den Kopf. Der Weg, den konventionellen Landwirten, die die benötigten Mengen für die Selbstversorgung produziert haben, systematisch den Garaus zu ma­chen, kostet uns jetzt doppelt. Aufgrund Ihrer jahrelangen verfehlten Landwirtschaftspoli­tik haben nicht nur in den letzten Jahren zwei Drittel der Landwirte ihren Betrieb verloren, sondern zusätzlich kommen jetzt viele Produkte und Rohstoffe für die Lebensmittelpro­duktion aus der Ukraine und aus Russland.

Was passiert, und zwar im Jahr 2020, durch laufende Verbote von Pflanzenschutzmit­teln, von Wirkstoffen, zum Beispiel aus der Gruppe der Neonikotinoide, und schließlich deren gänzliches Verbot? – Ich darf erinnern: Es hat der Rübenrüsselkäfer im Raum Stockerau, Tulln, Hollabrunn, Mistelbach und im Marchfeld gewütet. Das sind die Haupt­anbaugebiete für die Zuckerrübe. Da sind auf bis zu 10 000 Hektar die Rüben unmit­telbar nach dem Feldaufgang vernichtet worden. In den Regionen haben massenweise die Bauern mit dem Rübenanbau aufgehört. (Bundesrat Gfrerer: Wer hat die Zucker...?)

Die ersatzlose Aufhebung der EU-Zuckermarktordnung führte damals zusätzlich zu ei­nem Preisrückgang, bedingt durch die Zuckerimporte aus Nicht-EU-Ländern und einen Verdrängungswettbewerb zwischen den Mitgliedsländern innerhalb der EU, um sich Marktanteile auf Kosten der anderen zu sichern. Der Preisverfall betrug damals bis zu 50 Prozent. Selbst bei vollen Erträgen war damals der Zuckerrübenanbau nicht mehr rentabel. Wenn dann der Rübenrüsselkäfer die Pflanzen bereits beim Aufgang vernich­tet, verursachen diese beiden Faktoren den Ausstieg der Bauern aus der Rübenproduk­tion. Das ist nur ein Beispiel. Die Biorübenbauern haben bis zu 90 Prozent Ausfall ge­habt.

In den Jahren 1970 bis 1995 – das Beispiel habe ich eh schon einmal gebracht – hat der Preis für Schweinefleisch, umgerechnet von Schilling auf Euro, 2 Euro bis 2,61 Euro ausgemacht, bei einem damaligen Dieselpreis von 0,52 bis 0,58 Euro. Der durchschnitt­lich um 50 Prozent gesunkene Basispreis des Produkts Schweinefleisch bei gleichzeiti­ger Verdoppelung der Treibstoffpreise ist ein Grund für die massiven Betriebsschlie­ßungswellen der viehhaltenden Betriebe. Dieselben massiven Einbußen – von im


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 124

Schnitt umgerechnet 300 Euro pro Tonne auf 150 Euro pro Tonne – gab es in den letzten Jahren im Getreideanbau. Wir müssen meiner Meinung nach nun rasch nach Alternati­ven suchen, um die eigene Produktion zu stärken, sonst werden sich unsere Konsumen­ten die Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können.

Von der Landwirtschaftsministerin kommt nur Schweigen. – Ich habe kein Verständnis dafür, Frau Minister, dass Ihrerseits bis jetzt gar keine Vorschläge für Lösungen auf dem Tisch liegen.

Dabei bieten sich einige Möglichkeiten, dem Preistsunami entgegenzuwirken, an. Die GAP muss überarbeitet und dieser neuen Situation angepasst werden. Es ist ein Wahn­sinn, unsere Bauern zu verpflichten, in der jetzigen Situation ihre Flächen stillzulegen, aus der Nutzung zu nehmen. Wir müssen eine umfassende Selbstversorgung der eige­nen Bevölkerung sichern, vor allem durch die Stärkung der heimischen landwirtschaft­lichen Produktion. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben auch schon mehrmals über das Thema erneuerbare Energien gesprochen. Wenn man die Flächen für die Lebensmittelproduktion dazu verwendet, Fotovoltaikanla­gen aufzustellen, sei dahingestellt, ob das der richtige Weg ist, und anstatt Dünger aus der heimischen Produktion im Ausland zu verkaufen, sollte die Düngerproduktion für Ös­terreich sichergestellt werden.

Jetzt darf es kein Warten mehr geben. Die Lebensmittelproduktion braucht nämlich ihre Zeit. Jetzt kommt der Frühling, jetzt muss gesät werden. Raus aus dem Dornröschen­schlaf, Frau Minister! Es müssen auch die anderen Minister mitspielen, weil die Trans­portwege für die Waren weiter aufrechterhalten bleiben müssen. Meiner Meinung nach gehören die Stilllegung von Agrarflächen gekippt und der weitere Einstieg in den Bio­landbau einstweilen gestoppt. (Beifall bei der FPÖ.)

16.01


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile dieses.


16.02.01

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, die Österreichische Volkspartei, ja, der Bauernbund ist die Vertretung der Bauern in Österreich. Dazu stehen wir, und diese Verantwortung nehmen wir auch sehr, sehr bewusst wahr. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Leinfellner und Schartel.)

Dass die Landwirtschaft ein Segment ist, in dem es Abwanderung gibt, das ist weltweit und europaweit so, in Österreich aber haben wir die jüngste Landwirtschaft in Europa, die kleinststrukturierte Landwirtschaft in Europa, den höchsten Frauenanteil in Europa und den höchsten Anteil an Biobetrieben. Ich glaube, das ist auch eine Erfolgsbilanz, die sich sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Herr Kollege Spanring, der meines Wissens auch Landesgeschäftsführer der Frei­heitlichen Partei in Niederösterreich ist, die Wahlergebnisse und die Zahlen der Landwirt­schaftskammerwahl 2020 noch nicht kennt, dann darf ich sie ihm näherbringen: Bei der Landwirtschaftskammerwahl 2020 in Niederösterreich – die Kammern werden nur auf Landesebene gewählt – hat der Niederösterreichische Bauernbund eines der besten Er­gebnisse in seiner Geschichte erreicht (Bundesrat Steiner: Wahlbeteiligung? Wahlbe­teiligung? – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), nämlich 85 Prozent – das ist die Realität; lesen Sie es nach! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP) – und damit 33 Mandate. Die Freiheitliche Partei hat nicht einmal mehr die 4-Prozent-Hürde geschafft und ist aus der Kammervertretung auf Landesebene herausgefallen. So beurteilen die


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Bauern Ihre Arbeit, und das zu Recht. (Bundesrat Spanring: Sinnerfassend zuhören ist nicht deine Stärke, Herr Kollege, wie es ausschaut! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nur nicht unruhig werden! Ich habe jetzt gerade ein Wahlergebnis präsentiert. Sie dürfen zuhören. Wenn das Ihre Stärke ist, dann hören Sie zu!

Geschätzte Kollegen, ich kann das noch weiter herunterbrechen. Ich bin Bezirksbauern­bundobmann in Wiener Neustadt. Auch in der Bezirksbauernkammer gab es Wahlen. Da haben wir bei der Wahl 2020, der letzten Wahl zur Bezirksbauernkammer, von 38 möglichen Mandaten für den Bauernbund 33 erreicht. Die FPÖ hat zwei Mandate verlo­ren, weil sie so gute Arbeit geleistet hat. In meinem Bezirk ist der Bundesagrarsprecher der Freiheitlichen, Nationalrat Schmiedlechner, tätig. Er war bei den ersten drei Sitzun­gen nicht einmal anwesend, sodass wir ihn erst bei der vierten angeloben konnten. So funktioniert das System, das die Freiheitlichen plakatieren, und so arbeiten wir im Bau­ernbund. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

So, nun zum Thema, geschätzte Damen und Herren: Es geht um die Jahresvor­schau 2020. Die Frau Minister hat ein sehr umfangreiches Programm vorgelegt. (Bun­desrätin Grimling: 2022!) Also ich hätte das durchaus gehört. Zum einen sind wir in den laufenden Verhandlungen zur gemeinsamen - - (Bundesrätin Grimling: 2022 nicht 2020!) – Ach, 2022! Danke sehr für die Korrektur, man darf sich verreden. Danke sehr: Jahresvorschau 2022.

Es gibt da ein umfangreiches Programm. Der Strategieplan wurde rechtzeitig abgege­ben. Positiv zu erwähnen ist, dass es im Vorfeld der Verhandlungen gelungen ist, den Umfang der Budgetmittel sogar noch leicht aufzustocken. Es stehen 678 Millionen Euro jährlich für die erste Säule und 1,06 Milliarden Euro jährlich für die zweite Säule zur Ver­fügung, nämlich für Umweltmaßnahmen, für Investitionsprogramme, die für die österrei­chische Landwirtschaft und vor allem für die Entwicklung der österreichischen Landwirt­schaft sehr, sehr wichtig sind.

Im Fokus stehen eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirt­schaft, eine Stärkung der Betriebe, auch was Katastrophen anbelangt, Klima- und Um­weltschutz. Natürlich – wir spüren das in den letzten Jahren – hat Nahrungsmittelsicher­heit eine wesentlich größere Bedeutung gewonnen.

Zur Fachstrategie möchte ich nur sagen, dass es darum geht, dass die Landwirte in der Produktionskette gestärkt werden. Danke für die Initiative in Richtung Lebensmittelhan­del, dafür, dass es entsprechende Möglichkeiten gibt, sich da einzubringen. Es ist auch, glaube ich, ein wesentlicher Punkt – und da herrscht eine breite Einigkeit –, dass es eine stärkere Kennzeichnung der Herkunft österreichischer Lebensmittel braucht, weil der ös­terreichische Konsument – und dafür sage ich ein herzliches Dankeschön – österreichi­sche Lebensmittel beim Einkauf bevorzugt.

Diese Strategie sieht aber auch eine Senkung des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln vor. Das sehe ich durchaus in einem gewissen Maß kritisch, in jenem Maß, in dem es darum geht, dass möglicherweise die Ernährungssicherheit gefährdet ist. Da gilt es, zu überlegen, welche Pflanzenschutzmittel laufend notwendig sind und welche vielleicht nicht mehr so zeitgemäß sind. Es gilt aber auch, Augenmaß zu halten, damit die Landwirtschaft ihre Aufgaben entsprechend erfüllen kann.

Ein dritter Teil ist die Wald- und Bodenschutzstrategie. Danke für die Gestaltung des Waldfonds, durch den wirklich erhebliche Mittel für die Aufforstung der durch den Bor­kenkäfer geschädigten Wälder möglich sind. Danke auch dafür, dass Waldpflege erst­mals finanziell unterstützt wird. Auch das Thema Bodenverbrauch sollten wir uns ent­sprechend kritisch ansehen.

Klar – da stimmen wir überein – sollten wir in einer Zeit mit neuen Voraussetzungen, nämlich dem Ukrainekrieg, darüber nachdenken, ob Biodiversitätsflächen nicht doch


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zeitweise für die Produktion zur Verfügung gestellt werden sollten, wenn Lebensmittelsi­cherheit, wenn die Produktion von Energie, die wir in der Landwirtschaft bereitstellen können, notwendig sind.

In Summe ist das ein guter Bericht. Wir nehmen ihn gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir begrüßen den neu hinzugekommenen Herrn Bundesminister Martin Polaschek. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile dieses.


16.09.30

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Bundesministerin! Herr Minister! Hohes Präsidium! Ich hoffe, Frau Ministerin, dass ich Ihre Aufmerksamkeit jetzt bekomme. Ich hoffe auch, dass deutlich ist, dass das Verhalten, das vorhin hier an den Tag gelegt wurde, denjenigen, die es gezeigt haben, ein Zeugnis ausstellt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, Sie wissen, wovon ich spreche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer hier auf der Galerie und zu Hause! Das Thema ist die EU-Jahresvorschau 2022, der Bericht der Ministerin. Das Motto lautet: „Europa gemeinsam stärker machen“, stärker aus der Krise hervorgehen! Die Krise ist eingearbeitet, und im Fokus stehen die Prioritäten, die ja schon 2020 ganz stark festgelegt wurden.

Dazu gehört der Green Deal, der grüne Wandel. Wir wissen, dass dieser grüne Wandel, der beschleunigt werden muss, unerlässlich ist und im Fokus stehen muss. Da fordere ich auch den Koalitionspartner auf, darauf jetzt Augenmerk zu legen, denn das eine ist die Jahresvorschau, der Bericht, das andere jedoch ist die Umsetzung, die folgen muss. Diese Umsetzung spiegelt sich schon im GAP-Strategieplan, im Strategieplan für die Gemeinsame Agrarpolitik und die nationale Umsetzung, wider.

Im Strategieplan vermissen wir eines schon sehr, nämlich die Nachhaltigkeit und die Umweltschonung, das Augenmerk, das auf die Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden gelegt werden sollte. Nicht nur wir vermissen das, Frau Ministerin, sondern wie wir jetzt wissen, vermisst das auch die Kommission, denn der Observation Letter spricht eine klare Sprache.

Der Grüne Deal geht von einer Reduktion um 50 Prozent aus, und im Strategieplan fehlt dazu einfach alles. Jetzt soll und muss nachgebessert werden. Ich hoffe, Frau Ministerin, dass Sie das einarbeiten werden, denn wenn wir da jetzt nicht die Genehmigung be­kommen, dann wird uns die Zeit davonlaufen. Das zieht ja einen Rattenschwanz hinter sich her, und es gibt dann vieles umzusetzen, zum Beispiel auch für die AMA.

Deshalb frage ich Sie jetzt, Frau Ministerin: Was wird der voraussichtliche Inhalt des Vorschlags zur Überarbeitung der Richtlinie über die Verwendung von Pestiziden sowie die Stärkung des integrierten Pflanzenschutzes sein? Was ist da vorgesehen? – Nichts ist auf jeden Fall zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

Den Green Deal zu kippen – und da wende ich mich jetzt schon auch in Richtung FPÖ und denke an das, was Herr Bernard gesagt hat – ist tödlich. Das Aussetzen der Nach­haltigkeits- und Umweltziele wirkt sich ganz unmittelbar aus, auch auf die Qualität und die Quantität der Lebensmittel, denn dort, wo die Umwelt ruiniert ist, wächst nichts mehr, dort kann man auch nicht mehr ausreichend produzieren.

Natürlich: Die geopolitische Lage, dieser furchtbare Krieg in der Ukraine, wirft ein neues Licht auf den Bericht. Es ist, glaube ich, nicht zu bestreiten, dass so manche Strömung


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besteht, die Ukrainekrise dafür zu nützen, Umweltthemen zu vernachlässigen. Das ist ein Irrweg, und da ist Aufklärung notwendig!

Kollege Lackner war es, der heute von Angst- und Panikmache gesprochen hat. Auch in diesem Bereich passiert Angst- und Panikmache, und die wird ganz, ganz gezielt von Lobbyisten eingesetzt, sie wird ganz, ganz gezielt dazu ausgenützt, Preistreiberei zu betreiben.

Es ist Ihre Pflicht, darauf zu achten, dass man den Landwirten und Landwirtinnen nicht den Ast absägt, auf dem sie sitzen, und damit auch das Sterben des Baumes zu ver­hindern, auf dem wir alle sitzen, denn Umweltpolitik ist die Zukunft. Die Versorgungssi­cherheit von uns allen hängt davon ab, dass wir diesen Green Deal einhalten und schaffen.

Ich komme zu dem, was Kollege Bernard vorhin gesagt hat: Brachflächen aussetzen! Brache, 10 Prozent, brauchen wir nicht mehr! – Auch das ist ein Irrweg, auch das ist ein Aberglaube. Die europäische Versorgungssicherheit ist gegeben, und das hat die Exper­tin im Ausschuss gestern auch ganz eindeutig gesagt. Kollege Bernard ist nicht da, aber er war im Ausschuss, also muss er es auch gehört haben. Ja, es gibt eine globale Krise, regional mit ziemlichen Verschärfungen (Zwischenruf bei der FPÖ) – er telefoniert –, aber nicht in Österreich. Bei uns sind die Lager voll, es gab im Vorjahr eine gute Ernte. Diese Panikmache mit Lebensmittelknappheit, mit Versorgungsunsicherheit dient also nur der Preistreiberei.

Sie wissen es, Frau Ministerin, mittlerweile ja auch als Rohstoffministerin: Das große Problem ist eher die Energieversorgung, nicht die Versorgung mit Lebensmitteln. Le­bensmittel gibt es genug. Dass die Kosten so explodieren, liegt schon auch an den Spe­kulanten, an den Spekulantinnen, an denen, die jetzt daran Geld verdienen.

Im Gespräch mit Bauern wurde mir schon gesagt: Es war genau die ÖVP, es waren die NEOS und die FPÖ, die teilweise seit Jahrzehnten darauf pochen, dass auf dem Roh­stoffmarkt dereguliert und liberalisiert wird. Jetzt aber ist es an der Zeit, zu regulieren, denn damit können Sie den Landwirten und den Landwirtinnen helfen und sowohl zum Wohle dieser Berufssparte, zum Wohle der Menschen, die uns versorgen, als auch der KonsumentInnen und der Umwelt eingreifen.

Eines ist ganz sicher: Der Profit der Agrarkonzerne, der Spekulanten wird uns nicht ret­ten, er wird uns und die nachfolgenden Generationen nicht versorgen. Da haben Sie jetzt das Blatt in der Hand. Jetzt müssen Sie ausspielen – und das ordentlich und im Sinne der Zukunft, nicht im Sinne einiger weniger Lobbyisten und Spekulanten, die jetzt mit der Angst und durch die Angst der Menschen Profit machen wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


16.17.46

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Minis­ter! Werter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher! Einen wesentlichen Teil des Berichtes stellt klarerweise die Gemeinsame Agrar­politik dar. Es ist gerade aktuell – Kollegin Kahofer hat es, glaube ich, auch erwähnt –: In diesen Tagen ist ein Brief aus Brüssel angekommen, der sogenannte Observation Letter der Kommission zu den österreichischen Vorhaben zur nationalen Ausgestaltung der nächsten GAP-Periode 2023 bis 2027. Österreich hat, wie insgesamt 19 der 27 Mit­glieder, seine Vorstellungen rechtzeitig bis zum Jahresende nach Brüssel eingemeldet, und nun hat eben die EU-Kommission geantwortet und den rot-weiß-roten Strategieplan unter die Lupe genommen.


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Wie sieht diese Rückmeldung aus? Wie sieht die Bewertung seitens der Kommission aus? – Na ja, man könnte sagen: Lob und Tadel. Zusammengefasst könnte man es in etwa so formulieren. Die österreichische Strategie kommt bei der Kommission eher mit­telgut an. Die zentrale Botschaft lautet: Da geht noch etwas!

Ausdrücklich gelobt wird die Förderobergrenze von 100 000 Euro, die es in Österreich im Gegensatz zu fast allen anderen EU-Ländern geben wird. Ebenso positiv gesehen wird die Umverteilung hin zu den kleineren Betrieben. 10 Prozent der Flächenprämien und die Mittel, die aus dem Capping, also aus dieser Förderobergrenze, frei werden, werden in zwei Stufen umverteilt, vor allem aber für die ersten 20 Hektar. Das ist wichtig, denn gerade die kleinstrukturierten Familienbetriebe sind der Garant für eine gesicherte Versorgung mit qualitätsvollen Lebensmitteln. Wer Ernährungssicherheit will, der braucht die bäuerliche Landwirtschaft. Kleinere bäuerliche Familienbetriebe sind flexibler und krisensicherer, ganz im Gegensatz zu marktbeherrschenden Produzenten, die wirk­lich krisenanfällig sind.

Apropos Ernährungssicherheit – es ist schon erwähnt worden –: Bereits in den ersten Tagen der russischen Invasion kam es zu lauten Rufen aus dem Agrarsektor, bei denen unter dem Vorwand, dass die Ernährungssicherheit bedroht sei, gefordert wurde, den Grünen Deal zu kübeln, die Farm-to-Fork-Strategie abzusagen und die Biodiversitäts­strategie auszusetzen.

Keine Frage, der Krieg in der Kornkammer Europas hat massive Auswirkungen. Wie sieht es aber im Detail in Österreich aus? Wofür werden Getreide und Mais in Österreich verwendet? In Österreich werden im Jahr etwa 4 Millionen Tonnen verbraucht, davon 745 000 Tonnen für Ernährung, 832 000 Tonnen für Fütterung, 651 000 Tonnen für Bio­ethanol und 1,7 Millionen Tonnen für die Industrie. Das heißt, gerade einmal 20 Prozent des in Österreich verbrauchten Mais und Getreides werden direkt für die Ernährung verwendet. Wenn wir also mehr Getreide auf den Teller statt in den Tank bringen, dann ist schon sehr viel getan. Wenn wir die Lebensmittelverschwendung reduzieren  derzeit landet circa ein Drittel der Lebensmittel einfach in der Mülltonne , dann haben wir schon viel getan.

Wer jetzt den russischen Angriff auf die Ukraine dazu nutzt, um den Green Deal mit dem Verweis auf Versorgungssicherheit auszuhöhlen, und dabei ignoriert, dass die Klimaka­tastrophe die größte Gefahr für unsere Versorgungssicherheit ist, der – und das ist heute ja schon zweimal gesagt worden – sägt am Ast, auf dem wir alle sitzen. Eine kurzsichtige Rücknahme von Ökologisierungsschritten hilft nicht dabei, die Versorgungssicherheit in Europa sicherzustellen. Im Gegenteil, wir brauchen Brachflächen als wichtige ökologi­sche Lebensräume, um die Belastung der Böden und Wasserkreisläufe durch Pestizide zu reduzieren. Genauso können nur diverse und gesunde Wälder genug CO2 binden und Wasser speichern.

Und überhaupt, was bringt es uns, wenn wir nominell die Anbaufläche um 1 Prozent erhöhen? Das sind in etwa die Brachflächen, die es aktuell gibt, mehr machen die nicht aus! 1 Prozent mehr Fläche heißt nicht automatisch 1 Prozent mehr Produktion, denn was wird in der Regel als Brachfläche genutzt? – Es sind Randlagen, die zum Beispiel niemand wollte, jedenfalls Flächen, die keinen nennenswerten Ertrag bringen. Und die sollen jetzt auch noch zur Produktion genutzt werden, obwohl klar ist, dass sie nicht viel abwerfen werden? Diese sollen jetzt auch noch zur Produktion genutzt werden, obwohl sie gerade auch für die Landwirtschaft viel wichtigere andere Funktionen haben? Also den Punkt verstehe ich wirklich nicht.

Gleichzeitig haben wir nach wie vor einen enormen Flächenverbrauch und tauschen tag­täglich jede Menge fruchtbaren Boden gegen krisenfesten Beton. Aber ich sage es noch einmal: Beton ist keine Feldfrucht! (Beifall bei den Grünen.) Wenn wir das begreifen, haben wir schon viel erreicht. Was sicher kein Weg ist, ist, mit Vollgas zurück in die


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Vergangenheit zu lenken und auf Teufel komm raus zu produzieren. Nur eine agraröko­logische, vielfältige, kleinteilige Landwirtschaft kann uns sicher und verlässlich ernähren.

Als Grüne fordern wir daher, dass ein schneller Ausbau und Umstieg auf agrarökologi­sche Methoden wie zum Beispiel Gründünger und die Stärkung regionaler Wertschöp­fungsketten sowie regionaler Lebensmittelproduktion durch kleine mittelständische Landwirtschaftsbetriebe endlich in den Fokus gestellt werden. Die Agrarwende in diesem Sinn ist der notwendige Weg, der langfristig für Versorgungssicherheit sorgt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.24


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste hat sich Frau Bundesminis­terin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses.


16.25.07

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Gern darf ich Ihnen heute die EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus präsentieren.

Im Mittelpunkt der Arbeiten auf EU-Ebene stehen natürlich die sukzessive Umsetzung des europäischen Green Deal und in weiterer Folge das Fit-for-55-Paket. Speziell die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft in Europa als Sektoren mit natürlichem CO2-Sen­kenpotenzial spielen hier eine ganz besonders wichtige Rolle.

Aktuell gibt es natürlich sehr viele Diskussionen auf europäischer Ebene aufgrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine und die sehr weitreichenden Folgen, die in den nächsten Monaten und wahrscheinlich Jahren auf uns zukommen.

Lassen Sie mich ganz kurz auf das Thema der Lebensmittelproduktion und Lebensmit­telversorgungssicherheit in Europa eingehen! Es stimmt, wir haben Gott sei Dank in Österreich die sehr glückliche Lage, dass wir bei nahezu allen Grundnahrungsmitteln und Lebensmitteln, die wir brauchen, einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad haben, aber wir sind auch sehr stark abhängig von Betriebsmittelimporten, da speziell aus Russ­land, zum Teil eben auch von Eiweißlieferungen aus der Ukraine, und wir müssen jetzt nicht nur den aktuellen Status betrachten, sondern auf die nächsten Monate, wenn nicht Jahre blicken.

Es wurde schon angesprochen: Die Ukraine ist die Kornkammer Europas, und nicht nur das. Das Welternährungsprogramm hat vor allem in der Westukraine die ganz großen Anbauflächen, und das, was uns aktuell droht, ist wirklich ein Engpass bei der Versor­gungslage in Entwicklungsländern, die die Hauptbezugsländer des Getreides aus der Ukraine sind, vor allem in Nordafrika.

Deswegen war es sehr wichtig und vor allem auch richtig, dass die Europäische Kom­mission sehr schnell gehandelt hat und die einjährigen Bracheflächen im heurigen Jahr zum Anbau freigeben wird. Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang darauf hinwei­sen, dass es einen Unterschied zwischen mehrjährigen Biodiversitätsflächen, die die meisten der österreichischen Bäuerinnen und Bauern anlegen, und den einjährigen Bracheflächen gibt. Es stimmt auch: Die Freigabe der Bracheflächen macht in Österreich nur ein Volumen von rund 9 000 Hektar aus, für die gesamte Europäische Union handelt es sich aber um 4 Millionen Hektar. Und es wird laut der aktuellen Einschätzung und Prognose einen Unterschied machen, was das heurige Erntejahr betrifft, weshalb wir wirklich sehr intensiv schauen, wo wir zusätzliche Anbauflächen finden, weil wir im Herbst und vor allem im Jahr darauf massiv mit Ernteausfällen, -reduktionen und ‑rückgängen zu kämpfen haben werden.


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Deswegen geht es nicht darum, nur – und das ist, glaube ich, schon unser aller Verant­wortung, vor allem auch die Verantwortung hier im Hohen Haus – auf den jetzt aktuellen Zeitpunkt zu schauen, sondern auch darum, etwas vorauszudenken. Und noch einmal, es werden nicht Biodiversitätsflächen freigegeben, sondern einjährige Bracheflächen, und es war mir sehr wichtig, das heute hier auch noch einmal klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Lebensmittelversorgung ist generell das ganz zentrale Thema. Ich darf ganz kurz auf die einzelnen Bereiche vor allem im land- und forstwirtschaftlichen Bereich eingehen. Wir haben ja im letzten Jahr die Gemeinsame Agrarpolitik fertiggestellt, sind gerade da­bei, die nationalen GAP-Strategiepläne fertigzustellen. Österreich hat fristgerecht den Entwurf in Brüssel eingereicht, hat jetzt die Stellungnahme erhalten, und ich war wirklich sehr froh, dass sie so positiv ausgefallen ist: 1 200 Seiten, die wir nach Brüssel geliefert haben, 250 Anmerkungen, der überwiegende Teil sehr positiv. Ich darf mich bei den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer, die intensiv mitgewirkt haben, wirklich sehr herzlich bedanken. Wir werden in den nächsten Wochen noch weiter daran arbei­ten. Wir sind vor allem für unsere massiven Initiativen im Bereich Tierwohl gelobt wor­den, auch Umweltschutz (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), für die Adressierung der wirtschaftlichen Lage der bäuerlichen Familienbetriebe, die in Österreich einen ganz wichtigen Stellenwert haben, und anhand dieser Bewertung werden wir in den nächsten Wochen unsere Arbeiten fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesra­tes Steiner.)

Des Weiteren ist ein großer Schwerpunkt meines Ressorts das Thema Bodenschutz, Bodengesundheit, Bodenfruchtbarkeit. Dazu wurde eine EU-Bodenstrategie vorgelegt. Das Kernziel ist Klimaneutralität des Bodens in der gesamten Europäischen Union bis zum Jahr 2035. Gemäß der EU-Biodiversitätsstrategie sollen sich bis 2050 alle Boden­ökosysteme in der Europäischen Union in einem gesunden Zustand befinden.

Ein ganz zentrales Element ist das sogenannte Carbon Farming, um das Senkenpoten­zial landwirtschaftlicher Böden voll auszunützen. Wir haben das als eines der großen Schwerpunktthemen im Rahmen der französischen Ratspräsidentschaft bearbeitet. Heute, ganz aktuell, werden dazu die Schlussfolgerungen des Rates angenommen.

Auch das Thema Freihandel bleibt weiterhin relevant. Für mich ist vollkommen klar: Ös­terreich bleibt bei einem klaren Nein zu Mercosur. Es gibt starke Bedenken hinsichtlich eines fairen Wettbewerbs für besonders sensible Agrarbereiche, Agrarmärkte, und es gibt durchaus eine Diskrepanz zwischen Green Deal und dem Mercosur-Abkommen. Der Zeitpunkt der Vorlage des Abkommens ist weiterhin unklar.

Auf den europäischen Agrarmärkten sehen wir aktuell sehr große Herausforderungen – ich bin bereits darauf eingegangen: Preisvolatilität, extreme Witterungsbedingungen, Ausbrüche von Tierseuchen wie der Afrikanischen Schweinepest. Hinzu kommt der mas­sive Anstieg der Energiepreise, der sich natürlich auch auf die Betriebsmittelpreise aus­wirkt. Insbesondere ist da der Düngemittelbereich zu nennen, der sich innerhalb des letzten Jahres verdreifacht hat. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Sie wissen, in Europa ist die Produktion auch aufgrund von diversen Kostenmodellen in den letzten Jahrzehnten zurückgefahren worden. Der Angriffskrieg Russlands löst natür­lich noch weitere Verwerfungen aus, und an diesem gesamten Thema müssen wir natür­lich in der gesamten Europäischen Union auch weiter arbeiten.

Ich darf zu einem weiteren Zuständigkeitsbereich kommen, das ist die Forstwirtschaft. Der Wald wird seitens der Kommission insbesondere als Kohlenstoffsenke gesehen. Für mich ist klar, dass wir eine nachhaltige Forstwirtschaft brauchen und dass vor allem die Multifunktionalität der Wälder erhalten werden muss.

Ein weiteres, ganz wichtiges Thema auf europäischer Ebene ist die Entwaldungsverord­nung; diese begrüßen wir ausdrücklich. Es ist das übergeordnete Ziel der EU, einen


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Beitrag dazu zu leisten, dass die weltweite Entwaldung und Waldschädigung verringert wird. Die Verordnung regelt den Import und Export unter anderem von Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Soja und Holz. Die Zielsetzung ist absolut richtig, wir plädieren aber vor allem dafür, dass es zu keiner zusätzlichen und manchmal vielleicht auch unnötig anmutenden Bürokratie kommen darf.

Zur Kohäsionspolitik ist zu sagen, dass das neue Legislativpaket für die nächste Periode mit Juli 2021 in Kraft getreten ist. Auch die sogenannte Brexit Adjustment Reserve ist in Kraft getreten. Damit werden Ausgaben gefördert, die im direkten Zusammenhang mit dem Brexit stehen – für Österreich stehen da insgesamt 27,7 Millionen Euro zur Verfü­gung.

In meinen Zuständigkeitsbereich fallen auch die Telekomagenden. Zur Datenschutz­richtlinie konnten 2021 nach über vier Jahren Diskussion die Trilog-Verhandlungen end­lich aufgenommen werden. Diese sollen an die Bestimmungen der Datenschutz-Grund­verordnung angepasst und in eine neue Verordnung umgewandelt werden. Wir begrü­ßen ausdrücklich das hohe Schutzniveau für elektronische Nutzungsdaten, gleichzeitig wollen wir aber auch Innovationen entwickeln, und dem muss entsprechend Rechnung getragen werden.

Außerdem werden wir im ersten Halbjahr 2022 einen Vorschlag für den erleichterten Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen vorlegen; den erwarten wir schon sehr, weil die Technologie da schon sehr weit fortgeschritten ist.

Zum Thema Rohstoff: In meiner Funktion und vor allem auch Zuständigkeit für minerali­sche Rohstoffe im Bergbau ist zu sagen, dass wir die Verringerung der Methanemissio­nen im Energiesektor ganz intensiv im Auge haben. Es geht primär um die verpflichtende Überprüfung von Methanemissionen sowie die Erkennung von Methanlecks im Öl-, Gas- und Kohlesektor. Die Reduktion von Methan im Energiesektor wird absolut begrüßt. Wichtig ist, dass die Reduktionsvorgaben im Einklang mit den technischen Möglichkeiten stehen. Auch da sind wir Gott sei Dank in Österreich schon sehr weit und in guter Zu­sammenarbeit mit der Europäischen Kommission.

Abschließend darf ich noch auf den sehr wichtigen Bereich Tourismus eingehen, der ja vor allem in den letzten zwei Jahren der Covid-Pandemie auf europäischer Ebene an Bedeutung gewonnen hat. Im Rahmen der europäischen Industriestrategie wird für den Tourismus der Transition Pathway erarbeitet. Ziel ist auch da der Übergang in Richtung einer resilienten, grünen und digitalen Wirtschaft. Außerdem soll am 1. Juni ein Vor­schlag zur Kurzzeitvermietungsverordnung vorgelegt werden. Da bringen wir uns sehr intensiv ein, weil es natürlich unser Ziel ist, ein verantwortungsvolles, faires und zuverläs­siges Wachstum bei kurzfristigem Vermieten zu entwickeln. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.35


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bundesrat Bernard: O ja!) – Doch. – Bitte sehr.


16.35.34

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Nur ganz kurz zu Herrn Prein­eder, denn wie das niederösterreichische Wahlrecht bei den Bauern ist, kann man nicht so stehen lassen: Da in Niederösterreich alle Grundstücksbesitzer, die mehr als 30 Ar haben, wählen gehen können und es teilweise in den Gemeinden so ist, dass dort 800 Leute wählen gehen und drei davon Landwirte sind, gibt es dann diese Wahlergeb­nisse, die Sie haben, aber nicht aufgrund dessen, weil ihr die Bauern so vertretet. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.36


16.36.10


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 132

Vizepräsident Günther Novak: Dann schauen wir noch einmal, ob es weitere Wortmel­dungen dazu gibt! – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Ofner: Na ja!) Der Antrag ist somit angenommen.

16.36.4117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts geändert wird (1362 d.B. und 1366 d.B. sowie 10929/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


16.37.03

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz ge­ändert - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Bundesrätin, es gibt nur einen Bericht.


Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger (fortsetzend): Okay, das heißt, das wird getrennt verhandelt. Entschuldigung, jetzt war ich zu schnell! (Bundesrat Bader: Jetzt hast dich selber überholt!)


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm das Wort.


16.38.36

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bildungsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts – diese Novelle verfolgt zwei klare Ziele: die Ausweitung der Befreiungstatbestände beim 25-prozentigen Eigenanteil und die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Teilnahme von Mehrstufenklassen. Diese Möglichkeit zur Befreiung der Erziehungsberechtigten vom zu bezahlenden Eigenanteil des digitalen Endgerätes ist darin dementsprechend vorgesehen.

Das beachtliche Budgetplus im Bildungsressort schlägt sich besonders im Schwerpunkt der Digitalisierung des Schulunterrichts nieder. Es geht um die Umsetzung des Acht-Punkte-Plans, dafür sind explizit rund 56 Millionen Euro ausgewiesen, davon allein 46 Millionen Euro für die Bereitstellung von und die Versorgung mit digitalen Endgeräten für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Lehrkräfte. (Bundesrätin Hahn: Ich habe keines!)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 133

Ja, die Digitalisierung hält Einzug in unsere Schulen. (Bundesrätin Hahn: Ich habe kei­nes!) Konkrete Zahlen aus meinem Heimatbundesland Burgenland, dort profitieren wir enorm: 100 Prozent der Schulen nehmen an dieser wichtigen Initiative teil. Insgesamt werden im Burgenland 5 472 Geräte an 254 Klassen ausgeliefert, aktuell, also per April 2022, sind bereits 97 Prozent der Schulen beliefert. Und ja, es gibt auch die Zahlen aus den anderen Bundesländern: Flächenbundesländer, egal ob Steiermark oder Oberöster­reich, rund 80 Prozent, Wien bereits 85 Prozent – das in einer enorm kurzen Zeit und sehr erfolgreich.

Die Zeit des Distancelearnings während der Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Viele Kolleginnen und Kollegen haben auf die nötige In­frastruktur zurückgreifen können. Wir nehmen Geld in die Hand und versorgen die Schü­lerinnen und Schüler mit entsprechenden digitalen Endgeräten. Nach der Schulbuchak­tion ist das sicherlich die wichtigste Initiative (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) und ein nächster großer Meilenstein.

Im Unterricht finden wir inzwischen auch digitale Schulbücher, da kann man auf Erfolgs­beispiele verweisen. Ich darf wiederum meine Schule erwähnen, wir erlauben es den Schülern auch, Schulbücher online mitzunehmen, sprich: sie müssen die Bücher nicht immer mit sich tragen. In der Berufsschulzeit, 30 Wochen, werden gewisse Bücher nur wenige Stunden verwendet, von Computerräumen und Smartphones kann man online darauf zugreifen. Das ist eine riesige Erleichterung, denn man kann dadurch alles bei sich tragen. Auch wir verwenden unsere Smartphones, das heißt, auch bei uns macht die Digitalisierung nicht halt, und wir verwenden unser Mobiltelefon auch als Nachschla­gewerk, da wir nicht Bücher herumschleppen wollen.

Die aktuellen Maßnahmen bedeuten daher auch einen Schritt in die richtige Richtung, in ein digitales Zeitalter. Sie bedeuten konkret eine Befreiung und somit auch Unterstüt­zung für Familien und vor allem auch Chancengleichheit, da beim kompetenzorientierten Unterricht die Teilnahme an den neuen Unterrichtsmethoden für alle gleichwertig mög­lich ist. Es gibt den Vorteil, dass es nun auch für Mehrstufenklassen, und das im Klas­senverband, unabhängig von der Schulstufe, künftig möglich sein wird. Ich sehe es posi­tiv, weil bereits 93 Prozent der Schulen der Sekundarstufe I an diesem erfolgreichen Projekt teilnehmen. Ich sehe es positiv, weil bereits ein Großteil dieser Endgeräte an die Schülerinnen und Schüler ausgeliefert wurde und diese die Endgeräte in den Händen halten. Wie schon erwähnt, den Spitzenwert gibt es im Burgenland, die Flächenbundes­länder liegen weit über 80 Prozent, und das, man muss es bedenken, trotz der Pandemie und trotz der globalen Situation in puncto Lieferketten.

Bei einem Anbieter gibt es Probleme, auch das ist natürlich bekannt. Da gab es schul­autonome Entscheidungen, welches Endgerät gewählt wurde, und ich bin überzeugt, dass auch dieses Problem rasch gelöst wird und somit alle Schülerinnen und Schüler dementsprechend zu ihren Endgeräten kommen.

Ich möchte auch einige Dankesworte sagen, und zwar in die Richtung, dass es viele Vorreiter in puncto Digitalisierung gegeben hat. Vom Bodensee bis zum Neusiedlersee gab es viele innovative Schulen, die Pilotprojekte gestartet haben. Ein Pilotprojekt gibt es auch in Jennersdorf im Südburgenland, in der Mittelschule Jennersdorf, wo wir bereits fast alle Schüler mit I-Pads ausgestattet haben. Auch da mussten viele mitwirken, damit dieses Projekt erfolgreich sein kann. In der Krise hat sich gezeigt, dass dieser Weg der richtige ist.

Ich möchte mich auch bei allen bedanken, die im Bereich der Infrastruktur mitwirken: Es muss dementsprechend WLAN ausgebaut werden, es müssen Klassen umgebaut wer­den, es müssen Kabel verlegt werden; und das alles, damit ein guter Unterricht möglich ist.


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Danke auch an die Lehrerinnen und Lehrer, die in den letzten Monaten viel dazu beige­tragen haben, diese innovativen Möglichkeiten auch in den Klassenzimmern anzuwen­den und umzusetzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Viele haben sehr viele Stunden investiert und innovative Möglichkeiten gefunden, das auch den Schülern zu vermitteln und so einen interessanten Unterricht zu gestalten.

Im Zentrum der digitalen Schule steht natürlich der junge Mensch, der mit Freude und Motivation lernen soll. Geht man davon aus, dass Lesen, Schreiben und die mathema­tischen Grundkenntnisse das Fundament unserer Schulbildung bilden, so muss man auch festhalten, dass es wichtig ist, im Bereich der digitalen Kompetenzen weiter voran­zuschreiten, das heißt, ein umfassendes Verständnis für das Lernen mit digitalen Medien zu entwickeln, über digitale Medien zu lernen und natürlich auch ein Grundverständnis für die digitale Welt und dafür, wie diese digitale Welt funktioniert, zu schaffen.

Daher möchte ich noch einmal festhalten: Die Digitalisierung schreitet voran, wir alle sind Teil dieser Digitalisierung, und es gilt auch hier, lebenslanges Lernen ist auch in diesem Bereich notwendig. Daher ist die Versorgung der jungen Menschen mit digitalen Endge­räten ein richtiger Schritt.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich möchte mich auch bei allen Beteiligten, von der Ebene im Bundesministerium bis hin zu den Teams in den Bildungsregionen, bei den Schulleitungen und insbesondere auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, für die konsequente Unterstützung bei diesem erfolgreichen Projekt bedanken. – Dieses Ge­setz ist ein Meilenstein, und ich bitte daher um breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Doris Hahn zu Wort gemeldet hat. Ich erteile ihr das Wort.


16.45.36

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause via Livestream! Herr Minister, zuerst einmal eine Frage an Sie: Wissen Sie, was Schule für Familien eigentlich so das ganze Jahr über kostet? Wissen Sie, wie viel Geld Eltern für ein Kind in einem Schuljahr eigentlich aufbringen müssen? (Bundesminister Polaschek: Wissen Sie es?) – Ich weiß es, ich habe nämlich auch für Sie, wenn Sie es nachlesen wollen (Bundesminister Polaschek: Gerne!), eine sehr inter­essante Lektüre mit (ein Schriftstück in die Höhe haltend), die AK-Schulkostenstudie hat das ausgerechnet. Angefangen von der Schultasche, von Schreib-, Zeichengeräten, von Schulbüchern, dem Taschenrechner über Ausgaben für Wandertage, für Exkursionen, für Kopierbeiträge, Schwimmbeiträge, fürs Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung und, und, und entstehen in der Schule Kosten über Kosten. Die AK hat einen Durch­schnitt errechnet, der – und jetzt muss man sich eigentlich schon fast festhalten – für das letzte Schuljahr 2 132 Euro ausmachte. (Bundesrat Steiner: Das ist der Tagesge­halt vom Minister!) Alleine für die Teilnahme am Distancelearning zum Beispiel, das, wie wir gerade gehört haben, aufgrund der Coronakrise notwendig war, haben viele Familien zu Hause auch die technische Ausrüstung aufrüsten müssen, Drucker gekauft, die Inter­netkapazität aufgerüstet, Kopfhörer und so weiter angeschafft, und da sind im vergange­nen Jahr zusätzlich noch einmal sage und schreibe 458 Euro pro Kind mehr angefallen. Das sind wohlgemerkt nur Durchschnittswerte, das heißt, unter Umständen waren die Kosten, die da angefallen sind, noch viel höher. Jetzt kommt eben auch noch dieser Eigenanteil für die digitalen Endgeräte dazu.

Man hört jetzt von den verschiedensten Vertreterinnen und Vertretern von Türkis und Grün immer wieder: Was nichts kostet, ist nichts wert!, oder auch: Sind ja eh nur


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100 Euro, das wird es den Eltern doch hoffentlich wert sein! – Also nicht böse sein, aber das ist, glaube ich, an Überheblichkeit und Abgehobenheit nicht zu überbieten, denn das entspricht ganz und gar nicht der Lebensrealität vieler Menschen und vieler Familien in unserem Land – muss man leider sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Leinfellner.)

Österreich ist aber nicht umsonst – wie wir alle wissen, und das wissen Sie genauso gut wie ich – jenes Land, in dem die Bildung am allerallermeisten vererbt wird. Ja, hier in Österreich macht sich die Chancenungleichheit ganz besonders deutlich bemerkbar. Schauen wir uns diese Summen, die ich Ihnen gerade genannt habe, in Relation an (Zwischenruf bei der ÖVP): Haushalte mit einem hohen Einkommen brauchen also „nur“ – unter Anführungszeichen – 5 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Schulkos­ten, während Haushalte mit einem niedrigen Einkommen, also bis ungefähr 2 000 Euro, mindestens 14 Prozent oder sogar ein Sechstel ihres gesamten Haushaltseinkommens für Schule, für die Bildung ihrer Kinder aufwenden müssen. Das ist eine Ungleichheit, die ihresgleichen sucht, wenn man so möchte.

Das heißt also, kurz zusammengefasst: Bildung und vor allen Dingen auch die Bildungs­möglichkeiten in Österreich hängen davon ab, wie groß und wie dick das Geldbörsel der Eltern ist. Das ist ein Faktum, das kann man nicht leugnen – jetzt ist er zwar beschäftigt, der Herr Bundesminister (Bundesminister Polaschek spricht mit einem Mitarbeiter) –, aber die Frage ist: Ist das wirklich Gerechtigkeit in unserem Land? – Ich sehe es nicht so. Ist es wirklich Gerechtigkeit, wenn es Schüler gibt – und ich kann Ihnen bestätigen, dass es diese Schüler gibt –, die immer, wenn gerade ein Wandertag oder eine Exkur­sion ist, „zufällig“ – unter Anführungszeichen – krank sind, weil sich die Eltern tragischer­weise auch die 10 oder vielleicht 20 Euro für diese Exkursion nicht mehr leisten können?

Von der psychischen Belastung für diese betroffenen Kinder ganz zu schweigen: Man kann es sich vorstellen, es ist ganz besonders unangenehm für die Kinder selbst, wenn man weiß, man kann dort und dort nicht mitfahren, aber alle anderen es sehr wohl können, wenn immer nur die anderen den Skikurs, die Sprachwoche machen können, aber man selbst nie dabei sein kann, weil eben die Eltern das Geld dafür nicht aufbringen können.

Daher ganz klar und ganz deutlich: Nein, es sind nicht einfach nur 100 Euro, die da auf­gebracht werden müssen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss also sagen: Ja, wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, keine Frage, und es ist positiv, dass der Minister zumindest erkannt hat, dass es da zusätzlichen Förderbedarf gibt. Positiv ist auch, dass der Kreis der zu fördernden Familien nun um jene erweitert wird, die einen Zuschuss zum Fernmeldeentgelt erhalten, aber nicht von der Rundfunk­gebühr befreit sind. Positiv ist außerdem, dass SchülerInnen in Mehrstufenklassen nun in den Kreis der Begünstigten aufgenommen werden sollen. So weit, so gut.

Ich muss jedoch schon ganz offen und ehrlich sagen: Das alles sind kleine, ja kleinste Schritte, aber leider nicht mehr. Aus eigener Erfahrung im Schulbereich kann ich sagen, dass wirkliche Chancengerechtigkeit anders ausschaut. Ich weiß, Sie hören es nicht gern – viele in der ersten Reihe hier im Plenum ebenso wenig –, aber Kreisky hat es damals sehr wohl vorgemacht, wie es geht, wie echte Chancengerechtigkeit hergestellt wird. Das sind zum Beispiel die Einführung der Schülerfreifahrt, die Einführung der kos­tenlosen Schulbücher für alle und vieles, vieles mehr.

Wenn ich mich hier so umsehe, denke ich, dass auch in unseren Reihen viele dabei sind, die von genau diesen Maßnahmen massiv profitiert haben und auch heute noch profi­tieren. Ich denke, das war die entsprechende Weitsicht, die uns heute fehlt.

Heute, im Jahr 2022, geht es immer und überall um Digitalisierung, Kollege Hirczy hat es gerade angesprochen. Die Bedeutung von Digital Skills wird immer wieder betont,


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und da sollte es eigentlich überhaupt keine Diskussion mehr sein: Jeder Schülerin, je­dem Schüler ihr beziehungsweise sein eigener Laptop, Tablet oder was auch immer. Das wäre ganz einfach und das wäre weitsichtig.

Ich denke, was an Coronahilfsmaßnahmen für Großkonzerne auf der einen Seite da war, müsste auf der anderen Seite doch eigentlich auch locker für die Bildung da sein – oder etwa nicht? Irgendwie fehlt mir da etwas in der Rechnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein kleines, nicht ganz uninteressantes Bonmot am Rande: Das aktuelle Schuljahr ist mittlerweile doch einigermaßen fortgeschritten, wir haben knapp drei Viertel des Schul­jahres hinter uns, und es gibt immer noch Schulen, die bis heute – nach fast eineinhalb Jahren, trotz immer wieder beteuerter Versprechen – noch kein einziges digitales End­gerät aus dieser Aktion erhalten haben; kein SchülerInnengerät, kein LehrerInnengerät, nicht einmal ein Gerät für die KustodInnen, damit diese sich das Gerät vorab einmal anschauen könnten.

Ich glaube, so kommen wir der Digitalisierung, wie Kollege Hirczy sie gerade angespro­chen hat, nicht wirklich näher. Es ist schön und gut für die 80 oder 85 Prozent, die schon ein Gerät haben – ich kann es nicht verifizieren –, aber für die anderen 15 Prozent, die immer noch darauf warten, kann ich da nur sagen: Na ja! – Ich persönlich komme aus solch einer Schule, und wir werden in Wahrheit seit Monaten hingehalten; zuerst wegen der Ausschreibung, die nicht funktioniert hat, dann beeinsprucht wurde und neu durchge­führt werden musste, jetzt heißt es – man höre und staune –: Die Geräte, die geliefert wurden, sind nicht für den Unterricht geeignet. Das finde ich großartig, absurder kann es ja nicht mehr werden! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, ein Schildbürgerstreich!

Die Ungleichheit zwischen den unterschiedlichen Schularten muss man auch noch be­achten: In den Bundesschulen bekommt in den teilnehmenden Klassen jede Lehrerin, jeder Lehrer ein Gerät – bei den Pflichtschulen nur drei Lehrer pro Klasse! Jetzt kann ich also würfeln, die einen kriegen ein Gerät, die anderen nicht. Ich weiß nicht, vielleicht müssen wir Roulette spielen, wer eines bekommt und wer sich selber eines kaufen muss – also Fairness sieht anders aus.

Zum Glück, muss man sagen, unterstützen uns da die Schulerhalter, und in meinem Fall auch unsere Gemeinde, die da ganz massiv für die Versäumnisse des Bundesministe­riums einspringt. Vielen Dank dafür an dieser Stelle, wir können uns immer auf Unter­stützung unserer Gemeinde – Zwentendorf in diesem Fall – verlassen.

Lassen Sie mich noch ein weiteres Thema ansprechen, das – ich glaube, Sie haben es bemerkt – die Gemüter im Bildungsbereich einigermaßen erhitzt hat, und das zu Recht, wie ich finde! Sie haben ja vorgestern in einem Brief an die DirektorInnen angekündigt, ihnen einen 500-Euro-Bonus zukommen zu lassen. Das wirkt auf den ersten Blick posi­tiv, gar keine Frage, ich möchte da aber besonders auf das Kleingedruckte hinweisen, auf das Sie selbst nämlich geflissentlich vergessen – wollen wir es einmal so sagen.

Erstens sagen Sie mit keinem Wort dazu, dass dieser Bonus über die Besoldung ganz normal versteuert werden muss. Das heißt, somit sind es in Wahrheit keine 500 Euro, für die Sie sich da gerade feiern lassen, sondern wesentlich weniger.

Zweitens, und das ist die große Frage, die ich mir als Personalvertreterin im Pflichtschul­bereich stelle: Was ist mit den Pädagoginnen und Pädagogen, den Lehrerinnen und Lehrern? Was ist mit den ElementarpädagogInnen, die in dieser Zeit mindestens genau­so Großartiges geleistet haben? Was ist mit den FreizeitpädagogInnen? Was ist mit dem Stützpersonal? Was ist beispielsweise mit den SchulwartInnen, die sich um die Infra­struktur kümmern mussten? Was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kin­der- und Jugendhilfe?


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Es gibt noch viele andere, ich brauche sie jetzt gar nicht alle aufzuzählen, die in den letzten beiden Jahren sicher wesentlich mehr Aufwand als sonst hatten, im Bereich Ge­sundheit und Pflege, aber auch etwa bei der Polizei. All diese Personen müssen jetzt offensichtlich zwei Jahre lang Urlaub gehabt haben, ich weiß es nicht, aber ich kann mir diese Art der Ungleichbehandlung eigentlich nicht erklären.

Konkret zur Situation in den Schulen – wir haben das hier schon öfter angesprochen und diskutiert, aber ich möchte es trotzdem noch einmal wiederholen, damit wir es wieder ins Bewusstsein bekommen –: Wir haben gleichzeitig Distancelearning und Präsenzunter­richt gemacht, wir haben Lernpakete für jene Kinder, die in Betreuung oder zu Hause waren, zusammengestellt, wir haben Livestreaming gemacht. Wir hatten also einen exor­bitanten Mehraufwand für Vor- und Nachbereitung, den ich auch selbst erleben durfte, wenn ich das so formulieren darf. Wir hatten also eine Mehrbelastung in ganz vielen Bereichen – im Unterrichtsbereich, aber genauso im administrativen Bereich –, die sich gewaschen hat. Dazu kommt noch, dass wir Kinder betreuen, die psychisch teils ganz immens unter dieser Krise gelitten haben und immer noch leiden. Dazu kommen auch die Verordnungen und Erlässe, die oft sehr unklar formuliert werden und erst in allerletz­ter Sekunde eingetrudelt sind, diese mussten wir umsetzen.

Was mich eigentlich am meisten geärgert hat, ist dieses angeblich engmaschige Testsi­cherheitsnetz, das Sie so oft hervorheben, das in Wahrheit monatelang keines war. Erst seit ein paar Wochen funktioniert das nämlich tatsächlich so halbwegs, und dadurch wa­ren und sind SchülerInnen wie LehrerInnen gleichermaßen einem immer noch unnötigen Infektionsrisiko ausgesetzt – und nach den Osterferien gibt es die Pandemie dann of­fensichtlich nicht mehr; na gut.

Jetzt kommt aufgrund des Kriegs auch noch dazu, dass wir immer mehr ukrainische Kinder in unseren Schulen aufnehmen und schauen, dass sie bestmöglich am Unterricht teilnehmen können. Das ist wichtig und richtig, gar keine Frage, denn gerade für die Psyche der Kinder ist es wichtig, ein wenig Alltag zu haben. Dazu kann natürlich auch die Schule ihren Beitrag leisten, aber das bedeutet wieder zusätzliche Herausforde­rungen für die Pädagoginnen und Pädagogen. Wir erbringen also zwei Jahre lang schon Höchstleistungen, und kurzum - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Kollegin, bitte, das waren jetzt schon 12 Minuten.


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Ich werde mich bemühen. Dieser Bonus ist bestenfalls – ich formuliere es jetzt wirklich so, wie ich es mir denke – ein klei­nes Leckerli, das Sie quasi Ihrem Hund vor die Beine werfen, damit er kurzfristig ruhig­gestellt ist und nicht mehr bellt.

Ich glaube, wir wissen aber alle, was das Bildungssystem tatsächlich braucht: Was die dort Tätigen – sprich die Pädagoginnen und Pädagogen, die Direktorinnen und Direkto­ren, aber auch die Schülerinnen und Schüler – letztendlich brauchen, ist der Chancenin­dex, sind finanzielle Ressourcen für jene Schulen, die besondere Herausforderungen zu bewältigen haben, das sind mehr Unterstützungspersonal und Doppelbesetzungen in der Schuleingangsphase. Wir brauchen SchulsozialarbeiterInnen, wir brauchen flächen­deckend SchulpsychologInnen, administratives Unterstützungspersonal und vieles an­dere mehr.

Ich weiß nicht, ob Ihnen klar war, was Sie mit der Ankündigung dieses einzelnen Bonus auslösen, Fakt ist aber: Wertschätzung für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Schulen sieht definitiv anders aus!

Ich möchte Sie an dieser Stelle dringend einladen und auffordern, mit dem Finanzminis­ter in Verhandlungen zu treten, denn wenn es einen Bonus gibt, dann auch wirklich richtig und für alle; einen Bonus für all jene, die unser Land während der letzten zwei Jahre, während der Krise getragen haben, aufrechterhalten haben und weiter tragen.


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Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen: Es waren die Lehrerinnen und Lehrer, die die Schülerinnen und Schüler durch diese Krise geführt haben, und sie sind es, die sie auch weiter durch diese nach wie vor schwierige Situation führen werden!

Ich höre in Niederösterreich immer wieder den Satz: Leistung müsse sich lohnen! – Ja, ganz genau, diese Leistung muss endlich auch finanziell entsprechend abgegolten werden!

Ich bitte Sie daher: Seien Sie ehrlich, seien Sie mutig und treten Sie mit dem Finanzmi­nister in Verhandlung! Ich glaube, Leistung muss tatsächlich belohnt werden, ein Danke­schön und Klatschen alleine werden nicht reichen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm das Wort.


16.59.54

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuhörer und Zuschauer vor den Bildschirmen via Livestream! Geht es in Österreich um Digitalisierung im Bildungsbereich, dann ist das fast dasselbe, wie wenn in Österreich Digitalisierung auf Wirtschaft trifft, dann kommt ein Projekt wie das Kauf­haus Österreich heraus, das Unmengen an Steuergeld verschlingt, aber von vorn bis hinten nicht funktioniert.

Bei der Bildung ist das genauso, das wissen wir spätestens seit Corona, denn auch da hat von Beginn an das Chaos regiert. Da war es nicht möglich, eine einheitliche Lern­plattform zu schaffen, auf die Lehrer, Eltern und Schüler zugreifen können, weil es immer wieder zu Serverproblemen gekommen ist und es Probleme mit den Internetverbindun­gen gab. Wie die Kollegin gerade richtig gesagt hat, fehlt auch bis heute entsprechende Hardware, was die Situation zusätzlich verschärft.

Viele Schulen haben dann auf eigene Plattformen gesetzt, so auch ein Kärntner Gymna­sium. Da haben die Lehrkräfte eine Plattform installiert – schon einige Wochen vor Coro­na –, sie haben das ehrenamtlich gemacht und implementiert. Diese Plattform hat so gut funktioniert, dass das Ministerium dann angefragt hat – aber viele Monate später –, wie man das so gut zustande gebracht hat. Das allein ist ein Armutszeugnis für das Minis­terium und zeigt die Unfähigkeit auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Des Weiteren hatten natürlich auch die Eltern Probleme und nur unzureichende Mög­lichkeiten, auf spezielle Lernunterstützungen zurückzugreifen. Die Lehrkräfte waren teil­weise überhaupt mit der Umstellung auf digitalen Unterricht überfordert, weil es keine ent­sprechenden Weiterbildungen gegeben hat und immer noch nicht gibt. Die Schüler wa­ren zusätzlich einer Überforderung ausgesetzt, weil es in vielen Bereichen zu Fehlein­schätzungen gekommen ist, was das Lern- und Aufgabenpensum anbelangt. Insgesamt gibt es somit über zwei Jahre hinweg eine belastende Situation für Lehrer, Eltern und Schüler.

Bis heute gibt es eigentlich keinen strategischen Fahrplan von Ihnen, Herr Minister, wann es da endlich zu qualitativen Verbesserungen kommt – das sagen nicht wir Freiheitliche, sondern das belegen Studien, in denen man sich mit dieser Thematik auseinanderge­setzt hat. Wenn bei einer Befragung unter Lehrern, Schülern und Eltern 50 Prozent der Ansicht sind, dass die Digitalisierung im Schulbereich verschlafen wurde, dann hören Sie doch bitte auf mit diesen Selbstbeweihräucherungsorgien, wie Kollege Hirczy das getan hat, und stellen Sie sich stattdessen endlich einmal der Realität! (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Es wird sich zeigen, dass das Einzige, was in diesen zwei Jahren im Bildungsbereich funktioniert hat, das Drangsalieren unserer Kinder war. Das hat funktioniert: mit unver­hältnismäßigen, völlig evidenzbefreiten und verbrecherischen Maskenzwängen. Wir wis­sen heute, was dieser Maskenzwang ausgelöst hat – schwerwiegendste soziale und


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psychische Auswirkungen; wir rufen heute überall nach Psychologen, weil die Kinder damit eben nicht zurechtgekommen sind, gerade im Bereich der elementaren Bildung ‑, daher muss es auch ganz klare Konsequenzen geben. Jene, die das verordnet haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden – und da gehören Sie dazu, Herr Minister, denn Sie drangsalieren die Kinder heute noch mit den Tests, die Sie bis zum heutigen Tag noch immer nicht abgestellt haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Den Vogel abgeschossen haben Sie jetzt aber, und das ist ja eigentlich der Gipfel des Wahnsinns, mit diesem sogenannten Pola-Scheck über 500 Euro für die Direktoren und Administratoren. Ja, das sind wahrscheinlich die Bedürftigsten im Bildungssystem, die es am notwendigsten haben! Da hat man natürlich auf alle Lehrkräfte vergessen, da hat man auch auf all die Elementarpädagogen vergessen, die in den letzten Jahren wirklich unglaubliche Arbeit geleistet, aber von Ihnen sehr wenig Unterstützung bekommen ha­ben. Man hat vor allem auf die Eltern und auf die Kinder vergessen und diese alle im Stich gelassen. Das ist eben die Wertschätzung à la ÖVP, dass man jene im Stich lässt, denen man über zwei Jahre hinweg auch die Bildung gestohlen hat – aber jetzt hat man 3,2 Millionen Euro für Direktoren.

Wir hätten für unsere Kinder 850 000 Euro mehr, die wir im Bildungssystem toll investie­ren könnten, wenn Sie nicht wieder darauf geschaut hätten, dass bei diesen Tests ir­gendein ÖVP-Naher eine Ausschreibung gewinnt. Da sind Sie zweimal verurteilt worden und müssen jetzt seitens des Bildungsministeriums Strafzahlungen in Höhe von 850 000 Euro leisten – das Geld wäre für unsere Kinder besser investiert gewesen! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Die Probleme reichen vom Elementarbereich bis in den tertiären Bildungsbereich. Da gibt es noch genügend Problemstellungen, und ich könnte hier einige aufzählen, aber das würde wahrscheinlich den zeitlichen Rahmen sprengen. Wenn wir uns bei diesem Tagesordnungspunkt den Gesetzentwurf ansehen, dann ist das nicht ein toller Wurf, der hier heute gelingt, sondern es ist eine Reparatur eines Gesetzes. Das werden wir selbst­verständlich mittragen, das ist auch notwendig, weil derzeit gerade die Eltern von der Teuerungswelle mit vollster Wucht erfasst werden.

Die Erweiterung des Personenkreises in Bezug auf die Befreiung vom Eigenanteil ist jedenfalls notwendig. Wir wissen – da gebe ich der Kollegin auch recht –, in der ÖVP wird das immer belächelt, wenn es heißt, dass sich in unserem Land viele Eltern die außerschulischen Aktivitäten nicht mehr leisten können; das ist leider der Fall. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Jetzt warten wir aber einmal ab, denn wir stehen erst am Beginn der Teuerungswelle, und die wird sich noch verschärfen! Viele Eltern sind nicht mehr in der Lage, diese außer­schulischen Aktivitäten zu finanzieren, und da braucht es eben mehr Unterstützung. Wie gesagt, die heutige Gesetzesänderung ist ein Teil davon – aber hätte man nicht so viel verbrochen, mit Fehlausschreibungen und so weiter, auch im Bildungsbereich, hätte man vielleicht mehr Geld zur Verfügung.

Wenn ich bedenke, was man alles in Tests investiert hat: Da sind Milliarden hineinge­flossen – genau bei jener Gruppe, die am wenigsten anfällig war, bei denen es keine schweren Verläufe gegeben hat; das hat ja jetzt auch das Gesundheitsministerium in seinem Bericht endlich einmal festhalten müssen. Da wäre Geld genug da gewesen, aber jetzt ist es an der Zeit, dass Sie endlich einmal in die Gänge kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.07


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 140

17.07.46

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehr­te Kolleginnen und Kollegen! Im Laufe der Debatte könnte man fast übersehen, dass es sich da um einen Tagesordnungspunkt handelt, den wir einstimmig beschließen, und das ist eine gute Sache, finde ich. (Ruf bei der FPÖ: Hat er eh gesagt!)

Ich möchte vor allem auf einen Satz der Kollegin Hahn kurz replizieren: Als meine Eltern 1975 nach Österreich gekommen sind und wir die Schulbücher damals gratis be­kommen haben, war das natürlich eine ganz, ganz, ganz wertvolle Sache. Ich hüte heute noch die Bücher: den Schulatlas, den historischen Atlas, ich habe noch das Österrei­chische Wörterbuch und das Österreichische Liederbuch. Ein paar Bücher habe ich im Laufe der Jahrzehnte auch verloren, weil halt die Biografie manchmal ein bisschen ungut zu Büchern ist, aber ich hüte sie wirklich sehr gut und habe auch schöne Erinnerungen.

Ich finde, gerade diese Schulbuchaktionen von damals sind der Grund, dass wir diesen heutigen Beschluss auch noch einmal feiern können. Ich bin stolz darauf und froh darü­ber, dass unsere Schülerinnen und Schüler jetzt endlich – was Unterrichtsministerinnen und Unterrichtsminister, auch anderer Parteien, jahrzehntelang nicht geschafft haben – ein eigenes Notebook oder Tablet bekommen, das ihnen dann auch gehört. Darauf bin ich stolz! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Ja schön! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Es stimmt schon, dass es entscheidend ist, dass sich die Menschen das auch leisten können. Mit dieser Erweiterung des Personenkreises beschließen wir ja heute zusätz­liche Gründe, die ausschlaggebend sind, dass der Eigenanteil nicht bezahlt werden muss, und genau das finde ich wichtig. Wir werden auch weiter beobachten, wie das funktioniert. Ein Eigenanteil von 25 Prozent für zum Beispiel wohlhabende Leute, die dann um 100 Euro ein Gerät bekommen, das viel mehr wert ist, ist trotzdem etwas, wo­rauf wir stolz sein können.

Ich will zum Schluss nur noch eines sagen, weil ich mich in den letzten Tagen ein bisschen intensiver damit beschäftigt habe, Herr Minister, und einen Gedanken einfach einmal so in die Runde werfen, wenn Sie mir erlauben: Wir haben sehr viel über die digitale Kompetenz gesprochen, gleichzeitig beobachten wir, gerade was die Digitalisie­rung betrifft, ein anderes Phänomen. In den ersten Jahren der Digitalisierung haben wir immer die Chancen und die positiven Aspekte gesehen – jetzt, da die Digitalisierung so vorangeschritten ist, sehen wir auch die negativen Aspekte: Was bedeuten Algorithmen für Nachrichten? Was bedeutet die Vorherrschaft einiger weniger Konzerne, die global gesehen sozusagen wichtiger werden als demokratische Grundprinzipien? Das bedeu­tet, dass ethische Fragen in den Mint-Fächern genauso wichtig sind wie technische Fra­gen, das ist ein Aspekt, den ich hier einfach gerne noch einbringen wollte.

Insgesamt ist das jedenfalls kein Tagesordnungspunkt zum Jammern, sondern das ist ein Tagesordnungspunkt zum Feiern! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Letzter zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Martin Polaschek. Ich erteile ihm das Wort.


17.11.21

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde sehr viel über diese Novelle gesagt, es wurde auch sehr viel Grundsätzliches gesagt. Bei allem Respekt: Das Gesetz wurde schon vor längerer Zeit beschlossen, es ist müßig, jetzt noch einmal von vorne anzufangen und ganz Grundsätzliches zu diskutieren. Ge­statten Sie mir daher, dass ich auf diese Punkte nicht noch einmal eingehe! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 141

Die Digitalisierung findet nicht erst seit einigen Jahren statt, sondern spätestens seit den 2000er-Jahren, und spätestens 2010 haben wir alle gesehen, dass wir große Probleme mit der Digitalisierung haben und gerade die Schulen vor großen Herausforderungen stehen. Die Bildungsminister, die in den 2010er-Jahren an der Macht waren, haben of­fenbar grobe Versäumnisse begangen – ich bitte um Entschuldigung, dass sie nicht von der ÖVP, sondern von der SPÖ waren. (Ruf bei der SPÖ: Geh, geh, geh!)

Jetzt meinem Amtsvorgänger – der mit dem Ministerium im Bereich Digitalisierung große Schritte gesetzt hat, die ich jetzt fortsetzen darf – Verfehlungen vorzuwerfen und mir Dinge vorzuwerfen, die mein Amtsvorgänger zu reparieren begonnen hat, finde ich ein­fach nicht fair. Das möchte ich nur einmal gesagt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte aber noch einmal auf den Kern des Themas zurückkommen. Es sind einige Änderungen, die wir jetzt vornehmen, weil wir aus der Erfahrung gelernt haben – das ist damals auch in der Begutachtung niemandem aufgefallen, sonst hätte man das damals schon aufgenommen. Es hat sich aus der Praxis heraus gezeigt, dass eben die Voraus­setzungen für die Befreiungen erweitert und präzisiert werden müssen. Es hat sich ge­zeigt, dass an Schülerinnen und Schülern in Mehrstufenklassen keine Geräte ausgege­ben werden konnten, und das passen wir an, damit diese jetzt die Geräte bekommen. Ich denke, das ist ganz, ganz wichtig, weil wir damit einen weiteren wichtigen Schritt in Rich­tung Digitalisierung machen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Angesprochen wurden auch die Fragen der Konsequenzen und Gefahren der Digitalisie­rung: Gestern ist der Lehrplan für Digitale Grundbildung in Begutachtung gegangen. Da geht es eben nicht nur darum, Coding und Informatikgrundsätze zu lernen, sondern auch um Themen wie Fakenews, Cybermobbing und so weiter. Es geht aber auch um ökono­mische und ökologische Gefahren und ethische Fragen der Digitalisierung, weil wir es für sehr wichtig halten, dass die jungen Menschen auch darüber informiert werden.

Abschließend möchte ich noch etwas anderes sagen: Es wurde jetzt sehr breit darüber diskutiert, was man alles tun könnte, um sich bei Lehrerinnen und Lehrern für das, was sie geleistet haben, entsprechend zu bedanken. Ja, selbstverständlich haben viele Men­schen in allen Bereichen, aus allen Berufsgruppen in der Zeit der Pandemie sehr viel geleistet. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Diese Maßnahme ist ein erster Versuch, für eine bestimmte Berufsgruppe, für die sich auch die Standesvertretung immer wieder stark gemacht hat, etwas zu tun, ein Versuch, einmal als Erstes etwas zu tun. Dass das selbstverständlich nicht genug ist, nehme ich zur Kenntnis, und es ist auch legitim, das zu kritisieren.

Was ich aber nicht in Ordnung finde, ist die Aussage, das bedeute, Hunden ein „Leckerli“ hinzuwerfen, und so weiter. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Die Direktorinnen und Direktoren sind Menschen, die gute Arbeit leisten, und die mit Hunden zu verglei­chen, das weise ich von mir. Das ist nicht in Ordnung, so zu tun, als würden wir Hunden ein Leckerli hinwerfen und Direktorinnen und Direktoren einen Keks geben! (Zwischen­rufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.) Das sind Menschen, die harte Arbeit leisten und viel dafür tun, und ich bitte Sie, auch diese Menschen mit Respekt zu behan­deln! Ich finde, sie haben eine entsprechende Wertschätzung verdient. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Hier wird eine Neiddebatte geschürt, Sie putzen sich an anderen Menschen ab, und das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

17.15


17.15.33

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 142

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.16.0618. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird (2330/A und 1371 d.B. sowie 10930/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte.


17.16.26

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.


17.17.12

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister, ein bisschen Show-Echauffierung war da jetzt schon dabei! Sie sprechen von einer Neiddebatte – aber Sie haben ja die Neiddebatte mit diesem Schritt erst be­gonnen! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich verstehe nicht, dass Sie einer Person eine Neiddebatte vorwerfen, die sagt: Ja, die Direktorinnen und Direktoren haben viel geleistet, und natürlich sollen sie die 500 Euro bekommen – aber es gibt ganz, ganz viele Lehrer und Lehrerinnen, die ganz, ganz viel geleistet haben, die Programme entwickelt haben, die zu den Kindern nach Hause ge­gangen sind, damit die Geräte dort funktionieren. Die vergessen Sie, das ist nicht korrekt, und das hat mit Neid nichts zu tun, sondern das hat etwas mit Respekt, Anerkennung und Fairness zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt geht es aber um ein anderes Thema. 2017 wurde eine Innovationsstiftung für Bil­dung ins Leben gerufen, und das ist ja eigentlich gut. Man muss sich den Stiftungszweck anschauen, der lautet, dass man das Bildungsniveau aller Altersgruppen in Österreich anheben will. Das ist gut so. Man hat dann gesagt, dass diese Stiftung gemäß ihrem Stiftungszweck entsprechende Förderungen auszahlen kann, wobei ein kompetitives Ausschreibungsverfahren und Qualitätssicherungsverfahren vorgesehen sind.

Jetzt sind zwei Abgeordnete der Koalition draufgekommen: Das ist ein bisschen zu viel Qualitätssicherung, da müssen wir ein bisschen etwas ändern! – Deshalb liegt uns heute dieser Gesetzentwurf vor, der nicht aus dem Ministerium gekommen ist, sondern durch die geistige Befruchtung zweier Abgeordneter entstanden ist. Folgendes soll jetzt ge­schehen: Die Qualitätssicherung, die bisher zwingend vorgesehen ist, fällt jetzt weg, die Transparenz bei der Mittelvergabe fällt jetzt weg. Jetzt kann man diese Stiftung für priva­te Spenden benützen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 143

Nehmen wir einmal jemanden ganz Unverdächtigen: Die Industriellenvereinigung über­mittelt eine kleine Spende an diese Stiftung. Die Stiftung muss dann nichts mehr aus­schreiben, sie muss auch keine Transparenz üben, sondern kann diese gleich weiterlei­ten. – Das ist nicht so gedacht gewesen, als man diese Stiftung eingerichtet hat. Auch wenn Sie heute Expertinnen und Experten fragen, ob diese eigentlich die Innovationsstif­tung für Bildung kennen, zeigt sich, dass der Kreis derer, die diese Stiftung kennen, wirklich sehr selektiv ist. Ich weiß nicht, ob Kollege Buchmann, der mich jetzt so intensiv anschaut, schon jemals von dieser Stiftung gehört hat. – Wenn du eine Sekunde ehrlich bist, musst du, glaube ich, sagen: nein.

Ich habe unter Expertinnen und Experten herumgefragt und alle sagen, dass sie nicht wissen, wie diese Stiftung in Erscheinung getreten ist. Heute tritt sie nun durch eine Gesetzesänderung in Erscheinung, im Zuge derer man die Qualitätssicherung und die Transparenz der Mittelvergabe abschafft. Das kann es doch nicht sein. Wir werden des­halb, offensichtlich als einzige Fraktion, gegen diesen Abbau von Transparenz stimmen. (Bundesrat Leinfellner: Sie sind nicht die Einzigen!) – Nein, nein, Entschuldigung! Ja, ich sehe: Kollege Leinfellner hat schon ein strahlendes Gesicht. Ich weiß: Die Opposition lehnt das gemeinsam ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.


17.21.43

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns jetzt noch zuhören und zusehen! Ich war schon sehr gespannt auf deine Rede, lieber Kollege Schennach, denn Kollegin Kittl und ich haben im Aus­schuss Herrn Ministerialrat Schmid-Schmidsfelden ja sehr intensiv zu der Entstehungs­problematik beziehungsweise der Entstehungsgeschichte der Stiftung und dazu, wie sich das jetzt alles gestaltet, befragt. Und ich habe mir gedacht: Was kann man eigentlich gegen so eine Stiftung haben, die dazu beiträgt, dass Projekte im Bildungsbereich, gera­de im Bereich Innovation – sie heißt ja Innovationsstiftung für Bildung –, gefördert wer­den? (Rufe bei der SPÖ: Er hat’s erklärt!)

Ich weiß, dass du gesagt hast, das mit der Transparenz und den Ausschreibungskri­terien, das sei nichts. Ich weiß nicht, ob du im Ausschuss warst, aber wir haben doch gehört, dass es nach wie vor ja auch Qualitätskriterien gibt (Bundesrätin Schumann: Ja, aber Transparenz wäre ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach), auch mit der Novelle zu dieser Stiftung. Wir haben doch gehört, dass sie dazu beitragen soll (Bundes­rätin Grimling: Bis jetzt ist aber nichts passiert!), dass eben noch mehr externe Mittel zu dieser Stiftung gelangen und dass wir damit noch mehr Möglichkeiten haben, Innova­tionen zu fördern. Ich sehe da nichts Verwerfliches, ich sehe da nichts Schlechtes.

Und ja, auch ich habe in meinem Bundesland herumgefragt, und meine Landesrätin hat die Innovationsstiftung für Bildung schon gekannt. (Bundesrätin Schumann: Na dann!) Sie hat nur gesagt, dass wir in Salzburg schon sehr weit sind, gerade im Bereich Mint-Projekte, sowohl in der Elementarpädagogik als auch in den Schulen. Sie hat daher bis jetzt noch keine Fördermittel gebraucht, es sei aber angedacht, dass man diese natürlich auch in Salzburg verwendet. Ich denke also, heute ist eine gute Möglichkeit, um zu schauen, dass diese Stiftung zusätzlich Mittel hat, indem wir ermöglichen, dass Externe noch mehr Mittel in diese Stiftung hineinbekommen.

Ich habe im Ausschuss gehört, dass zwei Drittel von extern kommen sollen und ein Drittel von der Stiftung kommen muss. Und das wird ja nicht angerechnet: Das Bildungsminis­terium dotiert diese Stiftung jährlich mit 2 Millionen Euro – bis zum Ende sind insgesamt


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 144

50 Millionen Euro angedacht –, aber das wird nicht angerechnet, sodass auch externe Mittel nicht dazu beitragen können, dass diese Stiftung dann kürzer läuft, auch das ist ja sehr wichtig und notwendig.

Also ich denke, die Qualitätssicherung ist gewährleistet, denn es gibt ja auch noch den Beirat, der einbezogen werden muss. Ich verstehe darum nicht, warum man dieser No­velle nicht zustimmen will. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.25


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Markus Leinfellner. – Bitte.


17.25.21

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich halte es mit Kollegen Schennach: Als ich den Tagesordnungspunkt gesehen habe, habe ich auch nicht sehr viel mit diesem Innova­tionsstiftung-Bildung-Gesetz anfangen können. Aber das macht es ja so schön: Man muss sich auch mit Dingen beschäftigen, die einem vielleicht nicht so bekannt sind.

Wie wir in der Vergangenheit mit dieser Bundesregierung gelernt haben, zahlt sich auch bei den Gesetzen meistens ein zweiter Blick aus. Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat vorhin gesagt: Na ja, dieses Kompetitive, das ist ja noch da. – Einen Fehler darf man beim Lesen aber nicht machen, da steht nämlich: kompetitiv oder qualitätsgesichert. Da steht nicht: und qualitätsgesichert. Das würde einen Unterschied machen. So, muss ich sagen, sind wir aber eher bei einem Punkt angekommen, wo es heißt: Transparenz aus, Freunderlwirtschaft ein. Ich glaube, da kennen wir die ÖVP inzwischen schon gut genug beziehungsweise viel zu gut. Ich will jetzt gar nicht auf Hausdurchsuchungen, auf die Schmid AG, auf Hygiene Austria – Kaufhaus Österreich haben wir auch gehört, aber da wissen Sie selbst am besten, dass das in die Hose gegangen ist – eingehen, aber wir sollten beim Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz doch etwas genauer hinschauen.

Man will mit diesem Gesetz wieder einmal Ausschreibungen bei Förderungen unterbin­den. Die ÖVP kann wieder schalten und walten, wie sie möchte. In der Vergangenheit hat man dazu Freunderlwirtschaft gesagt. Mittlerweile gibt es, seit 2009, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Mit dieser habt ihr schon bestens Erfahrung und sie könnte man an dieser Stelle fast empfehlen. Vielleicht verlegt man den Sitz der WKStA gleich in die ÖVP-Parteizentrale, da würden wir uns viel Kilometergeld und Außendienst­kosten ersparen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Genau die Intransparenz, die man in dieses Gesetz wieder hineingepackt hat, ist es, was wir nicht haben wollen. Das ist es, was unsere Österreicher nicht haben wollen, Herr Bildungsminister! In Ihrem Ressort gibt es viel zu tun, Kollegin Hahn hat schon sehr viel angesprochen. Für Freunderlwirtschaft haben sie da, glaube ich, gar keine Zeit, deswe­gen finde ich die Änderung, die wir da drinnen haben, völlig sinnlos.

Schauen Sie sich nur einmal das Qualitätsmanagement im Bereich der Schulen an: Man brummt es den Schuldirektoren auf und von dort wird es vielleicht an eine Lehrerin dele­giert, denn sie haben nicht die Zeit, um das zu vollziehen. Ich erinnere an einen Zei­tungsartikel von gestern in einem Regionalmedium, wo ein Personalvertreter – nicht einer von uns, sondern von der FSG – einen Hilfeschrei ausstößt: „Das Schulsystem funktioniert nicht mehr“, so lautet die Überschrift dieses Artikels.

Es gibt viele, viele Dinge, bei denen wir noch Baustellen haben. Ich glaube, Sie haben sich inzwischen eingearbeitet, es wäre also schön, wenn Sie jetzt auch wirklich mit dem Arbeiten anfangen. Die Schulen müssen eine Qualitätssicherung machen und das ist, wie ich schon gesagt habe, nicht bewältigbar, ganz zu schweigen davon, dass die Hand­bücher dazu fehlen. Herr Bundesminister, auch die fehlen noch immer!


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 145

Auf das Coronachaos will ich auch gar nicht weiter eingehen: Die Lehrkräfte müssen das Testen übernehmen, anstatt ihre Zeit in die Ausbildung zu investieren. Inzwischen ist Corona ja weg, mittlerweile gibt es eine Ukrainekrise, und seit der Ukrainekrise spielt das Coronathema auch in den Schulen keine bedeutende Rolle mehr, außer eben bei den Testungen. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Kittl.) Und zu den Testungen muss ich Ihnen sagen: Im Onlineshop sind keine Tests mehr abrufbar. Im Onlineshop ist es für die Schulen nicht mehr möglich, Tests zu bekommen, und so gibt eine Verteilung von einer Schule zur anderen. Ich weiß nicht, wie wir weitertun, wenn keine mehr da sind. Herr Bildungsminister, vielleicht können Sie das im Anschluss beant­worten.

Dann noch zu den Flüchtlingskindern, die jetzt da sind: Ja, sie sind bereits in den Schulen integriert, sie sprechen aber kein Wort Deutsch. Jetzt schafft man Stundenkontingente für Dolmetscher, für Psychologen, aber findet dafür keine geeigneten Personen. Es gibt die Dolmetscher nicht, die das übersetzen könnten, das ist ein Problem, um das Sie sich kümmern sollten, Herr Bildungsminister! Lehrerinnen und Lehrer mit Bachelorstudium innerhalb von fünf Jahren mit einem Masterstudium zu betrauen, bei all den Problemen, die sie haben: Sie sollten sie stattdessen auf eine Zauberschule schicken, denn diese Probleme kann man nur mehr wegzaubern. Das muss ich Ihnen ins Stammbuch schrei­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da es so aber nicht kommen wird, werden Sie sich um diese Probleme kümmern müs­sen. Ich würde also wirklich etwas weniger Freunderlwirtschaft empfehlen, denn das ist der falsche Ansatz bei der Fördervergabe. Kümmern wir uns ums Bildungssystem und machen wir keine Schmid AG 2.0 daraus! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.30


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


17.30.31

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Gäste vor den Bildschirmen! Das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz wurde im Zuge der Bildungsreform 2017 erlassen, um Innovationen im Bildungs­system zu fördern. Ich werde das vielleicht noch ein bisschen erklären, weil ja anschei­nend niemand weiß, worum es da geht. (Rufe bei der SPÖ: Na!)

Die Stiftung ist eine ausgegliederte Institution des Bildungsministeriums, sie soll einen Beitrag zur Anhebung der Innovationskompetenz und des Bildungsniveaus aller Alters­gruppen in Österreich leisten und sie soll Impulsgeberin sein. Das ist sie, indem sie ge­meinsam mit Privaten, deren Investitionen steuerbegünstigt sind, innovative Projekte fördert. Ein bisher durchgeführtes Projekt war zum Beispiel Motion4Kids, das ist ein Be­wegungsprojekt für SchülerInnen, das ihnen Freude an der Bewegung und gleichzeitig auch soziale Kompetenz vermittelt. Ein anderes Projekt ist Mintality, das junge Frauen für technische Berufe, in denen vor allem auch Fachkräftemangel herrscht, gewinnen will.

Derzeit können solche Projekte aber nur dann gefördert werden, wenn sich Bildungs­institutionen wie Kindergärten oder Schulen um diese Mittel bewerben (Bundesrätin Schumann: ... Parlament die Kontrolle!), also miteinander in einen Wettbewerb treten und Ausschreibungen gewinnen, was für alle Beteiligte ein sehr aufwendiger Prozess ist. Darüber hinaus konnte so bisher natürlich auch nicht gezielt ein bestimmtes Projekt unterstützt werden. Die kompetitive Ausschreibung soll daher nun um ein qualitätsgesi­chertes Verfahren erweitert werden – ein qualitätsgesichertes Verfahren!

Wie Kollegin Eder-Gitschthaler schon erwähnt hat, müssen die Kriterien natürlich objek­tiv bestimmbar und nachvollziehbar sein und sie bedürfen zusätzlich auch der Zustim­mung des Stiftungsrats, der den wissenschaftlichen Beirat hinzuziehen muss, außerdem


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 146

sind sie öffentlich zu machen. Lassen Sie mich ein gutes Beispiel dafür bringen, wie die Stiftung mit dieser Erweiterung jetzt gerade sinnvoll eingesetzt wird: Bei diesem Projekt – es nennt sich 100 Schulen – 1 000 Chancen und ist ein Schulentwicklungsprojekt – geht es darum, die Chancengerechtigkeit in der Bildung zu erhöhen. Dabei wurden mittels einer Art Chancenindex Pflichtschulen mit ähnlich schwierigen strukturellen Gegeben­heiten ausgesucht, um deren Performance vergleichen zu können. Ziel ist es, Good-Practice-Modelle für mehr Bildungsgerechtigkeit zu finden. Der Chancenindex beachtet die Alltagssprache, soziökonomische Faktoren des Elternhauses und dessen Bildungs­hintergrund.

Ausgesucht worden sind 100 Volks- und Mittelschulen österreichweit, vor allem – nahe­liegend – in Bildungsräumen. Diese definieren nun die Probleme an der Schule selbst und suchen auch selbst nach Lösungen. Es ist ein spannender Bottom-up-Prozess, der von den Schulen selbst durchgeführt wird und damit aus der Praxis kommt, nämlich von den StakeholderInnen direkt, also von Eltern, SchülerInnen, Lehrkräften, DirektorInnen gemeinsam mit dem Schulqualitätsmanagement. Das von der Innovationsstiftung zur Verfügung gestellte Geld steht den Schulen für bedarfsorientierte Maßnahmen zur Ver­besserung der Chancengleichheit zur Verfügung.

Es geht da um Sozialarbeit, um Computerausstattung, um bessere Aufenthaltsqualität, um mehr Sprachunterricht, mehr Ausflüge oder einfach auch um ein Frühstück. Wissen­schaftlich begleitet wird das Projekt von der Uni Wien, die festhält, wie die Ressourcen an einem Schulstandort mit besonderen Herausforderungen konkret eingesetzt werden und wie sich das dann auf die Schulqualität auswirkt.

Mit diesem Projekt soll herausgefunden werden, was im Schulalltag verbessert werden kann und was Kinder brauchen, um besser lernen zu können. Natürlich sind es von den österreichweit etwa 5 500 Schulen nicht nur 100, die damit kämpfen, alle SchülerInnen auf einen guten Bildungsweg mitzunehmen. Daher ist es das Ziel, mithilfe dieses Pro­jekts die Chancengleichheit im Bildungsbereich in allen betroffenen Schulen zu erhöhen, denn aus dem Projekt mit diesen 100 Schulen und durch die Auswertung der wissen­schaftlichen Begleitung durch die Uni Wien können strukturelle Änderungen abgeleitet werden, die dann auf andere Schulen mit ähnlichen Bedingungen umgelegt werden können.

Ich ersuche daher um Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung, welche die Innovation im Bildungsbereich nahe am Schulalltag fördert und zu mehr Gerechtigkeit, nicht nur in der Schule und bei der Bildung, sondern natürlich auch im späteren Leben, führt. – Vie­len Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.35


17.35.18

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

17.36.0519. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein GeoSphere Austria-Gesetz erlassen und das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das For­schungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 147

Mineralrohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz) (1365 d.B. und 1402 d.B. sowie 10913/BR d.B. und 10939/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um den Bericht.


17.36.31

Berichterstatter Otto Auer: Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zu­kunft über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein GeoSphere Austria-Gesetz erlassen und das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das For­schungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das Mineral­rohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz).

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 15 Abs. 6 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Danke.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile ihr das Wort.


17.37.58

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Geschätzte Zu­hörerInnen! Mit der Geosphere Austria wird eine neue Körperschaft des öffentlichen Rechts geschaffen. Die Geosphere Austria geht aus der Fusionierung von zwei nachge­ordneten Dienststellen, der Geologischen Bundesanstalt und der Zentralanstalt für Me­teorologie und Geodynamik, hervor.

In Wien soll eine zentrale Kompetenzstelle entstehen: eine Forschungsorganisation für Daten und Informationen über die gesamte Geosphäre. Spitzenforschung mit interna­tionalem Charakter wird in Wien angesiedelt. Folgende Ziele werden mit dieser Fusion unter anderem verfolgt: Steigerung der gesamtstaatlichen Resilienz, Verbesserung der Einsatzbereitschaft von Behörden und Einsatzorganisationen, Sicherung der geologi­schen, geophysikalischen und meteorologischen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen in Österreich und wissensbasierter Umgang mit dem Klimawandel. – Ja, diese Zielformu­lierungen sind stimmig.

Nun aber zu den Kritikpunkten der sozialdemokratischen Fraktion an dieser Gesetzes­vorlage: Die Errichtung der Geosphere Austria führt nicht zu einer Verschlankung bei den Wetterdiensten. Negativ ist auch, dass andere staatliche Wetterdienstleister entge­gen der ständigen Rechnungshofkritik nie in diese neu gegründete Körperschaft öffentli­chen Rechts einbezogen wurden.

Weiters erlaubt der Gesetzentwurf der neuen Anstalt Geosphere Austria, neben ihren hoheitlichen Aufgaben auch Dienstleistungen auf dem freien Markt anzubieten. Die Um­setzung in diesem Bereich sehen wir als nicht gelungen an. In Abwägung der Pros und Kontras ist die sozialdemokratische Fraktion zum Schluss gekommen, dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Besonders verwundert mich die Zustimmung der Vertreterinnen und Vertreter der tür­kisen beziehungsweise der von der ÖVP geführten Länder, fordern diese in ihren Präsi­dentschaften doch unentwegt eine Dezentralisierung von Einrichtungen des Bundes.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 148

(Beifall bei der SPÖ.) Auch der Gemeindebund hat in seiner Stellungnahme darauf Be­zug genommen. Aus Ihrer Sicht muss dies doch eine völlig vertane Chance sein – oder ziehen Sie die Dezentralisierungskarte nur dann, wenn es um ein Wienbashing geht? Das ist reine Taktik, kein Inhalt, keine Substanz. Haben Sie mit der Dezentralisierungs­strategie, die Sie verfolgen, schon irgendwelche Erfolge erzielt?

Sehr geehrter Herr Minister, ich komme zu den Schlüsselwörtern: wissensbasierter Um­gang mit dem Klimawandel. Wie gedenken Sie in Anbetracht der vorherrschenden Wis­senschaftsskepsis die Bevölkerung einzubinden, damit an einem Strang gezogen wird? Immer wieder sind wir mit einer Flut an alternativen Fakten konfrontiert, die wissenschaft­liche Arbeiten sowie Forscherinnen und Forscher diskreditieren, sichtbar wurde das zu­letzt bei der Bewältigung der Covid-Krise.

Es gibt aber auch strukturelle Schwächen in der österreichischen Wissenschaftsland­schaft, die zu einer Wissenschaftsskepsis führen. Ich gebe ein Beispiel aus der kommu­nalen Praxis: Ein Versorgungsunternehmer plant eine überregionale Infrastruktur über mehrere Gemeinden hinweg. In der betroffenen Bevölkerung regt sich Widerstand. Die zuständige Behörde lenkt ein und vergibt einen Auftrag an ein Universitätsinstitut, das in dem Zusammenhang als die österreichische Kompetenzstelle gilt, und lässt die Sache wissenschaftlich analysieren. Zeitgleich wird innerhalb der Zivilgesellschaft bekannt, dass diese Kompetenzstelle bereits mehrfach bezahlte Aufträge für ebendieses Versor­gungsunternehmen durchgeführt hat. Das war, wie die Erfahrung zeigte, das Aus für das Vertrauen in die Wissenschaftlichkeit dieser Analyse. Das Vertrauen ist da verloren ge­gangen, und das, obwohl es sich um ein äußerst renommiertes Universitätsinstitut ge­handelt hat.

Da verschwimmen die Grenzen zwischen kritischer Betrachtung und Skepsis, und dies ist eine äußerst schlechte Entwicklung für die wissenschaftliche Herangehensweise an Probleme. Ich ersuche Sie dringend, diesbezüglich Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, aber auch strukturelle Schwächen zu entschärfen, damit das Vertrauen in die Wissen­schaft wieder zunimmt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.44


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


17.44.11

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Lancaster! In diesem Fall geht es nicht um eine Zentralisierung, sondern zwei Anstalten werden zu einer zusammengefasst, und es entsteht damit ein neues Produkt. Sie haben im Aus­schuss völlig berechtigt gescheite Fragen gestellt (Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling), und die ganz klare Antwort darauf war: Die Standorte bleiben. Deswegen ist dieser Zentralisierungsvorwurf jetzt auch nicht ganz verständlich, weil er einfach nicht stimmt. (Ruf bei der SPÖ: Ja, genau!)

Mit diesem Gesetz werden die bisherige Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna­mik, die berühmte Zamg – das ist ein Wort, das wir wahrscheinlich ein bisschen vermis­sen werden (Heiterkeit des Redners) –, und die Geologische Bundesanstalt zur Geo­sphere Austria, GSA, zusammengelegt. Dass wir uns an diesen Namen erst gewöhnen müssen, habe ich gleich bemerkt. Manche sagen Geosphäre, ich sage Geosphere, aber auch da werden wir noch ein einheitliches Wording finden.

Das ist eigentlich wirklich eine gute Nachricht für den Klimaschutz, eine gute Nachricht für die Forschung, eine gute Nachricht für die Datenlage und für offene Daten und es ist auch gut für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Anstalten.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 149

Was man sich als Politiker bei so einem Thema doch als Erstes fragen muss, ist: Was ist gut für die Forschung? Was ist gut für die Geoökologie? Was ist gut fürs Klima? Als Ziele der Geosphere Austria wurden im Wesentlichen vier Punkte definiert – Frau Lan­caster hat das ja vollkommen richtig gesagt –, und eigentlich sind das, wie ich finde, vier Hauptargumente, um dafür zu sein: Erstens ist das eine wirksame Antwort auf die Kli­makrise und die geoökologischen Herausforderungen, die wir haben. Es ist außerdem eine Sicherstellung und Optimierung von Datenservice und Wissensmanagement. Wir haben das auch im Ausschuss diskutiert. Das sind offene Daten, die dann auch auf data.gv.at zur Verfügung gestellt werden. Das ist ganz wichtig, denn das heißt, dass auch andere Services, Anbieter, auch Firmen darauf zugreifen können, das ist ein wich­tiger Motor für Wissensmanagement und Kommunikationsmanagement in dem Bereich. Es ist die Schaffung der institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen eines wirklich zukunftsfähigen staatlichen Dienstes, in dem Kompetenzen gebündelt und nicht zer­franst werden. Und wir haben damit die Schaffung eines wirkmächtigen, neuen nationa­len Kompetenzzentrums für Klimaforschung und Daseinsvorsorge. – Deswegen grün­den wir die Geosphere Austria.

Wir alle wissen, welche enormen Herausforderungen uns aufgrund der Klimakrise bevor­stehen. Ich nenne nur einige: Rohstoffverknappung, Naturgefahrenprävention, Katastro­phenmanagement, Fragen der nachhaltigen Energieversorgung, der Energiespeiche­rung und alle Fragen rund um Grundwasserschutz. Mit dem vorliegenden Gesetz wird eine Anstalt öffentlichen Rechts geschaffen. Das ist wichtig, es heißt nämlich, dass das eine vollrechtsfähige juristische Person ist, und genau das ist der Unterschied zu den zwei bisherigen Anstalten, die nur teilrechtsfähig sind. So entsteht tatsächlich ein Unter­nehmen, das wirklich viel mehr machen kann und viel autonomer und eigenständiger arbeiten kann.

Die Einrichtung der GSA ist notwendig, sie ist zweckmäßig, eben weil die bisherigen teilrechtsfähigen Dienststellen das nur in einem kleineren Ausmaß ermöglichen konnten.

Mit diesem Gesetz sichern wir langfristig staatliche Dienste für Geologie und Geophysik, für Meteorologie und für Klimatologie. Wir verknüpfen die Daten und wir sichern sie auch für weitere wissenschaftliche und wirtschaftliche Tätigkeiten.

Es ist klar geregelt, was mit den unter Teilrechtsfähigkeit angestellten Personen passiert, was mit den Beamten und Beamtinnen passiert, was mit den Vertragsbediensteten pas­sieren wird. Wir wissen, dass ein Kollektivvertrag auszuverhandeln ist, dass Betriebs­vereinbarungen übernommen werden, und wir wissen auch, dass die Betriebsräte im Kuratorium sitzen werden. (Ruf bei der SPÖ: Ha, ha! – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Jö!)

Jammern wir also lieber nicht, sondern stimmen wir zu, denn es ist eine gute Sache! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schu­mann: Danke! Danke! – Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Bitte, gerne! – Bundesrätin Schumann: Ihr seid doch großzügig! – Bundesrat Schreu­der: Ja, finde ich schon!)

17.48


Vizepräsident Günther Novak: Ich begrüße Herrn Mag. Gerhard Karner, Bundesminis­ter für Inneres, bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Florian Krumböck. Ich erteile ihm das Wort.


17.49.06

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Mitglieder auf der


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 150

Regierungsbank! Sehr geehrte Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Dank hellen Köpfen wie Benjamin Franklin wissen wir heute, dass Blitze nicht die Laune ir­gendwelcher Gottheiten sind, sondern aufgrund von elektrischer Ladung entstehen. Blit­ze entstehen durch eine Entladung, die zwischen oberen und unteren Wolkenschichten beziehungsweise zwischen Wolkenschicht und Erdboden passiert. Das Faszinierende daran ist, dass wir Menschen bis zum 15. Juni 1752 auf den Beweis dafür warten muss­ten (Zwischenruf des Bundesrates Egger), davor konnten wir nur glauben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Glauben allein reicht uns in einer aufgeklärten Welt nicht mehr. Ich weiß, dass hin und wieder manche Redebeiträge von Kollegen eine an­dere Anmutung haben, vor allem wenn diese sich dann selbst glauben und sich dabei ein bisschen radikalisieren und in eine Art Scheinwelt hineinmanövrieren. Glauben allein reicht aber vor allem dafür nicht aus, den komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Wir brauchen deshalb belastbare Daten und Informationen, um unsere Welt verstehen und sie zum Besseren verändern zu können.

Das Gute ist, dass wir in Österreich auf eine erfolgreiche Geschichte der Erforschung von meteorologischen, geophysikalischen und geologischen Grundlagen zurückblicken können.

1848 ist die Geologische Bundesanstalt gegründet worden, 1852 die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Heute, 270 Jahre nach dem Experiment von Benjamin Franklin, sorgen wir für einen weiteren zukunftsgewandten Schritt mit der Gründung der Geosphere Austria, der GSA, als neuer Kerneinrichtung der Erforschung, Sammlung und Analyse sämtlicher geologischer, geophysikalischer, meteorologischer und klimato­logischer Daten in Österreich.

Geschätzte Damen und Herren! Der heutige Beschluss stellt nicht nur eine Organisa­tionsreform dar. Ich stimme mit der SPÖ überein, dass es schade ist, dass man solche Einheiten nicht aus Wien in die Bundesländer hinausbringt, nur bin ich mir nicht sicher, ob die SPÖ-Fraktion dann auch dazu bereit ist, gesetzliche Grundlagen zu ändern, dass man Wien eben nicht mehr als Standort genau solcher Einheiten festlegt. (Bundesrätin Schumann: Die Debatte haben wir durch, Kollege!) – Na es ist von euch gekommen! Es war euer Einwurf, aber dann müsst ihr den Worten auch Taten folgen lassen (Bun­desrätin Grimling: Aber die Debatte haben wir schon gehabt!) –, so, dass das einfacher funktioniert. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Ich kann mich da an ein Umweltbundesamt erinnern, bei dem eure Stadtregierung Sturm gelaufen ist und ganz wild argumentiert hat, warum das alles nicht funktioniert. (Bundes­rätin Schumann: Der Kollege war noch nicht da, der ist noch neu, der war noch nicht da! – Bundesrätin Grimling: Aber es ist bis heute nix passiert!) – Also, liebe Kollegen: Wenn ihr das ernst meint, dann müsst ihr da auch Taten setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf alle Fälle, geschätzte Damen und Herren, ist das ja nicht nur eine Organisationsre­form, sondern die Geosphere Austria schafft auch mehr Sicherheit durch interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das gilt gerade dann, wenn es um Naturkatastrophen, Rohstoffver­knappung oder den Klimawandel geht. Als Staat ist genau das unsere Grundaufgabe: nämlich für die Sicherheit der hier lebenden Menschen zu sorgen, und um das zu tun, brauchen wir evidenzbasierte Entscheidungen, und dafür braucht es Modelle, die die Umwelt bestmöglich abbilden, und Prognosen, die die Zukunft bestmöglich beschreiben. Und genau das schafft die Geosphere Austria. Wir haben nämlich schon gute Daten und Informationen durch die bestehenden Institutionen, aber durch die interdisziplinäre Zu­sammenarbeit der neuen Einheit wird das noch besser werden.

Damit wird ja auch klar – und so viel vielleicht auch zur Wissenschaftsskepsis in dem Land –: Von besserer wissenschaftlicher Infrastruktur profitieren wir alle, nämlich vom


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Privathaushalt über die Landwirtschaft bis zur Wirtschaft. Wir können Menschen und Infrastruktur besser schützen, wenn man etwa an Hangrutschungen und Muren denkt, die aufgrund von Extremwetterereignissen immer häufiger werden. Wir können unser Trinkwasser besser schützen. (Bundesrätin Schumann: Das beste Trinkwasser haben die Wiener!) Wir haben bessere Grundlagen dafür, in der Landwirtschaft wirklich eintre­tende Prognosen zu erstellen, und wir können vor allem auch dem Klimawandel durch ein besseres Verständnis unserer Welt, erfolgsversprechende Kooperationsmöglichkei­ten internationaler Natur und die Nutzung von Synergien besser begegnen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir uns heute auf Daten, auf Wissenschaft und auf Forschung verlassen können. Früher, vor ein paar Tausend Jah­ren, haben die Menschen noch, wenn es ums Grundwasser gegangen ist, einem kroko­dilsköpfigen Gott vertraut. Wenn die Erde gebebt hat, war, wenn es um die nordischen Länder geht, Loki daran schuld. Mit dem heutigen Beschluss können wir aber wieder der Wissenschaft dienen und unser Katastrophenschutzmanagement, unsere Rohstoffvor­sorge, das Management von Klimaschutzmaßnahmen optimieren, indem wir die Wissen­schaft institutionell stärken und diese Kerneinrichtung der Forschung gründen.

Ich bitte auch die SPÖ, diese Reform zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

17.54


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.


17.54.20

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es ist eh schon von den Vorrednern angesprochen worden: Das Vorhaben der Bundesregierung – die Aus­gliederung und die Zusammenführung zu einer neuen Forschungseinrichtung, die aus­gebaut wird – erhält unsere Zustimmung beziehungsweise werden wir keinen Einspruch erheben.

Die Zusammenlegung der Wetterdienste war und ist auch eine alte Forderung von un­serer Seite, der FPÖ. Wir sind froh, dass jetzt dieser Schritt in diese Richtung gemacht worden ist, wenngleich es sehr lange gedauert hat. Es war bereits im Jahr 2019, dass die ersten Schritte gesetzt worden sind – damals noch in der Regierungszeit der ÖVP und der FPÖ –, und jetzt liegt dieser Entwurf vor.

Wie gesagt, wir halten das für grundsätzlich gut, einfach deswegen, weil es immer auch ein Prinzip der Freiheitlichen ist, dass man versucht, die Verwaltung zu verschlanken. Das passiert aus meiner Sicht natürlich auch in diesem Fall. (Bundesrätin Schumann: Sicher nicht! Eben nicht!) Mit Errichtung dieser Bundesanstalt schaffen wir ein neues nationales Kompetenzzentrum mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Budget von rund 40 Millionen Euro.

Eines ist aber klar, und darauf muss ganz genau geschaut werden – ich wende mich an Sie, Herr Bundesminister –: Ich und die Bevölkerung wollen, dass das Geld sinnvoll ein­gesetzt wird, und nicht, dass das neue Institut wieder eine Einrichtung für grüne oder schwarze Jobs wird. Das möchte ich nicht, und die Bevölkerung hat schon genug davon. Das heißt, wir werden ganz genau schauen, was sich in Zukunft dort auch personell tut.

Herr Bundesminister! Transparenz ist mir – und ich nehme an, uns allen – sehr wichtig. Daher gehe ich natürlich davon aus, dass die Besetzungen mit höchster Transparenz passieren. Transparenz stelle ich mir nicht so vor, wie es bei der Nachbesetzung bei der Medizinmarktaufsicht passiert ist oder wäre, wo eine Pharmalobbyistin auf einmal die Medizinmarktaufsicht hätte leiten sollen. Gerade wenn es in Zukunft darum geht, dort


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Führungspositionen neu zu besetzen, hoffe ich, dass nicht irgendwo auch wieder Side­letters auftauchen, in denen es bereits ausgemacht wurde oder schon vorbesprochen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das alles klappt und nachvollziehbar ist, dann sind wir auf einem guten Weg. Es ist hoffentlich klar, dass diese zusammengelegten Dienste – der Kollege hat es angesprochen – auch selbst Studien erstellen werden, die dem Prinzip nach auf Open Data basieren, sodass auch andere auf die Daten zugreifen können. Wie so oft wurden leider auch dieses Mal mehrere Anträge der Opposition, auch welche von unserer Seite aus fadenscheinigen Gründen vertagt.

Zum Kollegen Krumböck betreffend Glaube oder Wissen: Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Vorwürfe gegen die ÖVP, neue Schlagzeilen kommen: Vorfälle rund um den Personenschutz des Bundeskanzlers, Vorwürfe gegen Sobotka, Alois-Mock-Institut und vieles mehr. Sie glauben bis heute noch, dass die ÖVP mit Korruption nichts zu tun hat, aber es wird auch da irgendwann einmal bewiesen werden, dass es auch dort Korruption gibt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Wie gesagt, wir stimmen dieser Zusammenlegung zu und wünschen dem neuen Institut alles Gute und viel Erfolg. (Beifall bei der FPÖ.)

17.57


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Martin Polaschek. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.58.06

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Als wirklich nationa­ler geologischer, geophysikalischer und meteorologischer Dienst soll eben diese neue Geosphere Austria einen Beitrag zur Sicherung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen Österreichs, zum wissensbasierten Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen, zur nachhaltigen Entwicklung Österreichs sowie zur Steigerung der gesamtstaatlichen Resilienz und Krisenfestigkeit leisten.

Eine solche zentrale Kompetenzstelle wird in Zeiten des Klimawandels und damit einher­gehender außergewöhnlicher Wetterereignisse und Extremwetterlagen immer wichtiger. Ich verweise auf aktuelle dringliche Anforderungen: die schnelle interdisziplinäre Bera­tung im Falle von Natur- und Umweltkatastrophen, die nachhaltige und umweltverträgli­che Rohstoffgewinnung und Energiespeicherung, die Sicherung der Grundwasserreser­ven in qualitativer und quantitativer Hinsicht, die Nutzung alternativer Energieformen wie etwa Geothermie, Solar- oder Windenergie und auch die Verhinderung und Bekämpfung von Bodendegradation.

Aus aktuellem Anlass darf ich nicht zuletzt auch auf die Leistungen im Bereich des Strah­lenschutzes hinweisen, wobei ja die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik die entsprechenden Simulierungen der Ausbreitung von Schadstofffolgen im Auftrag der Re­gierung durchführt, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Geosphere Austria soll mit ihren zukünftig knapp 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern als eine wirklich der wissenschaftlichen Integrität verpflichtete Forschungsorganisa­tion des Ministeriums die zentrale Kompetenzstelle des Bundes für Daten und Informa­tionen eben über die gesamte Geosphäre – also Atmosphäre, Lithosphäre, Hydrosphäre und Pedosphäre – bilden.

Errichtet wird sie als Anstalt öffentlichen Rechts mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Finanziert wird sie primär aufgrund einer dreijährigen Leistungsvereinbarung mit dem Bund – versehen, wie schon gesagt, mit einem jährlichen Budget von knapp 40 Millionen Euro. Die Geosphere Austria kann aber auch Dienstleistungen gegen Entgelt erbringen.


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Ich möchte betonen, dass das nichts Neues ist, denn auch jetzt schon sind die Zentral­anstalt für Meteorologie und Geodynamik wie auch die Geologische Bundesanstalt als teilrechtsfähige Einrichtungen am Markt tätig.

Durch die eigenständige Leitung, die eingesetzt wird – nämlich, selbstverständlich in ei­nem transparenten Bestellungsverfahren, ein wissenschaftlicher und ein kaufmänni­scher Direktor –, und den Abschluss einer Leistungsvereinbarung bekommt die Geo­sphere Austria auch die größtmögliche Autonomie und gleichzeitig eine Finanzierungssi­cherheit und einen starken Rahmen – vergleichbar mit dem anderer Forschungseinrich­tungen wie etwa der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Alle neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nach dem Angestelltengesetz beschäftigt, wobei eben, wie bereits gesagt, ein Kollektivvertrag erstellt wird. Für die dort beschäftigten Beamtinnen und Beamten wird, wie an den Universitäten, ein eigenes Amt der Geosphere Austria eingerichtet, und für die Vertragsbediensteten bleibt das VBG die dienstrechtliche Grundlage. Ich darf auch betonen, dass es mir wichtig war, dass es so­wohl für die Bundesbediensteten als auch für die Angestellten in der Teilrechtsfähigkeit zu keinen Verschlechterungen kommt.

Um die wichtigen Leistungen der Geologischen Bundesanstalt und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik weiterhin zu garantieren und für die Zukunft gerüstet auf wirklich neue Beine zu stellen und eine wirklich schlagkräftige wissenschaftliche Einrich­tung zu ermöglichen, bitte ich Sie um Zustimmung zur gegenständlichen Regierungsvor­lage zur Errichtung der Geosphere Austria. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.02


18.02.06

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Der gegenständliche Beschluss enthält in Art. 1 § 29 Z 1 eine Grundsatzbestimmung. Da die Frist für die Erlassung dieser Grundsatzbestimmung länger als ein Jahr ist, bedarf der gegenständliche Beschluss der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 15 Abs. 6 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 15 Abs. 6 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.03.3020. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2146/A und 1421 d.B. so­wie 10931/BR d.B.)


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21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2222/A und 1422 d.B. so­wie 10932/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 20 und 21, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 20 und 21 ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um die Berichte.


18.04.44

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird, und zwar betreffend Sondererwerbstatbestände für die damaligen Verfolgten des Nationalso­zialismus sowie deren Nachkommen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich bringe des Weiteren den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hinsichtlich eines Übereinkommens zur Ver­minderung der Staatenlosigkeit geändert wird.

Auch dazu liegt ein schriftlicher Bericht vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Josef Ofner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.06.08

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuseher vor den Bildschirmen! Im Jahr 1993 wurden die gesetzlichen Vo­raussetzungen dafür geschaffen, dass jene Menschen, die vor dem NS-Regime geflüch­tet sind oder von diesem vertrieben wurden, die aberkannte österreichische Staatsbür­gerschaft wiedererlangen können. Nach 25 Jahren, im Oktober 2019, wurde dann der längst notwendige legistische Schritt und damit ein Zeichen des Respekts vor den Op­fern des Nationalsozialismus gesetzt, dass auch deren Nachkommen die Möglichkeit haben, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Seit diese Beantragungen möglich sind, hat man jedoch feststellen müssen, dass es diverse Gesetzeslücken gibt, wodurch Anträge zurückgewiesen werden mussten. Um diese Mängel nunmehr zu reparieren, hat gemeinsam mit allen Fraktionen und auch den Fachbeamten des Innenministeriums eine Evaluierung der Härtefälle stattgefunden, wo­durch mit der nunmehrigen Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes ein entspre­chender Zugang geschaffen werden konnte. Dies ist hinsichtlich der Verantwortung Ös­terreichs ein ebenso wichtiger Schritt wie auch die Bereitstellung von Beratungs- und Serviceleistungen in diesem Zusammenhang sowie deren Finanzierung, welche über den Finanzausgleich Berücksichtigung finden wird.


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Selbstverständlich werden wir diesen Allparteienantrag, welcher gemeinsam im Natio­nalrat eingebracht wurde, auch heute im Sinne des Respekts gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus sowie deren Nachkommen unterstützen.

Der zweite Punkt, der hinsichtlich der Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes zur Beschlussfassung vorliegt, betrifft die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Staatenlose, die von Geburt an in Österreich leben und ab dem 18. Lebensjahr einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft erhalten sollten. Diesbezüglich gibt es im Staatsbürger­schaftsgesetz im § 14 fünf Voraussetzungen, die zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft berechtigen. Darunter ist unter anderem auch vorgesehen, dass die Staatsbürgerschaft von Staatenlosen nach Vollendung des 18. Lebensjahres und spä­testens zwei Jahre nach dem Eintritt der Volljährigkeit beantragt werden kann.

Nunmehr wollen die anderen Parteien eine Verlängerung dieser Frist von zwei Jahren auf drei, weil man sich auf irgendwelche Empfehlungen beruft, wobei wir spätestens seit der Migrationswelle im Jahr 2015 wissen, dass Staatenlosigkeit der Eltern des Öfteren auch zustande kommt, weil da einfach Missbrauch geschieht. Wir sehen die derzeit im Gesetz vorgesehene Frist von zwei Jahren daher als mehr als ausreichend an und wer­den diese Gesetzesänderung daher ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.09


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte.


18.09.34

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die Sie unserer Bun­desratssitzung noch beiwohnen! Ich stelle mir sehr oft die Frage – speziell heute, weil wir das Staatsbürgerschaftsgesetz ändern –: Was heißt es für österreichische Staatsbür­ger, für österreichische Staatsbürgerinnen, StaatsbürgerIn zu sein oder sein zu dürfen? Was bedeutet das für jeden Österreicher, für jede Österreicherin persönlich?

Eine Staatsbürgerschaft, egal, für welches Land, hat große Vorteile und ist mit Rechten, aber natürlich auch mit Pflichten verbunden. Ich persönlich – und ich denke, auch viele Landsleute – verbinde mit der österreichischen Staatsbürgerschaft natürlich auch viele persönliche Dinge: zum Beispiel Heimatverbundenheit, Zugehörigkeit zu einem Staat und zur Gesellschaft, vielleicht auch Sicherheit sowie in Österreich auch Wohlstand, Freiheit, vielleicht auch Dankbarkeit, in Österreich geboren zu sein – das ist ja nicht selbstverständlich –, und vieles, vieles mehr.

Bewusst wird einem das am ehesten, wenn man sich länger im Ausland befindet, auf­hält – egal, ob beruflich, während eines Studiums, auf Urlaub oder einfach, wie man so sagt, wenn man über den Zaun schaut und sich über das Land informiert, wo man gerade ist, und spürt: Österreich ist ein lebens- und liebenswertes Land, und dort daheim zu sein tut einfach gut.

Worum geht es heute? – Die Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes ist deshalb so notwendig und wichtig, weil wir für Menschen, die vom Naziregime verfolgt wurden, und deren Nachkommen, die heute normalerweise österreichische Staatsbürger wären, wenn es nicht diese Zeit gegeben hätte, die Möglichkeit des Zugangs zur und die Be­antragung der österreichischen Staatsbürgerschaft schaffen. Ich finde, es ist ein sehr positives Zeichen und freue mich wirklich, dass dies ein gemeinsames Bemühen ist und heute, so hoffe ich, wie im Ausschuss auch hier im Bundesratsplenum große Zustim­mung findet.

Unter Tagesordnungspunkt 21 beschließen wir die Möglichkeit der Beantragung der ös­terreichischen Staatsbürgerschaft für staatenlos – man kann auch sagen: heimatlos –


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auf dem Gebiet unserer Republik geborene Menschen. In diesem Fall sollte entspre­chend der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Zeitraum auf drei – statt bisher zwei – Jahre nach Erreichung der Volljährigkeit erweitert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir, dass die personellen und finanziellen Mit­tel sichergestellt sind, und geben wir den Menschen, denen es bis heute versagt war, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, die Möglichkeit, sich besser zu inte­grieren und auch ein Stück Heimat zu spüren! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

18.13


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm das Wort.


18.13.15

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem: Liebe ZuhörerInnen! Ich darf vorwegnehmen, dass die SPÖ-Fraktion diesen beiden Gesetzes­anträgen die Zustimmung erteilen wird, ganz einfach weil diese Anträge sinnvoll, wichtig und auch notwendig sind. Die Grundlage bildet ein Fünfparteienantrag – das ist sehr erfreulich –, und zwar geht es um die Anpassung von Sonderregelungen im Staatsbür­gerschaftsrecht für Nachkommen von durch das NS-Regime Vertriebenen. Meine Vor­redner haben das schon sehr gut ausgeführt, ich werde mich auf die Eckpunkte be­schränken.

Diese Möglichkeit gibt es jetzt seit rund zwei Jahren, die Praxis hat aber gezeigt, dass dieses Gesetz Schwachstellen aufweist. Was ist nun diese Schwachstelle? – Es ist ganz einfach eine Formulierung im Gesetz, weil als formelle Voraussetzung die freiwillige Aus­reise normiert ist. Wir wissen, was in dieser dunklen Zeit damals passiert ist. Es sind sehr viele Menschen ermordet worden und es wurden auch sehr viele Menschen ins Ausland deportiert, und genau für diesen Personenkreis war es eben nicht möglich, die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Das korrigieren wir jetzt.

In der Praxis wird das heißen, dass es vermehrt Anträge geben wird. Zuständig ist dafür die MA 35 der Stadt Wien. Es ist auch erfreulich, dass es hierzu einen Beschluss im Ausschuss des Nationalrates gab, dass diesen personellen und finanziellen Mehrauf­wand der Staat Österreich übernehmen wird und diese Mehrbelastungen nicht auf den Schultern der Stadt Wien liegenbleiben.

Ich bedanke mich bei allen Parteien, dass es möglich war, diesen gemeinsamen Geset­zesantrag auf den Weg zu bringen. Es ist eine kleine, aber wie ich glaube sehr wichtige Geste, auch im Sinne unserer historischen Verantwortung.

Unter TOP 21 geht es auch wieder um eine geringfügige Anpassung im Staatsbürger­schaftsrecht. Wir haben es ebenfalls schon erläutert bekommen: Es geht da um staaten­lose Menschen, die ab dem 18. Lebensjahr einen erleichterten Zugang zur Staatsbür­gerschaft haben sollen. Wir hatten ein zweijähriges Zeitfenster und wir folgen jetzt einer Empfehlung der UN-Konvention, die sozusagen den Staaten empfiehlt, da auf drei Jahre zu gehen. Wir machen das sehr gerne und wir werden auch dazu unsere Zustimmung geben.

Vielleicht noch ein Aspekt: Die Praxis zeigt auch da, dass gerade dieser Personenkreis gar keine Kenntnis von dieser Möglichkeit hat, und deshalb würde ich auch die Behör­denseite ersuchen, Anspruchsberechtigten Informationen und Aufklärung zukommen zu lassen.

Abschließend – ich glaube, darin sind wir uns einig –: Staatsbürgerschaft bringt Rechte und Pflichten mit sich. Ganz sicher leistet die Staatsbürgerschaft aber einen unverzicht­baren Beitrag zur Identitätsstiftung und Integration. Die Staatsbürgerschaft fordert und


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fördert die Identifikation mit unserem Land, mit unserer Kultur, und sie sorgt für ein Ge­fühl des Dazugehörens. Deshalb ist dieses Gesetz sehr wichtig und unterstützt diesen Integrationsprozess.

Wir werden beiden Anträgen zustimmen. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


18.17.13

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Es ist sicherlich eine der historisch wichtigen Ver­antwortungen und Aufgaben unseres Landes, die österreichische Staatsbürgerschaft für Verfolgte des Nationalsozialismus und deren Nachkommen, um die es vor allem auch geht, zu gewähren.

Ich mache es jetzt auch ganz komprimiert. Wir haben es gehört: Vor rund zwei Jahren ist für Nachkommen von Verfolgten, bei denen anzunehmen ist, dass sie ohne das Un­recht, das ihre Vorfahren erlitten haben, heute im Besitz der österreichischen Staatsbür­gerschaft wären, ein Sondererwerbstatbestand geschaffen worden. Da hat sich eben diese Lücke gezeigt, dass das für ins Ausland deportierte Vorfahren nicht umgesetzt werden konnte, ohne Absicht. Das wird korrigiert – das ist sehr wichtig und sehr schön.

Erwähnen möchte ich noch eine wichtige Klarstellung, die im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes steht: nämlich dass österreichische Staatsbür­ger und Staatsbürgerinnen, die gleichzeitig eine andere, zweite Staatsbürgerschaft an­nehmen wollen und Nachkommen von Verfolgten des Nationalsozialismus sind, dies auch können. Das ist ihnen gesichert.

Ich denke, diese Änderungen sind im Sinne aller. Es sind auch einschlägige Verbände umfassend miteinbezogen und ihre Vorschläge mitberücksichtigt worden – ein sehr er­freulicher Schritt in der langen und durchaus spät angesetzten Aufarbeitung der österrei­chischen Geschichte; und es ist sehr schön, dass das einstimmig möglich ist.

Ein bisschen genauer vielleicht zur zweiten Gesetzesänderung betreffend Staatenlose: Da geht es um die Kinder von Staatenlosen. Denen wird jetzt die Frist ab dem 18. Ge­burtstag erstreckt. Es geht dabei eben um Kinder, die, weil die Eltern staatenlos sind, staatenlos geboren wurden und dafür natürlich – no na – nichts können und jetzt ohne Staatsbürgerschaft leben müssen. Es geht also um junge Menschen, die in Österreich aufgewachsen sind, die gar nichts anderes kennen, die hier in die Schule gegangen sind, die hier ihr vertrautes soziales Umfeld haben, die hier ihre Freunde und Freundinnen haben.

Beim Vorbereiten habe ich mir auch gedacht: Wahrscheinlich ist einem, der ganz selbst­verständlich eine Staatsbürgerschaft hat, gar nicht bewusst, was es heißt, keine zu haben. Da hängen so viele Sachen dran, wie eben – das ist angesprochen worden – der Schutz des Staates. Denken wir beispielsweise nur an Rückholaktionen! Diese hängen an der Staatsbürgerschaft.

Ganz, ganz viele Leistungen des Staates hängen an der Staatsbürgerschaft, nicht zuletzt ist die Staatsbürgerschaft eine wichtige Basis von Mobilität, denn ohne Pass kommen Sie nicht weit. Es hat sogar Fälle gegeben, dass Kinder bei Schulausflügen zu Hause bleiben mussten, weil sie keinen Pass haben, wenn ein Schulausflug über die Grenze durchgeführt wurde.

Wir wissen nicht ganz genau, wie viele Menschen in Österreich staatenlos sind. Die Sta­tistik Austria spricht 2021 von knapp 18 000 Personen, die als staatenlos gemeldet sind


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oder eine ungeklärte Staatsbürgerschaft haben. Wir reden ganz konkret von 400 Kin­dern, die in den letzten 20 Jahren ohne Staatsbürgerschaft geboren wurden, von Kin­dern, die einen nicht leichten Lebensweg vor sich haben.

Die Fristerstreckung um ein Jahr ist natürlich zu begrüßen, gar keine Frage, weil es oft so ist – der Kollege hat es angesprochen –, dass die Betroffenen vielleicht nicht einmal wissen, dass sie ein Recht haben, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Das ist natürlich ein relativ aufwendiger Prozess und es dauert auch seine Zeit, alle Unterlagen zu organi­sieren. Das fällt jetzt ein bisschen leichter, weil ein bisschen mehr Zeit da ist. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage aber auch ganz offen: Eigentlich sollte es zu umfassenden Erleichterungen kommen. Kein Kind in Österreich sollte staatenlos zur Welt kommen. Das geht doch nicht – da verstehe ich die FPÖ überhaupt nicht! Erstens einmal ist es eine Pauschalie­rung, denn man kann nicht Eltern dafür verantwortlich machen (Bundesrat Ofner: Es geht eh zwei Jahre!), dass ein Kind dann auf die Welt kommt und keine Staatsbürger­schaft hat. Das verstehe ich überhaupt nicht, da nicht zuzustimmen. (Bundesrat Ofner: Es geht eh zwei Jahre!)

Eine Basis für die Rechte von Staatenlosen ist das internationale Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit aus dem Jahr 1961. Dieses Abkommen ist also letz­tes Jahr 60 Jahre alt geworden. Leider hat es nichts an Aktualität verloren. Ziel dieses Übereinkommens ist es, Staatenlosigkeit überhaupt zu beseitigen, was sehr gescheit ist: Jeder Mensch sollte ein Recht auf eine Staatsbürgerschaft haben. Ganz besonders gilt das für Kinder und Menschen, die in einem Land geboren und aufgewachsen sind. De­nen wäre ganz generell die Staatsbürgerschaft zu erteilen, aber trotzdem freuen wir uns natürlich über diesen Erleichterungsschritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.22


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


18.22.32

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute grundsätzlich erfreulicherweise eine weitere Ausweitung des § 58c Staatsbürgerschafts­gesetz, das betrifft NS-Opfer im weitesten Sinne.

Der ursprüngliche Tatbestand für den erleichterten Erwerb – in Klammern: Wiederer­werb – der österreichischen Staatsbürgerschaft lediglich durch Anzeige unter erleichter­ten Bedingungen, zum Beispiel auch, dass auf diese Weise eine Doppelstaatsbürger­schaft erworben werden kann, ist schon länger in § 58c gestanden; das betraf die NS-Vertriebenen selbst. Vor zweieinhalb Jahren, 2019, wurde eine Ausweitung dieser Per­sonengruppe auf die Nachkommen dieser Vertriebenen beschlossen. Ich bin stolz, da­ran im Rahmen des Nationalratsklubs von NEOS mitgewirkt zu haben. Auch für diese ist es seither möglich, die österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige zu erwerben und dadurch Doppelstaatsbürger zu werden.

Wir beschließen heute eine weitere Ausweitung, aber gleichzeitig auch eine Einschrän­kung. Es gibt eine Ausweitung auf Personen, die Nachkommen von NS-Opfern sind, insofern Personen, die durch das NS-Regime ermordet worden sind, und auf der ande­ren Seite auf Personen, die, um einer Verfolgung zu entgehen, als Österreicher während der NS-Zeit nicht nach Österreich zurückkommen konnten und die österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben beziehungsweise deren Nachkommen, denn sonst würde man keinen Wiedererwerbstatbestand brauchen, wenn diese Staatsbürgerschaft nicht verloren gegangen wäre.


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Für die meisten dieser Personengruppen erfolgt aber gleichzeitig durch den neuen Ab­satz 5 eine Einschränkung, und ich vermute, das steht im Zusammenhang mit dem VwGH-Erkenntnis, das Kollege Gross angesprochen hat, da geht es nämlich um die Doppelstaatsbürgerschaften. Vor ein paar Monaten, vor Kurzem, hat der Verwaltungsge­richtshof entschieden, dass Auslandsösterreicherinnen beziehungsweise Auslandsös­terreicher, die ja die österreichische Staatsbürgerschaft haben und die Staatsbürger-schaft ihres Aufnahme-/Gastlandes annehmen möchten, eigentlich eine Zustimmung der Republik Österreich, Doppelstaatsbürger zu werden, brauchen würden, wenn sie die ös­terreichische Staatsbürgerschaft bei dieser Gelegenheit nicht abgeben möchten. Diese Zustimmung ist an sehr restriktive Tatbestände gebunden.

Wenn nun aber dieser Auslandsösterreicher im konkreten Fall gleichzeitig auch unter die Personengruppen des § 58c fällt, muss, das hat der Verwaltungsgerichtshof ent­schieden, in diesem Fall die Beibehaltung genehmigt werden, weil ihm ja nicht zuzumu­ten ist, dass er quasi automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft durch die An­nahme der fremden Staatsangehörigkeit ohne vorherige Erlaubnis zur Beibehaltung ver­liert, dann aber eine Sekunde später die österreichische Staatsbürgerschaft durch An­zeige wieder erwerben könnte, weil er ja unter die Tatbestände des § 58c fällt. Das muss man diesen Personen ersparen, deswegen ist in diesem Fall nach derzeitiger Rechts­lage die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit eine Doppel­staatsbürgerschaft zu erlauben.

Durch den neuen Absatz 5 soll das – ich nehme einmal an, in diesem Zusammenhang – eingeschränkt werden. Ich weiß nicht, ob das allen bewusst ist. Ich nehme einmal an, die ÖVP hat das deswegen untergejubelt, und das ist der große Wermutstropfen an die­sem Beschluss. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

18.26


18.26.26

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2146/A und 1421 der Beilagen sowie 10931/BR der Beilagen).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2222/A und 1422 der Beilagen sowie 10932/BR der Beilagen).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.28.0622. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (2223/A und 1423 d.B. sowie 10933/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 160

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


18.28.28

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile dieses.


18.29.03

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Hohes Haus! Jetzt kann ich im Gepäck leider keine Zustimmung mehr mitbringen. Wir als SPÖ-Fraktion werden diesen Antrag ablehnen, ich erkläre auch, warum: weil dieser Antrag, der jetzt auf dem Tisch liegt, ganz klar an unserer ur­sprünglichen Intention vorbeigeht.

Ja, wir wollen Gesundheitspersonal, ganz egal ob in Gesundheitseinrichtungen, Kran­kenanstalten oder auch im niedergelassenen Bereich, gegen Anfeindungen und aggres­sive, bedrohliche Situationen, wie es sie in den letzten Monaten anlässlich von Corona­demonstrationen leider erleben musste, schützen, weil es ganz einfach nicht sein kann, dass sich Angehörige dieser Berufsgruppe, die sich mit aller Kraft um das Wohl und die Gesundheit der Menschen in diesem Land kümmern, fürchten müssen, wenn sie in die Arbeit oder von dort wieder nach Hause gehen. Diese Menschen haben seit Monaten so viel zu leisten, oft über das erträgliche Maß hinaus. Anfeindungen, egal von welcher Seite, die eine zusätzliche und völlig unberechtigte Stresssituation auslösen, darf es ganz einfach nicht geben.

Das wollte man eigentlich mit einem Entschließungsantrag im Dezember im Nationalrat auch klar zum Ausdruck bringen. Dieser Gesetzesantrag, der jetzt vorliegt, hat aber mit dieser Entschließung eigentlich nichts mehr zu tun, denn wir wollten ganz eindeutig keine Schutzzonen.

Was machen Sie jetzt, Herr Minister? – Sie richten Schutzzonen vor Krankenhäusern ein, die dann Tür und Tor für eine auslegungslastige Handhabung beim Verbot von Ver­sammlungen in diesem Bereich öffnen. Auch wenn Sie es wiederholt in Abrede stellen: Sie könnten – ich bleibe im Konjunktiv – damit auch Versammlungen verbieten, die den Interessen des Gesundheitspersonals dienen, wenn es zum Beispiel darum geht, auf die prekären Arbeitsbedingungen oder Einkommensverhältnisse im Gesundheits- und Pfle­gebereich hinzuweisen. Alleine schon dass dieser Missbrauch möglich wäre, ist für uns als SPÖ Grund genug, diesen Antrag abzulehnen. Da sagen wir ganz klar: Das wird es mit uns, mit der Sozialdemokratie, nicht gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Gesetzesantrag ist aus unserer Sicht völlig überschießend, und wir brauchen ihn in dieser Form ja auch nicht, denn das Versammlungsgesetz, ganz genau § 6 Abs. 1, gibt Ihnen, sehr geehrter Herr Minister Karner, ja alles, was Sie brauchen, um die Men­schen zu schützen. (Bundesrat Schennach: Er will mehr!) Dort heißt es nämlich: „Ver­sammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 161

öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu un­tersagen.“ Das ist also nicht einmal eine Kannbestimmung, das ist eine Mussbestim­mung. Diese Formulierung lässt also keinen Zweifel zu, dass Sie solche Versammlungen aufgrund der bestehenden Rechtslage behördlich untersagen können.

Deshalb verstehen wir auch nicht, warum Sie diese unnötige Anlassgesetzgebung unbe­dingt durchboxen wollen. Es stimmt einfach nicht, wenn wir immer wieder von Ihnen hören, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt. Sie haben legistische Werkzeuge, Sie müssen sie nur anwenden. Leider tun Sie es nicht.

Es ist auch die Frage berechtigt, was Sie eigentlich als Innenminister für die Sicherheit dieser Menschen tun. Sie nutzen die gegebenen Möglichkeiten nicht, versuchen aber, mit überschießenden Gesetzesanträgen öffentliches Ansehen, öffentliche Aufmerksam­keit zu erzeugen. Sie möchten Sicherheitspolitik machen, die im Grunde keine ist. Herr Minister, werden Sie auf Basis der bestehenden Gesetze aktiv! Dieses Gesetz brauchen Sie dazu nicht, deswegen werden wir als SPÖ es auch ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile dieses.


18.33.41

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen uns mit dem Tagesordnungspunkt tatsächlich nicht sonderlich lange aufhalten. Kollege Reisinger hat ja im ersten Teil seiner Ausführung umfassend die Konsensmaterie darge­legt. Es ist tatsächlich so, dass wir uns alle einig sind, dass das Personal, die Patienten, alle, die im Gesundheitswesen und in diesen Einrichtungen tätig sind oder sich dort auf­halten, selbstverständlich geschützt sein müssen. Genau dazu soll dieser Beschluss ei­nen Beitrag leisten.

Es geht überhaupt nicht darum, eine Versammlungsfreiheit oder sonst irgendetwas ein­zuschränken. Es geht vielmehr darum, dass Einzelpersonen oder Grüppchen, die viel­leicht behaupten, gar keine Versammlung zu sein, für Unsicherheit sorgen können. Ge­nau dafür ist es der Ansatz, eine klare Regelung zu schaffen und diese Schutzzone ein­zurichten.

Ich glaube, ich riskiere wirklich nicht viel bis gar nichts, wenn ich hier ankündige, dass es mit Sicherheit nicht dazu führen wird, dass Krankenhauspersonal, das Forderungen, Wünsche oder sonstige Anliegen, die es hat, zum Ausdruck bringen will, davon abge­halten wird, irgendwo eine Versammlung durchzuführen. Darum geht es nicht, und ich glaube, da es hier diskutiert worden ist, wird man in Zukunft gemeinsam verfolgen kön­nen, dass es bei einer Versammlung, bei der das Krankenhauspersonal für seine Rechte demonstriert, eine Auflösung durch die Polizei nicht geben wird. Ich glaube, diesen Beweis wird man sehr leicht antreten können.

Es ist in der Grundintention ein vernünftiges Gesetz. Wir sind uns alle einig, dass wir diese Personen schützen wollen, eine gewisse Verwirrung herrscht offensichtlich darü­ber, was drinsteht. Ich glaube, meine Fraktion kann dem guten Gewissens zustimmen. Die Umsetzung wird zeigen, dass es da keine Missverständnisse geben wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 162

18.36


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile dieses.


18.36.33

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Herr Kollege Himmer, es ist schon notwendig, dass wir darüber reden! Sie versprechen zwar, dass es nicht passiert, aber es kann passieren, und das Ver­trauen ist halt nicht da. Es ist so. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Geh, ...! Da reden wir noch ein bissl drüber, ...!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die letzten Monate der Covid-Pandemie haben eine Tendenz zur Emotionalisierung gezeigt – um nicht Radikalisierung zu sagen –, ins­besondere in den sozialen Netzwerken und vor allem, um gegen die Maßnahmen der Regierung zu protestieren.

Ja, natürlich, wir sind uns grundsätzlich einig: Wenn Protestaktionen wie in Linz vor Bil­dungseinrichtungen, wobei Kinder in Tränen ausbrechen, oder vor Gesundheitseinrich­tungen stattfinden, wo Zufahrten blockiert werden, dann ist das definitiv nicht in Ordnung und geht eindeutig zu weit. Die Versammlungsfreiheit ist und bleibt aber ein hohes Gut in jedem Staat, der sich als Demokratie versteht. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbstverständlich muss es auch in diesem Sinn Beschränkungen geben, und zwar dann, wenn eine Versammlung ein höherwertiges Rechtsgut gefährdet. Wenn jemand eine Demonstration vor einem Spital anmelden möchte, kann diese bereits jetzt gemäß Versammlungsgesetz untersagt werden. Man muss sich bei so einer Anlassgesetzge­bung aber schon gut überlegen, ob das nicht doch etwas überschießend ist und ob das nicht weitreichende Folgen hat.

Kollege Reisinger hat es angesprochen: Wenn grundsätzlich eine Schutz- oder Verbots­zone vor Krankenhäusern oder anderen Gesundheitseinrichtungen verordnet wird, dann gilt diese für alle, auch für das Krankenhauspersonal, die vor ihrer Dienststelle auf ihre Arbeitsbedingungen, wie du gesagt hast, aufmerksam machen wollen. (Bundesrat Him­mer: Aber die werden die Rettungszufahrt nicht verstellen, das Krankenhauspersonal, oder? Ich hab ein gutes Gefühl, dass das Krankenhauspersonal die Rettungszufahrt nicht verstellt! Ich hab ein gutes Gefühl!)

Wir erleben seit dem Beginn, wie die Regierung mit der Bevölkerung umgeht. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Es ist von Beginn an ein Hin und Her, es sind Versprechen, die nicht eingehalten werden: Maske her, Maske weg, jetzt sind sie wieder da, Lockdown hart, Lockdown light, Verordnungen her, Verordnungen weg, Test her, Test weg – so läuft das. Minister her, Minister weg – ich meine, wie viele Minister haben wir schon ge­habt?! Es ist ein Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.) Wir haben die 1G-Regel, wir haben die 2G-Regel, dann haben wir die 2G-Regel plus, dann haben wir die 3G-Regel und so weiter. Niemand kennt sich mehr aus, und dann wundert man sich, wenn die Bevölke­rung nicht mehr mitgehen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Weil man ja immer mit der Diskriminierung anfängt: Wie man mit der 2G-Regel die Unge­impften monatelang komplett vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen hat, ist aus meiner Sicht eine Art der Diskriminierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will ja gar nicht von der Impfpflicht reden. Mit der Impfpflicht hat die Regierung eine Grenze, eine rote Linie überschritten. Da braucht man sich nicht zu wundern, wie wir bereits erwähnt haben, dass die Bevölkerung nicht mehr mitgehen kann. Sie ist psy­chisch an die Grenzen gekommen und leidet. Wir sind mittlerweile im dritten Jahr und beim dritten Gesundheitsminister dieser Pandemie. (Bundesrat Schennach: Kanzler auch!) Während andere Länder die Pandemie beenden, geht bei uns das Trauerspiel weiter.

Geschätzte Damen und Herren, zurück zur Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes: Wie bereits erwähnt kann eine Versammlung jetzt untersagt werden, wenn zu befürchten


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 163

ist, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet wird, etwa wenn das Leben, die Freiheit oder die Gesundheit von Menschen in Gefahr ist. Dafür braucht man keine zusätzliche Schutzzone.

Im Übrigen bieten das Gesetz als solches und auch diverse landesgesetzliche Vor­schriften schon jetzt die Möglichkeit, solche Demonstrationen abzuweisen, wegzuweisen und entsprechend einzuschreiten. Ja, sogar Wegweisungen von Privatgrundstücken sind möglich, wenn durch die Anwesenheit schwerwiegend in die Rechte eines Besitzers eingegriffen wird, und das ist zweifellos, wie der Kollege gesagt hat, auch bei einer Blo­ckierung einer Spitalseinfahrt oder bei einer Behinderung des Spitalsbetriebes der Fall. Auch für diesen Fall brauchen wir also diese zusätzliche Schutzzone nicht.

Diese Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes geht klar am Ziel vorbei. Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass geltendes Recht angewandt und nicht herumgebastelt wird. Daher lehnen wir den Antrag ab, da es aus meiner Sicht um eine Anlassgesetzge­bung geht, einen Eingriff in das Grundrecht, eine Einschränkung der Versammlungsfrei­heit, und wie gesagt die bestehenden Befugnisse für die Exekutive bereits ausreichend sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzter Herr Minister, aus gegebenem Anlass würde sich etwas anderes anbieten. Immer mehr Eltern und Familien sind betroffen und verunsichert und fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder. Nach Übergriffen durch vermeintlich Schutzsuchende reiht sich die grausame Vergewaltigung einer 16-Jährigen in Linz im Bahnhofsbereich nahtlos in die Liste dieser Täter ein. Deshalb ist es notwendig, rasch wirksame Maßnahmen zu setzen, die den Schutz der Bevölkerung gewährleisten. Ein Maßnahmenpaket zur Ab­wendung von Übergriffen durch kriminelle Schutzsuchende wäre notwendig. (Beifall bei der FPÖ.)

18.42


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


18.42.14

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ende November, am 17.11., gelangte auf Twitter ein Video einer Ärztin zu hoher Aufmerksamkeit. Das Video wurde damals vom Kranken­haus aus gefilmt und zeigt die gegenüberliegende Straßenseite mit der Dienststelle des Roten Kreuzes und die dazugehörige Garage, aus der die Rettungsfahrzeuge ausfah­ren. Hunderte CoronamaßnahmengegnerInnen demonstrierten vor dieser Ausfahrt und behinderten im Nahbereich des Krankenhauses mögliche Notfalleinsätze.

Das Video wurde auf Twitter mehr als 15 000 Mal angesehen, und ich habe geschaut, was es da für Kommentare gab, zum Beispiel so etwas: „Diese Menschen..die vor einem #Krankenhaus die Einfahrt behindern...die somit wertvolle Minuten, ja Sekunden steh­len..wenn es [...] um Leben und Tod [...] geht“, überschreiten eine Grenze. Das darf nicht sein.

Bei der heutigen Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes geht es genau darum, solche Situationen zumindest jetzt, für einen beschränkten Zeitraum, zu verhindern. Auch ich möchte wie Kollege Himmer noch einmal betonen, dass es keinesfalls um die Einschrän­kung des Versammlungsrechtes geht. Das Gesetz, das wir heute hier beschließen, hat nichts mit Versammlungen zu tun. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht!) Ob eine Versamm­lung zulässig ist oder nicht, ob sie aufzulösen ist oder nicht, richtet sich nach den Be­stimmungen des Versammlungsgesetzes, und unser Verfassungsgerichtshof legt diese Bestimmungen sehr streng, das heißt, versammlungsfreundlich aus.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 164

Es kann aber durchaus sein, dass Demonstrationen, so wie das in der Vergangenheit der Fall war, tatsächlich das öffentliche Wohl oder auch die Gesundheit von Menschen, insbesondere in einem Krankenhaus, gefährden. Und dann ist es an der Polizei, diesem Treiben Einhalt zu gebieten, weil Ansammlungen nicht Menschen oder Menschenleben gefährden dürfen. Was wir heute hier beschließen, nämlich eine weitere Regelung zur Erlassung, zur Festlegung von Schutzzonen, soll kritische Infrastruktur im Gesundheits­wesen schützen, nicht aber vor Demonstrationen und Kundgebungen von Gesundheits­personal, wie es Kollege Reisinger angesprochen hat. Das ergibt sich schon alleine da­raus, dass diese Menschen sehr wohl darauf bedacht sein werden, keine Gefahrensi­tuation herbeizuführen.

Geschützt werden soll nämlich vielmehr vor Einzelpersonen und kleinen Grüppchen, die andere gefährden. Wir konnten in den letzten Monaten, ja Jahren schon beobachten, dass sie sagen: Das ist gar keine Versammlung, das ist ein Spaziergang! Wir spazieren hier einmal eben auf dieser Ausfahrt, wir spazieren hier jetzt einmal eben vor diesem Krankenhaus! – Und dort fangen sie dann an, Leute anzupöbeln und zu bedrohen. (Bundesrat Ofner: Also bitte! So einen Schwachsinn von sich zu geben! Unglaublich!)

Und ja, leider ist aufgrund der enormen Radikalisierung, die wir in den letzten Monaten feststellen mussten, so etwas nicht nur möglich, sondern auch schon vorgekommen. Da verweise ich – man kann es auf Twitter nachsehen, wenn man möchte – auf diese Video­dokumentation. (Bundesrat Ofner: Eure Freunde haben die Pflastersteine in der Hand im Schwarzen Block!)

Wir beschließen hier heute also einen sehr kleinen einzelnen Schritt, der legistisch not­wendig war, um in bestimmten Situationen Leben und Gesundheit und die Arbeit in kri­tischer Infrastruktur des Gesundheitswesens, also in größeren Krankenanstalten, zu schützen und zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.46


18.46.31

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Mehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18.47.0323. Punkt

Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmonats-Pro­gramm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-777-BR/2022 d.B. sowie 10934/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


18.47.33

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legisla­tiv- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehn­monatsprogramm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 165

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den genannten Bericht des Bundesministers für Inneres zur Kenntnis zu nehmen.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.


18.48.25

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolle­gen! Geschätzte Zuhörer hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Wenn man sich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2022 und das Achtzehnmonatsprogramm für heuer und das nächste Jahr des Sicherheitsberichtes ansieht, so fällt das eindeutig unter die Kategorie: jährlich grüßt das Murmeltier, denn ständig gibt es dieselben Willensbekundungen. Der Bericht zeigt es offenkundig auf: Man kann dort alles sich wiederholend lesen, nur mit der Realität hat das gar nichts zu tun, denn in der Realität wird wirklich gar nichts umgesetzt.

Wenn man dort zum Beispiel sieht, dass von einer verpflichtenden flächendeckenden Screeningaktion an den EU-Außengrenzen mit einer umfassenden „Identitätsfeststel­lung sowie [...] Sicherheits- und Gesundheitsüberprüfung“ geträumt wird, dann muss man wissen, dass es die EU seit Jahren nicht schafft, einen effektiven Außengrenz­schutz aufzustellen. Da wird von Schutzbedarfsfeststellungen an den EU-Außengren­zen, also der Feststellung von möglichen Asylgründen an den Außengrenzen, ge­träumt – und wie soll das ohne funktionierenden Außengrenzschutz gehen? – Ja, gar nicht! Und dann träumt man auch noch von einem offenen Schengenraum ohne Binnen­grenzen.

Da komme ich schon zu Ihnen, Herr Minister, denn es wird Ihre Aufgabe und auch Ihre Verantwortung sein, dass Sie, solange es keinen funktionierenden Außengrenzschutz gibt, auch dafür Sorge tragen, dass wir diesbezügliche Auswirkungen hintanhalten, in­dem wir einen funktionierenden Grenzschutz an Österreichs Staatsgrenzen haben. So­lange da die illegale Migration fröhliche Urständ feiert, kann es nicht sein, dass wir uns auf andere verlassen, sondern wir haben den Grenzschutz für Österreich selbst sicher­zustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass das möglich ist, sogar von einem neutralen Land  auch wenn gerade Vertreter der ÖVP ja mit der Neutralität neuerdings so gar nichts mehr anfangen können , das sieht man in Finnland. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal den Grenzschutz an der Ost­grenze in Finnland angesehen haben. Das ist effektiver Außengrenzschutz, sogar auf 1 350 Kilometern Länge, das ist ein Grenzschutz, wie ihn auch Österreich verdienen würde, denn das wäre zum Wohle der Sicherheit unserer Bevölkerung.

Da haben wir aber halt wieder das typische ÖVP-Problem: Da wird groß von restriktiven Maßnahmen und einer restriktiven Sicherheitspolitik gesprochen, da werden Bekennt­nisse abgegeben, aber wenn es dann darum geht, Taten zu setzen, dann ist der Arbeits­eifer relativ schnell verpufft. Das zeigt sich auch in Ihrem Bericht, Herr Minister, denn wenn man sich den anschaut, sieht man: Dieser Sicherheitsbericht hat ganze 31 Seiten, ja, 31 Seiten für das wichtige Thema Sicherheit illegale Migration, die Sicherheit in Europa, Themen zu Asylfragen oder auch die Zerschlagung von Schlepperringen für die nächsten eineinhalb Jahre.

Wenn man sich dann aber den Bericht noch einmal genau anschaut, dann kommt man drauf, dass dieser Bericht nicht aus 31, sondern eigentlich nur aus 14 Seiten besteht,


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 166

die sich ein zweites Mal wiederholen. Das ist schon eine Situation, von der man sagt, so kann die Sicherheitspolitik in Österreich nicht vonstattengehen, denn es wäre notwendig, dass gerade Sie und Österreich auch entsprechenden Druck aufbauen, wenn es bei­spielsweise zur Aberkennung des Schutzstatus bei Straffälligkeit kommt, dass es ganz klare Initiativen gibt, wenn es zu unmittelbaren Abschiebungen aufgrund rechtskräftiger negativer Asylbescheide kommen muss und dass es nicht  wie bei uns  zu Situationen kommt, dass Straffällige dann sogar deswegen nicht abgeschoben werden können, weil sie keinen Coronatest machen wollen. Unsere Kinder zwingt man im Gegensatz dazu, in der Schule jeden Tag einen depperten Test zu machen, aber straffällige Asylwerber kann man nicht abschieben, weil sie diesen Test verweigern. (Beifall bei der FPÖ.)

Dasselbe fehlt mir auch, wenn mehrere EU-Staaten davon reden, dass es zu einer ver­pflichtenden Verteilung von Migranten kommen sollte, und das sogar bei möglichen Strafzahlungen. Dagegen muss Österreich entschieden auftreten. Da braucht es in Ös­terreich ein klares Bekenntnis, aber vor allem auch auf EU-Ebene. Da ist aber Österreich halt wieder einmal von dieser heuchlerischen ÖVP geprägt, das hat man ja gesehen.

Das hat man gesehen – ihr könnt euch noch erinnern –, als es hier herinnen um die Lehrlinge gegangen ist und es geheißen hat: Wenn es rechtskräftige negative Asylbe­scheide gibt, dann sind diese entsprechend abzuschieben. Da ist die ÖVP aber halt auch wieder einmal im Liegen umgefallen.

Jetzt, bei der Ukrainehilfe, ist es auch wichtig, dass den ukrainischen Menschen und Flüchtlingen geholfen wird, dass ihnen auch der Vertriebenenstatus zuteilwird, keine Frage, aber da haben wir schon wieder eine Situation das wird im Hauptausschuss nicht nur von den Regierungsparteien, sondern auch von SPÖ und NEOS gemeinsam beschlossen , dass man den Staatenlosen auf einmal ein Vertriebenenrecht einräumt und damit auch dem Missbrauch der Schlepperei Tür und Tor öffnet. Jetzt passiert halt die Schlepperei nicht über die vom Herrn Messias geschlossene Balkanroute, jetzt geht es halt direkt über die Ukraine.

Bei diesem verlogenen Spiel beim Thema Sicherheit, ja, da geht man halt schon einmal gern vor den Grünen in die Knie, da braucht man sich dann aber auch gar nicht zu wundern, dass wir voriges Jahr eine Situation hatten, dass es 40 000 Aufgriffe von Ille­galen in Österreich gab, nämlich während man ganz Österreich eingesperrt hat. Es gab 40 000 Aufgriffe von Illegalen, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Das ist nur die Zahl der Personen, die man aufgegriffen hat, das heißt, die Dunkelziffer ist noch entspre­chend höher, aber wichtiger war es halt, die eigene Bevölkerung zu drangsalieren und zu kontrollieren und Organmandate wegen nicht fest sitzender Masken zu verhängen. Den Schutz an unserer Staatsgrenze zu gewährleisten und dabei auch das österreichi­sche Bundesheer zu unterstützen, das hat man hintangestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus den genannten Gründen, vor allem aber aus Gründen der Unglaubwürdigkeit, die die ÖVP fortwährend an den Tag legt wir wissen, dass die Grünen da einen völlig utopischen Zugang haben, das ist uns völlig klar, aber die ÖVP sagt und bekundet ja ständig, wie sie für die Sicherheit Österreichs eintritt , sind diese Willensbekundungen leider nicht in Taten zu messen. Das können wir so auch nicht zur Kenntnis nehmen, daher werden wir heute diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen.

Ich habe es vorhin angesprochen und jetzt komme ich noch einmal zur verpflichtenden Verteilung von Migranten auf EU-Ebene. Da sagen Sie zwar, dass es eine klare Haltung Österreichs gibt, die gibt es aber anscheinend nicht, nein, Herr Kollege Kornhäusl. Ihr Fraktionsführer im EU-Parlament, Herr Karas, spricht nämlich ständig davon, dass es eine „faire & solidarische Verteilung von Flüchtlingen“ braucht. Das ist genau dieses Spiel der ÖVP: Man kann allem, was Sie sagen, einfach keinen Glauben schenken.

Sie, Herr Kornhäusl, haben aber heute die Chance, mit Ihrer Fraktion ein klares Bekennt­nis abzugeben, indem Sie unseren Entschließungsantrag unterstützen, der da lautet:


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 167

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Verteilung von Migranten in der EU“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union vehement

- jedwede Form der verpflichtenden Verteilung von Migranten zwischen den EU-Mitglied­staaten und

- verpflichtende Quoten zur Aufnahme von Migranten, sowie EU-Strafzahlungen für die Weigerung diese Quoten zu erfüllen, abzulehnen.

Der Bundesminister für Inneres wird darüber hinaus aufgefordert, dem von der Euro­päischen Kommission forcierten Migrationspakt deutlich eine Absage zu erteilen.“

*****

Ja, wir fordern Sie, Herr Minister, auf, dass Sie endlich merkbare Akzente setzen, dass Sie straffällig Gewordene ebenso rigoros abschieben wie jene, die in unserem Land ei­nen rechtskräftigen negativen Asylstatus haben.

Herr Kornhäusl, wir freuen uns und werden sehen, welches Bekenntnis die ÖVP heute abgibt und ob die Linie klar ist. Wenn die Linie in der ÖVP klar ist, dann werden Sie unserem Entschließungsantrag heute die Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

18.57


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Keine Vertei­lung von Migranten in der EU“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile dieses.


18.58.10

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und jene, die via Livestream zugeschaltet sind! Worum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt? Die Grundlage ist das Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission und das Achtzehnmonatsprogramm des französischen, tschechi­schen und schwedischen Ratsvorsitzes.

Dabei geht es um Vorhaben, die die inneren Angelegenheiten betreffen. Um das ein bissel herauszuarbeiten: Die Europäische Kommission hat vier Prioritäten festgelegt: Das wäre zum Ersten die Schaffung eines zukunftsfähigen Sicherheitsumfelds; zweitens die Bewältigung sich ständig wandelnder und verändernder Bedrohungen  wir erleben das jeden Tag auf der ganzen Welt –; drittens der Schutz Europas, der Europäerinnen und Europäer vor Terrorismus und dem organisierten Verbrechen; und die vierte Priorität ist die Schaffung einer starken europäischen Sicherheitsgemeinschaft. Aus diesen vier genannten Prioritäten haben sich dann konkrete Vorhaben abgeleitet, die eben in die­sem Bericht beschrieben werden.

Ich darf vorwegnehmen, dass Österreich den meisten dieser Vorhaben durchaus positiv gegenübersteht, wie zum Beispiel dem Austausch sicherheitsrelevanter Informationen


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 168

innerhalb der Europäischen Union oder einem besseren, stärkeren Außengrenzschutz, ja, auch mit der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Österreich spricht sich darüber hinaus natürlich für die Modernisierung und Evaluierung des Europolman­dats aus, insbesondere vor dem Hintergrund der Terrorismusbekämpfung.

Es gibt da noch einige weitere Punkte, bei denen Österreich klar positive Stellung be­zieht, aber es gibt auch Themen, bei denen Österreich kritisch ist. Es ist schon angespro­chen worden: Da geht es um Themen wie Relocation, da geht es um ein Thema wie den Solidaritätsmechanismus. Da ist Österreich abwartend, konstruktiv kritisch.

Kollege Ofner, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben, aber ich würde Ihnen dringend raten, Bundesminister Karner einfach besser zuzuhören, da würden Sie auch noch etwas lernen (Bundesrat Ofner: Der hat noch nichts gesagt!), denn der Innenmi­nister – egal, ob hier im Inland oder auch beim Treffen der EU-Innenminister – hat immer wieder betont (Bundesrat Ofner: Und der Herr Karas? Den Herrn Karas haben wir zitiert! Was hat der Herr Karas gesagt?), dass es eine Allianz der Vernunft braucht. Er hat bei jeder Gelegenheit die Position bekräftigt (Bundesrat Ofner: Was hat der Herr Karas ge­sagt? Karas!), gegen jede Form einer verpflichtenden Verteilung zu sein. Das hat Herr Bundesminister Karner gesagt. (Bundesrat Ofner: Was hat der Herr Karas gesagt?) Da­rauf sollten Sie hören (Bundesrat Ofner: Ah, ist der Herr Karas kein ÖVPler mehr oder was?) und nicht irgendwelche Geschichten über Dinge, die er nicht gesagt hat, erzählen. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung Bundesrat Ofner –: Du sollst dem Herrn Karner zuhören, der ist viel wichtiger! Da kannst du etwas lernen! – Bundesrat Ofner: ... mit deiner heuch­lerischen Schmähpartie!)

Innenminister Karner hat auch immer wieder und mehrmals betont, dass es einen robus­ten, starken Außengrenzschutz braucht, dass es eine bessere Zusammenarbeit mit den Drittstaaten braucht. (Bundesrat Spanring: Falsch und Schwarz gehört zusammen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich verstehe Ihre Aufregung, Kollege Ofner: Ich wäre an Ihrer Stelle auch nervös, wenn ich dabei ertappt werde (Bundesrat Ofner: Da etwas anderes sagen und in Brüssel auch etwas anderes sagen!), wenn ich, wie Sie, hier Unwahrheiten über unseren Innenminis­ter verzapfe. Da wäre ich auch nervös und da würde ich die gleiche Farbe aufziehen wie Sie jetzt. (Bundesrat Ofner: Da Kreide fressen und in Brüssel ...!) Der Innenminister hat immer gesagt: robuster Außengrenzschutz, bessere Zusammenarbeit mit den Drittstaa­ten und schnellere, bessere, suffiziente Asylverfahren. (Bundesrat Spanring: Also so falsch wie ein ÖVPler musst du erst einmal sein können! Das ist in eurer DNA ...!) Das ist das, was unser Innenminister immer betont. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Span­ring: Falsch und Schwarz gehören zusammen! Das ist furchtbar! So falsch muss man einmal sein! Wahnsinn! Falsch und verlogen, unglaublich! Wie die ÖVP: falsch und verlo­gen! – Bundesrat Steiner: ... Niederösterreich gehört auch dazu! – Weitere Zwischenru­fe bei FPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Zeit, in der wir leben, be­kommt natürlich das Thema innere Sicherheit und Europa eine völlig neue Bedeutung – ich denke da an den 24.2., ein trauriger Tag, um nicht zu sagen, ein Tag der Schande. Am 24.2. ist unsere Vision, unser aller Vision und Traum von einem ewig friedlichen Europa zerbrochen, weil ein Aggressor, in diesem Fall die Russische Föderation, völker­rechtswidrig die Souveränität der Ukraine verletzt hat (Bundesrat Spanring: Das Pro­blem ist, euch kann man nichts mehr glauben!) und einen Angriffskrieg gegen die ukrai­nische Zivilbevölkerung begonnen hat.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich werde die Bilder von flüchtenden Müttern und alten Menschen nicht los, ich werde die Bilder von weinenden Kindern, Vätern, die sich traurig und weinend von ihren Familien verabschieden, nicht los. (Bundesrat Spanring: Du hast sicher ein großes Haus! Du kannst sicher ...!) An dieser Stelle sage ich eines


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sehr klar: Da ist es unsere Pflicht, unseren Nachbarn und ukrainischen Freunden zu helfen. Ich weiß, dass du das anders siehst, Kollege Spanring. (Bundesrat Spanring: Was?! Was?! Passen Sie ein bisschen auf, was Sie behaupten! So ein Schwachsinn! Sie reden nur Blödsinn! Sie reden nur Blödsinn!) Es hat auch nichts mit Neutralität zu tun, hinzuschauen, wenn Unrecht passiert, wenn Völkerrecht verletzt wird, das hat nichts damit zu tun, jemandem, der Hilfe braucht, die Hand zu reichen und Menschen zu helfen, die aus ihrem Land vertrieben werden. (Bundesrat Spanring: Falsch und Schwarz gehö­ren zusammen! – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.) Das ist unsere Pflicht: Das sollte eine freiheitliche Pflicht sein wie eine liberale Pflicht, eine sozialdemokratische Pflicht, wie es auch unsere christlich-soziale Pflicht ist, das zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: So eine verlogene Partie! – Bundesrat Ofner: Für alles, was du jetzt von dir gegeben hast, musst du am Sonntag wieder in die Kirche gehen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf zum Ende kommen. Unser Kanzler hat es ganz klar gesagt (Bundesrat Spanring: Was für ein Kanzler?): Es braucht Geschlos­senheit, Einigkeit und Klarheit. Europa hat dies bewiesen, und ich bin stolz darauf (Bun­desrat Spanring: Stolz auf Korruption!), dass Europa in dieser Angelegenheit mit einer Stimme spricht, ich bin stolz darauf, Mitglied dieser europäischen Familie zu sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Da passt er gut dazu! – So falsch muss man einmal sein! ... das herunterbeten wie ein Pfarrer!)

19.04


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen, neu hinzugekommen, unsere Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, Frau Bun­desministerin Susanne Raab. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


19.05.01

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lie­be Kollegen und Kolleginnen! Lieber Kollege Kornhäusl, bewirbst du dich für irgendeinen Job im Innenministerium? (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ sowie Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Nein, ich glaube, als Pfarrer, als Pfarrer wäre er ganz gut!)

Deine Lobhudelei, deine Spur, die du zum Innenminister gelegt hast, ist schon unerträg­lich gewesen. (Bundesrat Steiner: Vom Gesundheitsexperten zum Innenexperten!) Ich meine, man kann ja diskutieren, man kann ja normal sein, aber das ist jetzt schon eine Schmierenkomödie gewesen, tut mir leid. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Stei­ner: Bravo! – Bundesrat Bader: Du kannst stolz sein auf den Applaus von den Blauen! – Ruf bei der ÖVP: Das würde mir zu denken geben! – Bundesrat Ofner: Nein, das ist die Wahrheit! Das ist die Wahrheit ...! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Entschuldige, ich darf mir meine eigenen Eindrücke machen. (Bundesrat Bader: Da dis­tanzieren sich sogar deine Kollegen!) – Nein, den Eindruck habe ich nicht, dass sich meine Kollegen und Kolleginnen distanziert haben. (Rufe bei der ÖVP: Nein!)

Es ist heute gefallen, dass dieser Bericht 31 Seiten hat  das ist eigentlich eine normale Länge. Jener der justiziellen Zusammenarbeit war 39 Seiten lang, allerdings waren bei der Justiz nicht so viele Doubletten drin. Was bei den beiden Vorhabensberichten auf­fällt, ist, dass wir im Bereich Europa bei der justiziellen Zusammenarbeit wesentlich wei­ter und erfolgreicher sind als im Bereich des Polizeilichen und des Inneren.

Allerdings: Jetzt muss ich noch einmal die Worte des Kollegen Kornhäusl verwenden, der gemeint hat, Österreich sei „abwartend“ und „kritisch“. Österreich ist ein verdammter Bremser in vielen Fragen das muss man einmal sagen!  und steht in vielen Dingen


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auf der Bremse, bringt Dinge ein wie zum Beispiel, dass man Europol ein eigenes Fahn­dungsmandat gibt. Dafür ist ja fast nur Österreich gewesen, und die Mehrheit aller Mit­gliedstaaten hat es (der Redner macht eine wischende Handbewegung und schnalzt mit der Zunge) weggekickt.

Zweitens: Was wir brauchen, ist, dass Schengen – eine der größten Errungenschaften neben Erasmus – wieder funktioniert. Wir müssen es wiederherstellen, wir müssen das Schengensystem wieder stärken, wir brauchen das Schengeninformationssystem so­wohl für die justizielle als auch für die polizeiliche Zusammenarbeit. Das muss genützt werden. Davon sind wir noch immer viel zu weit weg, wir waren schon viel weiter. Unsere Kinder sind in einem Europa ohne Grenzen aufgewachsen. Wir sind wieder in einem Europa mit Grenzen gelandet und wir müssen diese Schengengrenzen wieder auf das bringen, was wir einmal hatten, nämlich eine Freiheit innerhalb der Mitgliedstaaten. Ich glaube, dass das etwas ist, was gar nicht hoch genug zu schätzen ist.

Dann, lieber Kollege Kornhäusl, der ganze Bereich Migration und Asyl: Da soll es ein Paket geben, das ist richtig. Dass aber Österreich eines der wenigen Länder ist, die die Relocation ablehnen, das muss man einmal sagen. Wir heulen da nicht mit der Mehrheit. Wenn ich mir die Grünen anschaue, frage ich mich bei diesen Ablehnungen und bei dieser Bremse beim Kapitel des Inneren: Wer ist da mit wem in einer Koalition?, denn das ist eigentlich in der schwarz-blauen Koalition, in der ja auch der UN-Migrationspakt abgelehnt wurde, das Übliche gewesen. (Bundesrat Steiner: Na Gott sei Dank! Da haben wir die ÖVP überzeugen müssen! Stundenlang!) Der UN-Migrationspakt ist eines der wichtigsten Dinge gewesen, und das ging alles auf Fakenews zurück, dass das so weit vorgedrungen ist. Der damalige blaue Regierungspartner ist auf diese Fakenews hereingefallen.

Österreich lehnt aber nicht nur die Relocation ab, sondern lehnt auch den Solidaritäts­mechanismus ab. Was wir in der Europäischen Union brauchen, ist ein gemeinsames Regelwerk für Asyl und Migration in einer positiven Formulierung.

Wir haben heute hier einen Entschließungsantrag, der für jene, die im EU-Ausschuss sind, nichts Neues ist, denn dort wurde er schon eingebracht und abgelehnt. Angesichts der Tragödie der Ukraine hat die Europäische Union erstmals ein Regelwerk aktiviert, das den Frauen und Kindern – die hauptsächlich flüchten – kein Asylverfahren auf­zwingt, sondern ihnen Sicherheit und einmal die ersten drei Jahre einen Vertriebenen­status gibt, der aber erneuert wird. Liebe Frauen und liebe Kinder, die ihr so viel Not gesehen habt, vielleicht könnt ihr in Österreich einmal durchatmen und das Dröhnen der Kanonen und Raketen und der Einschläge irgendwie aufarbeiten. Das ist für drei Jahre gesichert, und damit geht gleichzeitig auch eine medizinische Grundversorgung einher. Ich meine, das ist schon etwas! Das ist auch Solidarität, was da geleistet wird.

Auch wenn wir Polen anschauen, das wir in Anbetracht seiner früheren Verhaltenswei­sen in der Frage gar nicht mehr wiedererkennen, muss man sagen. Ein Land, das bald zwei Millionen Flüchtlinge hat – zwei Millionen Flüchtlinge! –, braucht Solidarität. Öster­reich nimmt Flüchtlinge aus Moldawien – dem kleinen Moldawien! – auf, wobei Teile des Landes – Transnistrien – noch unter dem Einfluss von russischen Separatisten stehen: Da muss man helfen und da muss man Leute umverteilen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl.)

Dann gibt es auch – worüber es ja, glaube ich, hier eine Diskussion gibt  die Gewährung des internationalen Schutzes. Beim vorigen Tagesordnungspunkt wurde die Vermeidung der Staatenlosigkeit diskutiert. Das ist eine Europaratskonvention, die Österreich ratifi­ziert und übernommen hat: dass in allen Mitgliedstaaten des Europarates Staatenlosig­keit zu vermeiden ist. Es gibt zum Beispiel ein Mitgliedsland, das 14 000 Kinder in die Staatenlosigkeit getrieben hat das ist ein Bruch dieses Übereinkommens  und das


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nun langsam beginnt, darüber nachzudenken, dass das so nicht geht. Das heißt, die Staatenlosigkeit zu vermeiden, ist eines der ganz wichtigen Dinge.

In manchen Punkten ist es egal  weil vorhin auch über die Staatsbürgerschaft geredet wurde: Also ich habe ein Patenkind, ja. Dieses Patenkind wurde zufälligerweise bei einer Zwischenlandung in Chicago geboren. Dort gilt der Boden und nicht das Blut, das heißt, das Kind hat automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Vater und Mutter sind Österreicher, also hat es auch die österreichische Staatsbürgerschaft, es hat somit zwei Staatsbürgerschaften. Was ist das große Problem dabei? Ich finde, da gibt es kein Problem.

Es gibt auch andere Staaten, die die Staatsbürgerschaften gar nicht zurücknehmen. Ita­lien und Griechenland nehmen die Staatsbürgerschaft nicht zurück. Man kann die grie­chische Urkunde nach Griechenland zurückschicken, man bekommt sie nach drei Wo­chen wieder, weil Griechenland sagt, das gibt es nicht, denn: einmal Grieche, immer Grieche. Heute wurde ja bei einem anderen Tagesordnungspunkt  ich glaube, das war aus einem Tiroler Mund  über Marokko diskutiert. Man sollte nie vergessen, warum Österreich keine marokkanischen Häftlinge rückführen kann: Weil Marokko keine Häft­linge egal ob aus Österreich, Belgien oder sonst wo  zurücknimmt. Man kann ja nicht Menschen an die Grenze schicken, wenn der Staat, aus dem sie kommen, diese nicht zurücknimmt. Es ist eine andere Situation, wenn man als Österreicher im Ausland etwas anstellt: Dann muss das Land die Person nehmen. Das gilt nicht überall so.

Noch ganz kurz: Es sind viele Dinge drinnen, Herr Bundesminister, bei denen ich denke, Österreich sollte ein bisschen mehr modernere Positionen einnehmen, und vor allem sollte vielleicht die Koalition intern einmal darüber diskutieren, zum Beispiel bezüglich Europol und Interpol. Das kann man auch umgekehrt sehen. Betreffend die Modernisie­rung sollte man vor allem aufpassen, dass gerade dieses Mandat oft von Diktatoren, wie zum Beispiel Putin oder Erdoğan, verwendet wurde, um unliebsame Menschen zu kri­minalisieren. Es gibt auch in Österreich Leute, die über Interpol Moskau gesucht werden, damit diese mittels der österreichischen Behörden ausgeliefert werden  ein ganz schwieriges Verfahren übrigens, ich bin selber Teil davon geworden und weiß, wie schwierig das Ganze ist. Dieser Mechanismus wird auch auf Europaratsebene sehr kri­tisch gesehen, weil zum Beispiel Erdoğan versucht hat, Kritiker aus verschiedenen Län­dern mit unfassbaren Anwürfen herauszubekommen. Ich kann mich erinnern, Älijew in Aserbaidschan macht Ähnliches.

Was sehr gut ist, ist die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Menschen-, Dro­gen- und Waffenhandels, die gesamte grenzübergreifende Kriminalität – da bedarf es dieser polizeilichen Zusammenarbeit. Natürlich muss man sich auch die illegalen Push-back-Aktionen an den europäischen Grenzen anschauen, bei denen Asylsuchenden keine Chance gegeben wird, ihre Asylanträge zu stellen. Das ist ein glatter Bruch der Menschenrechtskonvention, aber auch der Flüchtlingskonvention. Da gibt es Fälle in Kroatien, in Griechenland, aber es gibt auch Fälle aus Österreich, von denen wir wissen, die dokumentiert sind.

Wir werden diesen Bericht über das Programm zur Kenntnis nehmen, aber noch einmal mein Ersuchen an die Koalition: Diskutiert mehr über die Positionen und Inhalte! So eine Bremsfunktion kann ja nicht wirklich wahr sein.  Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17


19.17.14*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich erteile jetzt Herrn Bundesrat Josef Ofner noch nachträglich einen Ordnungsruf. (Bundesrat Steiner: Na!) Er ist jetzt gera­de nicht da. Ich hatte es nicht ganz genau verstanden, habe nun aber durch das Protokoll


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in Erfahrung bringen können, dass er gesagt hat: Österreich ist von dieser „heuchleri­schen“ ÖVP geprägt. Dafür erteile ich jetzt noch einen Ordnungsruf.

*****

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. (Bundesrat Steiner: Aber die Wahrheit ist und bleibt halt einmal die Wahrheit, da können wir jetzt Ordnungsrufe verteilen, so viele wir wollen.) Ich erteile dieses.


19.17.44

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt haben wir es schon drei Mal gehört: Das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie das Achtzehnmonatsprogramm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsit­zes des Rates der Europäischen Union umfasst in den nächsten Monaten und Jahren bedeutende Initiativen im Bereich des Bundesministeriums für Inneres.

Kollege Kornhäusl hat ja schon über Details gesprochen und Sachen ausgeführt. Viele der Punkte betreffen das Migrations- und Asylpaket, welches von der Kommission be­reits im September 2020 präsentiert wurde. Seit 2020 hat sich die Situation in Europa in diesem Bereich, man kann das so sagen, mehr als verändert. Seit 24. Februar ist da ein europäisches Land, die Ukraine, einem Angriffskrieg ausgesetzt, Menschen fliehen vor Bomben und dem sicheren Tod und finden überall in Europa Schutz. Der Krieg in der Ukraine und die deshalb entstandene Fluchtbewegung haben eine Welle der Solidarität entstehen lassen.

Zum Schutz der Flüchtlinge aus der Ukraine beschlossen die Mitgliedstaaten am 3. März, erstmalig die schon seit dem Jahr 2001 bestehende Massenzustromrichtlinie zu aktivieren. Diese Richtlinie bietet einen Mechanismus einer EU-weit koordinierten Auf­nahme einer großen Zahl von Flüchtlingen jenseits individueller Asylverfahren und jen­seits des Dublinsystems.

Plötzlich werden Dinge möglich, von denen man bislang nicht einmal zu träumen wagte: ein schnelles Aufenthaltsverfahren durch den Vertriebenenstatus – in Österreich derzeit für ein Jahr –, damit verbunden Arbeitsmöglichkeiten, eine mögliche Anhebung der Zu­verdienstgrenze für Menschen, die sich in der Grundversorgung befinden.

Ich frage mich: Sind diese Menschen, die aus der Ukraine fliehen, wirklich anders als jene Menschen, die vor den Bomben aus Syrien fliehen? Ist das Sterben durch Bomben und Waffengewalt in der Ukraine tragischer und die Flucht deshalb mehr gerechtfertigt? Es sind doch die gleichen russischen Angriffe in Kiew und in Aleppo, die Menschen töten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dafür habt ihr in Afghanistan ...!)

Das Legislativ- und Arbeitsprogramm der EU enthält wie gesagt mehrere Punkte, die das Migrations- und Asylpaket betreffen. Die österreichische Position, welche in den EU-Verhandlungen vertreten wird, ist restriktiv und oftmals ablehnend gegenüber allem, was in Richtung Solidaritätsmodell geht.

Jetzt erleben wir in Bezug auf den Ukrainekrieg europäische Solidarität durch die Auf­nahme von Geflüchteten. Es sind tatsächlich schon 4,2 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind. Gesamteuropäisch wurde am Mittwoch auch schon einem Vor­schlag im Umfang von 3,5 Milliarden Euro zur finanziellen Unterstützung der Aufnah­meländer zugestimmt. Auch Österreich wird durch diesen Mechanismus Geld erhalten. Es wäre schön, wenn jetzt, da ukrainische Frauen und Kinder vor dem Bombenhagel zu uns flüchten und wir so betroffen sind, endlich ein Ruck durch Österreich und durch Eu­ropa ginge, der uns bewusst macht, dass es zwischen Schutz suchenden Menschen


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keinen Unterschied gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.21


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Gerhard Karner. – Bitte, Herr Minister.


19.22.04

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Frau Minister! Ich wollte mich bei diesem Tagesordnungspunkt, bei dem das Achtzehnmonatsprogramm, der EU-Vor­habensbericht, diskutiert wird, kurz zu Wort melden, weil dieser EU-Vorhabensbericht leider im Bereich des Innenresorts aufgrund der dramatischen Ereignisse in der Ukraine sehr stark in den Hintergrund getreten ist. Daher ist es mir wichtig, zu dieser Thematik kurz Stellung zu beziehen, weil ich die Gelegenheit einfach nützen will, um ein großes Danke zu sagen. Ich bedanke mich zunächst bei der österreichischen Bevölkerung für diese unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft, die in diesem Land in den letzten Wochen und Monaten gezeigt wird und bei der alle anpacken und mithelfen. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich bedanke mich bei den Ländern, bei den Gemeinden, bei den vielen Organisationen, bei den NGOs, bei den Hilfsorganisationen, bei den Flüchtlingsorganisationen dafür, dass sie in Gemeinsamkeit das alles, diese Hilfsbereitschaft, tragen und das auch koor­dinieren, damit diesen Menschen, den Vertriebenen, vor allem den Frauen und Kindern, die vor Bomben fliehen, geholfen werden kann. Es ist großartig, was da geleistet wird und wie da angepackt wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte auch bewusst darauf eingehen, welche Geschlossenheit und Stärke die Eu­ropäische Union in dieser Frage gezeigt hat. Ich darf das aus Sicht des Innenministe­riums skizzieren: Am 24. Februar begann dieser Wahnsinn des Putin, am 26. Februar wurde zu einem Sonderministerrat der Innenminister für Sonntag, den 28. Februar, ein­geladen, bei dem über diese Richtlinie für temporären Schutz, die es seit 2001 gibt – Massenzustromrichtlinie heißt sie technisch, aber es ist die Richtlinie für temporären Schutz –, diskutiert wurde, und es wurde politische Einigkeit darüber erzielt, dass diese in Kraft gesetzt werden soll.

Die Kommission wurde daraufhin beauftragt, einen entsprechenden Vorschlag zu ma­chen, und nur wenige Tage später, am Donnerstag, gab es in diesem Ministerrat einen einstimmigen Beschluss darüber, dass diese Richtlinie in Kraft gesetzt werden soll. Da wurde Schlagkraft bewiesen, nämlich um diesen Menschen zu helfen. Ich denke, da haben die Innenministerinnen und Innenminister der Europäischen Union wirklich ein Zeichen der Geschlossenheit gesetzt, diesen Menschen helfen zu wollen, weil wir ihnen einfach helfen müssen. (Bundesrat Steiner: Ja, aber das trifft jetzt ...!)

Weil offensichtlich nicht alle hier denselben Informationsstand haben, darf ich auch darü­ber informieren, dass aus der Republik Moldau ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, etwas über 300 Personen, per Flug evakuiert wurden, dass das Angebot, bis zu 2 000 Ukrainerinnen und Ukrainer per Flug zu evakuieren, nach wie vor aufrecht ist und dass es auch ein schriftliches und persönliches Angebot an Polen gibt, Herr Bun­desrat Schennach, konkret 500 Menschen, Vertriebene aus der Ukraine, die sich derzeit in Polen aufhalten, nach Österreich zu evakuieren. Das ist von mir als Innenminister schriftlich an den polnischen Innenminister ergangen und wurde am Montag vor einer Woche auch persönlich in einem Treffen mit dem polnischen Vizeinnenminister wieder­holt, bei dem ich gesagt habe: Österreich ist bereit zu helfen, zunächst durch die Orga­nisation der Aufnahme von 500, dann von bis zu 3 000 Vertriebenen! Auch das sei hier klar gesagt.


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Österreich ist eines jener Länder – da gibt es keinen Wettbewerb, sondern das ist not­wendig –, die helfen, anpacken und etwas tun. Darauf können wir stolz sein, und so werden wir auch in Zukunft handeln. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Bundesrat Steiner: Zum Bericht kein Wort!)

19.26


19.26.18

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Keine Verteilung von Migranten in der EU“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.27.2124. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuergesetz 2020 geändert werden (1026 d.B. und 1382 d.B. sowie 10927/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird (1383 d.B. sowie 10928/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 24 und 25, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um die Berichte.


19.28.05

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Be­schluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuergesetz 2020 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe außerdem den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile dieses.


19.29.20

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Man könnte die beiden Tagesordnungspunkte mit zwei Worten zusammenfassen, nämlich mit Medienkauf und Zensur. Genau das ist es aber, was ins Bild dieser schwarz-grünen Bundesregierung hineinpasst. (Vizepräsi­dent Novak übernimmt den Vorsitz.)

Von der ÖVP habe ich mir eigentlich gar nichts anderes erwartet, aber was ist aus der Partei der Grund- und Freiheitsrechte geworden? Das frage ich mich wirklich. Das Beste aus zwei Welten, hat der Herr Vizekanzler einmal gesagt. (Bundesrat Schennach: Ein Steirer!)

Der Anstand würde Grün wählen, habt ihr ja noch 2019 plakatiert. – Na, dass ihr das bei der nächsten Nationalratswahl auf eure Wahlplakate schreibt, würde ich mir wünschen. (Beifall bei der FPÖ.) Das Einzige, was ihr dort hinaufschreiben könnt, ist: Weil es eh schon wurscht ist! Das ist das Einzige, was ihr hinaufschreiben könnt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt alle Grundsätze über Bord geworfen. Anstatt uns um eine Teuerungswelle zu kümmern, kümmern wir uns heute wieder um Millionengeschenke an die Medienbran­che: 54 Millionen Euro rückwirkend für das vorige Jahr, 20 Millionen Euro zusätzlich ab dem heurigen Jahr. Na, das müsst ihr einmal den Menschen draußen, die sich das Leben nicht mehr leisten können und die sich inzwischen schon aussuchen können, ob sie hungern oder frieren, erklären. Die Leute haben kein Geld mehr zum Essen, zum Heizen, für den Strom, fürs Tanken, damit sie überhaupt mit dem Auto in die Arbeit kom­men. Also bei uns draußen, in Kainach und im Sallagraben, fährt keine U-Bahn wie in Wien. Die Leute dort müssen tanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Für all das reicht es inzwischen nicht mehr, und daran ist einzig und allein das Totalver­sagen dieser schwarz-grünen Bundesregierung schuld. Die Menschen da draußen haben zu wenig zum Leben. Die Menschen können sich keinen Urlaub mehr leisten, die Menschen können sich nicht einmal mehr den Luxus leisten, am Wochenende mit der Familie ins Gasthaus essen zu gehen.

Das heißt, wir sollten über die Begrifflichkeiten einmal nachdenken, darüber, ob Urlaubs- und Weihnachtsgeld tatsächlich noch die richtigen Begriffe sind. In Wahrheit dient dieses Geld der Bevölkerung im besten Fall dazu, das Minus am Konto wieder auszugleichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist es eben, was herauskommt, wenn Chlorophyllmarxisten mit der einstigen Volks­partei regieren. Über den Begriff Volkspartei sollten wir auch einmal nachdenken. Ich glaube, davon sind wir inzwischen auch schon ganz, ganz weit entfernt.

Deswegen darf ich an dieser Stelle auch einmal einen Entschließungsantrag einbringen, damit mit dem Geld unserer Leute endlich einmal so umgegangen wird, wie sie es sich wirklich wünschen, damit es nämlich nicht zum Kauf von irgendwelchen Qualitätsmedien verwendet wird. Ich glaube, der Regierungswurlitzer spielt in diesem Land schon viel zu lange, und ich glaube, die 180 Millionen Euro Medienförderung, die es ja schon gibt, sollten ausreichen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 176

Was bei der ÖVP im Zusammenhang mit Medien, Umfragen, Beinschab-Umfragen noch ans Tageslicht kommt, darauf bin ich gespannt. Ihr seid ja sogar so weit gegangen, dass ihr euren ehemaligen Bundesparteiobmann zur Tür hinausgetreten habt und dafür auch noch das Steuergeld unserer Österreicher verwendet habt. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Teue­rungsbremse für die Bürger statt Millionengeschenke für Medienkonzerne“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die für 2021 budgetierten 54 Mio. EUR sowie die ab 2022 jährlich fortlaufenden 20 Mio. EUR an zusätzlicher Medienförderung nicht auszuschütten und stattdessen zur Bekämpfung der Teuerung in Österreich einzu­setzen.“

*****

Ich glaube, mit den 180 Millionen Euro spielt der Wurlitzer laut genug. Wir sehen es jeden Tag in den Qualitätsmedien in Österreich. Da mache ich mir gar keine Sorgen, sondern Sorgen mache ich mir um die Menschen da draußen, die nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben finanzieren sollen. Ich würde mir wünschen, dass sich auch die Bundesregierung einmal darüber Sorgen macht und nicht über irgendwelche Medienin­serate.

Apropos Inserate: In der „Kleinen Zeitung“ hat es am 2. April 2022 eine Stellungaus­schreibung für Kleidermacher gegeben. Darin steht: Geregelte Arbeitszeiten; Gratisleis­tungen, zum Beispiel Jause; Mindestentgelt laut Kollektivvertrag: brutto 8,43 Euro; wir freuen uns auf Ihre Bewerbung! – Na, ich bin froh, dass ihr mir da wenigstens zuhört. 8,43 Euro in der Stunde – und wir unterhalten uns über zusätzliche Millionenpakete an Medienförderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ:) Das geht sich nicht mehr aus.

Das ist aber anscheinend das Beste aus zwei Welten. Was kratzt es denn diese ÖVP, wie es den Leuten da draußen geht?, oder um es in Ihrem Jargon aus den Chats zu sagen: Was kratzt es die „Hure der Reichen“, wie es den Menschen da draußen geht? – Das kümmert diese ÖVP nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich dürfen die Menschen da draußen ja gar keine Meinung haben, und das bringt mich auch schon zum zweiten Tagesordnungspunkt, der hier mitverhandelt wird, nämlich zum Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz. Diese Bundesregierung will per Gesetz be­schließen, welche Meinung da draußen noch zugelassen ist und welche Meinung eben nicht. Meinungsdiktatur hat man dazu gesagt. Das ist das, was ihr immer bestreitet, aber es ist nichts anderes: Meinungsdiktatur. Man nimmt den Menschen die Möglichkeit, sich ihre eigene Meinung zu bilden, weil man sie einfach verbietet und unter Strafe stellt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein chinesisches Virus haben wir gekriegt, ein chinesisches System haben wir in diesem Haus eingeführt. (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Grund- und Freiheitsrechte werden mit Füßen getreten. Die Meinungsäußerung ist ja für euch – die ÖVP, die Grünen und diese Bundesregierung – anscheinend so etwas wie ein lästiges Überbleibsel aus der Vergangenheit, das man Schritt für Schritt per Gesetz wegbringen muss. Genau in diese Richtung gehen wir, meine sehr geehrten


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Damen und Herren. Das hat bei Corona begonnen und geht jetzt bei der Ukrainekrise weiter. Russia Today darf nicht mehr verbreitet werden, alles wird unter Strafe gestellt, Propaganda ist nur mehr von einer Seite zulässig, nämlich von jener Seite, die diese Bundesregierung für richtig hält, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eines können Sie mir glauben: Der Österreicher ist mündig genug, sich seine Meinung selbst zu bilden. Auf eines freue ich mich, nämlich auf den Tag, an dem der Österreicher seine Meinung wirklich wieder kundtun kann. Das wird der Tag der nächsten National­ratswahl sein, da bin ich mir sicher. Dieser Tag kommt vielleicht früher, als Sie es sich wünschen und erwarten, aber dieser Tag wird kommen. Das ist aber jener Tag, an dem wir wieder sagen können: Österreich ist frei! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.37


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. Ich erteile ihm das Wort.


19.37.49

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die Digitalisierung derzeit alle Lebensbereiche fundamental verändert, und das gilt natür­lich auch für die Medienbranche.

Das zeigt sich auch in der aktuellen Analyse der österreichischen Medienlandschaft. Die Media-Analyse 2021 ist ja vor wenigen Tagen erschienen, und auch dort setzt sich ein Trend fort, den wir seit vielen Jahren sehen, und zwar, dass die klassischen österreichi­schen Tageszeitungen von Jahr zu Jahr Tausende Leserinnen und Leser verlieren. Die­ser Trend hat viele Gründe, aber einer der Hauptgründe ist ohne Zweifel, dass sich das Medienkonsumverhalten durch die Digitalisierung gerade ganz massiv verändert.

Diese Entwicklung setzt natürlich unsere Medienhäuser unter Druck, und das führt auch dazu, dass Redaktionen ausgedünnt werden und die Qualität zum Teil leider auch sinkt. Tatsache ist, dass die digitale Transformation in der Medienwelt heute keine Option mehr für die Medien ist, die sie entweder wählen oder nicht wählen, sondern dass es mittler­weile einfach eine wirtschaftliche Überlebensfrage ist, in diesen Transformationsprozess einzusteigen.

Dieser Prozess ist aufwendig, er ist sehr kostenintensiv, und man muss sich natürlich auch immer vergegenwärtigen, in welchem Umfeld diese Transformation derzeit pas­siert. Wenn man sich die Entwicklung der Medienbranche in den letzten Jahren ansieht, dann fällt einem auf, dass auch in der Medienwelt der Trend zu immer größeren Konzer­nen geht. Das Interessante dabei ist, dass diese neuen Mediengiganten, die da entste­hen und immer größer werden, eigentlich gar nicht aus der klassischen Medienbranche stammen, sondern dass es vor allem Techkonzerne sind, die da immer mehr Einfluss gewinnen.

Es sind Techkonzerne wie Google, es sind Konzerne wie Facebook, es ist Apple, es ist beispielsweise auch Amazon. Die wenigsten würden Amazon in erster Linie mit Medien verbinden, aber auch Amazon wird zu einem immer größeren Medienunternehmen. Und das ist die Konkurrenz, der sich natürlich auch unsere klassischen Medien zu stellen haben. Und wenn wir wollen, dass unsere Medienhäuser unabhängig bleiben, wenn wir wollen, dass sie nach wie vor imstande sind, auch eine gute Qualität zu liefern – ich glaube, das wollen wir alle, das ist wichtig für unsere parlamentarische Demokratie –, dann brauchen sie bei diesem Transformationsprozess auch entsprechende Unterstüt­zung.

Genau diese Unterstützung erhalten sie mit dieser Gesetzesänderung: 54 Millionen Euro sind es jetzt im Jahr 2022, 20 Millionen dann ab 2023 pro Jahr. Diese Mittel werden natürlich nicht mit dem Gießkannenprinzip vergeben, sondern sie sind an klare Kriterien


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geknüpft, was die Qualität betrifft, was Ausbildung und Fortbildung von Journalistinnen und Journalisten betrifft oder auch was den Zugang zu den Angeboten betrifft, damit diese auch möglichst barrierefrei zugänglich sind.

Alles in allem ist das Paket ohne Frage ein wichtiger Schritt, um den österreichischen Medienstandort abzusichern, der sich ja durchaus auch im harten internationalen Wett­bewerb befindet, und deshalb auch ein wichtiger Schritt, um eine Grundsäule unserer parlamentarischen Demokratie zu schützen.

Ich darf jetzt auch noch zur Änderung beim Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz Stel­lung nehmen. Herr Kollege Leinfellner, Ihre Rede hat einmal mehr verdeutlicht, dass die Freiheitliche Partei offenbar nicht willens oder einfach nicht imstande ist, zwischen dem Schutz der Medienfreiheit und dem Unterbinden von Kriegspropaganda zu unterschei­den. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das sind zwei völlig unterschiedli­che Dinge, Herr Kollege Leinfellner. (Bundesrat Leinfellner: Bei Corona war’s ja besser! Nimm das Coronabeispiel! Da war’s ja viel besser! Wie vielen Ärzten habt ihr denn die Berufsberechtigung genommen? Da war es ja viel besser!)

Wenn in russischen Auslandsmedien behauptet wird, dass nicht Russland, sondern die Ukraine Russland angegriffen hätte, dann ist das keine Meinung, Herr Kollege Leinfell­ner, sondern Propaganda. (Bundesrat Spanring: Du entscheidest, was Meinung ist?! Du bist Gott! Der Meinungsgott Kolland!) Wenn in russischen Medien behauptet wird, dass es sich nicht um einen Angriffskrieg handelt, sondern um eine Friedensmission, Herr Kollege (Bundesrat Spanring: Der Meinungsgott Kolland!), dann ist das Propagan­da und keine Meinung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Der Mei­nungsgott Kolland entscheidet, was Meinung ist! Ruf bei der FPÖ: Um Gottes willen! – Bundesrat Spanring: Die ÖVP hat die Meinungsgewalt in Österreich und entscheidet, was ist Meinung!)

Und wenn – und das ist besonders abscheulich – russische Staatsmedien verbreiten, dass die Gräueltaten von Butscha von der Ukraine selbst - - (Bundesrat Leinfellner: Wie hat euer ... geheißen, was entschieden hat, was richtig und falsch ist!) – Herr Kollege, hören Sie mir zu und schreien Sie nicht durch die Gegend! Wenn russische Staatsme­dien verbreiten, dass die Gräueltaten von Butscha von der Ukraine selbst verübt worden sind (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner), dann ist das zynischste und verach­tenswerteste Propaganda und keine Meinung, Herr Kollege. Das sind Fakenews, und die gehören abgestellt, soweit wir die Möglichkeit dazu haben. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser.)

Und wir als Volkspartei haben hier im Gegensatz zu den Freiheitlichen eine klare Mei­nung. (Bundesrat Spanring: In jeder Diktatur entscheidet irgendeiner, was ...!) Wir schützen die Meinungsfreiheit (Bundesrat Leinfellner: Was tut ihr?), aber wir verurteilen und wir unterbinden Kriegspropaganda, Herr Kollege, und genau zu diesem Zweck ist dieses Gesetz da. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Diktatur!)

Das ist richtig so, und auch wenn Sie als einzige Partei hier in diesem Saal anderer Meinung sind, bin ich froh, dass sonst alle mitstimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das freut mich auch für euch!)

19.43


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile ihr das Wort.


19.43.24

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Werter Gast, den ich noch sehe! Wir behandeln unter diesen


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Tagesordnungspunkten ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuergesetz 2020 geändert werden. Ziel ist die Absicherung einer eigenständi­gen österreichischen Medienlandschaft im digitalen Zeitalter. Hierdurch sollen österrei­chische Medieninhalte, insbesondere auch regionale Inhalte für Konsumentinnen und Konsumenten auch weiterhin verfügbar bleiben. Die österreichische Medienbranche steht in Konkurrenz mit einem – mein Vorredner hat es schon gesagt – zehnmal so gro­ßen gleichsprachigen Nachbarmarkt.

Die Covid-19-Krise hat dazu beigetragen, dass global operierende Medienunternehmen ihre Gewinne enorm steigern konnten, hingegen sind die einseitig auf das österreichi­sche Publikum ausgerichteten Medienunternehmen massiv von Erlöseinbrüchen betrof­fen. Fehlende Mittel verhindern den dringend notwendigen Ausbau des digitalen Ange­bots der inländischen Print- und Rundfunkbranche in der Medienlandschaft.

Um derartige Technologien einsetzen zu können, bedarf es der Erweiterung der bereits existierenden Förderungssysteme. Das Gesetzesvorhaben umfasst daher umfangreiche zusätzliche Förderungsziele im notwendigen digitalen Transformationsprozess der Me­dienbranche. Dazu wurde ein Fonds geschaffen, der jährlich mit 20 Millionen Euro ge­speist wird. Für 2022 stehen einmalig insgesamt 34 Millionen Euro zur Verfügung. Mit der Verwaltung und der Vergabe wird die RTR-GmbH beauftragt, die auch die Vergabe­richtlinien erstellt.

Neben dem technisch verbesserten Zugang zu Onlineinhalten soll aber auch für eine berufsbegleitende notwendige Aus-, Fort- und Weiterbildung von journalistischen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern vorgesorgt werden. Die zusätzlichen Fördermittel sollen sowohl an heimische Printmedien als auch an Rundfunksender, deren Programm auf österreichisches Publikum ausgerichtet ist, fließen.

Einige kritische Punkte bleiben allerdings unberücksichtigt; so beispielsweise der Aus­schluss von reinen Onlinemedien oder die Befürchtung, dass vor allem nicht kommer­zielle Anbieter kaum von der Förderung profitieren werden.

Im Zuge der Beratungen über die Regierungsvorlage zu diesem Bundesgesetz wurde es für notwendig erachtet, auch eine Novelle zum Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz zu beschließen. Im Zusammenhang mit unmittelbar anwendbaren Sanktionsmaßnah­men der Europäischen Union im Bereich des Medienrechtes erscheint es erforderlich, angesichts der Handlungen Russlands in der Ukraine eine spezifische Verwaltungsstraf­bestimmung einzurichten. Da diese Gesetze sowohl im Nationalrat als auch im Verfas­sungsausschuss mit den Stimmen meiner Fraktion beschlossen wurden, wird meine Fraktion auch im Bundesrat ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Bundesräte Himmer und Tiefnig.)

19.47


Vizepräsident Günther Novak: Als Nachtrag: Der von den Bundesräten Markus Lein­fellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Teue­rungsbremse für die Bürger statt Millionengeschenke für Medienkonzerne“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


19.48.24

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte zu Beginn meiner Rede noch einmal kurz die Sache mit den russischen Staatsmedien erklären. Russische Journalis­ten und Journalistinnen dürfen in Österreich arbeiten. Das ist auch wichtig, und ich finde es auch total notwendig. Es wird niemand – auch kein russischer Journalist und auch keine russische Journalistin – an seiner Arbeit gehindert.


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Das Einzige, was dieses Gesetz jetzt sagt – das war im Paket, das die Europäische Union gemeinsam als Sanktion gegen Russland, gegen einen Angriffskrieg geschnürt hat –, ist: Man will diese staatliche Propaganda nicht in österreichischen oder in europäi­schen Kabeldiensten, Fernsehdiensten, Streamingdiensten anbieten. Das ist das, was wir im Gesetz sagen.

Und warum ist das wichtig? Und da muss ich Herrn Leinfellner schon dringend bitten, noch einmal zu überlegen, was er gerade gesagt hat. Ich habe mir gerade vorgestellt, ich würde diese Rede hören, wenn ich eine Überlebende von Butscha wäre und eine Flucht nach Österreich geschafft hätte, und dann sagt jemand in Österreich, in einem Land, in dem ich Schutz bekomme, die Grundrechte müssen den Medien Propaganda dafür ermöglichen, diese müsse erlaubt sein, wenn die Grundrechte mit Füßen getreten werden, das Völkerrecht und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, die Infra­struktur von Menschen zum Überleben zerstört wird. Das ist eine Umkehrung von Grund­rechten, und ich finde, wir als Europäische Union haben jetzt sehr viel Stärke bewiesen, indem wir zusammengehalten haben, und wir sollten auch weiterhin zusammenhalten. Das ist ein Teil dieses Pakets, und ich finde es richtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zur digitalen Transformation: Die Förderung der digitalen Transformation ist, wie schon gesagt worden ist, mit 20 Millionen Euro im Jahr jetzt einer der größten Fördertöpfe der heimischen Medienfördersystematik. Gefördert wird eben diese digitale Transformation bestehender Print- und Rundfunkunternehmen für ihre Onlinearbeit.

Wichtig zu erwähnen – da möchte ich Kollegin Grimling ganz kurz korrigieren –, ist, dass zum Beispiel der nicht kommerzielle Rundfunk und auch die Volksgruppenzeitungen dabei sind. (Bundesrätin Grimling bewegt den Kopf abwechselnd von der linken zur rechten Schulter.) Ich finde es übrigens ganz wichtig, dass diese auch bei diesem För­derregime dabei sind.

Bei den reinen Onlinemedien gebe ich Ihnen durchaus recht, da sehe ich auch noch einen gewissen Nachholbedarf. (Bundesrätin Grimling nickt.) Es gibt natürlich immer mehr Medien, die bewusst auf diese, ich sage einmal, traditionelle Medienform verzich­ten, aber diese Förderung ist ja vor allem dazu da, denjenigen, die das nicht gemacht haben, jetzt die Möglichkeit zu geben, hier nachzuholen.

Jetzt kann man natürlich sagen – ich habe ja auch die Kritiken gelesen –, die Medienun­ternehmen, die schon sehr früh begriffen haben, dass sie auf eine Digitalisierung setzen müssen, werden jetzt quasi bestraft, denn die haben diese Förderung nicht bekommen, während wir die, die vielleicht die Entwicklungen auch ein bisschen zu spät entdeckt haben, jetzt fördern. Dazu muss ich aber sagen – und das gilt übrigens auch für die Rundfunkanstalten –, wir müssen, glaube ich, ein bisschen aufhören, zu glauben, dass „Krone“ und „Kurier“ oder die „Kleine Zeitung“ und „Der Standard“ und „Die Presse“ die großen Konkurrenten untereinander sind, sondern sie sind gemeinsam in einem Markt, der vor allem durch die großen digitalen Konzerne bedroht wird. Wir müssen einfach diese Konkurrenzsituation völlig neu bewerten.

Das gilt übrigens auch für die Fernsehanstalten: ORF gegen Puls 4 ist nicht das Match, das wir derzeit führen, sondern das Match, das wir derzeit führen, sind österreichische Fernsehanbieter oder eigentlich sogar europäische Fernsehanbieter und -anbieterinnen gegen Amazon, gegen Google, gegen Facebook, Netflix und Co, und wie sie alle heißen. Das ist in Wahrheit das Match, das auszutragen ist.

Ich finde es wichtig und richtig, dass wir dafür eine Förderschiene gefunden haben. Bei allem Verständnis für diverse Kritik, aber das ist auch ein Beitrag – und das halte ich für ganz wichtig – zur Medienvielfalt. Es ist ein Beitrag, der genau nicht die Grundrechte aushöhlt, sondern diese Meinungsfreiheit eigentlich stärkt, um eine bunte, vielfältige


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Medienlandschaft in Österreich zu sichern und sie auch in diesem Onlinegeschäft in Konkurrenz zu den großen digitalen Konzernen, die von außen kommen, zu ermögli­chen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.53


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminis­terin MMag. Dr. Susanne Raab. Ich erteile ihr das Wort.


19.53.49

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrä­te! Ich möchte zuerst einmal auf den neuen Fonds zur digitalen Transformation eingehen.

Sie wissen, dass die Medienpolitik und der Medienstandort Österreich in den letzten Jahren einfach einem enormen Wandel ausgesetzt sind. Die Digitalisierung trifft die Me­dienunternehmen sehr stark. Die Medienunternehmen sind gezwungen, sich dement­sprechend neu aufzustellen, und wir als Politik sind gefordert, dass wir hierfür neue Rah­menbedingungen schaffen.

Die Medien und der Medienstandort sind deshalb so unter Druck, weil durch die Digita­lisierung natürlich der Medienmarkt in Konkurrenz zum beispielsweise zehnmal so gro­ßen deutschsprachigen Markt steht, genauso aber auch zu den großen Internetgiganten, die selbstverständlich auch enorme Werbemittel aus dem österreichischen Medien­standort abziehen. Das alles hat die Medienlandschaft geändert, wird sie auch in Zukunft stark ändern. Ich glaube, wir stimmen überein, dass wir im Bereich der Digitalisierung ja nicht am Ende des Weges, sondern wahrscheinlich eher am Anfang beziehungsweise womöglich bei den ersten Schritten auf diesem Wege sind.

Ich möchte auch sagen, warum das so wichtig ist. Das ist ja nicht einfach nur ein Me­dienförderungsprogramm, sondern Medienvielfalt und ein starker Medienstandort haben ja einen enormen demokratiepolitischen Wert. Dass es unterschiedliche Medien gibt, bei denen Journalistinnen und Journalisten frei berichten können, ist ja eine bedeutende vierte Säule unser aller Demokratie.

Wie wichtig das ist, zeigt uns ja der Vergleich, wenn wir in Staaten sehen, in denen es das nicht gibt, wenn wir in Staaten sehen, in denen es Diktaturen gibt, in denen wir immer auch sehen, dass das einen Rückgang der Medienvielfalt bedeutet. Daher ist es uns auch als Bundesregierung wichtig, dass wir die Medien dabei unterstützen, diesen digi­talen Transformationsprozess zu begehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir machen das mit einem umfassenden Programm, bei dem es darum geht, dass wir speziell auch auf neue Projekte eingehen. Es geht also nicht um eine Gießkannenför­derung, sondern es geht darum, dass wir den Medienunternehmen die Möglichkeit ge­ben, auch neue Projekte einzureichen, die dementsprechend auch bewertet und beurteilt werden. Dabei geht es darum, dass sich klassische Printmedien im neuen digitalen Raum neu aufstellen. Das ist auch der Grund dafür, dass reine Onlinemedien, die diesen Schritt ja gegangen sind beziehungsweise diesen Schritt nicht mehr zu gehen haben, von dieser Förderung jetzt primär ausgeschlossen sind.

Ich möchte aber noch dazusagen, dass wir auch mit allen Medien in Kontakt sind. Ich habe auch gerade einen umfassenden Prozess von Medienkonferenzen am Laufen, bei dem wir auch über die Neustrukturierung der Medien sprechen, wobei wir selbstver­ständlich auch mit dem nicht kommerziellen Teil der Medienbranche in guten Kontakten sind. Es ist mir wichtig, dass wir mit unterschiedlichen Instrumenten auch die Rahmenbe­dingungen für die österreichische Medienpolitik schaffen.

Dann möchte ich gern zum zweiten Punkt, nämlich zur Aussetzung, zum Sendeverbot von Russia Today sprechen. Das hat mich schon gerade einigermaßen erschüttert,


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wenn hier in Zwischentönen, aber doch sehr klar der russische Angriffskrieg infrage ge­stellt wird (Bundesrat Spanring: Na, überhaupt nicht! – Bundesrat Steiner: Eine glatte Lüge! Eine glatte Lüge!), so als ob es nicht ganz sicher wäre, ob Russland diesen Krieg verursacht hätte, so als ob es nicht ganz sicher wäre, wie die Faktenlage ist. (Bundesrat Steiner: Vielleicht reans noch einmal a Gsatzl da!)

Ich möchte nur sagen, wir haben in der Europäischen Union eine gemeinsame Vor­gangsweise gewählt, die auf Fakten beruht. Es ist keine Entscheidung der österreichi­schen Bundesregierung allein, dass wir dieses Sendeverbot von Russia Today auf ge­setzlichem Wege umsetzen (Bundesrat Spanring: Eh nicht! Ist eh schlimm genug ...!), sondern es gab am 1.3.2022 einen Rat der Europäischen Union, bei dem eben eine Verordnung verabschiedet wurde, in der man sich darauf verständigt hat, dass dieses Sendeverbot ein Teil des Sanktionsregimes ist. Wie wir auch andere gemeinsame Sanktionen innerhalb der Europäischen Union gegenüber Russland setzen, sind die Aussetzung von Russia Today und die Aussetzung der russischen Kriegspropaganda auf europäischem Boden ein Teil des Sanktionsregimes.

Und ja, es ist ganz logisch, dass es hier um Grundrechte geht. Und ja, es ist ganz logisch, dass es hier um eine Abwägung von dementsprechenden Grundrechten geht und dass das auch ein Eingriff in Grundrechte ist – selbstverständlich, wie bei anderen Sanktionen im Übrigen auch. Daher sieht das europäische Sanktionsregime auch vor, dass es zu laufenden Evaluierungen der dementsprechenden Sanktionen kommt, denn selbstver­ständlich muss man diese Grundrechtsevaluierung stetig vornehmen und, sollte das zu einem anderen Ergebnis in der Abwägung der Grundrechte führen, müssen Entschei­dungen dann auch wieder revidiert werden. Und so ist das ein weiterer gemeinsamer europäischer Schritt, den wir jetzt in Österreich auf nationaler Ebene umsetzen.

Ich möchte noch betonen: Da geht es ja nicht sozusagen um die Frage, wer die Mei­nungshoheit hat, sondern da geht es darum, dass Russia Today ein Instrument der Kriegsführung geworden ist, und das dulden wir nicht auf europäischem Boden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Appé.)

Ich möchte mich daher bei den sehr geehrten Damen und Herren Bundesräten bedan­ken, dass wir hier auch zu einem breiten Beschluss kommen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt, den wir im Bereich der digitalen Transformation gehen. Er ist so­wohl für die Stärkung des gemeinsamen Medienstandorts, auch im Hinblick auf die Ein­flüsse von außen, die diesen demokratiepolitisch hohen Wert negativ beeinflussen, sehr wichtig, natürlich aber auch bei der gemeinsamen Umsetzung des europäischen Sank­tionsregimes. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.59


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Steiner. – Bitte, Herr Steiner.


20.00.24

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Diesen Redebeitrag der Frau Ministerin Raab von der ÖVP kann man jetzt so mit Sicherheit nicht stehen lassen. Frau Raab, Sie sind ja dafür bekannt, von der Ministerbank aus oft die moralische Keule zu schwingen, aber dieses Mal lassen wir es uns nicht mehr gefallen.

Sie haben sich jetzt als Ministerin hingestellt und behauptet, dass die freiheitliche Frak­tion den Angriffskrieg infrage stellt. Wie Sie sich dieses Geschwurbel jetzt zusammenge­dacht haben, weiß ich nicht, jedoch muss ich Ihnen sagen, wenn Sie so einen Schwach­sinn von der Ministerbank aus sagen: Lügen sind und bleiben Lügen, auch wenn Sie Ministerin sind – nur damit das einmal klargestellt ist!

Von der freiheitlichen Seite wurde der Angriffskrieg immer als Angriffskrieg benannt (Ruf bei der SPÖ: Nein!), nur: Regierungspropaganda ist und bleibt Regierungspropaganda,


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ob das von der Ministerbank aus in Österreich passiert oder von irgendeinem anderen Parlament aus, aus der Ukraine oder in Russland, ist völlig egal. Propaganda vonseiten der Regierung ist und bleibt Propaganda.

Und Sie haben jetzt das beste Beispiel dazu geliefert, dass Sie von der Ministerbank aus ständig Propaganda betreiben. Der Unterschied ist nur, Sie finanzieren das auch noch mit österreichischem Steuergeld. Alles, was Sie hier nicht loswerden können, weil es Ihnen vielleicht niemand aufgeschrieben hat, schreiben halt dann Ihre Tintenfaxe in den wunderschönen österreichischen Printmedien mit österreichischem Steuergeld. (Beifall bei der FPÖ.)

Und eines ist auch klar, Frau Raab: Sie können Ministerin sein, so viel Sie wollen, nur wir als Freiheitliche lassen uns von Ihnen sicherlich nicht andauernd mit Lügen be­schmeißen! Mit Sicherheit nicht! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz in Richtung Bundesministerin Raab –: Wo san ma denn überhaupt! – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

20.02


Vizepräsident Günther Novak: Herr Bundesrat Bader ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.02.53

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte den Herrn Präsi­denten im Hinblick auf die Wortwahl des Herrn Fraktionsvorsitzenden Steiner schon un­bedingt auch um Ordnungsrufe. Die Ministerin mehrfach der Lüge zu bezichtigen ist un­erträglich, das ist unanständig, das hat mit moralischen - - (Bundesrätin Schartel: Die Wahrheit! – Bundesrat Steiner: Eine Majestätsbeleidigung bei der ÖVP!) – Das hat mit Majestätsbeleidigung überhaupt nichts zu tun! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das ist kein Niveau in einer politischen Auseinandersetzung. Und hier politisches Kleingeld zu schla­gen (Bundesrat Spanring: Niveau ist aber auch kein ...!), weil die Frau Ministerin klar und deutlich gesagt hat, was dieser Krieg ist, und nicht gesagt hat, dass ihr das nicht so seht, sondern dass das so unterschwellig daherkommt - - (Bundesrat Steiner: Na, na, na! Na, na, na, na! ... ihr! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr! Dass ihr!) Das war die Wortwahl der Ministerin, und die ist klar und deutlich auch zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.03


20.03.56

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuer­gesetz 2020 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Teuerungsbremse für die Bürger statt Millio­nengeschenke für Medienkonzerne“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.05.4826. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1361 d.B. und 1388 d.B. sowie 10923/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Ich bitte um den Bericht.


20.06.09

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzte Frau Minister! Herr Vizepräsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht ist Ihnen in schriftlicher Form zugegangen, darum komme ich gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr das Wort.


20.06.56

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuschauer und Zuschauerinnen! Eines gleich vorweg: Ich denke, alles, was Ab­läufe beschleunigt und entbürokratisiert, ist sinnvoll und richtig, vor allem wenn es darum geht, dass Familienleistungen zeitnah und unbürokratisch bei den Familien ankommen, dort, wo sie derzeit vermutlich am meisten gebraucht werden. Im Nationalrat gab es zu dieser Änderung bereits breite Zustimmung, und auf diese hoffe ich jetzt auch im Bun­desrat.

Worum geht es? – Durch das neue Familienbeihilfenverfahren Fabian wurde im März 2021 die Antragsbearbeitung und Auszahlung der Familienbeihilfe auf eine zeitgemäße Tech­nologie umgestellt. Das hatte den Vorteil, die Antragsbearbeitung zu optimieren. Im De­zember 2021 haben wir ja bereits die gesetzliche Grundlage für die digitale Weiterent­wicklung von Fabian für die Daten von Studierenden beschlossen, vor allem dass die Familienbeihilfe für die Dauer von vier Monaten nach Abschluss der Schulausbildung weiter gewährt wird. Das hat den Sinn, dass eine durchgehende Auszahlung der Fami­lienbeihilfe bis zu einem möglichen Studienbeginn oder einer Berufsausbildung garan­tiert wird.

Mit der nun vorliegenden Novelle soll eine gesetzliche Grundlage für die automatisierte Übermittlung von Daten von Schülern und Schülerinnen und Lehrlingen geschaffen wer­den. Durch das Einspielen beihilferelevanter Daten können nämlich zukünftig rasch und


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unbürokratisch wichtige Informationen für den Erhalt der Familienbeihilfe automatisiert zwischen den einzelnen Behörden und Institutionen weitergegeben werden und es müs­sen keine Unterlagen wie Schulbesuchsbestätigungen oder Unterlagen betreffend das Lehrverhältnis vorgelegt werden oder zusätzlich auf Finanzonline hochgeladen werden.

Damit wird zum einen der Aufwand für die Bürger und Bürgerinnen, aber auch für die Mitarbeitenden im Finanzamt verringert, und es sind keine Amtswege notwendig. Es geht einfach um eine schnelle und unbürokratische Abwicklung dieses Verfahrens.

Wenn man sich die Reden im Nationalrat angehört hat, kennt man die Kritik vor allem im Zusammenhang mit dem Umgang mit den Sozialversicherungsnummern. Eines gleich vorweg: Die Sozialversicherungsnummern werden nur vorübergehend bis zum Herbst verwendet, danach erfolgt eine schnellstmögliche Ausstattung mit verschlüsselten be­reichsspezifischen Personenkennzeichen, und diese besser verschlüsselten Daten wer­den dann auch verpflichtend zu verwenden sein.

Jetzt geht es aber darum, schnellstmöglich zu helfen, damit wir da keine wertvolle Zeit verlieren. Daher bitte ich auch im Bundesrat um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

20.09


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.10.26

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zu­seherinnen und Zuseher! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind immer an der Seite der Familien in diesem Land, und weil der vorliegende Gesetzesvorschlag die Menschen unterstützt und auch dazu beiträgt, Bürokratie abzubauen und Wege zu beschleunigen, werden wir dem heute auch zustimmen.

Wie bereits von der Frau Kollegin ausgeführt, ist durch diese Änderung des Familienlas­tenausgleichsgesetzes eine Automatisierung bei der Verarbeitung der Daten von Schü­lerinnen und Schülern sowie von Lehrlingen vorgesehen. Dadurch wird es möglich, dass die Familienbeihilfe dann rasch und unbürokratisch bei den Familien ankommt.

Der vorliegende Gesetzesantrag wird also das Familienbeihilfenverfahren vereinfachen und auch beschleunigen. Wesentlich für uns ist, dass die Familienleistung zeitnahe bei den Menschen ankommt und Verzögerungen bei der Auszahlung der Familienbeihilfe möglichst vermieden werden, und somit geben wir – in der Hoffnung, dass bei der Um­setzung auch alles reibungslos funktioniert – unsere Zustimmung.

Dass aber der ÖVP die Familien und die damit verbundenen Lebensrealitäten in Wirk­lichkeit völlig egal sind, zeigt sich daran, dass der von uns eingebrachte Antrag betref­fend „Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Väterbeteiligung“ am Dienstag im Familien­ausschuss von der ÖVP quasi im Nirwana versenkt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Großartige Unterstützung, Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Kittl) – weil Sie mich soeben angeschaut haben –, gab es dabei wieder einmal von den Grünen, aber, Frau Kollegin, ich habe auch gesehen, dass Sie sehr betreten zu Boden geblickt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Ihrem Sinne ist. Es kann nicht Ihre Ansicht sein, dass wir kein Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Väterbeteiligung brauchen.

Die ÖVP versenkt also, unterstützt durch die Grünen, sinnvolle Anträge für Familien mit fadenscheinigen Argumenten, wie: Da haben wir etwas in Ausarbeitung! Da möchten wir nicht vorgreifen! – Na bitte, dann tut doch endlich weiter! Wir sind im Jahr 2022, wie lange sollen wir noch warten, bis wir die Gleichstellung erreicht haben?


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Die groß angelegte Studie der Arbeiterkammer zeigt nämlich ganz klar, dass Väterka­renz nach wie vor ein Schattendasein führt, und in neun von zehn Partnerschaften gibt es derzeit keine Väterbeteiligung. Warum erkennen Sie die Erkenntnisse aus dieser Stu­die nicht an?

Frau Ministerin, wir alle haben es heute gelesen: Eine aktuelle, von Ihnen in Auftrag gegebene Studie scheint Ihnen recht zu geben – alles richtig gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man, Sie machen es sich damit etwas zu einfach. Die Studie zeigt nämlich: In den unteren Einkommens­klassen findet die Familienpolitik lediglich über Sozialpolitik, also beispielsweise über den Heizkostenzuschuss oder über eine Wohnbeihilfe, statt. Familienpolitik bedeutet aber nicht das Verteilen von Almosen, was Sie in letzter Zeit so gerne betreiben; und dass Sie, Frau Ministerin, die Familienbeihilfe auch nicht an die Inflation anpassen wollen, ist angesichts der Rekordteuerung wirklich nicht nachvollziehbar.

Die Familien sind die Grundpfeiler dieser Gesellschaft, und es muss das erklärte Ziel sein, dass Familien ein gutes Leben leben können – egal, ob es sich um eine klassische Familie mit Vater, Mutter, Kindern handelt oder um Alleinerziehende. Dass Kindern der Zugang zu Bildung ermöglicht wird, dass wir endlich einen entsprechenden Mindestlohn haben und dass endlich das Unterhaltsthema angegangen wird, ist längst überfällig, weil eben jedes Kind gleich viel wert ist.

Liebe Familien draußen, die uns zuhören, ihr seid eine unverzichtbare Stütze für diese Gesellschaft! Das weiß zum Beispiel auch der Katholische Familienverband, der jetzt nicht unbedingt der SPÖ nahesteht. Liebe Familien, ihr könnt euch aber sicher sein, dass sich die Sozialdemokratie immer für euch einsetzen wird und aktiv und sinnvoll für euch arbeiten wird. Die Lösung der Krisenprobleme erfordert Empathie. – (In Richtung Bun­desministerin Raab:) Es ist offenbar nicht sehr interessant, wenn das Handy wichtiger ist.

Es ist jetzt die Zeit der Sozialdemokratie. Schauen Sie zum Beispiel in das Burgenland: Dort wurden unter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hinsichtlich Mindestlohn bereits wichtige Weichenstellungen vorgenommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.


20.14.51

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Das war heute wieder einmal ein Klassiker: Die Regierungsbank, manche hier im Hohen Haus glauben, uns Freiheitliche könne man als Reibebaum verwenden.

Frau Minister Raab hat behauptet – also es geht ihr nicht gut –, dass wir den Krieg Russ­lands infrage stellen. Das stimmt aber nicht, das stimmt überhaupt nicht! Das, was wir kritisieren, ist, dass in Österreich und in der westlichen Welt Medien zensiert werden und es keine objektive Berichterstattung von beiden Seiten gibt.

Was wir auch kritisieren: Wir sehen im Vergleich durchaus Parallelen mit der Medienbe­richterstattung während Corona, als alle Kritiker mundtot gemacht wurden und es sogar so weit ging, dass kritische Ärzte Berufsverbot erhielten. Das ist eine absolute Sauerei! Ich sage das bewusst: eine Sauerei – ein Berufsverbot zu erhalten, nur weil man seine Meinung sagt! (Beifall bei der FPÖ.)

Es verwundert mich aber nicht. Frau Minister Raab ist ja bekannt für ihre Übertreibungen und – ich sage es jetzt einmal ganz direkt – ihren Hang zu Hysterie, weil ich mir das anders nicht erklären, nicht vorstellen kann – gut, sie war schwanger, da sind die Hor­mone ein bisschen durcheinandergeworfen –, dass man sich so aufregt, weint in einem


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Parlament, weil wir Freiheitliche hier ohne Maske saßen; und kurze Zeit später geht man dann zum Bundesparteitag der ÖVP, wo tausend Leute anwesend waren (Beifall bei der FPÖ), wo niemand eine Maske getragen hat, und in den Medien steht: Ministerin Raab „kam mit Ehemann und Baby“ zum Parteitag mit tausend Leuten und ohne Maske. (Bun­desrat Steiner: Brauchen Sie nicht rot werden! Alles Heuchler! – Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.)

Hören Sie bitte endlich damit auf, uns Freiheitliche als Reibebaum zu benutzen! Wer austeilt, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wir lassen es uns nicht gefallen und wir sind couragiert genug, dass wir uns gegen solche Vorwürfe wehren. (Beifall bei der FPÖ.)

Was das Thema betrifft: Mit dem heutigen Beschluss zu Fabian, dem neuen digitalen System, soll das Familienbeihilfenverfahren vereinfacht, verkürzt und beschleunigt wer­den. Das ist ja grundsätzlich zu begrüßen, wir werden dem auch zustimmen, jedoch sind für uns Freiheitliche einige Fragen offen.

Es geht um die Fragen: Wie schaut es datenschutzrechtlich aus, wenn eine Verknüpfung mit externen Datenhaltern stattfindet? Da gibt es ja einige Stellungnahmen zu der Er­stellung des Computerprogramms, unter anderem auch eine Stellungnahme der Daten­schutzbehörde.

Des Weiteren interessiert uns auch die Frage der Kosten: Das neue digitale Verfahren Fabian hat ja circa 13,5 Millionen Euro gekostet, knapp 1 Million Euro davon hat das Finanzministerium übernommen. Die restlichen 12,5 Millionen Euro kamen aus dem Fa­milienlastenausgleichsfonds, dem Flaf, und das ärgert mich schon! Warum kommen 12,5 Millionen Euro aus dem Flaf? Das hätte man durchaus im Ministerium für Digitali­sierung oder im Finanzministerium ansiedeln können. Es muss nicht sein, dass eigent­lich nur für EDV Geld aus dem Familienressort genommen wird.

Der Flaf ist ja schon chronisch unterfinanziert. Wenn man sich die Zahlen von 2021 an­schaut, dann sieht man, dass 7,6 Millionen Euro ausbezahlt worden sind und 7,5 Millio­nen Euro wurden eingenommen. Dieser Flaf ist eigentlich dafür geschaffen worden, dass man wirklich Kernaufgaben im Familienbereich wie die Familienbeihilfe, wie das Karenz­geld und wie zum Beispiel Schulbücher abdeckt. Als ich dann im Ausschuss nachgefragt habe, wie es denn mit dem Flaf-Reservefonds ausschaut, hat es geheißen – das war wirklich schockierend für mich –: Der ist mit 3,6 Milliarden Euro im Minus – nicht Millio­nen –, ein mit 3,6 Milliarden Euro verschuldeter Flaf-Reservefonds! Das war eine Wat­sche für mich. Ich habe mich gefragt: Was ist da los? Warum wird da keine Vorsorge getroffen? Wo bleiben die Maßnahmen, um diesen Reservefonds zu entschulden? – Da ist aber nichts zu sehen. Da ist nichts zu sehen! Für uns Freiheitliche ist es ganz, ganz wichtig, dass die Auszahlungen der Familienleistungen auch in der Zukunft gewährleistet sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie sollen diese aber abgesichert sein, wenn Schwarz-Grün nicht dafür Sorge tragen, dass rechtzeitig genügend Geld im Flaf vorhanden ist, und nicht gewillt sind, den Reser­vefonds zu entschulden?

Gut ist jetzt an diesem neuen System mit Fabian, dass die Verfahrensdauer reduziert wird und dass die Familienleistungen schnell und unbürokratisch bei den Familien an­kommen. Die letzten Jahre hat das ja nicht immer so hingehaut, da hat es ja enorme Verzögerungen bei der Auszahlung der Familienbeihilfe gegeben. Ganz schlimm war es im vergangenen Jahr. Familien mussten Monate – viele, viele Monate – warten, bis die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde. Das kann es ja, bitte, wohl nicht sein. Das ist ja ein unerträglicher Zustand. Unsere Familien wurden die letzten zwei Jahre durch eure schwarz-grünen, sinnlosen Coronamaßnahmen genug gebeutelt und belastet.

Bereits im letzten Jahr, also bereits vor der Ukrainekrise – weil wir das heute schon ein paar Mal gehört haben, dass jetzt die Ukrainekrise an allem schuld ist –, hat die Infla­tionsrate zu steigen begonnen, und die Preise für Strom, für Miete, für Gas, für Treibstoffe


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und für Lebensmittel sind gestiegen. Diese Preissteigerungen haben eindeutig Schwarz-Grün zu verantworten, und zwar aufgrund der Murkspolitik, die ihr da aufgeführt habt! (Beifall bei der FPÖ.)

Durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und gestiegene Preise können viele Familien nicht einmal mehr ihre Fixkosten abdecken. Genau in dieser Zeit, in der die Leute eh schon hinten und vorne der Schuh drückt, weil sie kein Geld mehr im Geldbörsel haben, wird viele Monate die Familienbeihilfe nicht ausbezahlt. Jeder Cent geht den Familien ab, und dann fährt diese Bundesregierung mit ihren sinnlosen Coronamaßnahmen eiskalt über die Menschen drüber. Und die Ukrainekrise, das gebe ich zu, hat die Situation jetzt wirklich noch verschärft. Mittlerweile sind wir bei einer Inflationsrate von 7 Prozent, und die wird steigen, wenn nicht sofort eine Notbremsung eingeleitet wird. Viele Menschen können sich jetzt schon – und das habe ich das letzte Mal schon gesagt – das Leben gar nicht mehr leisten und müssen sich überlegen: heizen oder Lebensmittel kaufen, weil sich beides zusammen nicht mehr ausgeht.

Wenn die Familien in einer solch prekären Situation wochenlang, monatelang auf die Familienbeihilfe warten müssen, dann ist das nicht tolerierbar und nicht akzeptierbar. Die Familienbeihilfe ist ja auch an andere Leistungen wie zum Beispiel das Pflegegeld gekoppelt, und auch – das wird der Herr Arbeitsminister wissen – Familienzuschläge beim Arbeitslosengeld sind an die Familienbeihilfe gekoppelt. Wenn das wegfällt, dann fällt ja klarerweise die andere Leistung auch weg, und es dreht sich wie eine Spirale, dass die Menschen dann immer weniger Geld haben.

Primär sollte dieses Geld, sollten diese Familienleistungen ja den Kindern zugutekom­men. Ich habe es auch das letzte Mal und das vorletzte Mal schon gesagt: Das Ergebnis davon ist, wie es auch in den Studien drinnen steht, dass es die sogenannten Toast­brotkinder gibt, denn wenn den Familien, den Eltern das Geld ausgeht, bekommen die Kinder nur mehr Toastbrot zu essen. Toastbrotkinder darf es im 21. Jahrhundert in Ös­terreich nicht geben. Das ist nicht notwendig, auch unsere Kinder hier im Land brauchen Geld! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist mehr als beschämend, aber auf der anderen Seite – und das finde ich so bitter – tauchen im Dreivierteltakt, ja, ich sage: fast schon stündlich, eure ungustiösen ÖVP-Korruptionsgeschichten auf. Wie sich die Mitglieder der vornehmen La Famiglia wech­selseitig hochdotierte Posten zuschanzen oder Millionen Euro an Geld oder Steuergel­der zuschanzen, ist einfach grauslich. Dabei wird einem nur mehr schlecht. Auf der an­deren Seite habt ihr die Hacklerpension abgeschafft, die nur zwischen 30 und 40 Millio­nen Euro gekostet hätte, aber 210 Millionen Euro gönnt man sich doch selbst für PR und Marketing (Beifall bei der FPÖ), oder man geht, weil ich hier einen Partylöwen sehe, zu ORF-Feiern – und das, als die Leute zu Hause eingesperrt waren und teilweise nicht gewusst haben, wie sie über die Runden kommen sollen.

Die Teuerungswelle muss umgehend gestoppt werden! Dazu brauchen wir aber keine ökoasoziale Steuerreform. Was die Menschen in diesem Land brauchen, sind sofortige Kostensenkungen, Preisobergrenzen bei Energie, Mieten, Treibstoffen, Rohstoffen und Lebensmitteln, denn die Armen in diesem Land werden immer ärmer, die Reichen wer­den immer reicher, der Mittelstand verschwindet zunehmend, und der größte Gewinner in dieser traurigen Preisspirale ist das Finanzministerium.

Diese schwarz-grüne Regierung hat es in der Hand, mit einfachen Mitteln die Teuerungs­welle zu stoppen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, stoppen Sie diese Preislawine! Für den Fall, dass Sie das nicht machen, treten Sie zurück und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.24


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 189

20.25.00

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Nach den Beschimpfungen möchte ich wieder zurück zum Tagesordnungspunkt kommen. (Bundesrat Steiner: Eine super Replik ...!) – Ja.

Das Finanzamt ist nun auch im digitalen Zeitalter angekommen, und das ist gut so, denn die Anspruchsprüfung der Familienbeihilfe wird automatisiert und damit auch rationali­siert, und damit kommt es eben zu keinen – oder im Normalfall zu keinen – Rückstaus oder Verzögerungen mehr. Mit der Novelle wird das auf Lehrlinge und SchülerInnen aus­gedehnt.

Das Gute daran ist, dass die Automatisierung sehr ähnlich wie eine Antragslosigkeit – also die Familienbeihilfe zu bekommen, ohne extra einen Antrag stellen zu müssen – wirkt. Das ist gut, weil es schnell, aber vor allem auch niederschwellig ist. Das ist ein großer Vorteil, vor allem dann, wenn man sich im Behördendschungel vielleicht nicht so gut auskennt. Ein gutes Beispiel dafür war auch, dass die Familienbeihilfe sofort bei der Geburt eines Kindes ausgezahlt wird. Sie wirkt auch da sehr gut, wenn jetzt nach der Schule durch die viermonatige Verlängerung der Familienbeihilfe diese an die Schüle­rInnen zur Überbrückung bis zum Studium ausgezahlt wird. Das ist wichtig für die Exis­tenzsicherung. Das ist wichtig, weil mehr Zeit für die Familie bleibt.

Ein letzter Satz noch zu den von der SPÖ angesprochenen Reformen für die Väterka­renz: Ich finde es sehr schön, dass Sie jetzt in sehr vielen Anträgen wahnsinnig viele Reformen ansprechen (Bundesrätin Schumann: Na, der ist ganz neu!), aber ich frage mich wirklich, warum Sie in der Zeit, in der Sie in Regierungsverantwortung waren – bis 2017, und auch da war Väterkarenz zum Beispiel schon ein Thema –, diese Sachen und diese Reformen nicht durchgebracht haben. (Bundesrätin Schumann: Na geh, bitte ...! Mit dem Schmäh jedes Mal! Jedes Mal derselbe Schmäh, das ist ja nimmermehr zum Aushalten, das glaubt ja doch keiner mehr!) – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Weil du die Menschen nicht zwingen kannst!)

20.26


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin MMag. Dr. Susanne Raab. Ich erteile ihr das Wort.


20.27.03

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es freut mich wirklich sehr, dass wir heute wieder einen weiteren Schritt in der Digitalisierung des Familienbeihilfenverfahrens gehen können. Wie auch gerade angesprochen, ist es für die Familien ganz wichtig, dass da Entbürokratisierung stattfin­det, denn wir wissen: Zeit ist bei den Familien rar. Umso wichtiger ist es, dass wir für die Familien – sowohl finanziell, aber natürlich auch, was bürokratische Hürden und Wege betrifft – eine Entlastung schaffen.

Wir haben das Familienbeihilfenverfahren Fabian jetzt schon seit März 2021 im Einsatz, es wurde bereits im Dezember mit einem ersten Schritt ausgebaut, und nunmehr erfolgt mit der vorliegenden Novelle eben der nächste Ausbauschritt, mit dem insbesondere Schülerinnen und Schüler sowie auch Lehrlinge von der Bürokratie entlastet werden, weil die entsprechenden Dokumente, die man braucht, automatisch weitergeleitet wer­den können – somit: mehr Digitalisierung, weniger Amtswege, weniger Papierunterlagen.

Darüber hinaus ist auch vorgesehen, dass ab Juni 2022 die Familienbeihilfe vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung automatisch weitergewährt wird. Das ist unabhän­gig davon, ob jetzt direkt eine Berufsausbildung eingegangen wird, absolviert wird oder nicht, und dadurch wird eine durchgehende Auszahlung der Familienbeihilfe gewährleis­tet – ganz praktikabel, beispielsweise zwischen dem Abschluss der Matura und dem Be­ginn des Studiums. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 190

Ich möchte auch noch gerne auf die kurze Debatte in puncto Teuerung und die Auswir­kungen auf die Familien eingehen. Es ist ganz, ganz klar, dass die aktuelle Teuerung auch enorme Auswirkungen auf die Familien hat. Das ist auch der Grund, weshalb wir ein 4 Milliarden Euro teures Paket gegen die Teuerung geschnürt haben. Da sind Maß­nahmen dabei, die speziell auch in den Familien wirken, denn: Ja, selbstverständlich müssen Familien auch heizen; ja, selbstverständlich haben auch Pendler Kinder; ja, selbstverständlich ist es so, dass die Energiekosten auch in familiären Haushalten, in Haushalten mit Kindern schlagend werden. Daher wollen wir da speziell und natürlich auch mit einem Schwerpunkt besonders vulnerable Gruppen entlasten, jene Gruppen, die auch Gefahr laufen, da in eine Armutsfalle zu tappen. Für diese setzen wir besonders hohe Entlastungsmaßnahmen.

Insgesamt darf ich einfach nur kurz schildern, dass wir in Österreich eine umfassende Familienpolitik mit einer Entlastung der Familien auf drei Säulen vorsehen: Wir haben auf der einen Seite finanzielle Familienleistungen wie beispielsweise die Familienbeihilfe oder das Kinderbetreuungsgeld. Wir haben mit der zweiten Säule steuerliche Entlastun­gen wie den Familienbonus. Wir haben mit der dritten Säule eben auch Sachleistungen wie die Kinderbetreuung. All das führt insgesamt zu einem breiten Entlastungsumfeld für Familien, zu einem guten Investment des Staates in die Familien – etwas, das absolut notwendig ist.

Bei zwei dieser drei Säulen ziehen wir jetzt noch einmal nach, das möchte ich betonen: Wir erhöhen – das wird mit 1. Juli schlagend – den Familienbonus, und wir erhöhen auch den Kindermehrbetrag. Auch das, hoffe ich, wird den Familien in dieser schwierigen Si­tuation hinsichtlich der Teuerung helfen. Wir sind auch gerade in Gesprächen, was den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung betrifft, und werden auch in die dritte Säule der Familienpolitik mehr investieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.30


20.30.43

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich möchte bei uns im Plenum den Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher recht herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.31.3027. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendli­chen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (1331 d.B. und 1404 d.B. sowie 10920/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (2334/A und 1406 d.B. sowie 10921/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 191

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Québec (1360 d.B. und 1407 d.B. sowie 10922/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 27 bis 29, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 27 bis 28 ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy.

Berichterstatter zum Tagesordnungspunkt 29 ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um die Berichte.


20.32.38

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhege­setz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden.

Der Bericht liegt schriftlich vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 28: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird.

Auch dieser Beschluss liegt schriftlich vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


20.33.42

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Pro­vinz Québec.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm das Wort.


20.34.27

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren! Viele wollen es nicht wahrhaben und versuchen, möglichst alles schlechtzureden, weil ihnen die Parteipolitik wichtiger ist als das große Gesamte. (Bundesrätin Schartel: Das sagt ein ÖVPler! Ich glaub, ich spinn’! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir leben in einer gut organisierten, durchdachten und von vielen Gesetzen eingerahmten, volkswirtschaftlich funktionierenden Gesellschaft.

Wir kennen unsere Produktionsfaktoren – einfach dargestellt – in Form von Material, Ma­schinen, Technologie und Menschen. Natürlich heißt es nach der Gutenberg’schen Be­triebswirtschaftslehre genauer – korrekt –: Arbeitskraft, Betriebsmittel und Werkstoffe.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 192

Die Materialien, Technologien und Maschinen sollen den Menschen nicht beherrschen, sondern helfend, dienend, gesundheitsfördernd und sozial geprägt von Nutzen sein.

Einem sehr verantwortungsbewussten Personenkreis – und um den geht es nun –, der unsere Güter täglich von A nach B bringt, den Kapitänen der Straßen vulgo Lkw-Fernfah­rern, gilt nun der Fokus. Für diese Leistungsträger wurden in den vergangenen Jahr­zehnten schon wichtige Regelungen beschlossen, die vor einer Überforderung schützen sollen. Es gibt nun eine löbliche neue Regelung auf EU-Ebene, die besagt, dass auslän­dische Frachtunternehmer ihre Fahrer nicht mehr rund um die Uhr durch unterschied­liche Mitgliedstaaten schicken dürfen. Die Fahrer müssen zumindest einmal im Monat ihre Ruhezeit im Heimatland verbringen. Auch die wöchentliche Ruhezeit wird neu ge­regelt.

Das sind wichtige Schritte für den Arbeitnehmerschutz und auch gegen Lohndumping, denn es kann nicht sein, dass heimische Frachtunternehmer nicht konkurrenzfähig sind, weil ausländische Mitbewerber die Preise zulasten der Fahrer drücken. Die neue Rege­lung trägt auch im besonderen Maß – auch das ist ein wesentlicher Faktor – zur Sicher­heit im Straßenverkehr bei.

Im weiteren Tagesordnungspunkt geht es um die Verlängerung der Inanspruchnahme von Kurzarbeit – ein Erfolgsmodell, Herr Minister Kocher! – von 24 auf 26 Monate. Bei der Kurzarbeitsbeihilfe ist ein deutlicher Rückgang der Inanspruchnahme der Kurzarbeit feststellbar. Es gibt aber noch immer Unternehmungen wie zum Beispiel Konzertveran­stalter, den Städtetourismus, die Städtehotellerie bis hin zur Nachtgastronomie, die von der Covid-19-Pandemie stark betroffen sind. Damit es zu einem fließenden Übergang in die Normalität kommen kann, ist es notwendig, die Kurzarbeit eben noch einmal um zwei Monate zu verlängern – ein guter und wichtiger Schritt.

Wir werden die Kurzarbeit brauchen – ganz einfach deshalb, weil ja die ungeheuerlichen kriegerischen, heute schon mehrmals angesprochenen Angriffe, die vonseiten Russ­lands gegen die Ukraine immer noch tagtäglich stattfinden, auch ökonomische Auswir­kungen auf Österreich haben und weil einzelne Branchen, die Lieferkettenprobleme haben, sich halt wahrscheinlich in weiterer Folge dementsprechend auch um Kurzarbeit kümmern müssen und einsteigen werden. Daher ist es wichtig, dass wir uns zumindest auch da, wie bei der Covid-19-Pandemie – auch das wird ja noch weitergehen –, diesen Schritt überlegen müssen.

Zum Schluss meiner Ausführungen – es gibt ja eben diese drei Tagesordnungspunkte – geht es über den großen Teich hinüber nach Kanada, speziell in die Provinz Québec. Österreich hat ja mit verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt Abkommen hinsichtlich sozialer Sicherheit. Diese umfassen vor allem Bestimmungen der Pensionsversiche­rung, die Gleichstellung der beidseitigen Staatsangehörigen oder auch die Zusammen­rechnung der Versicherungs- und Wohnzeiten für einen Leistungsanspruch. Mit dem vorliegenden Gesetz wird nun die Vereinbarung mit der Provinz Québec aktualisiert. Es betrifft ja hauptsächlich neue Pensionsberechnungen und zusätzlich noch die neu aufge­nommenen Bestimmungen im Bereich der Unfallversicherung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit zu doch schon etwas später Stunde und ersuche um Zustimmung zu den zukunftsorientierten und richtungsweisenden Gesetzesvorlagen. – Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.39


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm das Wort. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schach­ner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Steirische Festspiele? – Nein!)



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 193

20.39.50

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Werter Präsident! Sehr geehrter Bun­desminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! – Ernstl, du hast es jetzt so erzählt, als wäre das, was jetzt mit den Lkw-Fahrern passiert, irgendwie die Weltgeschichte.

Ich möchte vielleicht vorher noch sagen, dass auch wir als SPÖ allen drei Gesetzesvor­lagen zustimmen werden, aber ich möchte zu ein paar schon etwas sagen.

Punkt eins, die Kurzarbeit: Für mich ist es etwas ganz, ganz Wichtiges, dass wir sie bis 31. Mai verlängern. Der Herr Bundesminister wird es ja auch wissen, dass es mit 31. Mai noch immer nicht das Ende sein wird, sondern wir werden noch weiter nachdenken müssen, denn es werden nicht mehr so viele Betriebe, sage ich jetzt einmal, bestehen bleiben können beziehungsweise werden viele in Insolvenz gehen. Vielleicht muss man sie auch unterstützen, damit wir die Arbeitsplätze erhalten können. Daher ist es schon gut und richtig, dass wir bis 31. Mai weiterhin die Kurzarbeit haben.

Als Nächstes zu den Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern: Du hast es jetzt vor mir so schön erzählt, wie super und wie klasse es ist und dass jetzt – stellt euch einmal vor! – ein Lkw-Fahrer einmal in vier Wochen ein Wochenende zu Hause verbringen darf. Also das, muss ich euch ganz ehrlich sagen, funktioniert im 21. Jahrhundert nicht mehr. (Bundes­rat Schwindsackl: Es ist eine Verbesserung!) – Es ist eine Verbesserung, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren, aber es funktioniert nicht mehr. Wenn wir nicht alle insgesamt ein bisschen umdenken, wird es irgendwann einmal so sein wie in Großbri­tannien, dass die Geschäfte beziehungsweise gewisse Regale in Läden leer sein wer­den. Wir haben gesehen, was in England passiert ist. Da gibt es keinen Lkw-Fahrer, der sagt, ich will jetzt gern Lkw fahren.

Wisst ihr, was sich verändert hat? – Die Menschen haben sich verändert. Die Menschen wollen nicht mehr 60, 70 Stunden in der Woche unterwegs sein. In Wirklichkeit wollen die Menschen Work-Life-Balance haben. Ich weiß, dass man das als Unternehmer nicht gern hört – Work-Life-Balance –, aber gute Unternehmer, kann ich ganz ehrlich sagen, machen heute schon eine Viertagewoche, die gehen heute schon her und sagen, mit einer kleinen Arbeitszeitverkürzung schaue ich als Firma, dass ich Personal bekomme und es auch bei mir bleibt. In diese Richtung müssen wir nachdenken. Normalerweise müssten wir hier zum Beispiel über Arbeitszeitverkürzung diskutieren. Wann haben wir das zum letzten Mal im Parlament diskutiert? – 1974 ist das passiert. Ihr müsst euch vorstellen, wie lange das her ist.

Noch einmal: Wenn man heute mit der Jugend redet und alle, die einen Lehrberuf ma­chen – ist wurscht, auch alle, die studieren –, fragt, wie lange sie arbeiten wollen, ob sie 60, 70 Stunden in der Woche oder 40 arbeiten wollen, da sagt jeder, nein, das ist mir zu viel. Ich merke ja das in unserem Betrieb. Da kommen die Leute und sagen: 30 Stunden, länger will ich nicht arbeiten – es ist einfach so. Da müssen wir nachdenken, was wir in Zukunft tun, wie wir es angehen.

Wie gesagt, es ist eigentlich traurig, sich in der heutigen Zeit darüber zu freuen, wenn ein Lkw-Fahrer in vier Wochen einmal ein Wochenende daheim verbringen kann, es ist traurig, dass man im 21. Jahrhundert darüber diskutieren und reden muss, dass Lkw-Fahrer jetzt nicht mehr in ihrer Hütte oder im Lkw drinnen schlafen müssen, sondern dass sie irgendwo in ein Motel oder sonst irgendwohin gehen, um dort die wöchentliche Ruhezeit zu verbringen. (Bundesrat Schwindsackl: Es ist eine Verbesserung!) – Danke und Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 194

20.43


Vizepräsident Günther Novak: Bundesrat Markus Steinmaurer ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


20.43.19

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zu­seher zu Hause und auf der Galerie! Die Punkte 27 bis 29 werden gemeinsam abgehan­delt und von der FPÖ-Bundesratsfraktion unterstützt.

Zu Punkt 28: Die freiheitliche Bundesratsfraktion begrüßt den Entwurf zur Verlängerung der Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen und wird diese auch mittragen. Das Modell der Kurzarbeit hat sich in vielen Fällen bewährt und hat sowohl Arbeitnehmern als auch Ar­beitgebern geholfen. Ich möchte aber feststellen, dass die Mittel zur Stützung der Kurz­arbeit von den Steuerzahlern – also von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern – selbst bezahlt werden, zum Beispiel ganz aktuell durch die Mehreinnahmen bei den Treibstoff­preisen. Liebe Bundesregierung! Bitte stellen Sie die Gewährung von Kurzarbeitsbeihil­fen nicht als mildtätige Spende Ihrerseits hin! Das ist keinesfalls angebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade durch die unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen und die eklatanten Fehlent­scheidungen wurde vielen Österreicherinnen und Österreichern ihre Existenz genom­men. Ich bin seit über 30 Jahren in der Bauwirtschaft tätig und habe da schon einige Krisen mitgemacht. Die Situation in der Bauwirtschaft beziehungsweise Industrie hat sich seit Herbst 2021 massiv verändert. Man kann nicht mehr von Preissteigerungen spre­chen, die Preise sind explodiert – egal ob bei Ziegeln, Beton oder Parkettböden. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Als Begründung höre ich in der Betonproduktion: Beim ersten Lockdown wurde die Produktion reduziert und von Dreischicht- auf Zweischicht­betrieb umgestellt, damit man die firmeneigenen Mitarbeiter halten konnte. In Oberöster­reich ist es nicht mehr möglich, den sozialen Wohnbau aufrechtzuerhalten beziehungs­weise die Baukostenobergrenze einzuhalten, was wiederum die Voraussetzung dafür ist, dass ein Mieter Anspruch auf Wohnbeihilfe hat. In Oberösterreich wurde vorgesorgt, im Landesbudget wurden zusätzliche Mittel für die Wohnbeihilfe vorgesehen.

Durch meine Tätigkeit in den verschiedensten handwerklichen Betrieben, zu denen Kon­takt besteht, erhärtet sich die einhellige Meinung, dass ab Juni keine Auslastung der verschiedensten Ressourcen besteht. Zurzeit ist es unmöglich, seitens der Genossen­schaften einen Auftrag im sozialen Wohnbau zu vergeben beziehungsweise seitens der Unternehmen einen Auftrag zu ergattern. Was das bedeutet, ist hoffentlich jedem hier im Bundesrat klar. Deshalb ist die Verlängerung der Kurzarbeit so wichtig und dafür sind wir dankbar.

Ich hoffe, die Verlängerung der Kurzarbeit trägt dazu bei, dass zahlreiche Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer wieder Arbeit finden und in ihrer Beschäftigung bleiben können. Die Coronakrise ist leider noch nicht bewältigt, da ziehen, verursacht durch die Ukraine­krise, bereits erneut dunkle Wolken über Österreich auf. Auch da vermisse ich leider eine klare Strategie.

Zur Rede von Nationalratsabgeordnetem Loacker von den NEOS darf ich noch Folgen­des festhalten: Werfen Sie, liebe NEOS, das neoliberale Dogma der unbeschränkten freien Marktwirtschaft in solchen Krisenzeiten über Bord und reden Sie bitte mit Be­troffenen, die es nur über die Kurzarbeit geschafft haben, ihre Mieten, Lebensmittel und Rechnungen zu bezahlen! (Bundesrätin Schumann: Genau!) Vielleicht ändert das Ihre Meinung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Schumann: Die Gewerkschaft ist schon leiwand, nicht?)


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 195

20.47


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


20.47.43

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Alle drei Tagesordnungspunkte, die jetzt diskutiert werden, haben erfreulicherweise im Ausschuss einstimmige Zustimmung erfahren.

Ich möchte etwas zur Kurzarbeit sagen: Die Verlängerung der Covid-19-Kurzarbeit um zwei Monate ist, wie bereits erwähnt, vor allem notwendig, um ein Ausgleiten der beson­ders stark betroffenen Branchen, wie der Hotelgastronomie, der Flughafenbetreiber und so weiter, zu gewährleisten und einen fließenden Übergang zu ermöglichen.

Es ist aber vollkommen klar, wir werden die Kurzarbeit weiterhin brauchen. Der An­griffskrieg in der Ukraine hat seine Folgen. Es ist klar, dass die Betriebe betroffen sind. Sie werden aufgrund von Lieferkettenausfall, Ausfall von Rohstoffen, die nicht kommen, oder auch im Bereich der Energie betroffen sein. Wir wollen die Beschäftigung sichern, und dafür ist die Kurzarbeit mehr oder weniger ein optimales Instrument. Wir wollen auch die Einkommen absichern, daher wird es die Kurzarbeit weiterhin brauchen.

Wie bereits zuvor wird jetzt in bewährter Form auf die Expertise der Sozialpartner, die wirklich gute Arbeit geleistet haben, zurückgegriffen. So wird es auch weiterhin eine gute Lösung für die nächste Periode der Kurzarbeit geben, wieder gemeinsam mit den Sozial­partnern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.)

20.49


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort.


20.49.43

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Lieber Herr Kollege Schwindsackl, ich finde Sie manchmal einfach entzückend, wenn Sie da so stehen und Ihre salbungsvollen Reden halten. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Vor allem finde ich es ja toll, dass die ÖVP jetzt auch draufgekommen ist, dass unter anderen auch jene Menschen, die im Gütertransportgewerbe beschäftigt sind, ein we­sentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft sind, damit wir alle die Dinge, die wir so sehr lieben, im nächsten Kaufhaus kaufen können.

Sie waren aber – und sind noch immer – bei der Partei, die damals, als sie die Lock­downs verhängt hat, sämtliche Raststätten zugesperrt hat. Ihnen war es wurscht (Beifall bei der FPÖ): Wo können sie sich waschen? Wo kriegen sie etwas zu essen? – Das war Ihnen damals egal, denn es war ja wichtig: Um Gottes willen! Pandemie und zusperren! Und das ist etwas, was heute schon viele Kollegen von mir gesagt haben: heuchlerisch, falsch – und immer wieder gerne lügen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

20.50


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Mag. Dr. Martin Kocher. Ich erteile ihm das Wort.


20.51.01

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Ich freue mich, dass es im Aus­schuss offensichtlich relativ große Einigkeit bei diesen Tagesordnungspunkten gegeben hat.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch ein paar Worte zur Kurzarbeit zu sagen, weil ich das für sehr wichtig halte. Die Kurzarbeit als Coronakurzarbeit war ein extrem wichti­ges Instrument, um Beschäftigungsverhältnisse in Österreich zu sichern. Es wurden ins­gesamt 1,3 Millionen Beschäftigungsverhältnisse gesichert. Zum Höhepunkt der Lockdowns


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 196

im April 2020 waren es in Österreich über eine Million Menschen, die in Kurzarbeit wa­ren. Die Coronakurzarbeit konnte glücklicherweise mit Ende März auslaufen, weil es kei­ne so massiven Einschränkungen mehr gibt, die diese Coronakurzarbeit nötig machen würden.

Gleichzeitig läuft die reguläre Kurzarbeit weiter. Es gibt eine Kurzarbeit, die im Moment immer noch genutzt wird, sowohl von Betrieben, die immer noch die Auswirkungen der Coronakrise spüren, aber auch von Betrieben, die jetzt Lieferengpässe zu gewärtigen haben oder negativ durch die Sanktionen betroffen sind. Es sind glücklicherweise viel weniger Betriebe und viel weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit als noch vor kurzer Zeit und als noch vor einem Jahr, aber die Kurzarbeit ist weiter ein wichtiges Instrument. Derzeit sind diese Woche lediglich noch 33 000 Menschen für Kurzarbeit angemeldet, allerdings gibt es einige Nachmeldungen, weil die Phase mit Anfang April begonnen hat. Das heißt, die Zahl wird sicher noch etwas steigen.

Ich habe schon klargestellt, dass die Kurzarbeit auch nach Ende Juni 2022, wenn die aktuelle Regelung ausläuft, weitergeführt wird. Es wird auf jeden Fall eine Kurzarbeits­regelung geben. Die Frage ist nur, wie sie genau ausgestaltet ist. Die Kurzarbeit wird aber auch angesichts des Angriffskrieges von Russland in der Ukraine weiterhin notwen­dig sein, um die Betriebe über eine schwierige Phase zu bringen, die sonst Mitarbeiter freistellen müssten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Verlängerung der Inanspruchnahme um zwei Monate ist die Möglichkeit für die Be­triebe, die jetzt sehr, sehr lange in Kurzarbeit waren – zum Beispiel in der Stadthotellerie, zum Beispiel in der Veranstaltungsbranche –, um die Mitarbeiter jetzt noch behalten zu können. Die Betroffenen würden von der Coronakurzarbeit in die reguläre Kurzarbeit wechseln. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht das keinen Unterschied. Die Ersatzrate liegt bei 80, 85 oder 90 Prozent, je nach Gehalt, das man vor der Kurzarbeit bezogen hat. Ich glaube, das ist eine sinnvolle Lösung und eine Lösung, die sowohl für die Betriebe als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Planungssicherheit gibt.

Natürlich haben die Sozialpartner auch mitgemacht und haben sich beteiligt. (Bundes­rätin Schumann – erheitert –: „Auch mitgemacht“?!) – Na ja, der Dank geht vor allem – ich habe es schon öfters gesagt und das mache ich noch einmal öffentlich – an den Steuerzahler und die Steuerzahlerin. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Schartel und Steiner-Wieser.) Die Kurzarbeit hat bisher über 10 Mil­liarden Euro gekostet. Ich glaube, es ist wichtig, hervorzuheben, dass es eine gemein­schaftliche Lösung, eine gemeinschaftliche Anstrengung des Steuerzahlers, der Steuer­zahlerin, der Bundesregierung und natürlich auch der Sozialpartner war. Ich stehe nicht an, das auch ganz klar so hervorzuheben.

Ich sage noch zwei Sätze zum Mobilitätspaket: Es geht um verbesserte Schutzstandards für Lenkerinnen und Lenker. Es geht um mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Es ist ein wichtiger Schritt, es ist nicht der letzte Schritt. Das Mobilitätspaket ist größer, aber ich halte das für einen sehr wichtigen Fortschritt in einer Branche, in der die Arbeitsbedin­gungen tatsächlich teilweise noch nicht so gut sind, wie sie sein sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

20.55


20.55.12

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Inzwischen ist Herr Bundesminister für Konsumentenschutz, Soziales, Gesundheit und Pflege Johannes Rauch bei uns im Plenum eingetroffen. – Herzlich willkommen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 197

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und weitere Gesetze geän­dert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozia­len Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Québec.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.57.1730. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1781/A und 1413 d.B. sowie 10915/BR d.B. und 10935/BR d.B.)

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1414 d.B. sowie 10916/BR d.B. und 10936/BR d.B.)

32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (2350/A und 1415 d.B. sowie 10917/BR d.B. und 10937/BR d.B.)

33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2344/A und 1416 d.B. sowie 10918/BR d.B. und 10938/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Punkten 30 bis 33 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Tagesordnungspunkten 30 bis 33 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 198

Berichte.


20.58.15

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. April 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz ge­ändert werden, berichten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. April 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Auch berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. April 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. April 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.


21.00.05

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Je später die Stunde, desto wichtiger das Thema. Wir sprechen zum Abschluss über die Strategie der Bundesregierung zur Bewältigung der Coronapandemie, die neue – unter Anführungszeichen – „Teststrate­gie“. Strategie ist ein bisschen ein großes Wort für das, was da abläuft. Wenn man die Bundesregierung fragt, was man machen kann, um Corona einzudämmen, dann ist die Antwort, die die Bundesregierung momentan gibt, Testmöglichkeiten einzuschränken. Das kann es doch tatsächlich nicht sein!


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 199

Wir wissen nämlich eine Sache ganz, ganz eindeutig: Testen wirkt! Das ist eine Sache, die uns nicht nur die Statistik sagt, das sagt uns nicht nur die Wissenschaft, das hat uns auch die Bundesregierung tagein, tagaus in einem Stakkato erzählt: Testen wirkt! – Stimmt! Warum schränken wir dann Möglichkeiten, zu testen, ein?

Das Hauptargument, das von der Regierung immer gebracht wird, ist: Man könne es nicht finanzieren, es sei zu teuer. Wenn man sich das jedoch genauer ansieht, kommt man schnell zu der Erkenntnis: In der Stadt Wien werden 70 Prozent aller PCR-Tests des Bundes durchgeführt; sie verursacht dabei 20 Prozent der Gesamtkosten an PCR-Tests. Im Umkehrschluss: Alle acht anderen Bundesländer machen 30 Prozent der Tests, verursachen aber 80 Prozent der Kosten. Jetzt könnte man als Bundesregierung auf eine Idee kommen, man könnte sich überlegen: Wie macht die Stadt Wien das, und kann man das vielleicht auch auf andere Bundesländer ausrollen? – Aber nein, das will die Bundesregierung natürlich nicht, denn der Stadt Wien gönnt man keinen Erfolg, und da kann man auch nicht anerkennen, wenn etwas gut gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich habe dabei tatsächlich das Gefühl, dass die Bundesregierung ein bisschen wie ein neidiges Kleinkind auftritt, das das erste Mal am Strand geht, eine schöne Sandburg sieht und sich nicht überlegt: Hey, wie könnte ich die nachbauen? Was hat das Kind anders als ich gemacht? – Nein, es geht hin und tritt die Sandburg nieder, zeigt mit dem Finger hin und lacht. So habe ich das Verhalten der Bundesregierung wahrgenommen, und ich glaube auch, das ist das Einzige, was in diesem Zusammenhang passiert.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Sache ansprechen, denn es gab während des Tages ja noch eine Presseaussendung vom Vorsitzenden der ÖVP-Fraktion und auch von einem weiteren Mitglied der ÖVP-Fraktion, die beide ganz im jugendlichen Elan gefragt haben, wie denn die sozialdemokratische Fraktion zu diesem Gesetzespaket stehen wird. – Ja, es wird Sie jetzt richtig arg überraschen: Da wir im Nationalrat dagegen waren, da wir im Gesundheitsausschuss des Bundesrats dagegen waren, sind wir natür­lich auch heute hier dagegen. Nicht, wie Sie das in den Raum stellen, weil wir nicht wollen, dass Medikamente ausgegeben werden, denn diesen Punkt haben Sie in zweiter Lesung zu diesem Gesetzespaket dazugepackt. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist die Konsequenz!) – Das mag die Konsequenz sein, aber man könnte als redlicher Gesetzgeber im National­rat auch zwei verschiedene Gesetze beschließen und nicht immer alles wie bei einer Wurst zusammenmischen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir sind also nicht gegen die Medikamente, wir sind gegen die Teststrategie, und das ist der Hauptpunkt. Wenn wir zustimmen würden, würden wir diese Teststrategie unter­stützen, und das werden wir ganz sicher nicht machen.

Abschließend kann ich Ihnen sagen: Ich persönlich mag die Wiener Melange am liebsten im Wiener Kaffeehaus und nicht bei der Bundesgesetzgebung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

21.03


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


21.03.32

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Falls es noch Zuseherinnen und Zuseher gibt – herzlich willkommen im Bundesrat! Dem vielfach milderen Verlauf bei den Omikronvarianten zum Trotz ist eine Covid-Erkrankung weiterhin alles andere als ein harmloser Virusinfekt. Am 6.4., also gestern, wurden im­merhin noch 16 400 neue Coronainfektionen registriert. Die Zahlen fallen, aber die Sie­bentageinzidenz liegt immer noch bei 1 338.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 200

Wir erleben mit Omikron einen Paradigmenwechsel im Pandemiegeschehen, aber die Pandemie dauert noch an. Es gilt, die Strategien in der Bekämpfung des Virus anzu­passen. Ich habe schon in der letzten Bundesratssitzung gesagt, dass viele Expertinnen und Experten zu einer Neuausrichtung der Teststrategie in Österreich raten. Nun ist das der Fall.

Die letzte Teststrategie für den Herbst und Winter wurde im August 2021 gemacht, und damals ist es das Ziel gewesen, die Testkapazitäten auszubauen. Man muss das ganz offen ansprechen: Im Europavergleich haben wir das am besten funktionierende Test­system. Nun wird der Fokus auf zielgerichtetes Testen gelenkt. Das beinhaltet die be­währten Antigentests zur Selbstanwendung, die sogenannten Wohnzimmertests. Fünf Stück pro Person wird man in Zukunft beziehen können. Es gibt aber weiterhin zusätzlich die Möglichkeit von PCR-Testungen in Apotheken, und auch das im Ausmaß von fünf Stück pro Person pro Monat für private Zwecke. Darüber hinaus wird es aber noch mög­lich sein, für Arztbesuche, Besuche in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern weiterhin kostenlose Testungen zu erhalten.

Ich möchte an dieser Stelle schon hervorheben, dass insbesondere die Möglichkeit der kostenlosen PCR-Tests auch im europäischen Vergleich ein wirklich, wirklich gutes An­gebot ist. Testen, wo es notwendig ist, testen dort, wo wir es brauchen – dazu gilt es heute die notwendigen Beschlüsse zu fassen.

Sollte das Pandemiegeschehen in Zukunft andere Strategien brauchen, so wird reagiert werden. Hier und heute aber nicht zuzustimmen erscheint mir tatsächlich kontraproduk­tiv. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Buchmann.)

21.06


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.


21.06.19

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Gleich zu Beginn, Frau Präsident, weil die Zeit läuft: Ich weise Sie darauf hin, mir die Zeit und das Lämpchen abzuschalten. (Rufe: Na bitte! Sicher nicht! Was soll das?) – Danke.

Da wir ja so genau auf diese Vereinbarung achten, die in der Präsidiale getroffen wurde und die hier herinnen anscheinend niemand kennt, darf ich sie jetzt zur Kenntnis brin­gen – sie stammt vom 2.6.1998 –: „Da es sich aber um eine freiwillige Redezeitbe­schränkung handelt, wird der jeweils vorsitzende Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner auf den Ablauf der vereinbarten Redezeit hinweisen. Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Verein­barung nicht einhalten können, ersuchen die Präsidenten, zu Beginn der Rede darauf hinzuweisen, damit dann nicht das rote Licht zu leuchten beginnt.“ – Herzlichen Dank fürs Ausschalten, Frau Präsidentin. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Ofner, Pröller und Bernhard.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wieder einmal geht es um Covid, nur dieses Mal hat die Regierung halt versucht, es ganz am Ende der Tagesordnung aufzunehmen, also schon zur späteren Stunde, damit wahrscheinlich die Wortmeldungen weniger wer­den und damit es dann vielleicht auch für die Regierung nicht mehr so peinlich ist, wenn wir in jeder Bundesratssitzung ein neues Covid-Theater auf der Tagesordnung haben.

Wie es halt so ist, geht es unter anderem auch wieder einmal – wir wissen es schon – um das COVID-19-Zweckzuschussgesetz. Es ist ja schon fast peinlich, aber das Zweck­zuschussgesetz ist quasi immer dabei, so wie ein Soletti, da steht es ja auch oben. Somit haben wir es halt im Bundesrat auch immer dabei, das tolle COVID-19-Zweckzuschuss­gesetz. Diese Regierung ist halt nicht – um nicht gleich einen Ordnungsruf zu kriegen, sage ich jetzt nicht: unfähig – imstande, unser Land ordentlich zu regieren.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 201

Herr Minister Rauch, Sie und diese Regierung können es halt einfach schlichtweg nicht. Ist es vielleicht die fehlende Kompetenz oder einfach das bloße Unvermögen? Uns kann es ja eigentlich wurscht sein, jedoch ist es den Steuerzahlern nicht länger wurscht, denn diese Steuerzahler da draußen müssen mit ihrem hart verdienten Steuergeld solche Chaoten und Versager finanziell am Leben erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Am freien Arbeitsmarkt wären wahrscheinlich viele dieser Minister in dieser Regierung ganz klar unvermittelbar und klassische Fälle für Notstandshilfeempfänger, außer man kann sich zum elitären Kreis der ÖVP zählen. Diese kriegen dann halt irgendwo im Staatsgefüge einen nicht schlecht dotierten Versorgungsposten.

Nach zwei Jahren Coronatheater haben wir jedoch weder wissenschaftliche Daten noch wissenschaftliche Fakten, welche Maßnahmen was genau bringen, welchen Schaden diese an Kindern, an Großeltern, an der Gesellschaft, an der Wirtschaft und im Bildungs­bereich mit sich gebracht haben. Bis heute wissen wir das nicht.

Auch einen Antrag von uns, der genau auf dieses Problem abgezielt hätte – den Scha­den an der Bevölkerung durch eure sinnlosen Maßnahmen endlich einmal zu evaluie­ren –, habt ihr im Ausschuss mit einem Lächeln schlichtweg vertagt, und was heißt vertagen? – Vertagen heißt ablehnen, aussitzen, in eine Schublade schieben, damit es der Antrag lange, lange dunkel hat, damit man ihn niemals hier im Plenum diskutieren muss. Bis heute gibt es keine Schaden- oder Nutzenanalyse. Es wird einfach – und Sie, Herr Minister Rauch, sind dafür ein gutes Beispiel – ins Blaue hinein regiert.

Wir wissen mittlerweile weit mehr darüber, wie die Bevölkerung diese Regierung findet, als über andere Fakten. Ich sage jetzt nicht, wie die Bevölkerung diese Regierung findet, denn dann müsste ich ein Wort hernehmen, das ich jetzt mit Scheibenkleister um­schreibe, sondern ich sage es jetzt anders: Diese Regierung ist in allen Bereichen für die Fische, Herr Rauch! (Beifall bei der FPÖ.)

Seit zwei Jahren haben wir eine Regierung, die sich lediglich und ausnahmslos durch Panik, Angst, Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, durch Bestrafen der eigenen Be­völkerung irgendwie über Wasser, an der Macht und am Leben erhält. Seit zwei Jahren hat diese Regierung null Konzept: keine Erhöhung der Kapazitäten im Gesundheitsbe­reich; keine gerechte Entlohnung für jene, die sich im Gesundheitsbereich tagtäglich für uns aufopfern; kein Konzept für die zukünftige Gestaltung und die Herausforderungen im Bereich der Pflege; kein Konzept für die in anderen EU-Ländern oder auch in der Schweiz so erfolgreiche Pflegelehre; keine finanzielle Ausgestaltung der Krankenhausin­frastruktur; kein Konzept für die zu erwartende soziale Krise, die uns demnächst ins Haus steht. Diese Regierung ist zum Leidwesen unserer steuerzahlenden Bevölke­rung – und ich sage es, wie es ist – für die Tonne. (Beifall bei der FPÖ.)

Koste es, was es wolle!, lautet der Leitspruch für türkise und grüne Freunderln. Da konnte man ja die Milliarden – 42 Milliarden Euro im Übrigen – gar nicht schnell genug in die gierigen Mäuler der türkisen und grünen Freunderln schleudern. Für unser Ge­sundheitssystem jedoch war nicht 1 Cent übrig. Schlimmer noch: Man hat im neuen Bud­get sogar noch gekürzt. Verrückt und gefährlich ist so eine rücksichtslose Politik.

Als wäre das noch nicht Wahnsinn genug, produzieren diese Verrückten (Ruf bei der ÖVP: Na?!) auch noch ein Husch-Pfusch-Impfpflichtgesetz. Aus der Haut fahren könnte ich, wenn ich in eure falschen Reihen schaue. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht zur Information für die, die es nicht wissen: Ich habe ja immer gedacht, den verrücktesten Gesundheitsminister aller Zeiten haben mittlerweile die Deutschen, doch die Abgeordneten im Deutschen Bundestag haben diesen Herrn heute bei der Abstim­mung zum Impfpflichtgesetz in seine Schranken gewiesen. Da hatten nämlich die Mit­glieder der Regierungsparteien wirklich Rückgrat und haben für die Bevölkerung und


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gegen ein verrücktes Impfpflichtgesetz in Deutschland gestimmt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schartel: Bravo, Deutschland!)

Mittlerweile ist es ja kein Geheimnis mehr – wir haben es von Anfang an gesagt, und die ganze Welt weiß es nun –, dass diese Impfung gegen die derzeitigen Varianten nicht hilft. Die österreichische Regierung jedoch spricht vom Gamechanger und von der Zwangsimpfung. Wie kann es auch anders sein? Wir haben ja auch das Kaufhaus Öster­reich à la Schramböck, das jetzt die Großhandelskonzerne wie Amazon in die Schranken weist. Es ist ja nur noch lachhaft mit euch.

Man darf aber darüber gar nicht nachdenken, denn sonst kriegt man bei diesen Versa­gern sowieso ein Magengeschwür: drei Gesundheitsminister, die völlig versagen – und ja, Herr Rauch, mittlerweile muss man Sie auch in diesen nicht elitären Kreis mit auf­nehmen.

Herr Noch-Gesundheitsminister Rauch, ich habe es Ihrem Vorgänger schon gesagt und ich muss es auch Ihnen sagen: Sie sind in diesem Ministerium völlig fehl am Platz und mit der Ihnen übertragenen Aufgabe schlichtweg überfordert: zuerst hü, dann hott, Mas­ke rauf, Maske runter, Maskenpflicht heute, nein, doch erst morgen, Maskenpflicht drin­nen, Maskenpflicht draußen, Maskenpflicht überall.

By the way: Eure eigenen Mandatare nehmen eure Verordnungen eh schon nicht mehr ernst. Die Hälfte hat heute entweder vergessen, die Masken aufzusetzen, oder sie mit Absicht nicht oben gehabt. Ich will niemandem etwas unterstellen, aber eure eigenen Mandatare strafen Sie ja mit Nichttragen der Masken und nehmen Ihre Verordnungen, Herr Rauch, sowieso nicht mehr ernst.

Das ist aber bei der ÖVP ganz normal, denn diese ÖVP ist durch und durch – heute wurde oft von Heuchlern und Lügnern gesprochen (Zwischenruf der Bundesrätin Mie­senberger), aber ich nenne es jetzt einmal anders – hinterlistig. (Bundesrat Raggl: Nein! ...!)

Eventuell sollte man sich im Ministerium einmal überlegen, ob es für die Sauerstoffzufuhr und für die Gehirnzellen nicht besser wäre, das eine oder andere Mal durchzulüften und die Masken ab und zu abzunehmen, Herr Minister Rauch. Vielleicht klappt es dann auch mit Ihren Verordnungen ein wenig besser, denn diese Verordnungen sind derart sinnbe­freit, chaotisch und so etwas von schlecht.

Ich frage mich ja wirklich: Werden Sie, Herr Rauch, im EU-Gesundheitsministerrat nicht auf Ihre Verordnungen angesprochen? Da müssen Sie sich ja in Grund und Boden schämen. Ich glaube, in keinem anderen Land in der EU gibt es so grottenschlechte Verordnungen wie die, die aus dem Gesundheitsministerium in Österreich kommen. Sie müssen sich ja bei Ihren Gesundheitsministerkollegen regelrecht in Grund und Boden schämen. Ich kenne kein Land, das derart viele schlechte Verordnungen auf einen Tu­scher hinausgelassen hat. Das hat wirklich nur das österreichische Gesundheitsminis­terium geschafft (Beifall bei der FPÖ), aber Grün macht es möglich.

Während in den Niederlanden, in Deutschland und in zahlreichen anderen Ländern der EU alle, wirklich alle Maßnahmen, auch die Quarantänemaßnahmen, abgeschafft wer­den, sitzt man bei uns da und diskutiert und berät wieder einmal über das Herausholen des Impfpflichtgesetzes aus der Schublade. Wir stehen schon wieder kurz vor der Zwangsspritze. Wie soll man das anders bezeichnen als verrückt? Das ist und bleibt verrückt!

Wir in Österreich müssen uns aber leider Gottes nicht nur für das Gesundheitsministe­rium und das dortige Chaos schämen, sondern wir müssen uns ja auch für die gesamte Regierung schämen, und im Besonderen für diese bis in die Knochen korrupte ÖVP. Wie ernst man die eigenen Maßnahmen nimmt, sieht man bei euch Mandataren und bei euch


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Zeugen Coronas. Herr Schwindsackl hat die Maske wieder herunten. Frische Luft tut halt doch ganz gut, richtig. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Das ist wieder ein Superbeispiel: Diese ÖVP ist nicht nur falsch und verlogen, sondern durch und durch korrupt – man muss es so sagen.

Ich werde das jetzt auch begründen, liebe ÖVP. Ich nenne nur Namen, und dann kennt sich der Österreicher mit dem Begriff korrupt sehr gut aus: Kurz, Blümel, Sobotka, Schel­ling, Wöginger, Brandstetter, Karmasin, Schmid, Pilnacek, der Österreichische Wirt­schaftsbund. Korrupte Bünde da, korrupte Bünde dort, korrupte Bünde der ÖVP, wohin man schaut – in ganz Österreich sind diese zu finden.

Ich bin ja mittlerweile der Überzeugung, dass die Mafia in Italien neidvoll auf die korrupte Vereinigung ÖVP in Österreich schielt. (Beifall bei der FPÖ.) Der zweithöchste Reprä­sentant in unserer Republik ist ja das beste Beispiel dafür. Er denkt nicht eine Sekunde lang über einen Rücktritt nach. Nein, ganz im Gegenteil: Dieser Herr Sobotka spaziert weiterhin ganz ohne Genierer in seiner arroganten Art und Weise durch das österreichi­sche Parlament. Auch Herr Nehammer erinnert mich mit seinen nahezu täglichen Skan­dalen und mit seiner Familie ein bisschen an eine sehr bekannte US-Serie. Ihr werdet euch vielleicht erinnern. Familie Nehammer ist ja eine sehr nette Familie, aber eine sehr bekannte US-Serie heißt „Eine schrecklich nette Familie“.

Jetzt will einer aus dieser schrecklich netten Familie auch noch in die Ukraine reisen, wobei sich mir ja der Nutzen für die ukrainische Bevölkerung überhaupt nicht erschließt. Ich habe keine Ahnung, welchen Nutzen die ukrainische Bevölkerung von dieser Reise haben sollte. (Bundesrat Raggl: Na weil du es nicht verstehst, weil du es nicht ver­stehst!) – Herr Kollege vom Bauernbund, auch Sie verstehen das mit Sicherheit nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Besser wäre es ja, wenn Herr Nehammer nicht in die Ukraine reisen würde, sondern wenn er sich einmal ein Herz fassen würde und zur österreichischen Bevölkerung hi­nausreisen würde, sie fragen würde, wie es ihr mit diesen beschissenen Maßnahmen dieser Bundesregierung wirklich geht und wie sie noch das Auslangen findet. Herr Ne­hammer wird aber wahrscheinlich mehr Angst vor der eigenen Bevölkerung haben als davor, in ein Kriegsgebiet zu reisen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich ja sowieso, wie das funktioniert. Herr Selenskyj empfängt ständig Staats­gäste in einem Kriegsgebiet. Also ich frage mich wirklich, wie das vonstattengeht. Man wird ja auch mit dem Zug hingefahren; das alles haben wir schon miterlebt.

Jene, die sich halt vom Anstand schon längst verabschiedet haben, diese Grünen, schauen wieder einmal kommentar- und tatenlos zu, aber auch unser Schläfer in der Hofburg, gar nicht weit weg von hier, lässt diese ÖVP zulasten Österreichs in unserem Land schalten und walten, wie diese korrupte Vereinigung will, und das alles nur, damit dieser Herr Bundespräsident von der ÖVP bei seiner nächsten Kandidatur unterstützt wird, nur, damit dieser Herr seinen gut dotierten Job auch weiterhin in der Pendeluhr ausschlafen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Was hat dieser Herr Bundespräsident in den letzten zwei Jahren nicht alles kommentar­los hingenommen? – Er hat zugesehen, wie Bürgerrechte, Freiheit, Demokratie, unsere Verfassung und unser Rechtsstaat von ÖVP und Grünen mit Füßen getreten wurden. Wenn das das Amtsverständnis des Herrn Bundespräsidenten war und ist, dann kann mir dieser Herr getrost gestohlen bleiben.

Mittlerweile kennt ja jeder jemanden, der von dieser Regierung, aber auch vom Herrn Bundespräsidenten belogen, betrogen, verarscht und in Geiselhaft genommen wurde.

Eure Politik ist in allen, ausnahmslos allen Bereichen krachend gescheitert. Man hört über diese Regierung nicht ein gutes Wort in der Bevölkerung. Im Gegenteil: Die Bürger haben die Schnauze gestrichen voll von eurer Politik. (Beifall bei der FPÖ.)


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Kein Tag vergeht, ohne dass neue Skandale die Schlagzeilen bestimmen. Eure Regie­rungsarbeit wird nur noch mit den Begriffen Moralverlust, verantwortungslos, Sittenbild, Falschheit, Scheinheiligkeit, Gier, Korruption und Niedertracht in Verbindung gebracht. Diese Regierung wird nur noch durch den Kitt der Angst vor den eigenen Bürgern zusam­mengehalten, denn längst wäre es an der Zeit, Misstrauen und Vertrauen durch den Souverän, das österreichische Volk, neu verteilen zu lassen.

Wir haben genug von euch! Ich darf den besten Sebastian aller Zeiten zitieren: „Genug ist genug“. Auf Nimmerwiedersehen mit dieser Regierung! (Beifall bei der FPÖ.)

21.25


21.25.17*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Steiner, für Formulie­rungen in der soeben gehaltenen Rede erteile ich Ihnen nun einige Ordnungsrufe.

Zuerst haben Sie die Mitglieder der Bundesregierung als „Versager“ bezeichnet. (Bun­desrätin Schartel: Ja, das ist aber so!)

Dann haben Sie gesagt, die Regierung seien Verrückte, die ein Impfpflichtgesetz produ­ziert haben. (Bundesrätin Schartel: Wahrheit!)

Zu den Mandataren der ÖVP und der Grünen hier im Haus haben Sie gesagt: „eure falschen Reihen“. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Dann haben Sie Herrn Bundesminister Rauch beleidigt: „Sie sind [...] fehl am Platz“. (Bundesrat Steiner: Na, das gibt aber ...!)

Dann haben Sie gesagt: „bis in die Knochen korrupte ÖVP“, haben diverse Mandatare, Mitglieder sowie ehemalige Mitglieder der Bundesregierung beleidigt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dann haben Sie gesagt: die „beschissenen Maßnahmen dieser Bundesregierung“. (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt auch!)

Dann haben Sie auch noch den Herrn Bundespräsidenten beleidigt: „unser Schläfer in der Hofburg“, und er habe Bürger „belogen“ und „betrogen“. (Zwischenruf der Bundes­rätin Schartel.)

Am Schluss haben Sie noch gesagt, die Regierung sei falsch und niederträchtig.

Also ich bitte Sie, in Zukunft Ihre Wortwahl etwas zu überdenken. (Bundesrätin Schartel: Nein! Die Wahrheit bleibt die Wahrheit!)

*****

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr dieses.


21.26.28

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Steiner (Bundesrat Stei­ner: Hier!), eigentlich bewundere ich dich ja (Bundesrat Steiner: Danke!) dafür, wie du es hier heraußen schaffst – also ich muss ganz ehrlich sagen, ich könnte das nicht ‑, theatralisch einen Rundumschlag – nach links, nach rechts, rundherum – gespickt mit Kraftausdrücken aus der wirklich untersten Schublade – ich glaube, die Frau Präsidentin hat das jetzt fast vollständig, wahrscheinlich war es eh nur ein Teil davon, wiedergege­ben und Ordnungsrufe ausgeteilt (Bundesrat Steiner: Einen!) – zu verüben, größtenteils


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am Thema und am Inhalt des Tagesordnungspunktes vorbei. (Bundesrat Steiner: Stimmt ja nicht!) Ich muss wirklich sagen, das sagt über Sie und wahrscheinlich auch über Ihre Partei etwas aus. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Nun aber zum Thema: Frühestens nach dem Artikel von Tomas Pueyo, der bereits zu Beginn der Pandemie in den Medien, auch in den sozialen Medien, Aufsehen erregt hat, aber spätestens jetzt, nach zwei Jahren, sollte diese Metapher, nämlich „The Hammer and the Dance“, uns bei dieser Pandemie wirklich geläufig sein, nämlich als Metapher für die Bewältigung dieser globalen Gesundheitskrise zwischen Lockdown und Locke­rungen.

Das Virus hat uns viel gelehrt. Es verändert sich, es mutiert, und dadurch sind die Pha­sen der Pandemie sehr dynamisch verlaufen und haben uns, aber auch die Experten immer wieder überrascht. Ja, eine Pandemie ist nicht planbar, sie ist nicht vorhersehbar, sondern sie ist unberechenbar. Selbst Experten sind da oft eines Besseren belehrt wor­den.

Wir wissen: Verläuft eine Pandemie dynamisch, sollte und muss die Reaktion darauf auch dynamisch sein. Von uns Verantwortungs- und Entscheidungsträgern, eben von der Politik, wird genau diese Flexibilität ja auch zu Recht erwartet, jedoch wird sie von den einen als zu viel und von den anderen als zu wenig bewertet und kritisiert. Ich gebe zu, das muss man auch aushalten können.

Für die Opposition ist es ein politisches Tagesgeschäft, und an uns als Regierungspar­teien ist es, gerade in dieser Dynamik Verantwortung zu übernehmen. Dabei heißt es auch, einen Weg der Mitte zu gehen. Ein Weg mit Augenmaß, aber auch mit Vorsicht ist geboten.

Betreffend die neue Teststrategie, über die Herr Kollege Obrecht so sarkastisch gespro­chen hat, kann ich Sie beruhigen: Das Testen wird nicht heruntergefahren, ein Grundan­gebot ist noch da. Ja, es wird zurückgefahren. (Bundesrat Steiner: Es wird nicht herun­tergefahren, aber zurückgefahren?!) Ein Testen bei Symptomen, ein behördliches Tes­ten und das Freitesten sind auch weiterhin möglich.

Liebe KollegInnen von der SPÖ! Besonders vulnerable Gruppen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen wie Besucher, Bewohner und Mitarbeiter werden unabhängig davon weiter getestet werden können. Das hat jetzt wirklich nichts mit den fünf Gratisantigen­tests zu tun, die jetzt pro Monat und pro Person ohne Altersbeschränkung in den Apo­theken abgegeben werden.

Wie gesagt, die Pandemie ist dynamisch. Wir denken dabei natürlich an den Herbst, um – wenn notwendig – dementsprechend zu reagieren und damit das Testsystem auch wieder hochfahren zu können – also mit Außenmaß, aber auch mit Vorsicht.

Warum, so die Argumentation, will man die Tests jetzt herunterfahren? – Ich habe einen guten Vergleich, weil man Deutschland immer wieder so gerne als Vergleich heranzieht: Wir in Österreich haben 15-mal mehr getestet als die Menschen in Deutschland. Das stimmt, ja, aber wir haben die gleiche Situation in den Spitälern. Es gibt aber jetzt in der Pandemie einen Unterschied mit der Omikronvariante, die um sich gegriffen hat, wobei diese Mutante auch schwer einzudämmen war und ist – das sehen wir an den Infek­tionen – und eine hohe Ansteckung gegeben ist. (Bundesrätin Schartel: Und trotzdem haben Sie die Ungeimpften weggesperrt! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Jetzt bei den rückläufigen Tests ist es ganz wichtig, dass man schaut, wie hoch der Prozentsatz der positiven Tests an den Gesamttests ist. Da kann man sagen, die posi­tiven Tests bei den Gesamttests gehen zurück, und das ist jetzt wirklich ein echter Rück­gang bei der Inzidenz. (Bundesrätin Grimling: Wer sagt das?)

In Richtung Sommer oder von mir aus auch Herbst sei gesagt: Ja, wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. (Bundesrat Schennach: Genau! – Bundesrätin Schumann: Na


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geh! Ich habe gedacht, die Pandemie ist vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben jetzt zwar eine Grundimmunisierung durch die durchgemachte Krankheit, aber auch durch die Impfung (Bundesrätin Grimling: Aber die Pandemie ist doch seit 5. März vorbei! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach), wir müssen aber mit allem rechnen (Bundesrätin Schartel: Bei der Regierung musst du wirklich mit allem rechnen!), und daher ist die Impfung die wichtigste und die wirksamste Grundimmunisierung. (Bun­desrätin Grimling: So ist es! Und die Pandemie ist schon längst vorbei! – Bundesrat Steiner: Wir wissen ja mittlerweile, dass das ein Schwachsinn ist!)

Einen Punkt möchte ich hier aber schon noch erwähnen, der mir sehr wesentlich er­scheint. Es geht ja im vorliegenden Antrag auch um die Abgabe des neu zur Verfügung stehenden Covid-19-Medikaments Paxlovid, das, vom Bund beschafft, über die Länder verteilt, über die Sozialversicherungsträger mitfinanziert, vom Arzt verschrieben werden kann (Bundesrätin Grimling: Muss, nicht kann!) und von den Apotheken abgegeben werden kann. – Natürlich muss (Bundesrätin Grimling: Nicht kann! Weil sonst kann es sich jeder kaufen!), aber natürlich nur, wenn verordnet. Der Hintergrund ist, dass das neue Medikament besonders niederschwellig für wirkliche Hochrisikogruppen zur Verfü­gung steht.

Dazu möchte ich schon eines gesagt haben: Sollte es wegen Ablehnung von SPÖ und FPÖ schon im Nationalrat und wie angekündigt jetzt vielleicht auch im Bundesrat zu keiner Beschlussfassung kommen, so versperren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition (Rufe bei der SPÖ: Nicht! Na geh!) gerade jetzt den Weg zu einem ver­einfachten Zugang zu einem wirksamen Medikament (Bundesrätin Schumann: Da macht ihr ein mieses Gesetz und dann kommt ihr mit dem Schmäh! Mit dem Kappel lassen wir uns nicht fangen, wirklich nicht! Also bitte!) gerade für Hochrisikopatienten, nämlich den vereinfachten Zugang zu einem wirksamen Medikament (Bundesrat Stei­ner: Dann vermischen Sie nicht alles!), dem Studien auch die Wirksamkeit belegen. Oder wollen Sie hier immer noch behaupten, ein fragwürdiges Pferdeentwurmungsmittel sei die Lösung?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sind hier in der Verantwortung, vermasseln Sie das nicht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Schennach: Sie sagt, vermasseln Sie es nicht! Das ist das Beste! – Bundesrätin Schu­mann: Das ist Selbstreflexion gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.33


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. Ich erteile ihm dieses. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich bitte um Ruhe, damit der Herr Bundesminister reden kann.


21.34.13

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich verfolge gerne die ge­samte Debatte. Ich finde es durchaus spannend und interessant, wenn hier sozusagen Leben im Haus ist. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Ja, schon. Parlamentarismus ist lebendig und lebt von der Auseinandersetzung, einmal auf die Weise, einmal auf eine andere Weise. Ich finde, das muss in der Demokratie auch Platz haben.

Lassen Sie mich so beginnen: Was das Testregime angeht, sind die Argumente ja aus­getauscht worden. Es ist wie so oft: Auf der einen Seite gibt es die Gruppe, die sagt: Weg mit allem, wir brauchen gar nichts mehr, keine Tests mehr!, die anderen sagen: Es muss unbegrenzt weiter Gratistests geben! Wir haben jetzt diesen Mittelweg auch des­halb eingeschlagen, damit wir in der Lage sind, im Herbst allenfalls – wenn wir es brau­chen, was wir nicht hoffen – das System wieder hochfahren zu können.


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Ich darf Ihnen als Mitglieder des Bundesrates auch berichten, ich habe mir sehr viel Zeit für die Bundesländer genommen, nämlich für die Landesgesundheitsreferentinnen und -re­ferenten in Mellau, eineinhalb Tage, auch einen halben Tag außertourlich, außerhalb der geplanten Sitzung, wo ich schon viel Zeit damit verbracht habe, ihnen zuzuhören, was die Anliegen der Bundesländer gerade im Hinblick auf die Coronabekämpfung und die Pandemiebekämpfung sind, und auch mit ihnen darüber zu sprechen, wie wir es bei­spielsweise beim Testen im Herbst schaffen, ein einheitliches System zustande zu be­kommen.

Und nein, ich stehe nicht an, zu sagen, das Wiener System ist ein gutes System. Das habe ich schon öfters gemacht, das wiederhole ich auch gerne. Es wäre auch das An­gebot für die Bundesländer da gewesen, das anzunehmen. Das ist im Jahre 2021 nicht passiert – warum, sei dahingestellt, das entzieht sich meiner Kenntnis.

Jetzt gibt es auf jeden Fall ein System, das im Herbst wieder ausbaufähig ist. Wir sind jetzt dabei, gemeinsam mit den Bundesländern, auch mit den GesundheitslandesrätIn­nen und den SoziallandesrätInnen, die Vorkehrungen zu treffen. Ich kann Ihnen so viel sagen: Es geht auch um die internationalen Erfahrungen, es werden jetzt die Studien auch im Hinblick auf die Wirksamkeit der unterschiedlichen Maßnahmen ausgewertet. Es gibt den Vergleich auf der europäischen Ebene. Es gibt einen intensiven Austausch aller europäischen Länder, was die Maßnahmenpakete angeht.

Es wird darauf ankommen – das ist nicht absehbar –, welche Variante wir im Herbst haben werden. Ja, es kann sein, dass das eine völlig harmlose oder relativ harmlose sein wird, möglicherweise zwar mit hohen Ansteckungszahlen, aber nicht mit dem Poten­zial, die Intensivstationen zu füllen oder auch für die Überlastung beim Pflegepersonal zu sorgen. Aber es kann auch sein – das kann niemand ausschließen ‑, dass es eine Kreuzvariante gibt, die hoch ansteckend und auch ordentlich gefährlich ist und die Men­schen ins Spital bringt.

Man sollte nicht vergessen – das kann man einfach nicht wegdiskutieren –: Nach wie vor liegen Menschen in den Spitälern mit massiven Erkrankungen, mit schweren Erkrankun­gen. Es sterben auch noch täglich Menschen, nicht mit, sondern an Corona. (Bundesrat Ofner: Er zählt sie ja schon richtig!) Und wer die jüngsten Berichte jenes deutschen Arztes gelesen hat, der mehrere Hundert Obduktionen von an Corona Verstorbenen durchgeführt hat, der weiß, das ist und bleibt eine gefährliche Erkrankung.

Ich habe die Gesundheitssprecherinnen und Gesundheitssprecher des Parlaments für nächste Woche zu mir eingeladen, um über Long Covid zu reden, einen Teil der Pande­mie, der noch weit unterschätzt ist, bei dem die Forschungslage noch ausgesprochen dünn ist. Wenn aber jemand davon betroffen ist – das sind nicht die alten Menschen, das sind auch junge Menschen, sportliche Menschen, die nie zuvor krank waren –, fällt er oft über Monate aus, was auch zu einer zunehmenden Belastung des Gesundheits­systems werden wird.

Letzter Satz dazu: Wir haben jetzt Gott sei Dank eine Situation, in der die Zahlen zu­rückgehen, womit wir auch eine Entspannung in den Spitälern bekommen, aber wir soll­ten nicht denselben Fehler dreimal machen, nämlich im Sommer zu glauben, es ist eh alles vorbei und der Herbst wird ganz einfach werden. Wir bereiten uns auf die unter­schiedlichen Szenarien vor, loten die Möglichkeiten aus, damit wir gewappnet sind. Das tun wir. Ich danke Ihnen als Bundesrat für das Freigeben und die Zustimmung zu diesen Gesetzen und kann Ihnen versichern, wir sind mitten in den Vorbereitungen für den Herbst und den Winter. – Ich danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.38


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 208

21.39.03

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf nur eine Kleinigkeit sagen, weil es uns als Sozialde­mokratinnen und Sozialdemokraten sehr wichtig ist. Wir haben heute viel gehört, und es ist eine lebendige Debatte – na freilich. Ich glaube schon, dass man mit den Worten vorsichtig sein muss. Es ist eine Spirale der Worte, in der man sich hochdreht. Irgend­wann weiß man nicht mehr, was man noch nachsetzen kann. Ich glaube, man muss ein bisschen aufpassen, dass man diese Spirale nicht zu sehr hochdreht. Es ist nichts, was den Menschen, die jetzt Ihre Unterstützung, unsere Unterstützung brauchen, wirklich hilft.

Eines möchte ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion sagen: Wir verurteilen und finden es beschämend, dass es einen tätlichen Angriff auf die Klubobfrau der Grü­nen Sigi Maurer gegeben hat. Da sind alle Grenzen überschritten. Politische Kontrover­sen in alle Richtungen können sein, aber tätliche Angriffe oder Gewalt lehnen wir grund­legend ab. Wir wünschen ihr über alle Fraktionsgrenzen hinweg alles Gute. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

21.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Ofner, bitte.


21.40.26

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Wenn man sich anschaut, was sich diese Chaosregierung – mit Ihnen, Herr Bundesminister – zu machen traut, dann muss man sagen, was meine Kollegen heute schon des Öfteren zu Ihnen gesagt haben: Ihnen ist nicht zu trauen, aber alles zuzutrau­en! Heute merken wir noch eines: Ihnen ist auch nichts zu blöd! (Beifall bei der FPÖ.)

Nein, Sie brauchen keine Vorfreude zu haben, dass meine Rede kurz wird, sie wird nicht kurz, denn ich habe mir ein paar Sachen herausgesucht, weil ich genau mit dem ge­rechnet habe, was heute passiert ist: dass Sie nämlich ein Auslaufen der Maßnahmen durchführen, dass Sie ein Auslaufen aus dieser Affäre, in die Sie Österreich seit zwei Jahren stürzen, haben wollen. In der Musik würde man das ein Fade-out nennen. Das haben Sie heute probiert, das wird Ihnen aber nicht gelingen, denn die Menschen haben Ihr Spiel längst durchschaut. Es ist ein perfides Spiel, das Sie auf Kosten der Menschen in Österreich getrieben haben, und das haben die Menschen in Österreich längst durch­schaut. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie gehen jetzt her, nehmen den Tagesordnungspunkt betreffend die sogenannte Test­strategie, setzen ihn für den Abend an, in der Hoffnung, dass keiner mitbekommt, dass man jetzt genau das zurückfährt, was Grün und Türkis, aber vor allem auch Rot immer haben wollten: Am besten testet man jeden mehrmals am Tag! Jetzt fährt man genau das zurück. Wir hören gerade, zu Ostern sind alle Maßnahmen weg. Frau Köstinger hat heute schon den Einstieg gemacht und hat gesagt, der Tourismus lebt wieder, der Sommer lebt wieder, und alle sollen nur noch glücklich sein und sich nicht daran zu­rückerinnern, was in den letzten zwei Jahren in Österreich passiert ist und was Sie – in trauter Einigkeit von SPÖ, NEOS und, sowieso, den Regierungsparteien – den Men­schen in diesem Land angetan haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was Sie heute hier abliefern, ist eigentlich die endgültige Kapitulation hinsichtlich Ihrer sogenannten Strategie und aller Coronamaßnahmen. Es ist ein Eingeständnis des völligen Versagens und des völligen Unvermögens. Es zeigt sich jetzt – und das ist eine Schande –, wie Sie sich hier gebärden, dass die Grünen nicht einmal zuhören. Wo waren


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Sie denn? Frau Hauschildt hat heute noch gesagt, wie schlimm alles ist. Das ist die letzte Eisbrecherin, die schauen muss, dass man das Coronaregime noch irgendwie aufrecht­erhält. Coronaregime ist bitte nicht mein Wortlaut, sondern das hat der Herr Minister gerade von sich gegeben. Ja, es ist eh so: Testregime, Coronaregime – dementspre­chend haben wir uns in den letzten zwei Jahren gefühlt.

Die ÖVP tut so: Uns geht das ja eigentlich alles nichts an, weil es immer einen grünen Minister gab! Na das ist eh klar, wir gehören ja nur dazu, wenn es etwas Gutes zu be­richten gibt. Vor allem sind wir eh mit der Korruption genug beschäftigt. Da haben wir nicht auch noch Zeit, uns um diese Dinge zu kümmern!

Es ist eine Schande, mit welcher Ignoranz und Arroganz Sie heute hier um dreiviertel zehn am Abend an die Sache herangehen und völlig wegwischen, was Sie in den letzten zwei Jahren in Österreich aufgeführt haben. Das ist eine absolute Schande. Schämen Sie sich dafür! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie sind ja so für das Testen. Jetzt werde ich Ihnen nur zu den Tests ein paar Schmankerl aus den letzten zwei Jahren erzählen. Die SPÖ hat immer die Wohn­zimmertests gefordert. Wir haben gesagt, die brauchen wir eigentlich nicht, sondern viel­leicht testen wir endlich einmal jene Menschen in Österreich, die Symptome haben. Da hat man gesagt, das sind die Schwurbler von der FPÖ. Heute ist es aber zufällig gerade bei Ihrem sogenannten Testregime, wie Sie sagen, so, dass man nur mehr Leute mit Symptomen testet und alle anderen nicht.

Bezüglich der Wohnzimmertests, die man dann eingeführt hat – denn zuerst hat es An­tigen- und PCR-Tests gegeben –, hat man gesagt: Nein, die können wir nicht nehmen, denn die zeigen das ja nicht richtig an. Dann hat man die Wohnzimmertests genommen. Dann hat man die Wohnzimmertests wieder verworfen und hat gesagt: Nein, es gelten nur Antigen- und PCR-Tests. Dann ist man wieder hergegangen und hat gesagt: Die Wohnzimmertests gelten trotzdem wieder. Jetzt ist es so weit, dass man sagt: Na ja, es gelten jetzt nur mehr die fünf PCR-Tests – die kann man sich gratis besorgen; die an­deren sind dann kostenpflichtig –, und wer noch PCR-Tests daheim hat, darf noch bis Ende April zehn abgeben. – Na das ist wirklich eine ganz tolle Strategie.

Ich darf Ihnen sagen, Herr Minister, Strategie setzt eigentlich voraus, dass man einen Plan hat. Das ist aber planlos, und daher ist es auch keine Strategie, sondern maximal eine Chaostheorie (Beifall bei der FPÖ), denn bei einer Chaostheorie nimmt man in Kauf, dass jede Änderung noch dramatischere Auswirkungen hat als das, was man bis dahin gemacht hat.

Dasselbe hat ja bei den Masken stattgefunden. Wir können uns, glaube ich, noch alle erinnern. Da hat es doch einen Messias gegeben, der gesagt hat: Wir brauchen keine Masken, weil Masken sowieso nicht helfen! – Es stimmt: So, wie sie die Mandatare von ÖVP und SPÖ aufsetzen und wieder hinuntergeben und wieder aufsetzen und sich um­hängen und hinlegen, helfen sie eh nicht. Medizinisch bringen sie so eh nichts, das stimmt ja.

Euer Messias hat aber gesagt: Wir brauchen gar keine! Dann hat er gesagt: Nein, wir brauchen einen Mund-Nasen-Schutz, der hilft. Der hat aber dann auch nicht geholfen, denn dann haben wir irgendwann die FFP2-Masken gebraucht, weil der Mund-Nasen-Schutz nicht hilft, um dann wieder zum Mund-Nasen-Schutz zurückzukehren, weil es die FFP2-Masken eigentlich nicht braucht, weil der Mund-Nasen-Schutz, der nicht hilft, aus­reicht. – Das muss einmal jemand in Österreich verstehen! So habt ihr die Bevölkerung in Österreich zwei Jahre lang am Gängelband geführt! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Frau Hauschildt-Buschberger heute von den Experten redet: Bitte, welche Exper­ten? Gibt es überhaupt noch welche? – Die laufen euch eh in Scharen davon. (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.) Die ersten sind ja sowieso gleich am Anfang davongelaufen,


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und jetzt löst sich eure Kommission regelrecht in Luft auf, in heiße Luft, so wie die Aero­sole, die steigen auf. Es will ja keiner mehr dabeibleiben, weil die ja alle draufgekommen sind, dass es niemals um die Gesundheit der Menschen gegangen ist, sondern dass es der ÖVP darum gegangen ist, dass ein paar ÖVPler daran verdienen. Der ÖVP ist es vor allem um eines gegangen: Immer, wenn wieder irgendwo ein Korruptionsfall auftritt, müssen wir schauen, dass wir mit irgendeinem Coronamanöver Ablenkung finden! – Da­rum ist es gegangen, und darauf seid ihr hereingefallen, denn der Machterhalt war euch halt wichtiger. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute sieht es so aus, dass man zurückfährt. Der Herr Minister schaut sich wahrschein­lich gerade das neue Testregime an, das dann im Herbst kommt. Wenn Sie schon das Auslaufen der Maßnahmen durchführen wollen, dann gehen Sie endlich her und machen Sie es so wie die deutschen Nachbarn: Stellen Sie den Antrag, dass wir diesen leidigen Impfzwang mit sofortiger Wirkung abschaffen, dass wir sämtliche Coronamaßnahmen abschaffen, die Testungen in den Schulen abschaffen! (Beifall bei der FPÖ.) Ja, gehen Sie her, trauen Sie sich richtig drüber! Dann wird es die Bevölkerung auch mitkriegen.

Vielleicht kann der Herr Minister als dritter Gesundheitsminister ja auf all die Märchen­stunden verzichten, wie wir sie haben erleben müssen. Er ist jetzt der dritte, dem ich die Frage stelle, was dieses Testregime bewirkt, wenn es verschiedene Gültigkeitsdauern gibt. Bitte, Herr Gesundheitsminister, vielleicht können Sie mir das erklären – Ihre zwei Vorgänger haben es mir nicht erklären können –: Welche Auswirkungen hat es auf eine mögliche Infektion, ob ein Test 24, 48 oder 72 Stunden hält? Jeder normal denkende Mensch weiß, dass er sich Minuten nach einer Testung infizieren und positiv sein kann.

Man hat uns immer erklärt: Das sind die Schwurbler von der FPÖ! Heute wissen wir, dass wir eine Situation haben, dass auch all diese Impfungen, alles, was Sie uns erklärt haben, eben nichts nützt, weil es jeder bekommen und auch übertragen kann. Wir sind abgestempelt worden. Sie haben uns erklärt, wie toll das Testen ist. Sie und Ihre Vor­gänger haben uns erklärt, wie toll das Impfen ist, und heute sind wir in der Situation, dass wir wissen, es hat genau nichts genutzt und alle Maßnahmen waren völlig daneben. Völlig daneben! (Beifall bei der FPÖ.)

Machen Sie daher bitte eines: Geben Sie endlich den Weg frei für Neuwahlen, denn Sie sind alle ein Regime – um es in Ihren Worten zu sagen – des Versagens und der Unfä­higkeit! (Beifall bei der FPÖ.)

21.50


21.50.52*****

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Kollege Ofner, auch Ihnen muss ich jetzt ein paar Ordnungsrufe erteilen (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), und zwar für den Ausdruck „diese Chaosregierung“. (Bundesrat Steiner: Nein! Nein! Aber jetzt übertreiben wir es dann!) Dann haben Sie die ÖVP immer wieder als korrupt bezeichnet. Jetzt am Schluss haben Sie den Herrn Bundesminister mit „Versagen“ und „Unfähigkeit“ beleidigt. (Bundesrätin Schartel: Ist der Minister nicht selber fähig, dass er sich vertei­digt? – Bundesrat Steiner: Also es hat vorher schon einen schrecklichen Vorsitz gege­ben, aber - -!)

*****

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Spanring, bitte sehr. (Bundesrätin Schumann: Das ist eine Männerparade heute wieder! Bist du gscheit! – Bundesrätin Grimling: Das ist heute wirklich eine Parade!)



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21.51.36

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Weil es vorhin zur Sprache gekommen ist – der Herr Minister hat es angesprochen –: Nächste Woche gibt es anscheinend ein Treffen zu Long Covid. Und weil es ja in Österreich so ist, dass wir es in zwei Jahren Pandemie geschafft haben, keine einzigen validen Zahlen auf die Reihe zu bringen – das erfinde jetzt nicht ich, son­dern das steht in der Anfragebeantwortung von Ex-Minister Mückstein an den Verfas­sungsgerichtshof –, müssen wir an internationale Zahlen oder an internationale Studien herantreten und uns auf diese berufen. Dahin gehend habe ich zwei Sachen für Sie.

Das Erste ist jetzt, glaube ich, nicht so ganz ernst zu nehmen, es ist nur, weil heute immer Propaganda im Raum war. Ich will Ihnen auch zeigen, wie Propaganda wirken kann, und zwar titelt die „Bild“ in Deutschland: „Long-Covid-Symptome können auch oh­ne Infektion auftreten“. Ich meine, nur damit man vielleicht einmal darüber nachdenkt. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Aber jetzt kommt das, worum ich Sie wirklich bitte, und zwar, dass Sie sich vielleicht ein paar internationale Studien zu Long Covid anschauen. (Bundesrätin Hahn: Ja, wissen­schaftliche Zeitschriften, oder?!) Eine Studie ist im „British Medical Journal“. Dort drinnen steht: Eine anhaltende Erkrankung, die durch behindernde Müdigkeit, muskuloskelettale Schmerzen, neurokognitive Schwierigkeiten und Stimmungsstörungen gekennzeichnet war, zeigte sich bei 12 Prozent nach sechs Monaten, von denen 11 Prozent die diagnos­tischen Kriterien für ein chronisches Müdigkeitssyndrom erfüllen. – Zitatende.

Zusammengefasst heißt das nichts anderes - - (Bundesrat Raggl: Dass du nicht Medizin studiert hast! Du hast den falschen Job! – Bundesrätin Schumann: Na geh! Tut die Leute nicht ...! Da gibt es zu viele Leute, die leiden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie verstehen es ja nicht einmal. Die SPÖ dort drüben versteht nicht einmal, was ich sage (Ruf bei der SPÖ: Na, eh net!), aber sie sagen: Na! Na! – Ist das das Einzige, was Sie können? (Bundesrat Raggl: Nein, du hast den falschen Job!) Hören Sie einmal zu! (Bundesrätin Schumann: Ich kann Ihnen die Leute geben, denen es wirk­lich schlecht geht!) Ich sage Ihnen dann die Seite, und dann lesen Sie es nach, wenn Sie es nicht verstehen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Sie verhöhnen die Leute, denen es schlecht geht! Sie verhöhnen die Kranken!) – Ich verhöhne über­haupt niemanden, dem es schlecht geht! Ich lese eine Studie vor, und Sie verstehen es nicht! Das ist das Schlimme! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was in dieser Studie zusammengefasst steht, ist, dass es nicht erst seit Corona (Ruf: DDr. Spanring!), sondern nach jeder Infektionskrankheit sogenannte Long-XY-Versio­nen gibt, also Long Covid, Long Grippe, was auch immer.

Ganz wichtig daran ist, das Syndrom wurde weitgehend durch den Schweregrad der akuten Erkrankung vorhergesagt und nicht durch demografische, psychologische oder mikrobiologische Faktoren. Wenn Sie wollen, warte ich dann draußen auf Sie. Ihnen erkläre ich es noch einmal extra (Rufe bei der SPÖ: Nein, danke!), denn Sie von der Sozialdemokratie verstehen es ja offensichtlich nicht. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Verhöhnung der Kranken, so eine Gemeinheit! – Der das Rednerpult verlassende Bundesrat Spanring – in Richtung Bundesrätin Schumann –: Wo ist das eine Verhöhnung? Ihr versteht das nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.54


21.54.56

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen jetzt dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 212

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit beziehungsweise Minderheit. – Es ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Covid-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

21.57.5634. Punkt

Antrag der Bundesräte Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schumann, Chris­toph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parla­mentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Zu­kunft dezentraler Lebensräume“ (327/A-BR/2022)


21.57.57

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 34. Punkt der Ta­gesordnung.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 327/A-BR/2022 der Bundesräte Schwarz-Fuchs, Schumann, Steiner, Schreuder, Kolleginnen und Kolle­gen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 213

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhal­tung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zuge­gangenen Selbständigen Antrag 327/A-BR/2022 verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.59.30Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tages­ordnungspunkte 2, 5, 9 sowie 30 bis 33 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 2:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

Tagesordnungspunkt 5:

Die Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Entschlie­ßungsantrag ein.

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 9:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates (und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) angenommen.

Tagesordnungspunkte 30 bis 33:

Abstimmungen:

TO-Punkt 30: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 31: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 32: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 33: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtli­chen Protokolls? – Es ist dies nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll939. Sitzung, 939. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 2022 / Seite 214

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2, 5, 9 sowie 30 bis 33 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwölf Anfragen, 3992/J-BR/2022 bis 4003/J-BR/2022, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 328/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Marlies Stei­ner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzungsstrategie für die Anliegen und Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022“, der dem Gesund­heitsausschuss zugewiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 329/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Mar­kus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets ,Militärische Angelegen­heiten‘ auf 1 % des BIP“, der dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen wird.

Eingelangt ist außerdem der Entschließungsantrag 330/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Überarbeitung der Österreichi­schen Sicherheitsstrategie“, der dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen wird.

Ebenfalls eingelangt ist der Entschließungsantrag 331/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stop­pen – Entlastung für Österreich“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz zugewiesen wird.

Eingelangt ist weiters der Entschließungsantrag 332/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Ko­rinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kreditvergabe an Pensionist:in­nen“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird.

Außerdem eingelangt ist der Entschließungsantrag 333/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Modell Hundecampus“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 12. Mai 2022, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 10. Mai 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche allen einen guten Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

22.04.49Schluss der Sitzung: 22.04 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien