13.07

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Auf Wiedersehen, Herr Vizekanzler! (Heiterkeit der Red­nerin.) Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe ZuseherInnen! Seit mehr als 500 Jah­ren gibt es Lieferketten. Denken wir an die Kolonisation, bei der damals schon die Unternehmen in den Kolonien billig produzieren ließen und die Fertigprodukte in Europa verkauften. Denken wir an die Sklavenarbeit, mit der Produkte hergestellt oder Res­sourcen abgebaut wurden. Das klingt vertraut, ja, denn dieser Prozess zieht sich eben unter dem Begriff Lieferkette bis heute in unsere angeblich zivilisierte Zeit.

Die Dinge, die wir bei uns in den Geschäften kaufen, werden am anderen Ende des Kontinents, wie zum Beispiel in der Republik Moldau, oder gar am anderen Ende der Welt von Abermillionen von Menschen produziert, weil es dort immer noch so unvor­stellbar billig ist und weil dort immer noch kaum Arbeitsrechte bestehen oder gar ein ausreichend ausgebautes Sozialsystem vorhanden ist.

Es sind immer noch die Länder, die damals von den Europäern kriegerisch erobert und kolonialisiert wurden, wo Einflusssysteme aufgebaut worden sind, die bis heute wirken und die Menschen und die Ressourcen in diesen Ländern bis heute ausbeuten. Genauso wird dort die Umwelt zerstört, weil Umweltschutzgesetze rar gesät sind.

Das Schlechte auslagern, dem Guten frönen scheint noch immer die Devise zu sein, und dem will nun die EU mit ihrer neuen Richtlinie einen Riegel vorschieben. Mit einem Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen möchte sie nun einem nachhaltigen, einem umweltgerechten, Menschen- und Arbeitsrechte wahrenden Wirtschaften den Weg bereiten.

Der Vorschlag zielt darauf ab, Unternehmen – leider vorerst nur große Unternehmen – dazu zu bringen, auf der ganzen Welt nachhaltig und verantwortungsvoll in Bezug auf ihre Wertschöpfungskette zu agieren. Man kann es als ersten Schritt in die richtige und schon seit Hunderten Jahren notwendige Richtung bezeichnen.

Die Unternehmen sollen nun verpflichtet werden, zu ermitteln, ob ihre Tätigkeiten negative Auswirkungen auf die Umwelt, auf Menschenrechte, auf Kinderarbeit, auf Ausbeutung oder Diskriminierung von ArbeitnehmerInnen haben. Das ist von den Unter­nehmen zu ermitteln und abzustellen, zumindest aber zu minimieren – wie gesagt, ein erster Schritt.

Das fördert einerseits gleiche Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit für Unter­nehmen, was auch für die österreichische Wirtschaft von Bedeutung ist, nämlich vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht billig im Ausland produzieren können, sondern soziale und ökologische Standards einhalten.

Mit der Richtlinie kann dieser unlautere Wettbewerbsvorteil ausgeglichen werden, den sich die großen Unternehmen, die im fernen Ausland produzieren, nehmen. Das heißt, da unterstützt die EU sehr wohl die nationalen Wirtschaften – und nicht, wie Herr Hübner gesagt hat, ganz im Gegenteil.

Den KonsumentInnen bringt die Lieferkettenrichtlinie mehr Transparenz, da die Nach­haltigkeitsprüfung auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden muss und damit endlich etwas mehr Licht in den Herstellungsprozess fallen wird. Entsprechende Auf­sichtsbehörden sollen eingerichtet werden, bei denen Verstöße gemeldet werden und diese dann auch sanktioniert werden.

Der Richtlinienvorschlag könnte hier allerdings noch etwas strenger sein, denn derzeit sind nur etablierte Geschäftsbeziehungen dieser großen Unternehmen umfasst, auf die die Richtlinie anzuwenden ist. Gut wäre es aber auch, sie auf erste, das heißt frische Geschäftsbeziehungen auszuweiten, genauso wie den Personenkreis zu erweitern, der Verstöße melden darf, wie zum Beispiel auf MenschenrechtsaktivistInnen oder Gewerk­schaften.

MenschenrechtsaktivistInnen oder AktivistInnen an sich bringen nämlich oft unendliches Engagement auf, um menschenverachtende Arbeitsbedingungen oder grobe Umwelt­sünden aufzudecken. Sie gehen damit erhebliche und manchmal lebensbedrohende, jedenfalls aber finanzielle Risiken ein. Erinnern wir uns an die letztens besprochenen sogenannten Slapp-Klagen von Unternehmen gegen die aufdeckenden AktivistInnen, um sie mundtot zu machen.

Daher ist es unabdingbar, es ist die Aufgabe der Politik, Maßnahmen zu setzen und Regelungen zu schaffen, damit die Produkte, die wir hier konsumieren, unter gerechten Arbeitsbedingungen und unter Schonung der Umwelt hergestellt werden, in ihrer ganzen Wertschöpfungskette, genauso wie Produkte aus heimischer Produktion das tun. Das ist alles andere als der sogenannte freie Markt.

Ich bin zuversichtlich, dass sich unsere Justizministerin, die die Lieferkettenrichtlinie federführend mitverhandelt, dafür einsetzen wird, dass Unternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, bei ihren gesamten Lieferketten auf dieselben sozialen und ökologischen Standards achten müssen und damit unter gleichen Bedingungen Gewinne machen können. – Ich bin zuversichtlich, dass Sie sich dafür einsetzen werden, Frau Ministerin, und danke Ihnen dafür!

Auch die von der Europäischen Kommission im Februar verabschiedete Strategie zur Förderung menschenwürdiger Arbeit weltweit ist in diesem Zusammenhang zu be­grüßen. Sie bereitet weitere Instrumente für das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit vor. Es sollen rechtliche Regelungen auf EU-Ebene, aber auch entsprechende Schritte in der EU-Handelspolitik gesetzt werden. Genauso soll die politische Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation der UN, den G7-Staaten und den G20-Staaten genauso wie mit NGOs und InteressenvertreterInnen in diesem Bereich gestärkt werden.

Ich möchte nochmals auf das eingangs Gesagte zurückkommen. Bei der Lieferketten­problematik geht es um den Wohlstand, den wir uns gesellschaftspolitisch und volks­wirtschaftlich, aber auch moralisch teuer erkaufen. Wir alle – da bin ich mir sicher, und natürlich auch ich – sind heute teilweise mit Dingen ausgestattet, die weit weg produziert wurden und die nicht unter fairen und umweltschonenden Bedingungen erzeugt wurden. Wir verdrängen das gerne, denn es tut verdammt weh, darüber nachzudenken, dass ein großer Teil unseres Wohlstands auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert. Der Soziologe Ulrich Brand bringt es sehr gut auf den Punkt, wenn er diese Art des Kaufs, diese Art der Lebensweise „imperiale Lebensweise“ nennt.

Wenn wir aber nicht mehr auf Kosten anderer leben wollen, dann wird es uns nicht mehr so günstig so gut gehen, denn billige Produkte haben natürlich den Effekt, dass sich mehr Menschen mehr leisten können. Daher werden wir im Zuge der Umsetzung der Lieferkettenrichtlinie aufmerksam sein müssen, wie sich diese auf Menschen mit gerin­gem Einkommen auswirkt.

Trotzdem ist so eine Lieferkettenrichtlinie natürlich zu begrüßen, denn wir wollen nicht Produkte kaufen und konsumieren, die in moderner Sklaverei, durch Kinderarbeit oder umwelt- und klimazerstörend erzeugt werden, sondern wir wollen Produkte kaufen, die von Menschen hergestellt werden, die fair bezahlt werden, die gute Arbeitsbedingungen haben und abgesichert sind, genauso wie Produkte, die umweltschonend hergestellt und gehandelt werden – Produkte, wie wir sie bereits in heimischer Produktion finden und die mit so einer Regelung vielleicht auch einen Boost erfahren können.

Hier geht es um Kostenwahrheit im weitesten Sinn. Es geht darum, dass Staaten und Unternehmen gefordert sind, wirtschaftlich nachhaltig und gerecht zu agieren. Wenn uns das gelingt, dann ist es meines Erachtens ein riesengroßer zivilisatorischer Gewinn für uns alle. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

13.15

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Ing. Eduard Köck. – Bitte.