18.59

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! 1 529 000, so viele Menschen erfasste die Statistik Austria im Jahr 2020 als armuts- beziehungsweise ausgrenzungsgefährdet. 1 529 000 Men­schen – Frauen, Männern und Kindern – ist es nicht möglich, unerwartete Ausgaben zu tätigen, die Miete pünktlich zu bezahlen oder die Wohnung angemessen warm zu halten. 1 529 000 Menschen, das entspricht 17,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs.

Österreich ist ein Sozialstaat, in dem versucht wird, durch Umverteilung soziale Sicher­heit für die in unserem Land lebenden Menschen zu erreichen. Ein Teil dieses sozialen Netzes war lange Zeit die Mindestsicherung, die versuchte, das Lebensnotwendigste abzusichern. An ihre Stelle ist 2019 die Sozialhilfe getreten, geregelt im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, einem Rahmengesetz, das durch Höchstgrenzen restriktive Vorgaben in den Bereichen macht, in denen es darum geht, in sozialen Notlagen zu unterstützen und Armut zu verhindern.

So heißt es dazu im oberösterreichischen Sozialhilfe-Ausführungsgesetz:

„Aufgabe der Sozialhilfe ist die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschen­wür­digen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.“

In der Praxis aber bedeutete die Sozialhilfe für viele Bezieherinnen und Bezieher eine Kürzung des Leistungsbezuges, weil sie beispielsweise Pflegegeld von einem Ange­hörigen erhielten, den sie pflegten, oder weil sie zwangsweise in einer Haushalts­ge­meinschaft lebten, die sie sich eben nicht aussuchen konnten.

Noch 2019 waren infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erste Nach­besserungen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz notwendig geworden. Heute führen wir mit dem Beschluss der Novelle eine weitere, dringend notwendige Reparatur durch, indem wir den Gestaltungsspielraum für die Bundesländer vergrößern und klar festlegen, dass Leistungen des Bundes zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Als Nächste sind dann die Länder gefordert, ihre Ausführungsgesetze anzupassen und die neu geschaffenen Handlungs­möglichkeiten auch tatsächlich zu nutzen.

Das Oberösterreichische Sozialhilfe-Ausführungsgesetz beispielsweise schließt im Bundesländervergleich viele Personen vom Bezug der Sozialhilfe aus beziehungsweise mindert ihre Leistungsansprüche. Eine Person mit Pflegebedarf kann in Oberösterreich gleichzeitig Leistung aus Sozialhilfe und Pflegegeld beziehen, ohne dass es zu Leis­tungskürzungen kommt. Wird das Pflegegeld jedoch an pflegende Angehörige weiter­gegeben, weil diese die notwendige Pflegeleistung erbringen, dann bedeutet das für die Angehörigen, sofern diese Sozialhilfe beziehen, dass ihr Bezug der Sozialhilfe um die Summe des Pflegegeldes gekürzt wird.

Ähnlich verhält es sich in Oberösterreich mit der Anrechnung der Wohnbeihilfe auf die Sozialhilfe. Auch da nutzt Oberösterreich nämlich nicht den bereits bestehenden bun­desgesetzlichen Spielraum, sondern hat klar die Anrechnung der Wohnbeihilfe im Ausführungsgesetz festgelegt. Während also die eine Stelle des Landes Unterstützung für Wohnbedarf in Form von Wohnbeihilfe gewährt, kürzt die andere Stelle die Leistung der Sozialhilfe genau um jenen Betrag – ein Nullsummenspiel für Armutsbetroffene und jede Menge Verwaltungsaufwand.

Daher sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Schluss mit dem gegen­seitigen Aufrechnen. Die auf Bundesebene begonnenen Reparaturschritte in der Sozialhilfe müssen sich auch in den Ländern fortsetzen, und mit dem gegenseitigen Aufrechnen von Unterstützungsleistungen für Armutsbetroffene muss aufgehört werden, um nämlich tatsächlich eine Chance für ein menschenwürdiges Leben und ein Überwinden der sozialen Notlage zu ermöglichen.

1 529 000 Personen sind in Österreich armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Nur ein Bruchteil von ihnen – 2020 waren es 260 114 Personen – ist auf Sicherung durch die Sozialhilfe angewiesen. Für sie sind die heutigen Sanierungsschritte im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz existenzsichernd. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.04

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile dieses.