14.58

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber ZuseherInnen! Werter Herr Minister! – Minister für Arbeit muss man dazusagen; im Gegensatz zum Präsidenten nehme ich das nämlich sehr, sehr genau: Minister für Wirtschaft, Standort und Digitalisierung ist er nämlich noch nicht. Er ist nach wie vor damit betraute Person. Er kann es auch sagen, das macht er im Wirtschafts­ministerium ja sehr oft. Es gibt regelmäßig Presseaussendungen, in denen Wirtschafts­minister Kocher steht, verfassungsmäßig richtig ist das allerdings nicht. Art. 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ist relativ klar: Sie sind interimistisch mit der Leitung dieses Ministeriums betraut. Wenn Sie sagen, Sie sind Wirtschaftsminister, ist das schlichtweg anmaßend gegenüber den verfassungsmäßigen Institutionen dieses Landes. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Ja, es ist so! Herr Minister, es ist so!)

Ich will aber nicht so sein, man kann ja auch einmal etwas Lobendes sagen. Momentan ist es - - (Bundesrätin Hahn: Schau, da muss sogar der Minister schmunzeln! – Bundesrat Schennach: Verfassung ist Verfassung! – Bundesrätin Grimling: Das Bundesministeriengesetz ist noch nicht beschlossen!) – Das ist relativ klar, das steht auch im Bestellungsdekret der Präsidentschaftskanzlei so.

Der Punkt, auf den ich hinauswill, ist, dass man ihn dafür, dass er da ist, ja auch loben kann. Als Parlamentarier wird man bei dieser Bundesregierung diesbezüglich durchaus bescheiden: Die Anwesenheit ist momentan ja schon eine Sache, die man positiv hervorheben muss. Insofern: Vielen Dank, dass Sie da sind und sich das anhören, was wir als Parlament Ihnen zu sagen haben.

Was ich mich an so schönen Tagen wie heute frage, und das betrifft dann auch das Ministerium, mit dem Sie momentan betraut sind: Was macht eigentlich Ihre Staats­sekretärin momentan? Warum ist sie nicht hier? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Staatssekretärin, die im Ministerium für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung bestellt ist, ist zuständig für Tourismus. Der Tourismus ist momentan in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums, das heißt, diese Staatssekretärin hat kein Portfolio, sie kann nichts machen. Seit 11. Mai hat sie diese Funktion, seit 11. Mai verdient sie im Monat 14 500 Euro brutto, und niemand weiß, was diese Frau macht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das ist wirklich ...!) Auch heute ist sie nicht da. Das ist ein Skandal, Herr Minister, und ich würde gerne wissen: Wo sie ist, was macht sie?! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schennach: Büro einrichten! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun aber zum Thema selbst: Ich finde es ganz interessant, wir haben heute schon gehört, dass er ja auch Bundesratsminister werden kann. Ich hätte noch den Vorschlag Zaubereiminister, denn das, was er macht, ist ein kleiner Zaubertrick. Was meine ich genau? – Wir haben eine Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes von 1995 vorliegen. Eine tragende Säule des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes ist die Zusam­men­arbeit zwischen den Betrieben und den Arbeitsmedizinern. Jetzt wissen wir seit Jahren, dass es einen Mangel an Arbeitsmedizinern gibt (Bundesrat Schennach: Richtig!), und diesen Mangel will der Minister jetzt mit all seiner Expertise – das hat er im „Standard“-Interview gesagt, seine Hausmacht ist die Expertise (Bundesrat Schennach: Als Arbeitsminister!), ganz bescheiden – bekämpfen.

Er hat sich überlegt: Was könnten wir machen? – Wir könnten Pflegepersonal dazu bringen, dass sie den Betrieben unter Leitung dieser Arbeitsmediziner helfen. Das ist ganz interessant, denn er weiß natürlich selbst, dass das Pflegepersonal momentan eher Mangelware ist. Warum? Weil die Arbeitsbedingungen dort nicht gut sind und die Bezahlung schlecht ist, das ist klar. Das Pflegepersonal ist aber Mangelware, das wissen wir.

Jetzt könnte er sich überlegen, wie man Mediziner dafür begeistern könnte, dass sie sich der Arbeitsmedizin widmen. Das tut er nicht. Ich habe auch die Bediensteten des Ministeriums gefragt, ob es eine Kooperation mit anderen Ministerien gibt, wie das attraktiver werden könnte  im Ausschuss gab es dazu eigentlich keine Antwort; wenn Sie da etwas haben, bin ich natürlich gespannt darauf, es würde mich interessieren –: Nein, nach meinem Informationsstand tut er das nicht.

Auf der anderen Seite nimmt er einen Bereich, in dem es ohnehin zu wenig Personal gibt, und zieht Leute von diesem Bereich in einen anderen ab.

Er hat also zwei Probleme: zu wenig Arbeitsmediziner – keine Anreize dafür –, das zweite: zu wenig Pflegepersonal – das zieht er in einen anderen Bereich ab. Er löst also keines von beiden. Der Zaubertrick: Er macht beide größer. (Bundesrat Preineder: Da geht’s der Stadt Wien genau so!) Das ist die Lösung, das ist die Expertise, das ist die Expertenlösung dieser Bundesregierung zu einem Thema (Bundesrat Preineder: Ist es im AKH genau so?), das für Österreichs Betriebe tatsächlich relevant ist. (Bundesrat Preineder: Ist es in Wiener Spitälern anders?) Das ist eine Nichtantwort, und deswegen werden wir dieser Gesetzesvorlage auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine letzte Anmerkung noch dazu, weil es mir persönlich ein Anliegen ist: Der Minister hat am 21. Juni im ORF ein Interview gegeben – das interessiert ihn nicht wirklich, er schaut in seine Unterlagen, aber er weiß natürlich ohnehin, was er am 21. Juni gesagt hat. (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich!) Na ja, vielleicht weiß er es wirklich nicht. Wissen Sie noch, was Sie am 21. Juni im ORF gesagt haben? (Bundesminister Kocher: Ist jetzt aber keine Fragestunde, oder?) Nein, er weiß es anscheinend nicht.

Er hat dem ORF gesagt: Jeder Österreicher und jede Österreicherin kann etwas tun, um der Gas- und Energiekrise entgegenzuwirken. – Das ist prinzipiell eine sehr richtige Aussage, so weit konnte ich ihr auch noch folgen. Wenn eine Bundesregierung hergehen würde und das ernst meinen würde, würde sie eine Fülle von Maßnahmen vorschlagen, wie man selbst sich verhalten kann – Deutschland macht das zum Beispiel ganz genau so.

Der Bundesminister hat es anders gemacht, er hat zwei Vorschläge gemacht: Er hat einerseits gesagt, die Leute könnten weniger Autofahren, und der zweite Vorschlag: Sie könnten ihre Klimaanlage weniger aufdrehen. – Das ist der Vorschlag: die Klimaanlage weniger aufdrehen. Ich frage mich, ob Sie wirklich wissen, wie viele Menschen in diesem Land sich eine Klimaanlage leisten können. (Bundesrat Spanring: Gewessler hat sich eine gekauft!) Das wird es wohl gewesen sein!

Die Klimaanlage kann doch nicht ein ernst gemeinter Vorschlag sein. Im Rahmen eines großen Pakets kann ich mir das schon vorstellen, aber das sind die beiden Vor­schläge? – Das ist lächerlich! Das reiht sich in das ein, was die niederösterreichische Landeshauptfrau gesagt hat – das freut die ÖVP nie, wenn man das sagt, aber sie hat es halt trotzdem gesagt –, dass man sich nicht zehn Ballkleider kaufen soll, sondern nur drei. – Ja, ein superwunderbarer Vorschlag. Auch da sind wir wieder total in der Le­bensrealität der Menschen. Das freut sicher alle Menschen, die gerade nicht wissen, wie sie sich die Miete leisten können, wie sie sich den Strom oder Lebensmittel leisten können.

Diese Bundesregierung hat es nicht drauf, diese Bundesregierung ist fertig, Bundes­kanzler Nehammer, der irgendwo ist – da ist er nämlich eh wieder nicht –, ist der größte Insolvenzverwalter dieses Landes. Sie sind kaputt, Sie sind eine Zombieregierung, und es wird Zeit, dass Sie die Wählerinnen und Wähler endlich zu Wort kommen lassen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann. Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

81 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung, sie haben völlig recht damit. Machen Sie den Weg frei für Neu­wahlen! Die Sozialdemokratie wird den Führungsanspruch stellen, und wir werden Sie herausfordern und auch besiegen. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.05

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich darf daran erinnern, dass wir in unseren Wort­spenden die Würde des Hohen Hauses wahren, und bitte alle künftigen Redner, darauf auch Rücksicht zu nehmen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Bundesrat.