15.23

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben derzeit eine Situation am Arbeitsmarkt, in der viele Branchen ihre offenen Stellen nicht mehr besetzen können. 73 Prozent der Unternehmen in Österreich geben an, stark oder sehr stark vom Arbeits­kräftemangel betroffen zu sein. Das trifft Produktionsfirmen genauso wie Dienstleister. Vor allem der Tourismus ist oft sehr stark betroffen, Betriebe können nicht mehr geöffnet oder weitergeführt werden, weil schlichtweg das Personal fehlt. Auch in anderen Branchen, im Handwerk zum Beispiel, fehlt es an vielen Ecken an Fachkräften.

Österreich ist ein Land, das stark von Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegungen und den Gewerkschaften geprägt ist. Die Kollektivlöhne und Arbeitsgesetze sind für einen fairen und sozialen Arbeitsmarkt enorm wichtig. Schon lange gibt es jedoch eine Schieflage mit Firmen, die Personen aus dem Ausland beschäftigen und mit diversen Tricks ver­suchen, Lohnkosten zu drücken und die Menschen somit in prekäre Beschäftigungs­verhältnisse zu drängen.

Die SPÖ steht immer auf der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, aber auch auf der Seite der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die einen fairen und sozialen Arbeitsmarkt wollen und gemeinsam gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen wollen.

Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, braucht es eine vielseitige und lang­fristige Strategie. Wir brauchen eine faire Entlohnung (Beifall bei der SPÖ), gute Arbeits­bedingungen, Wertschätzung für Arbeiterinnen und Arbeiter, und vor allem brauchen wir eine gute Ausbildung für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Was wir jedoch nicht brauchen, ist eine Herabsetzung der Anforderungen, die wir an Unternehmen haben.

Wir als SPÖ sind nicht dafür zu haben, dass Arbeitskräfte ausgebeutet werden, dass Sozialbetrug und Lohndumping ohne entsprechende Konsequenzen stattfinden können. (Bundesrat Preineder: Das geht ja eh nicht mehr!) Die Rot-Weiß-Rot-Karte war immer für qualifizierte Arbeitskräfte gedacht. Wenn man jetzt den Zugang erleichtert, der Mindestlohn gelockert wird, Anforderungen für Sprachkenntnisse herabgesetzt werden, Teilzeitarbeit ermöglicht wird und – in meinen Augen am schlimmsten – es ermöglicht wird, dass Wohnkosten und Verpflegung der Arbeitskraft vom Lohn abgezogen werden, ist das Sozialbetrug, Lohndumping, Ausbeutung von Arbeitskräften. Der Druck auf österreichische Arbeiterinnen und Arbeiter steigt, denn Arbeitskräfte werden ausgenutzt, und diese Situation verschlimmert die Konkurrenz am österreichischen Arbeitsmarkt. (Bundesrat Preineder: Was erzählt ihr für Märchen?)

Betriebe und Branchen müssen auch selbst Lösungen andenken, wie sie als Betrieb attraktiv werden. Früher war es so, dass sich auf eine Stelle oft unzählige Personen beworben haben, jetzt können sich Fachkräfte den Betrieb aussuchen, und da muss sich der Betrieb auch beweisen, Zuckerl anbieten. (Bundesrat Preineder: ... gut behandeln, gut zahlen, sonst kriegst eh keinen mehr!) Gerade in der Gastronomie und im Tourismus ist das Lohnniveau sehr gering, die Arbeitsbedingungen jedoch sind mit geteilten Diensten, Wochenend- und Nachtarbeit sowie Saisonbeschäftigung sehr fordernd. (Bun­desrat Preineder: Ja wir wollen ja um die Zeit ins Wirtshaus gehen!) Die Unsicherheit, ob man in der nächsten Saison noch einen Job hat, ist enorm belastend. Deswegen haben gerade in der Coronazeit, in der die Gastronomie ja lange Zeit geschlossen war, viele Arbeitskräfte die Zeit genutzt, um sich umzuschulen und einen stabileren Arbeits­platz mit besseren Arbeitsbedingungen zu finden. Wer kann es ihnen verübeln? Jeder versucht schließlich, die Arbeitssituation für sich zu optimieren.

Bei den Fachkräften gibt es auch Anmerkungen: Fachkräfte können nicht auf Knopfdruck bestellt werden. Wenn diese im Betrieb ausgebildet werden und die Arbeitsbedingungen gut sind, werden die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen auch bleiben wollen.

Wir sehen in diesem Beschluss jedenfalls einen reinen Kniefall vor der Wirtschaft, wir werden uns allen damit keinen Gefallen tun. Die niedrigen Löhne bedeuten niedrige Kaufkraft, niedrige Kaufkraft bedeutet weniger Initiative, und damit gibt es weniger Umsatz in der Wirtschaft. – Eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik schaut anders aus. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bun­desrätin.