11.29

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Es ist für uns WienerInnen allerdings sehr ungewöhnlich, das zu sa­gen, wir sagen nämlich meist: Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Was ich auch sagen möchte: Ich glaube, wir alle hier freuen uns sehr, Korinna, dass du da bist und deine Präsidentschaft übernehmen kannst und auch wieder gesund bist. Wir haben gestern alle, glaube ich, mitgefiebert, dass du kommen kannst, also wirklich sehr schön und alles Gute. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Landeshauptmannes Ludwig.)

Eingangs möchte ich mich auch für die kleinen Geschenke bedanken, die auch sehr gut ausgewählt waren, nämlich diese kleine Schneekugel von einer ganz kleinen Manufaktur im 17. Bezirk in Wien und auch die Torte. Ihr habt es oft angesprochen, und das ist wichtig: Lehrlinge. Die Torte wurde hergestellt von Jugend am Werk. Das ist eine Insti­tution, die für die Berufsausbildung von jungen Menschen da ist, die keine Lehrstelle finden. – Vielen Dank auch dafür! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir haben schon viel gehört, und auch ich sage es als Wienerin und als (Bundesrat Schennach: Als Brigittenauerin!) Brigittenauerin – für mich ist es ein bisschen neu, das immer so zu betonen –, ich sage das aber auch als Mensch, der sehr lange im Gemein­debau gewohnt hat und sehr, sehr dankbar dafür ist, dass es diesen gibt. Wien macht wirklich vieles sehr gut, keine Frage, und Wien ist in vielem weltweit vorbildlich. Kollege Schennach hat es gesagt. Wien ist nicht umsonst die lebenswerteste Stadt der Welt, das haben wir auch schon oft gehört. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Auch dieses Beispiel wurde gebracht  und ich möchte noch einmal darauf eingehen –: Die Wiener Wohnpolitik ist immer noch ein Vorzeigebeispiel und wird bei wirklich vielen internationalen Konferenzen, die Wohnen und vor allem leistbares Wohnen betreffen, immer wieder als Beispiel herangezogen. Über 400 000 Wohnungen gibt es in Wien, die gefördert und leistbar sind und in welchen mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung lebt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Trotzdem steigen  leider!  auch in Wien die Wohnungspreise seit der Finanzkrise ums Doppelte, manchmal sogar ums Dreifache. In Wien haben wir in der rot-grünen Koalition zwei Maßnahmen gesetzt, die dem entgegenwirken sollen. Erstens ist das die neu ge­schaffene Flächenwidmungskategorie geförderter Wohnbau, die vorschreibt, dass zwei Drittel der Fläche bei Neubauten für den geförderten Wohnbau verwendet werden müssen. Die zweite wichtige Maßnahme war, dass wir wieder angefangen haben, Ge­meindebauten zu errichten. Beides ist notwendig, weil wir weiterhin günstige Wohnun­gen auf dem Markt brauchen und der Trend leider in eine andere Richtung geht.

Ich habe das das letztes Mal erwähnt – beziehungsweise hat mein Kollege Schreuder meine Rede, weil ich ja erkrankt war, vorgelesen und das kurz erklärt (Bundesrat Stei­ner: Richtig: Kurz!) –, ich möchte das jetzt aber gerne wiederholen, weil es so wichtig ist, und auch erklären, warum.

Wohnungen wurden schon früher immer und werden heute auch als Wertanlage gekauft. Früher, weil man sie vermietet hat und die Miete ein monatliches Einkommen, also den klassischen Zins, bedeutete. Heute kauft man eine Wohnung und lässt sie leider leer stehen, denn sie steigt von selbst im Wert, Zins braucht man keinen mehr, und das Risiko von Mietausfällen oder Abnutzung möchte man auch nicht mehr eingehen. Das verhin­dert aber, dass Wohnungen wieder zurück auf den Markt kommen, und somit wird die Nachfrage größer und das Angebot geringer, was natürlich den Preis erhöht. Daher möchte ich hier nochmals Werbung machen für die Wiener Leerstandsabgabe, die ein wichtiges Instrument ist, um die Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen.

Weil wir die Länderkammer sind, möchte ich auch eine Lanze dafür brechen, Flächen­widmungen der Länderkompetenz zu unterstellen. Damit könnte Klimasünden wie der Verbauung und Versiegelung von Gewerbegebieten durch BürgermeisterInnen, die von verschiedenen Seiten unter Druck stehen, vorgebeugt werden.  Das betrifft natürlich nicht Wien.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich noch eingehen. Wir haben es in der Zeitung ge­lesen: Ein Drittel der WienerInnen fährt dieses Jahr nicht auf Urlaub, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Viele WienerInnen können aus diesem Grund aber fast nie auf Urlaub fahren. Sie sind an ihren Wohnort gebunden und nutzen ihre Wohnumgebung auch zu Erholungszwecken. Dafür braucht es aber eine entsprechende Aufenthaltsqua­lität im öffentlichen Raum.

Bessere Aufenthaltsqualität bedeutet weniger Verkehr, mehr Bäume, mehr Grünflächen, mehr Sitz- und Bewegungsmöglichkeiten für die Menschen. Das erfordert ein Umdenken in der Verkehrs- und Stadtplanungspolitik: weg von der autozentrierten Planung – Kolle­ge Schreuder hat es schon erwähnt – hin zur umwelt- und menschenzentrierten Pla­nung. Verkehrsberuhigung und Begrünung reduzieren Lärm und Abgase, und zudem macht das die Straßen einfach schöner. Das macht die Straßen aber auch sicherer im Sinne von ungefährlicher, und zwar nicht nur, weil weniger Autos fahren und diese lang­samer fahren, sondern auch, weil sich mehr Menschen auf den Straßen bewegen und damit das Sicherheitsgefühl größer wird. Somit hält man sich gern auf den Straßen auf und geht lieber und auch mehr zu Fuß. Man und auch frau kauft vor Ort ein und geht im Grätzl aus, und damit wird auch die lokale und die regionale Wirtschaft gestärkt. Das wurde auch schon seitens der Wirtschaftskammer unterstrichen.

Lieber Herr Bürgermeister! Machen Sie daher Verkehrspolitik für die Menschen mit we­nig Einkommen! Wandeln Sie die Straßen in Alleen und Flaniermeilen um! (Bundesrat Steiner: Wir haben genug Alleen im Zillertal! Dafür brauchen wir keine narrischen Grü­nen!) Bauen Sie Straßen zurück und nicht aus, und stärken Sie den Radverkehr sowie den öffentlichen Verkehr! Schaffen Sie verlässliche öffentliche Strukturen – wie Sie ge­sagt haben – auch im öffentlichen Raum! Das hilft den Menschen, die nicht im teuren Grünen wohnen oder auf Urlaub fahren können, und es hilft gegen die Klimakrise.

Setzen Sie sich ein für die Menschen, für die Ihre Partei steht, und für die nächsten Generationen! Gehen Sie auch diesbezüglich wie in der Coronakrise mit gutem Beispiel für die anderen voran! Überraschen Sie uns! Seien Sie mutig und radikal! Gehen Sie dabei auch mit für viele vielleicht unbeliebten Maßnahmen in der Verkehrspolitik vor, so wie es Ihre Parteivorfahren in den Zwanzigerjahren in der Wohnbaupolitik getan haben! Handeln Sie entschlossen und sichern Sie unsere Zukunft! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.36

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Bürgermeister Landeshauptmann Dr. Michael Ludwig. – Bitte, Herr Landeshauptmann.