12.12

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister Rauch! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Auf der Galerie möchte ich ganz herzlich meinen SJ-Vertreter aus dem Bezirk, Elias Hörzing, begrüßen – danke, dass du uns zuhörst! (Allgemeiner Beifall.)

Es brauchte ein Tierschutzvolksbegehren, um die Politik wachzurütteln. 416 000 Men­schen in Österreich haben aktiv bekundet, dass die geltenden Regelungen im Bereich Tierschutz aus ihrer Sicht unzureichend und dringend novellierungsbedürftig sind. Das ist ein Erfolg für die Initiatoren des Volksbegehrens und eine neue Chance für ein bes­seres Leben der Tiere in Österreich – ein herzliches Danke für euer Engagement! (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Tierschutz hat einen hohen Stellenwert in der österreichischen Gesellschaft, und das zu Recht. Es ist eine Wertehaltung, die den Respekt vor dem Lebendigen zum Inhalt hat. Unsere Haustiere, die Tiere in der Lebensmittelproduktion, in der Bekleidungsindustrie und die Wildtiere haben meiner Ansicht nach ein Anrecht auf ein artgerechtes Leben. Das Leben der sogenannten Nutztiere steht in letzter Konsequenz im Dienst unserer Ernährung, Bekleidung und so weiter. Respekt heißt ein artgerechtes, wenn auch meist kurzes Leben und ein achtsamer Umgang mit den tierischen Produkten.

Die Werbung gaukelt uns gerade bei der Nutztierhaltung ein idyllisches Bild vor. Fernab der Realität wird suggeriert, dass auch bei der Massentierhaltung alle ethischen Stan­dards eingehalten werden und die Konsumation von Produkten mit dem AMA-Gütezei­chen aus tierschutzrechtlicher Sicht durchwegs unbedenklich ist – ein Trugbild sonder­gleichen!

Der Konsument hat ein Recht auf Tierwohlkennzeichnung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, wie das das Tierschutzvolksbegehren forderte, und dies sowohl im Handel als auch in der Gastronomie. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Bilder von verkoteten, mit schweren Atemwegserkrankungen kämpfenden Mastkälbern auf Spal­tenböden, Bilder von aussortierten Bullenkälbern der Hochleistungsmilchviehrassen, die lebendig über Ozeane verschifft werden, Bilder von den ausgemergelten Hochleistungs­kuhkadavern, die von der Tierkörperverwertung abgeholt werden, Bilder von durch Spal­tenböden verkrüppelten und dahinsiechenden Schweinen und so weiter bekommen wir nur durch Aufdeckungsjournalisten oder Dokumentationen von NGOs zu Gesicht – und sie schockieren.

Diese Bilder lassen nur erahnen, wie es in der industriellen Landwirtschaft zugeht. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Verrohung im Umgang mit Tieren der Lebensqualität der handelnden Landwirte zuträglich ist. (Bundesrat Preineder: Das ist eine Geschichte!) Da es sich eher um einen Systemfehler als um Einzelfälle handelt, ist dringender Handlungsbedarf notwendig. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Es gibt – dafür bin ich dankbar – auch viele kleinstrukturierte bäuerliche Betriebe – wie es sie auch in meiner Gemeinde gibt –, die eine solche Praxis nicht leben. Sie gehen achtsam mit ihren Tieren und dem Boden um. Einen Vorteil ziehen sie daraus kaum; außer einem guten Gewissen, richtig zu handeln, bleibt ihnen nicht viel, denn das Förder­regime unterbewertet ihren gesellschaftlichen Beitrag – die Lobby der Kleinbauern ist einfach zu schwach. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zaggl-Kasztner.)

Nun noch einmal zurück zum Thema Ihrer Aktuellen Stunde, Herr Minister, „Tierschutz­standards verbessern, Tierhaltung zukunftsfest gestalten“: Unter Tagesordnungspunkt 6 der heutigen Sitzung zeigen Sie, was Sie im Bereich Tierschutz und insbesondere tierge­rechter und zukunftsfähiger Landwirtschaft können. Ihre erste Gesetzesvorlage befindet sich in der Beschlussphase – eine Nagelprobe, wie Sie mit den Widerständen bestimm­ter Standesvertreter Ihres Koalitionspartners zurechtkommen. Medial wurde das Ergeb­nis ja schon einmal hochgejubelt, groß von einem Meilenstein gesprochen, die Vorreiter­position Österreichs betont – wieder einmal eine reine Inszenierung, perfekt hingelegt, ein trauriges Markenzeichen der türkis-grünen Koalition, das Bestand hat, egal wer die handelnden Köpfe sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, Herr Minister Rauch, ich rechne es Ihnen an, dass Sie die Bauernbundfraktion Ihres Koalitionspartners gefordert haben. Fordern ist das eine, Ergebnisse für den Tierschutz einzufahren, die im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen der Agrarindustrie stehen, sind das andere. Aus sozialdemokratischer Sicht zeigt - - (Bundesrat Raggl: Agrarindustrie, genau, weil wir ein ganzes Land mit Agrarindustrie haben! – Bundesrat Preineder: Genau! Wissen Sie, was Agrarindustrie ist?! Fahren Sie einmal nach Hol­land! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie haben die Möglichkeit zu sprechen. (Bundesrat Raggl: Ich komme dann eh dran!) Genau, so ist es. (Ruf bei der ÖVP: ... keine Kritik vertragen! – Bundesrat Schennach: Er kommt eh dran, Herr Raggl ist schon notiert!) – Ich vertrage Kritik, keine Frage. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aus sozialdemokratischer Sicht zeigt Ihr Verhandlungsergebnis große Schwächen. Un­sere Kritik in aller Kürze: Bei der industriellen Schweinehaltung kommt es nur zu dürf­tigen Verbesserungen, viel Herz für die artgerechte Schweinehaltung kann ich beim besten Willen nicht entdecken. Bei den Vollspaltenböden sehen Sie den Leidensdruck nicht wirklich, denn eilig haben Sie es nicht. Die Richtlinien, wie die Ställe der Zukunft ausschauen sollen, sind noch nicht da, die werden erst ab 2028 einmal vorhanden sein – wer weiß das schon. Ab 2023 gibt es zwar neue Vorschriften, aber die werden nicht unbedingt den Regelungen nach 2028 entsprechen, und so weiter.

Sicherheit geben solche Gesetze nicht, sie sind eher ein Zeichen dafür, dass im Tier­schutz nichts weitergeht, und zukunftsfähig ist das schon gar nicht. Millionen von Schweinen – und hier habe ich ein Plakat mitgenommen (die Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der unter der Überschrift „30 Jahre bis zum Ende des Vollspal­tenbodens“ Schweine auf Vollspaltenböden und ein Zeitstrahl abgebildet sind), das zeigt, um wie viele Millionen von Schweinen es sich hochgerechnet handeln könnte – werden weiterhin ihr Leben auf Vollspaltenböden fristen müssen. Nicht weniger halbher­zig verhält es sich bei der betäubungslosen Ferkelkastration und dem Schwanzkupieren. Auch der zugestandene Platz pro Schwein im Stall bleibt auf niedrigem Niveau. (Bun­desrat Preineder: Und warum essen Sie so was?) Vollspaltenbuchten bei Rindern blei­ben, dauernde Anbindehaltung bleibt bis 2030 erhalten.

Hier mein Appell: Unterstützen Sie die Kleinstbauern bei der Umstellung! Sie erbringen wertvolle Umweltdienstleistungen in unseren Dörfern, die unbezahlt sind und bis heute nicht in Wert gesetzt werden. (Zwischenrufe der Bundesräte Raggl und Preineder.)

Laut Entwurf sollen Kälber künftig statt ab einem Alter von zwei Wochen ab drei Wochen transportiert werden dürfen. Das ist aber noch viel zu jung, da die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch auf Milchnahrung angewiesen sind. Herr Minister, was hier auf dem Tisch liegt, ist uns zu wenig, das bringt uns beim Tierschutz nicht wirklich weiter! Wir stimmen dieser Marketinggeschichte nicht zu.

In Bezug auf meine Vorrednerin möchte ich noch erwähnen, dass ich bei Punkt 6 auf die demokratiepolitisch bedenkliche Situation bei der Gesetzwerdung eingehen werde und sehr wohl infrage stelle, dass es einen offenen und ehrlichen Dialog gegeben hat. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.