13.03

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Sowohl die Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes als auch das Gesetz über den Zweckzuschuss an die Länder von 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Pflegeberufe und auch der Zweckzuschuss an die Länder für 2022 und 2023 zur Erhöhung des Entgelts in der Pflege hängen natürlich ganz ursächlich mit dem großen Problem des Pflegekräftemangels zusammen. Wir wis­sen, dass wir bis 2030 76 000 neu ausgebildete Menschen in diesen Berufssparten, in diesen Berufsbereichen brauchen; der höchste Bedarf wird für das Jahr 2025 errechnet.

Da steht es natürlich außer Frage, dass Handlungsbedarf auch für die Politik da ist, aber die Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden, müssen die richtigen sein, denn Zeit für Ex­perimente gibt es nicht mehr. Diese Zeit läuft dem Pflege- und Gesundheitssystem, der Gesellschaft, den Menschen schon längst davon. Deshalb ist es einfach extrem wichtig, dass wir jetzt eine gut ausgestaltete Strukturreform erarbeiten.

Ich komme jetzt einmal zur Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, mit der ja die Kompetenzen der Pflegefachassistenz und der Pflegeassistenz im medizi­nisch-diagnostischen und therapeutischen Bereich erweitert werden sollen. Wie genau das passieren soll, darüber wurde im Ausschuss keine genaue Auskunft gegeben.

Ich habe in letzter Zeit sehr, sehr viele Gespräche mit Menschen geführt, die in Gesund­heits- und Krankenpflegeberufen arbeiten, stationär in Krankenhäusern oder auch mobil. Natürlich ist da einerseits die Stationsleitung zu verstehen, die einen Dienstplan schrei­ben muss, zu wenig Personal hat und dann sagt: Es wäre super, wenn Pflegeassisten­tInnen, PflegefachassistentInnen höhere Kompetenzen erhalten, denn die dürfen ja zum Beispiel nicht alleine Nachtdienst machen. Die dürfen in Behandlungsräumen nicht einmal in Vorbereitung von Behandlungen Anamnesen durchführen. Dazu muss ein Arzt dann die Verantwortung übernehmen, und die meisten machen das nicht gerne, was ja auch verständlich ist.

Betrachten wir aber die andere Seite: Diejenigen, die sich für eine Ausbildung zu einer Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz mit der Dauer von einem oder zwei Jahren entschlossen haben, haben sich für eine Ausbildung mit einem gewissen Kompetenzbe­reich und, damit verbunden, Verantwortungsbereich entschieden. Diplomiertes Gesund­heits- und Krankenpflegepersonal macht eine fünfjährige Ausbildung, natürlich ist da eine andere Kompetenz vermittelt worden. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob Fachas­sistenten und Assistenten überhaupt alle mit der Veränderung dieses Berufsbildes ein­verstanden sind. Es kann nicht sein, dass das dann nur zu einer Deprofessionalisierung der Pflege und zu einer Verbilligung und dazu, dass wir Menschen vielleicht sogar wieder aus dem Beruf drängen, führt. (Beifall bei der SPÖ.)

Grundsätzlich denke ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir uns die Frage stellen, wie das Ausbildungssystem generell gestaltet sein soll, denn ich kann mich des Gefühls nicht erwehren – und mit mir viele in diesem Bereich Beschäftigte –, dass die vielen, vielen verschiedenen Ausbildungen lauter Feldversuche sind. Wir brauchen klare Linien in der Ausbildung. Es gibt einfach viel zu viele verschiedene. Da kennt sich irgendwann keiner mehr wirklich aus. (Bundesrat Steiner: Pflegelehre! – Zwischenruf des Bundesrates Korn­häusl. – Bundesrat Steiner: Urfreiheitliche Forderung!)

Zum zweiten Punkt, zum Zweckzuschuss an die Länder: für die Attraktivierung des Pfle­geberufs 600 Euro Ausbildungsgeld, aber nur bis 2025. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das heißt, für Menschen, die jetzt mit einer Ausbildung beginnen, geht sich das Diplom damit nicht aus. Ab 2025 wissen sie nicht genau, was passieren wird. Das geht sich für die Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten noch aus. Ich muss schon ganz klar sagen: Was mir schwerstens missfällt, ist die Aussage: Die Länder trauen sich es dann ja eh nicht mehr abzudrehen! – Es muss irgendwann genug sein, dass der Bund ständig nur auf die Länder und Gemeinden abwälzt! Wir brauchen Sicher­heit für die Zukunft. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rauch.)

Wir reden hier bei diesen 600 Euro, die bei Weitem nicht existenzsichernd sind, von einer Berufsgruppe, in der vor allem ganz viele Frauen tätig sind, viele Mütter, viele alleiner­ziehende Mütter. Ja, das ist zu wenig, das ist nicht wettbewerbsfähig gegenüber anderen Berufsausbildungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wichtig ist, ist aber auch die Wertschätzung, und an der wird nicht wirklich politisch gearbeitet. Ein bisschen ist geklatscht worden, und dann wurde vom Gesundheits- und Krankenpflegepersonal nicht mehr geredet. (Bundesrat Steiner: Ihr habt mitge...! – Bun­desrat Schennach: Jetzt hör auf!)

Auch in der Ausbildung braucht es bessere praktische Kriterien, denn wenn wir schon einen Mangel haben: Wer macht denn die Praktikumsanleitung, wer vermittelt denn? (Beifall bei der SPÖ.) Die Auszubildenden laufen irgendwie mit und irgendwann dann davon, weil sie überfordert sind. Das funktioniert so nicht. (Bundesrat Steiner: Ganz viele Pfleger sind wegen der Impfpflicht gekündigt!)

Das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz hat sowohl in der Gestaltung als auch in der zeitlichen Dimension Lücken: 160 Millionen Euro 2022, 160 Millionen Euro 2023, erstmals ausbezahlt im Mai 2023. Ich hoffe ja doch, dass die Mitarbeiter nicht so lange warten müssen. Das heißt, es muss wieder jemand in Vorfinanzierung gehen: die Län­der, die es an die Arbeitgeber weitergeben; die Organisationen können es nicht mehr stemmen. Die mussten schon den Coronabonus vorfinanzieren. Auch das geht sich nicht mehr aus.

Es sind auch nur zwei Jahre berücksichtigt. Geeignet dazu, einen Lohngap zu schließen, ist die Ausgestaltung dieses Gesetzes nicht, weil sie sozialpartnerschaftliche Verhand­lungen nicht gerade erleichtert. Das Gesetz wird kurzzeitig – für zwei Jahre – das Gehalt erhöhen. Was es wirklich braucht, sind klare Linien für die Zukunft, eine wirkliche Re­formstruktur. (Beifall bei der SPÖ.) Es muss diesem Beruf außerdem wieder Wertschät­zung entgegengebracht werden.

Was es ganz sicher nicht braucht, sind Schnellschüsse. Was es ganz sicher nicht braucht, sind aufsteigende Versuchsballons. Dafür fehlt die Zeit, dafür ist der Druck zu groß. 2025 brauchen wir in dieser Sparte die meisten Neuen. Bis 2030 76 000, das ist sehr, sehr viel! Ich denke, es wäre gut – und stellen Sie sich vor, wir dürfen das, wir dürfen auch im Sommer arbeiten –, über den Sommer noch einmal ganz genau drüber­zugehen, noch einmal in die Tiefe zu gehen und auch einmal mit jenen zu reden, die in diesen Berufen arbeiten, die genau wissen, wo es hakt und was sie brauchen.

Ich habe gestern mit einer Stationsschwester gesprochen, die mir nicht beantworten konnte, welche Kompetenzen der Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten angeb­lich erweitert werden sollen. Also wenn die das nicht einmal wissen, dann waren sie auch nicht eingebunden – sie sind es aber, die wissen, was es braucht!

Wir müssen einen Weg für eine gute, zukunftsfähige Lösung finden, mit der wir das Sys­tem langfristig sichern, also keine schnellen, keine halbherzigen, keine werbewirksamen Maßnahmen durchpeitschen, denn das bringt nichts. Deshalb können wir diesen No­vellen beziehungsweise diesem Gesetz nicht zustimmen.

Unsere Zustimmung findet nur die Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes. Durch die Erhöhung des Erschwerniszuschlags werden Menschen mit starker geistiger oder psychischer Behinderung besser absichert oder auch, dass die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet wird.

Der Angehörigenbonus ist ein sehr sanfter Anfang. Gerade im Bereich pflegende Ange­hörige braucht es um so viel mehr, denn sonst werden wir im stationären Bereich und auch im mobilen Bereich noch mehr brauchen! Der mobile Bereich wird ja überhaupt nicht berücksichtigt. Der Bereich, der während der Pandemie auch sehr viel geleistet hat; der Bereich, in dem die Vereine, die mobile Pflege anbieten, aufgrund der Treibstoff­kosten jetzt vor enormen Problemen stehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.