13.26

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Laut verschiedenen Bedarfsprognosen benötigen wir in Österreich bis zum Jahr 2030 ganz, ganz dringend rund 100 000 Pflegekräfte. Darum freut es mich, dass die Regierung jetzt tätig wird, in die Gänge kommt, nicht nur redet und ankündigt, sondern im Pflegebereich jetzt einmal tatsächlich auch handelt.

Weil Kollege Kornhäusl so überrascht ist, dass wir Freiheitlichen da mitgehen und das unterstützen: Das ist für uns keine Frage. Erstens sind viele Punkte von uns dabei. Und Kollege Kornhäusl, auch die ÖVP und alle müssen sich das merken: Wir Freiheitlichen stehen an der Seite des Bürgers, und wenn wir merken, dass es Erleichterungen und Positives für Österreich, für unsere Bürger im Land gibt, sind wir Freiheitlichen die Ers­ten, die mit dabei sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir verabschieden heute ein Pflegepaket mit verschiedenen Gesetzen. Ganz so positiv sehe ich es nicht, aber wir haben schon gehört, dass wir dem heute zustimmen. Von einer Pflegereform kann man dabei ja nicht ganz sprechen, aber zumindest ist dieses Reförmchen ein kleiner Anfang in dieser ganzen Pflegemisere. Wenn man glaubt, dass man mit einer minimalen Pflegereform maximale Not lindern kann, dann täuscht man sich eben.

Wir haben es bereits gehört: Unter der freiheitlichen Sozialministerin Hartinger-Klein ist bereits ein komplett fixfertiges Pflegereformkonzept vorgelegen. Als ihr von der schwarz-grünen Bundesregierung die Ämter übernommen habt, hättet ihr eigentlich nur das Paket nehmen müssen. Jetzt haben wir aber drei grüne Sozialminister gebraucht, und es hat fast drei Jahre gedauert, dass man endlich einmal damit anfängt, dieses Konzept umzu­setzen. Das ist ein bisschen lang und für mich ein bisschen rätselhaft. Da hat die schwarz-grüne Regierung wirklich wertvolle Zeit verschlafen.

Schade ist in diesem Zusammenhang auch, dass das ursprünglich wirklich große, um­fangreiche Paket von uns Freiheitlichen deutlich abgespeckt wurde und heute nur eine Minimalvariante zur Abstimmung gebracht wird. Das ist sehr schade.

Eines der größten Probleme in der Pflege ist ja die Einstufung in die Pflegestufen. Fast jeder Betroffene beklagt die. Aus diesem Grund möchte ich den folgenden Antrag stellen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pfle­gereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Die Einführung eines Pflegeschecks (Kärntner Modell)

- Eine soziale Absicherung für pflegende Angehörige (Kärntner Modell)

- Eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen (Kärntner Modell)

- Die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild) (Kärntner Modell)

- Die Umsetzung des Kärntner Modells bis 31.12.2022

- Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Berufsgruppen mit ähnlichen pfle­gerischen wie betreuerischen Tätigkeitsfeldern (etwa der Behindertenbetreuung) durch Miteinbeziehung dieser Gruppen in die Pflegereform

- Schaffung einer transparenten und für die Betroffenen nachvollziehbaren Pflegegeld­einstufung unter der Betrachtung ganzheitlicher Heranziehung der alltäglichen, realen Bedürfnisse

- Beendigung der restriktiven Gewährung höherer Pflegegeldstufen und Abbau der be­hördlichen Bürokratie durch niederschwellige Antragsformalitäten

- Die Schaffung eines Pflegegeldbonus: 50 Prozent mehr Pflegegeld ab Stufe 3 bei häuslicher Betreuung.

- Eine unterjährige, zumindest vierteljährliche Anpassung des Pflegegeldes und aller weiteren finanziellen Leistungen an die aktuelle Inflationsentwicklung

- Ein Rechtsanspruch auf eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause. (Übergangspflege)

- Die Finanzierung der Übergangspflege durch den jeweiligen Sozialversicherungsträ­ger, bei dem der Anspruchsberechtigte sozialversichert ist.

- Ein Inkrafttreten der Regelung für die Übergangspflege bis 31.12.2022“

*****

Das wäre ein weiterer Teil, der bei diesem Pflegereförmchen noch fehlt. Diesen Antrag stellen wir Freiheitlichen jetzt, und ich ersuche um Zustimmung zu diesem Antrag.

Ab dem kommenden Jahr sollen ja pflegende Angehörige einen Jahresbonus von 1 500 Eu­ro erhalten, dies aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen: wenn sie wegen der Pflege ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, wenn sie sich weiterversichern und wenn der zu Pflegende mindestens Pflegestufe 4 hat. Das ist eine arge Geschichte: Es gibt in Öster­reich 800 000 pflegende Angehörige. Lediglich 24 000 pflegende Angehörige können mit diesen strengen Auflagen den Angehörigenbonus überhaupt in Anspruch nehmen. Das sind läppische, lächerliche 3 Prozent! Daran gehört noch hart gearbeitet. Das ist ja gar nichts! Das ist gar nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Von 800 000 pflegenden Angehörigen können das 24 000 beanspruchen, das sind 3 Pro­zent. Das Aufgeben der Erwerbstätigkeit ist ein besonderes Hindernis. Wer kann es sich leisten, den Beruf aufzugeben? Für 1 500 Euro pro Jahr seinen Brotberuf aufzugeben, das kann sich kein Mensch leisten. Das klingt am Papier zwar vielleicht nett, das ist aber nicht umsetzbar und kann man sich nicht leisten. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

Geändert gehört genauso, dass man diesen Bonus erst ab der Pflegestufe 4 bekommt. Wer sagt, dass man nicht bereits ab der Pflegestufe 1, 2 oder 3 Hilfe braucht? Ich denke da jetzt zum Beispiel an Demenz; da braucht man es wesentlich früher. Dieses Bonus­system für pflegende Angehörige hinkt also gewaltig.

Genauso hinkt das Bonussystem für Mitarbeiter in der Pflege. Ein Bonus für Mitarbeiter in der Pflege ist ja voll zu unterstützen und ist absolut begrüßenswert. Aber warum gibt es nur einen Bonus? Warum ist der Bonus auf zwei Jahre befristet und warum hat man nicht den Mut und die Ehrlichkeit, dass man den Menschen ein angemessenes, adäqua­tes Gehalt bezahlt? Ein Bonus für die Mitarbeiter sollte ja eigentlich die Wertschätzung für die Mitarbeiter ausdrücken. Man muss sich bei einem Bonus schon bewusst sein, dass der nicht pensionsrelevant ist und es kein Weihnachtsgeld und kein Urlaubsgeld dazu gibt. Also, Herr Minister, es wäre doch weitaus ehrlicher, wenn Sie schon Wert­schätzung des Pflegepersonals ausdrücken wollen, eine Gehaltserhöhung in adäquater Höhe in Aussicht zu stellen.

Was ich aber betonen möchte, und ich werde nicht müde werden, es immer wieder zu betonen, ist: Herr Minister, Sie und die Regierung und speziell die Grünen – ihr habt den Pflegenotstand mit euren ganzen Coronaregeln in der Pandemiezeit ja noch maßgeblich verschärft. Ich erinnere da an das Reiseverbot für die 24-Stunden-Pflegekräfte; ich erin­nere an die Impfpflicht für das Pflegepersonal; ich erinnere an die Repressalien, die un­geimpfte Mitarbeiter erleben mussten und müssen. Diese unsägliche Impfpflicht wurde jetzt zwar abgeschafft, aber nach wie vor besteht das COVID-19-Maßnahmengesetz, und es ist auch verlängert worden. Und Sie, Herr Minister, können die Menschen jeder­zeit mit einer indirekten Impfpflicht drangsalieren, mit Testpflicht, mit Maskenpflicht, mit Lockdowns und mit Betretungsverboten.

Herr Minister Rauch, Sie sind dafür bekannt, dass Sie nicht nur in der schwarz-grünen Bundesregierung, sondern schon in der Landesregierung in Vorarlberg ein Oberscharf­macher gewesen sind, was die Coronamaßnahmen betrifft. Da waren Sie ja immer in der ersten Reihe fußfrei dabei, wenn es darum gegangen ist, ungeimpfte Menschen aus­zugrenzen und irgendwie wegzutun. Fahren Sie bitte auch mit der indirekten Impfpflicht ab und hören Sie bitte auf, fahren Sie bitte gleich ab mit all diesen unsinnigen Coro­namaßnahmen! Wir haben andere Sorgen in diesem Land, wir haben ganz andere Sor­gen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, ich kann Ihnen nur versichern, ich garantiere es, dass wir, wenn Sie tat­sächlich im Herbst – es deuten so manche Signale darauf hin – wieder mit Ihren Schi­kanen beginnen sollten, mindestens 30 Prozent der Pflegekräfte verlieren werden. Das ist verantwortungslos! Das ist nicht mehr fahrlässig, das ist vorsätzlich! Es muss alles daran gesetzt werden, dass man erstens einmal die Menschen in den Pflegeberufen hält und dass man zweitens junge Menschen für den Pflegeberuf begeistert.

Wir haben es heute ohnehin schon von Kollegen Kornhäusl gehört, dass es eines unse­rer großen Ziele ist, die Pflegelehre in Österreich einzuführen – aber nicht erst mit 17 Jah­ren, sondern unmittelbar nach dem Schulabschluss, sodass dann junge Menschen gleich nach dem Schulabschluss am Patienten arbeiten können. Junge Menschen, wenn sie einmal zwei Jahre weg sind und sich anders orientiert haben, sind dann weg vom Ar­beitsmarkt im Pflegebereich. Also bitte tragen Sie dafür Sorge, dass die Pflegelehre gleich im Anschluss an die Schulzeit möglich gemacht wird!

Worauf ich noch dringend hinweisen möchte, was wirklich ganz, ganz dringend ist, ist dieser Zuschuss, den das Sozialministerium als Service für 24-Stunden-Pflegekräfte ausschüttet. Das sind 550 Euro. Dieser Betrag wurde seit 15 Jahren nicht erhöht, nicht evaluiert. Diese 550 Euro sind aufgrund der hohen Inflationsrate, die wir derzeit haben, ja gar keine 500 Euro mehr wert. Herr Minister, auch in diesem Bereich fordern wir ein, dass Sie entsprechende Schritte setzen.

Wir haben es schon gehört: Wir Freiheitlichen stimmen diesem Minipaket heute zu, weil es wirklich ein erster Schritt ist. Es ist als Anfang zu sehen, als kleiner Anfang zu sehen, dass im Pflegebereich endlich, endlich wirklich einmal etwas weiterzugehen anfängt. Herr Minister, dabei wäre es aber wünschenswert, dass diese schwarz-grüne Regierung endlich einmal von ihrem hohen Ross heruntersteigt und auch die zahlreichen guten Vorschläge der beiden Oppositionsparteien mit einfließen lässt. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

13.36

Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr. – Bitte.