14.39

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin, zu Be­ginn möchte ich mich gleich mit einem Glückwunsch an dich zur Vorsitzübernahme Wiens einstellen. Frau Präsidentin, ich möchte dir wirklich von Herzen viel Erfolg und eine gute Hand für deine Aufgabe wünschen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundes­rätInnen von SPÖ und Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Bildschirmen oder hier im Haus! Kennen Sie eine Landwirtin, einen Landwirt Ihres Vertrauens wirklich persönlich und/oder kaufen Sie auch bei ihm ein? (Bundesrat Schennach: Ja, ja! – Bundesrätin Hahn: Ja!) – Das scheint hier wirklich sehr vorbildlich zu funktionieren. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam ganz viel zu tun haben, damit das künftig vielleicht ein jeder von sich behaupten kann.

Überlegen wir alle uns und überlegen Sie sich, wenn Sie ins Regal greifen oder im Restaurant bestellen: Woher stammen die Zutaten des Lebensmittels, des Gerichtes? Welche Tierhaltungs- und Produktionsstandards gelten im jeweiligen Land, aus dem das Lebensmittel kommt? Wie geht es der bäuerlichen Familie, die hinter diesem Lebensmit­tel steckt? – Genau diese Fragen sollten wir uns in Zukunft vermehrt stellen, besonders wenn wir einkaufen oder außer Haus essen gehen. Es sollte in unser Bewusstsein rücken, ob sich unser Anspruch auf mehr Tierwohl auch wirklich in unserem Konsumver­halten beziehungsweise im Einkaufsverhalten widerspiegelt. Bekennen wir uns zu mehr Tierwohl oder greifen wir in Wirklichkeit zum Billigprodukt?

Frau Kollegin Lancaster, Sie haben vorhin behauptet, der Konsument sei beim Kauf von Lebensmitteln der Irreführung ausgeliefert – da sollten auch andere Kolleginnen und Kollegen gut zuhören –: Wenn Sie auf ein konkretes Produkt schauen und darauf ein AMA-Gütesiegel finden, wissen Sie, das AMA-Gütesiegel besagt – speziell bei Fleisch ‑, dass das Tier in Österreich geboren ist, in Österreich gemästet ist. (Zwischenrufe der Bundesrätin Kahofer. – Bundesrat Steiner: Nein, nein, nein! Eben nicht!) – Doch, liebe Kollegen! Das AMA-Gütesiegel besagt, dass das Tier in Österreich geboren und gemäs­tet wurde, hier gelebt hat und auch hier geschlachtet wurde. (Bundesrat Steiner: Nein, nein!) – Doch, so ist es! Sie können eine tatsächliche Berichtigung machen, aber so ist es. (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.)

Meiner Meinung nach wird es sich in Zukunft nicht mehr ausgehen, mehr Tierwohl zu verlangen und dann aber zum Billigprodukt zu greifen, das möglicherweise aus dem Ausland kommt, bei dem wir die Tierhaltung dahinter nicht kennen. Darum geht es in Wahrheit bei diesen vorliegenden Änderungen im Tierschutzgesetz, im Tiertransportge­setz und in der Tierhaltungsverordnung.

Ein paar wichtige Punkte daraus: Es soll ein Auslaufen der dauernden Anbindehaltung bis 2029 geben, ein Auslaufen von unstrukturierten Vollspaltenböden in der Schweine­haltung bis 2039, ein Verbot von Tiertransporten in Drittländer und ein Schredderverbot männlicher Kücken.

Ich als Landwirtin bin der Meinung, dass dieses Tierwohlpaket eine Weiterentwicklung in der Nutztierhaltung und ein Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Land­wirtschaft ist. Nun kommt das aus meiner Sicht große Aber: Es ist nur dann wirklich ein großer Meilenstein in der österreichischen Nutztierhaltung, wenn nicht nur die Tiere – zu Recht – eine Verbesserung erfahren, sondern auch die Bäuerinnen und Bauern, die tag­täglich, 365 Tage im Jahr, die Tiere versorgen und ihre Familienbetriebe aufrechterhal­ten müssen. Es ist nur dann ein großer Meilenstein, wenn wir damit auch künftig die heimische Produktion erhalten und nicht verdrängen und wenn wir auch in Zukunft Ver­sorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln garantieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist es für mich wichtig und notwendig, dass wir mit diesem Gesetz alle entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht nehmen. Die österreichische Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern leisten ihren Beitrag zu mehr Tierwohl, es sind aber auch der Handel, die Verarbeitung, die Gemeinschaftsverpflegung und die Verbraucher gefordert, um den heimischen Lebensmitteln Vorrang und damit auch einen fairen Preis zu geben.

Wir haben es den Bäuerinnen und Bauern zu verdanken, dass unsere österreichische Kulturlandschaft, in der wir gerade in der Sommerzeit unsere Erholung suchen, unseren Urlaub machen, gepflegt wird. Wir haben es auch den Bäuerinnen und Bauern zu ver­danken, dass wir hochwertige heimische Lebensmittel in den Regalen und auf den Tel­lern haben. Das ist nicht selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es bedeutet viel Arbeit, und daher sage ich den Bäuerinnen und Bauern, die tagein, tagaus hart ar­beiten, an dieser Stelle ein großes Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dieses ernst gemeinte Danke ist meiner Meinung nach gut, aber zu wenig. Es ist meiner Meinung nach auch zu wenig, nur ein Volksbegehren zu unterschreiben, wir müssen uns alle ganz ehrlich für den Konsum von heimischen Lebensmitteln entscheiden. Das ist meiner Meinung nach ein ehrliches Bekenntnis zu mehr Tierwohl.

Ja, der Weg zu diesem Paket war nicht einfach, es gab zähe und lange Verhandlungen, die angefangen mit dem Tierschutzvolksbegehren beinahe zwei Jahre gedauert haben. Bei diesen Verhandlungen sind zwei Welten aufeinandergetroffen, das ist schon einige Male hier erwähnt worden: Auf der einen Seite waren die Branchen, die VertreterInnen der Landwirte und Landwirtinnen, auf der anderen Seite die Tierschutzorganisationen, die NGOs. Es hat viele Schritte aufeinander zu gebraucht, um sich auf Augenhöhe zu begegnen. Der Ton war oft rau, das haben wir verspürt, und manchmal nicht ganz re­spektvoll.

Ich kann durchaus die vielen Landwirte, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, verstehen. Sie sind verunsichert, wenn sie an die Zukunft denken: Wie wird sich der Markt angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage entwickeln? Wird möglicher­weise zu mehr Billigprodukten gegriffen, wie wir heute schon in den Medien gehört ha­ben?

Aktuell ist auch die Marktlage besonders für die Tierhalter nicht ganz rosig, und wenn es um geforderte neue Investitionen geht, fragen sie sich zu Recht: Werden sich die höhe­ren Kosten bei den Stallbauten, für den Mehraufwand bei der Betreuung auch wirklich am Markt rechnen? Bekommt der Landwirt, die Landwirtin für ihr Produkt den gerechten Anteil am Markt, um auch künftig wirtschaftlich weiter bestehen zu können?

Daher war und ist es notwendig, angemessene Übergangsfristen bei den neuen Hal­tungsvorschriften einzuräumen, um Planungssicherheit für die Betriebe zu gewährleis­ten. Tierhalter, die in jetzt auslaufende Systeme investiert haben, können aus ökonomi­schen Gründen nicht einfach den Stall abreißen und neu bauen. Das wäre der Tod der Betriebe.

Ja, es ist im Interesse der Bäuerinnen und Bauern, für mehr Wohl für ihre Tiere zu sor­gen, und das nicht aus wirtschaftlicher Sicht. Mir ist es wichtig, zu sagen, die Bilder vom Tierleid, die wir in den letzten Wochen gesehen haben, die aufgetaucht sind, schockieren auch mich und sind klar zu verurteilen. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, auf­grund dieser Bilder auf die gesamte Branche zu schließen und alle Tierhalter über einen Kamm zu scheren. Es sind meist menschliche Schicksale, Überforderung oder Überlas­tung mit im Spiel, und daher müssen wir die bäuerlichen Familienbetriebe klar im Fokus behalten. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, wir müssen sie begleiten und genau schauen, welche Rahmenbedingungen es noch braucht, um es nicht so weit kommen zu lassen.

Daher finde ich es gut, dass eine wissenschaftliche Begleitung bei der Weiterentwicklung von Stall- und Schweinehaltungssystemen im Tierwohlpaket verankert ist, weil es um das Tierwohl geht, weil es auch um die Wirtschaftlichkeit geht und weil es in letzter Kon­sequenz – und das ist das Wichtigste für mich – um das Bauernwohl geht. Das wird in der Diskussion oft gerne vergessen.

Vor zwei Tagen wurde das Ergebnis der Agrarstrukturerhebung 2020 bekannt gegeben. Die österreichische Landwirtschaft ist nach wie vor kleinstrukturiert, familiengeführt, es gibt einen steigenden Anteil von Betrieben, die von Frauen geführt werden, und eine starke Bioproduktion. 420 000 Personen waren 2020 in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt. Nun bitte ich Kollegen Bernard von der FPÖ um besondere Aufmerksamkeit: Sie haben gestern behauptet, der niedrige Prozentsatz bei den Betriebsaufgaben sei falsch dargestellt. Tatsache ist, die Anzahl der Beschäftigten in der Land- und Forstwirt­schaft ist im Vergleich zur letzten Vollerhebung sogar leicht gestiegen.

Angesichts der aktuellen schwierigen Lage leiden auch die landwirtschaftlichen Betriebe unter enormem Kostendruck, Kosten für Betriebsmittel, Treibstoffe und Energie sind auch für Sie massiv gestiegen. Um den Spagat zwischen wirtschaftlichen Krisen und gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen zu schaffen, brauchen wir den Schulter­schluss aller. Tatsache ist, die Umstellung wird die bäuerlichen Betriebe massiv fordern. Ich ersuche Sie: Lassen wir sie nicht im Stich! Es geht nicht nur um mehr Tierwohl, es geht um unsere Versorgung und die Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmit­teln, die wir in Zukunft sicher brauchen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.50

Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesminister Johannes Rauch hat sich zu Wort gemeldet. – Ich erteile ihm dieses.