14.55

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Eingangs möchte ich festhalten, dass wir von den drei zur Diskussion stehenden Tages­ordnungspunkten Tagesordnungspunkt 7 nicht zustimmen werden; zu den Tagesord­nungspunkten 8 und 9 wird es von unserer Seite ein Ja geben.

Inhaltlich geht es bei Tagesordnungspunkt 7 darum, dass zukünftig das Impfzertifikat im E-Impfpass über einen Link abrufbar sein wird und nicht mehr als PDF-Datei abgespei­chert wird. Leider wurde aus parteitaktischen Gründen – sprich Tierschutzgesetz – der parlamentarische Werdungsprozess ausgebremst. Das ist die Begründung, warum wir diesem Tagesordnungspunkt unsere Zustimmung nicht erteilen.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 9: Es geht dabei um die Aufhebung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes, die Aufhebung der Covid-19-Impfpflichtverordnung und die Aufhe­bung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung dieser beiden Gesetze bezie­hungsweise der Verordnung.

Die Aufhebung dieser Verordnungen ist ein absolut richtiger Schritt, denn die Impfpflicht hat eigentlich nur Gräben in unsere Gesellschaft gerissen und auf der anderen Seite keinen Menschen zusätzlich dazu bewegt, sich impfen zu lassen. (Bundesrat Steiner: Und wer war mit dabei?) Das heißt aber nicht, dass die Impfung nicht notwendig bezie­hungsweise sinnvoll ist oder war. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.) Es ist der richtige Weg, die Entscheidung, sich impfen zu lassen, jedem Men­schen selbst zu überlassen.

Nicht zu verschweigen ist auch – und ich zitiere da die britische Expertise von „The Lancet Infectious Diseases“ –, dass die Impfung im ersten Jahr ihrer Einführung weltweit rund 20 Millionen Menschen vor dem Tod bewahrt hat (Bundesrat Steiner: Ja, was ist denn das? Wahnsinn!), auch unter dem Aspekt, dass weltweit mehr als 540 Millionen Men­schen infiziert wurden. Offiziell starben 3,6 Millionen Menschen an Corona, die Dunkel­ziffer dürfte allerdings noch viel höher sein. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Ja, si­cher!) – Herr Kollege Steiner, ich weiß nicht, was daran witzig ist und wie man über To­desfälle und Todesraten, die eigentlich jenseits von irgendetwas liegen, lachen kann. (Bundesrat Schreuder: Ja, das weiß ich auch nicht!) Das sollte eigentlich mehr Betrof­fenheit hervorrufen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Zu bedenken ist auch, dass die Impfung gegen das Virus immer noch effektiv ist. Wir beenden die Impfpflicht heute mitten in einer Sommerwelle mit täglichen Neuinfektions­zahlen von über 10 000 und einer Prognose von über 30 000 täglich.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, eine Strategie, wie es jetzt wirklich weitergehen soll, ist für uns leider nicht erkennbar. Quarantäne: ja oder nein? Maskenpflicht: ja oder nein? Vierter Stich: ja oder nein? – Alles Fragen ohne Antworten. Wer sich mit dem Corona­virus infiziert, muss sich zurzeit in Quarantäne begeben. Das soll sich aber schon bald ändern, wie wir gestern erfahren haben. Der Virologe und Professor für Impfstoffkunde Florian Krammer hält das für keine gute Idee. Die Stadt Wien sprach sich bereits vehe­ment gegen das Quarantäneende aus.

Die Coronazahlen steigen, am Mittwoch vermeldete Ihr Gesundheitsministerium erst­mals wieder über 15 000 Neuinfektionen. Zugleich dürfte die Dunkelziffer an positiven Fällen noch viel höher sein, darauf deuten die niedrigen Testquoten, aber auch die Werte aus dem Abwassermonitoring hin. Bekannt ist auch, dass die grassierende Virusvariante BA.5 besonders ansteckend ist. Angesichts der vielen Ausfälle am Arbeitsplatz wird nun statt neuer Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung ein Ende der Quarantänere­gelung diskutiert.

Der Virologe Florian Krammer hält – das habe ich bereits erwähnt – ein Ende der Qua­rantänepflicht für keine gute Idee, wie er auch am Mittwochabend in der „ZIB 2“ öffentlich erklärte. Experten empfehlen: Wenn man weiß, dass man infiziert ist, sollte man sich in Quarantäne begeben, andernfalls könnte man andere Menschen anstecken. Es gilt aber nicht nur für Corona, sondern auch für jede andere Infektionskrankheit, dass man sich, wenn man krank ist, nicht unter Leute begeben sollte.

Was die etwaige Herdenimmunität, die immer wieder andiskutiert wird, betrifft, ist sich Virologe Krammer nicht mehr sehr sicher. Der Experte glaubt, dass man diese abschrei­ben muss. Der Virus wird uns bleiben, sagt er, und wie Sie, Herr Bundesminister, richtig festgestellt haben, werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Eine positive Entwicklung erkennt der Virologe dennoch: Die Situation hat sich grundle­gend geändert, weil viele Menschen durch die Impfung oder durch frühere Infektionen vor schwereren Verläufen geschützt sind und auch der Virus sich verändert hat. Was den Impfstoff betrifft, so soll es ab August wieder einen angepassten und für die neue Variante geeigneten Impfstoff am Markt geben. Gesunden und bereits dreimal geimpften Menschen rät der Experte tendenziell dazu, auf die angepassten Impfstoffe zu warten, für Hochrisikopersonen und ältere Menschen zahle es sich aber aus, die Auffrischung schon jetzt zu machen, erklärt Krammer. Für künftige Impfungen sieht der Gesundheits­experte zwei Möglichkeiten: Entweder werde es ähnlich wie bei der Influenza sein, dass man sich jährlich zur Impfung begibt, oder man werde, wenn eine neue problematische Variante auftaucht, die Impfung anlassbezogen beziehen.

Da wir jetzt schon bei den Impfungen sind, Herr Bundesminister: Ein Blick auf den allge­meinen Impfstatus bei Schutzimpfungen gibt Anlass zur Sorge. So ist die Situation bei der Diphterie- und Tetanusimpfung sowie der Influenzaimpfung beträchtlich ins Hinter­treffen gelangt, wenn man die internationalen Vergleichswerte betrachtet. Im Vergleich zu den Erwachsenenimpfungen stellt sich die Situation bei den Kinderimpfungen noch weit dramatischer dar. Schon vor Ausbruch der Pandemie war die Impfquote stark sin­kend, aber die Jahre 2020 und 2021 haben zu massiven Einbrüchen geführt: bei Masern, Mumps, Röteln minus 68 Prozent, bei Meningokokken minus 30 Prozent, und dies im Vergleich von 2019 zu 2021.

Es bedarf nun dringend einer Neuausrichtung des Impfkonzeptes, um eine Erhöhung der Durchimpfungsrate zu erreichen – zum Wohle der Gesundheit unserer Kinder und aller Österreicherinnen und Österreicher.

Daher möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Maßnah­men zur Erhöhung der Impfbereitschaft“

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage mit folgenden Inhalten zur Beschlussfassung zu übermitteln:

- Übernahme des nationalen Impfplans als Pflichtleistung in das Leistungsportfolio der gesetzlichen Krankenversicherung

- Aufnahme eines verpflichtenden Beratungsgesprächs über Kinderimpfungen in den Mutter-Kind-Pass und Durchführung einer breit angelegten Informationsoffensive über Medien und auch soziale Medien

- Bonuszahlungen an die Eltern für abgeschlossene Impfserien ihrer Kinder, um so die Impfbereitschaft wieder zu erhöhen

- Durchführung von Impfungen auch in Apotheken durch ausgebildetes Personal

- Forcierung der Schulimpfungen

- Rascher Ausbau des elektronischen Impfpasses für alle Impfungen und Erweiterung um eine Erinnerungsfunktion

Für die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahmen sind ausreichend finanzielle Mittel vom Bund bereitzustellen.“

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Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „rasche Maßnahmen zur Erhö­hung der Impfbereitschaft“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.