10.18

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Dieses Gesetz, das wir hier und heute behandeln, sucht seinesglei­chen aus mehreren Gründen:

Es geht bei diesem Gesetz um eine Verfassungsbestimmung, bei der der Bund temporär in die Kompetenzen der Länder eingreift und diese auch beschnei­det. Mit diesem Gesetz hebelt die Bundesregierung das Mitbestimmungsrecht der Länder bei Gesetzesvorhaben aus, die das öffentliche Auftragswesen betreffen.

Normalerweise ist so etwas immer ein ganz heikles Thema, doch schon so wie bei Corona bildet sich auch da wieder, wenn es um das Thema Sanktionen geht, eine Allianz aus Schwarz, Grün, Rot und Pink, die das alles mittragen, ganz nach dem altbekannten Motto „Koste es, was es wolle“ – in diesem Fall halt un­sere Bevölkerung.

Vor Kurzem gab es noch eine Präsidentschaft im Bundesrat – Stichwort Dezen­tralisierung –, die den Föderalismus ganz hoch geschrieben hatte. Jetzt auf einmal ist der Föderalismus eine Last, wie es scheint. Ihre Argumentation, warum das jetzt so sein soll – zumindest war es im Nationalrat so –, empfinde ich auch als sehr skurril. Man nimmt den Ländern eine Kompetenz weg, weil man befürchtet, dass dieses Gesetz von den Ländern unterschiedlich angewen­det wird. Ja, nur wenn das wirklich Ihre Argumentation ist, dann sage ich Ihnen: Diese Argumentation kann man immer gegen den Föderalismus ins Treffen führen, denn es kann ja immer unterschiedlich angewendet werden.

Das ist ja in Wahrheit das Wesen des Föderalismus: dass eben Länder da eine Eigenständigkeit haben. Deswegen ist ja das bundesstaatliche Prinzip in der Verfassung verankert, weil es eben Bereiche gibt, wo die Länder es bes­ser machen können oder es besser machen und es auch deshalb Ländersache ist.

Nun ein wenig ins Detail dieses Gesetzes: Am 8. April dieses Jahres wurde eine weitere Sanktion in der Europäischen Union gegen Russland beschlossen, die es gestattet, dass bis zum 10. Oktober – also bis kommenden Montag – öffentli­che Aufträge weitergeführt oder auch vergeben werden dürfen, auch wenn Unternehmen beteiligt sind, die mehrheitlich russisch sind. Danach, also ab kom­menden Montag, soll es eben nicht mehr erlaubt sein. Ausnahmen bestätigen die Regel, und genau darum geht es in diesem Gesetz, es geht um die Ausnahmen. Also gewisse Dinge, wie zum Beispiel Gas, Palladium, Platin – also Dinge, die wir brauchen –, sollen dann trotz der Sanktionen geschäftlich abgewickelt wer­den können. Dafür gibt es dann – sofern die Frau Justizminister oder eben auch die Bundesregierung das will – sogenannte Sondergenehmigungen. Die Bundesregierung spielt dann wieder Gott und sagt: geht oder geht nicht – ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wir erinnern uns an die Vergangenheit. Da bin ich jetzt schon gespannt, für welche guten Freunde der ÖVP wieder alles möglich sein wird; aber klar, liebe ÖVP: Auch da gilt natürlich – so wie bei Ihnen immer – die Unschuldsvermutung.

Sie wissen, wir sind aus gutem Grund gegen die Sanktionspolitik. Nur: Wenn das, was Sie hier machen, eine Sanktionspolitik sein soll, nämlich mit Ausnahmen dort, wo es uns gerade passt, dann ist das alles andere als eine stringente Sank­tionspolitik. Das ist eher so eine Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Politik. Sie verkennen hier auch ganz eindeutig die Situation: Wir sind von Russland abhängig, nicht umgekehrt! Die brauchen sehr wenig von uns.

Ein weiteres Problem an der Sache ist, dass heute schon der 6. Oktober ist. Sie beschließen heute, dass alle Unternehmen, die öffentliche Aufträge haben, überprüfen sollen, ob ein Teil oder sogar ein Gutteil der Eigentümer Russen sind. Das klingt jetzt einfach, und bei kleineren Unternehmen ist es wahrscheinlich auch einfach, aber wie schaut es bei Konzernen aus, die zum Beispiel in Ge­sellschaften zusammenarbeiten oder gemeinsame Gesellschaften gebildet ha­ben? – Da kann es dann schon sein, dass ein Unternehmen selbst gar nicht weiß, wer da aller mit drinnen hängt beziehungsweise wer dahintersteht oder wer gar der wirtschaftliche Eigentümer ist. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Raiffeisenkasse!)

Was an diesem Gesetz wirklich letztklassig ist, ist, dass man diese Bürde unter Strafandrohung der Sanktionsverletzung den Unternehmern umhängt. Das nimmt man also nicht einmal auf sich, sondern hängt das den Unternehmern um. Diese müssen jetzt bis kommenden Montag prüfen und feststellen, ob das bei ihren Unternehmen eben zutrifft oder auch nicht, und die Frau Minister muss dann entscheiden: geht oder geht nicht.

Das, meine Damen und Herren – das richtet sich vor allem an die ÖVP –, ist in höchstem Maße wirtschaftsfeindlich und wird sich genauso rächen wie Ih­re Coronamaßnahmenpolitik und Ihre verfehlte Klimapolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Schwarz und Grün zerstören hier unsere Wirtschaft unter Mittäterschaft von SPÖ und auch den NEOS. Jetzt ist auch nachvollziehbar, dass die Industrie in Österreich vor einer Deindustrialisierung Österreichs warnt, denn was wird denn jetzt die Folge sein? – Die Unternehmen werden dorthin abwandern – das passiert zum Teil auch schon –, wo sie nicht nach Strich und Faden vorge­führt, wo sie nicht ungerecht und ungleich behandelt werden. Nichts anderes ist das: Das ist eine klare Ungleichbehandlung zum Nachteil unserer Wirtschaft – nicht nur in Österreich, auch in Deutschland und in weiten Teilen der Europäi­schen Union.

Meine Damen und Herren, weil es gerade vorhin mit Frau Minister Tanner Thema war: Wir brauchen in Österreich gar kein Blackout, damit wir in die Steinzeit zurückversetzt werden. Das schaffen schon diese schwarz-grüne Regierung mit Rot und Pink und diese EU. Die schaffen das alleine. (Beifall bei der FPÖ.)

Allein dieser Gesetzwerdungsprozess zeigt auf, dass da alles andere als professionell gearbeitet wurde. Am 9. April, also einen Tag später, wird eine Verordnung auf EU-Ebene erlassen. – Wir sind übrigens davon ausgeschlossen gewesen, das war ja geheim, wie es scheint. – Dann gab es an diesem Mon­tag, also am 3. Oktober, vor drei Tagen, eine hektisch anberaumte Justiz­ausschusssitzung, um das Ganze kurz danach in einer Sondersitzung des Natio­nalrates durchzuboxen.

Jetzt stelle ich mir die Frage: Was hat das Justizministerium von 9. April bis heute gemacht? Das ist eine ernst gemeinte Frage. Warum ist fünf Monate lang nichts passiert? Und: Muss das jetzt alles binnen einer Woche durchgewun­ken werden?

Eine spannende Frage auch noch: Wenn man von dieser Maßnahme überzeugt ist, warum endet diese am 31. Dezember 2023 wieder? Wissen Sie von der Regierung etwas, das wir nicht wissen, zum Beispiel, dass zu diesem Zeitpunkt der Krieg vorbei ist oder dass zu diesem Zeitpunkt die EU ihre Knieschuss­sanktionen, die uns mehr schaden als Russland, wieder aufgegeben hat? – Fra­gen über Fragen.

Ich lehne mich jetzt einmal aus dem Fenster und sage Ihnen, warum Sie dieses Gesetz heute so beschließen, wie Sie es beschließen: weil es nämlich immer mehr Politiker innerhalb der ÖVP und auch innerhalb der Wirtschaftskammer gibt, die gegen diese Sanktionspolitik der Bundesregierung und auch der Europäischen Union sind und sich auch dagegenstellen. Die Regierung hat ganz einfach Angst, dass, wenn ein sehr kalter Winter auf uns zukommt, die Stim­mung in Richtung Beendigung der Sanktionen kippen wird und es dann eben Lan­despolitiker geben kann, die dem Druck der Bevölkerung nicht gewachsen sind und dem nachgeben. Und um dieses Risiko, dass sich die Länder gegen ein Gesetz stellen, welches eigentlich sogar in die Vollziehung der Länder fallen würde, auf null zu senken, entziehen Sie heute den Ländern bis Ende 2023 ihre Mitwirkungs- und Zustimmungskompetenz.

Meine Damen und Herren, Sie führen damit die Landespolitik und damit gleichzeitig die Länderkammer, uns im Bundesrat, ad absurdum. Genau aus die­sem Grund werden wir Freiheitliche – leider als Einzige – gegen dieses Ge­setz Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

10.27

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.