10.50

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und zu Hause! Nicht nur heute, auch letzte Woche im Rahmen der Debatte im Nationalrat gab es viele interessante Kommentare der SPÖ zu den Entlastungspaketen der Regierung. Was mir besonders in Erinne­rung blieb, ist der Vorwurf, die Maßnahmen und das Budget der Regierung seien ein Scherbenhaufen. Der Scherbenhaufen aber, liebe Kolleg:innen von der SPÖ, ist der Ihre und der Ihrer eigenen Regierungspolitik! (Bundesrätin Schumann: Na geh! Jetzt wird’s aber fad! Immer dasselbe, mein Gott!)

Warum haben Sie nicht gegen das, was Sie uns heute vorwerfen, vorgesorgt und nichts gegen Armut von Alleinerzieher:innen und Kindern getan? Die ist nichts Neues, die besteht nicht erst seit heute oder gestern, die gibt es schon lange. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Aber jetzt seid ihr in der Regierung, nicht wir!)

In Ihrer eigenen Regierungsfunktion, die Sie über Jahrzehnte ausgeübt haben, auch mit Kanzlern, gelang Ihnen die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung der Sozialleistungen offensichtlich nicht, sonst hätten Sie sie auch nicht bis gestern gefordert; und nun sind es ÖVP und Grüne, die es heute erst­mals umsetzen. Das schmerzt vielleicht, das verstehe ich. (Bundesrat Obrecht: Arbeitslosengeld wird valorisiert? – Bundesrätin Grossmann: Notstandshilfe, Arbeits­losengeld!)

Anscheinend machen Sie, um eben davon abzulenken, so eine laute und des­truktive Politik und reden die Unterstützungen klein und schlecht und machen den Menschen Angst, anstatt – das ist ein Appell an Sie – diese Unterstützungs­leistungen bekannt zu machen, damit sie von so vielen wie möglich in Anspruch genommen werden können; vor allem von denen, die sie dringend brauchen! (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Sie haben die besten Kontakte dafür, deswegen noch einmal mein Appell: Bitte nutzen Sie Ihre Kontakte! (Beifall bei den Grünen.)

Wir schaffen aber nicht einfach die kalte Progression ab – und ja, wir schaffen die kalte Progression ab, da alle Einnahmen, die der Staat aus der kalten Pro­gression, das heißt aus der Inflation, hat, wieder zurückgegeben werden, und zwar von oben nach unten –, sondern wir haben uns zusätzlich noch ein Konzept überlegt, das geringe Einkommensbezieher:innen nicht vergisst, sondern stärker entlastet. (Bundesrätin Schumann: Ja, das sieht man! – Bundesrat Schachner: Die größte Steuerreform hat es bei uns gegeben!) Ja, es ist vielleicht ein komplexes System, und das ist gut und das ist genauso notwendig. Würden wir alle Steuer­stufen gleich indexieren, hätten ja genau die Menschen, die mehr verdie­nen, auch mehr davon, und nicht die, die weniger oder gar nichts verdienen und gar nicht in die Einkommensteuerklassen fallen.

Genau um die Menschen, die existenziellen Nöten ausgesetzt sind, zu unter­stützen, haben wir uns meiner Meinung nach ein sehr kluges Konzept überlegt (Bundesrätin Hahn: Das hat aber Lücken, dieses Konzept!), nämlich: Zwei Drittel der Inflationsrate – wir haben es schon gehört – werden auf die Steuerstufen ab dem dritten Grenzsteuersatz, das sind derzeit 31 000 Euro, angewendet. (Bundesrätin Hahn: Was wäre mit einer Vermögensteuer?) Die berechneten Steu­ereinnahmen aus dem verbleibenden Drittel werden umverteilt, und zwar jedes Jahr aufs Neue, und an den jeweils aktuellen Bedarf angepasst. 2023 ist das eine erhöhte Umverteilung an die zwei niedrigsten Steuerstufen – 11 000 und 18 000 Euro –, um eine erhöhte Inflationsrate, und das führt eben dazu, dass die Geringverdienenden nicht in die nächsthöhere Steuerklasse fallen.

Was auch das Wichtige ist für Menschen, die nicht so viel verdienen und damit in keine Einkommensteuerklasse fallen, ist, dass die Negativsteuer und Absetz­beträge wie Verkehrsabsetzbeträge oder Pensionist:innenabsetzbetrag um die volle Inflationsrate erhöht werden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Mit diesem Modell können die unteren und eben existenziell unsicheren Ein­kommen bevorzugt entlastet werden. Da geht es um Umverteilung, da geht es um Treffsicherheit, und natürlich geht es auch um Sozialpolitik und um Armut vermeidende Gesichtspunkte – und genau das waren ja die Parameter für dieses Modell. Es geht um die Menschen, die es schwer haben. Ja, Sie haben recht, das sind oft Frauen, und Sie haben recht, es sind auch oft alleinerziehende Frauen, und es sind auch oft Pensionistinnen mit sehr geringen Pensionen, weil sie Fami­lien- und nicht Erwerbsarbeit geleistet haben.

Ja, Frauen erhalten absolut gesehen weniger durch die Abschaffung der kalten Progression als Männer, aber sie werden durch die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen mehr erhalten (Bundesrätin Grossmann: Budgetdienst sagt was anderes!), und ja, sie erhalten absolut gesehen weniger, weil sie immer noch weniger verdienen, weil es immer noch einen riesigen Genderpaygap und einen noch größeren Genderpensiongap gibt. (Bundesrätin Schumann: Da tut ihr aber genau nichts dagegen, genau null!)

Die unterschiedliche Entlohnung, die unterschiedliche Kompetenzzuschreibung, die Rollenbilder, welcher Job für wen möglich und auch angemessen ist, und die dadurch eingeschränkten Handlungsspielräume führen dazu, dass kaum Frauen in Führungspositionen sind und kaum Männer in Familien- und Carearbeit. Das müssen wir ändern, daran müssen wir arbeiten! (Rufe bei der SPÖ: Ja, dann macht es! Ja, eh! Man müsste!)

Laut Budgetdienst wird 2022 aber – ja, wir haben auch angefragt und wir haben auch nachgeschaut, was er gesagt hat – der unterste Einkommensbereich auf­grund der Inflation mit 634 Euro belastet, aber die Entlastung ist höher, nämlich 698 Euro. Damit wird das unterste Einkommenszehntel mit den Teuerungs­ent­lastungspaketen komplett aufgefangen. Das ist gut gelungen.

Ja, Österreich wird bis 2026 in etwa 20 Milliarden Euro dafür ausgeben, dass die Einkommensteuergrenzen an die Teuerung angepasst und Einnahmen daraus gerechter verteilt werden. Es zahlt sich aus, viele Milliarden für unzählige kurz­fristige und damit sofort wirksame Unterstützungsleistungen genauso wie für langfristige strukturelle Entlastungsmaßnahmen in die Hand zu nehmen, denn es geht um soziale Sicherheit in Österreich in diesen nicht nur finanziell schwierigen Zeiten.

Ja, die Ausgaben sind höher als die Einnahmen, aber auch das passiert nicht zum ersten Mal und es passierte auch in Zeiten ohne Krise. Nun haben wir multiple Krisen, und eine Krise folgt auf die andere, und da ist es meiner Meinung nach ein Hohn, zu sagen: Wir dürfen nicht so viel Geld ausgeben! – Ganz im Gegen­teil: Wir müssen so viel Geld ausgeben! (Bundesrätin Grossmann: Aber richtig! Bitte!)

Ja, wir werden auch sparen müssen, aber jetzt müssen wir unterstützen und Verluste bei den untersten Einkommen abfedern. Ich glaube, wenn es Ihnen von der SPÖ gelingt, das anzuerkennen, zeigen Sie Größe. Wir sind alle – gerade heute in diesen Zeiten – einen großen Schritt weiter in einer konstruktiven und vertrauensstarken Politik (Zwischenrufe bei der SPÖ), die das Leben der Menschen in diesem Land, in diesen Zeiten erträglicher macht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.57

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.