16.59

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Teuerung in Österreich hat ein 50-Jahre-Hoch erreicht. Die Gründe dafür sind nicht nur eine expansive Geldpolitik der EZB und die hohe – Stichwort „Koste es, was es wolle“ – Neuverschuldung für immer höhere Staatsausgaben. Die Haupt­ursache für die aktuelle Teuerung ist in erster Linie eine, nämlich Wladimir Putin.

Mit seinem verbrecherischen Angriff auf die Ukraine hat Russlands Diktator nicht nur einen Krieg in Europa gestartet, er hat auch aus Rohstoffexporten, vor allem aus russischem Gas, eine wirtschaftliche Waffe gemacht. Diese setzt er gezielt gegen die demokratische Welt ein, um einen Stopp der Unterstützung der Ukraine zu erzwingen. Davon ist Österreich nicht ausgenommen.

Eine Folge dieses Einsatzes wirtschaftlicher Waffen Putins ist, dass Gas zu knap­per Ware geworden ist. Das heißt ganz klar: Wir müssen so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden. Dafür darf der Staat aber nicht aus­schließlich auf oft ineffiziente und nicht treffsichere Gutscheinlösungen zurück­greifen, die durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler selbst finanziert werden, sondern soll den Bürgerinnen und Bürgern erst gar nicht so viel aus der Tasche ziehen. Der Staat soll Maßnahmen ergreifen, die auf die durch die Energiekosten überproportional gestiegene importierte Inflation dämpfend wirken, um die Gefahr einer lang anhaltenden Lohn-Preis-Spirale abzuwehren.

Der Krieg in der Ukraine führt bereits jetzt zu einer enormen Diversifizierung von russischem Gas und von fossilen Energiequellen, wo es möglich ist. Die Aufgabe der Regierung und der Europäischen Union ist es, diese Umstellung bestmöglich zu begleiten. Wir haben Zuversicht, dass diese schmerzvolle Krise dazu genutzt werden kann, längst überfällige Strukturreformen, wie die Energie­wende, rasch voranzutreiben. Wir sehen dabei folgende vier Schwerpunkte:

Punkt eins: eine treffsichere Unterstützung. Um die Auswirkungen der Teuerung abzufangen, müssen einkommensschwache Haushalte rasch, gezielt und treff­sicher unterstützt werden. Für diese Gruppe wird es zunehmend schwieriger, die finanziellen Mehrbelastungen durch die Preissteigerung bei notwendigen Gütern zu stemmen. Der breite Mittelstand muss durch eine Steuersenkung mehr Kauf­kraft haben, um sich von der eigenen Leistung auch mehr leisten zu können. Dafür braucht es die in Ansätzen bereits beschlossene Abschaffung der kalten Progression, von der wir uns gewünscht hätten, dass sie auch rückwirkend und vollständig, auf jeden Fall aber nachhaltig passiert.

Weiters müssen die Lohnnebenkosten dringend gesenkt werden, um Spielraum für die Tarif- und Lohnverhandlungen diesen Herbst zu schaffen, um Nettolöhne zu erhöhen und um die Kostenbelastung der Unternehmen zu reduzieren und dadurch die Preisspirale zu dämpfen. Damit es zu keinen Leistungskürzungen kommt, kann durch Kompensationszahlungen aus dem Bundesbudget gegenge­steuert werden.

Punkt zwei: der Staat als Begleiter beim Umstieg und als Vorbild. Der Staat und die Politik müssen unterstützen und mit gutem Beispiel vorangehen und dort, wo es möglich ist, auf Energiesparen setzen. In öffentlichen Gebäuden sollte es möglich sein, dort, wo keine Arbeitsplätze sind, die Temperatur auf maximal 19 Grad zu senken. Dort, wo das nicht machbar ist, müssen rasch Wege gefun­den werden, um diese Möglichkeit zu schaffen, zum Beispiel durch Inves­titionen in den Einsatz von erneuerbaren Energien im öffentlichen Gebäudebestand.

Es ist auch die Aufgabe des Staates und der staatlichen Behörden, ausreichend darüber zu informieren, wie man den Verbrauch am besten eindämmt, um die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen zu erleichtern. Die Menschen müssen über all ihre Möglichkeiten, Energie zu sparen, informiert werden, um anhand ihrer Gewohnheiten die besten Entscheidungen treffen zu können. Insbesondere Energieverbrauchsspitzen und damit der besonders erhöhte Bedarf an fossilen Brennstoffen müssen durch die Verteilung auf andere Tages- und Nachtzeiten reduziert werden.

Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger können mitwirken, indem sie so viel Energie einsparen wie möglich und so schnell wie möglich auf alternative Energie umsteigen. Die Politik ist gefragt, dabei zu unterstützen und die rich­tigen Anreize zu setzen. Daher sollte von Preisdeckeln abgesehen werden, wenn sie dem Ziel des Energiesparens im Weg stehen.

Punkt drei: Der Deindustrialisierung muss eine Absage erteilt werden, und der Standort Europa muss langfristig gesichert werden. Dort nämlich, wo es keine Alternativen und Einsparmöglichkeiten gibt, insbesondere in der Industrie, bekennen wir uns zur vorübergehenden Unterstützung für die Umrüstung, auch wenn andere fossile Brennstoffe enthalten sind, und zur Liquiditätsstärkung in Form von Garantien. Eine Deindustrialisierung wäre ein unumkehrbarer Schaden für die Volkswirtschaft und muss verhindert werden.

Wir unterstützen den europäischen Stromnetzausbau und ein gemeinsames europäisches Vorgehen bei der Bewältigung der Krise, insbesondere beim Versuch, Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen, beim Vorantreiben der Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas sowie dabei, eine weltweite Vorreiterrolle bei der Energiewende einzunehmen. Kurzfristig sollten außerdem die Strom- von den Gaspreisen entkoppelt werden, Stichwort iberisches Modell.

Um einen nachhaltigen Standort in Europa sicherzustellen, soll ein EU-CO2-Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden. Die Nachhaltigkeit der europäischen Industrie darf nicht untergraben werden. Daher ist eine solche CO2-Grenzausgleichsabgabe zentral, um eine ökologisch bedingte Abwanderung der Industrie abzuwenden. Die europäische Industrie muss langfristig gesichert werden, um auch mittelständische Zulieferer und Arbeitsplätze zu erhalten.

Punkt vier: das Vorantreiben der Energiewende. Der Bund muss die Bundes­länder in die Pflicht nehmen. Diese müssen am besten binnen eines halben Jahres Flächen für den großflächigen Ausbau erneuerbarer Energien ausweisen und strategische Umweltprüfungen durchführen.

Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen, die zum Erfolg der Energiewende beitragen wollen, darf die Bürokratie nicht im Weg stehen. Wer eine PV-Anlage auf seinem Haus errichten oder ein Windrad auf seinen Grund stellen möchte, dem soll das möglichst rasch erlaubt werden. Lokale Stromnetze müssen rasch verbessert werden, um den lokal erzeugten Strom effizient weiterzuleiten. Damit das umgesetzt werden kann, brauchen wir dringend Fachkräfte. Dafür muss es einerseits ein Fast-Track-Verfahren bei der Rot-Weiß-Rot-Karte für qualifiziertes Personal aus dem Ausland, andererseits aber auch eine Ausbildungsoffensive geben.

Um Investitionen in Erneuerbare auch in der Teuerungskrise sicherzustellen, sollen für Unternehmen, die in den Ausbau von Erneuerbaren investieren, großzügige Absetz- oder Freibeträge bereitgestellt werden. Diese Krise können wir schließlich nur gemeinsam als Gesamtgesellschaft bekämpfen. Die Menschen müssen über all ihre Möglichkeiten, Energie zu sparen, informiert werden, um anhand ihrer Gewohnheiten die besten Entscheidungen treffen zu können. Der Staat soll sie dabei unterstützen, ihre vorhandenen Optionen bestmöglich zu nutzen.

Wir sind alle gefordert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, und wenn uns das gelingt, können wir mit Zuversicht nach vorne blicken und die notwendige Transformation schaffen. – Danke sehr. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

17.06

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte.