17.20

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eigentlich wollte ich mich nicht zu Wort melden, aber nach den Redebeiträgen, die es bis jetzt gegeben hat, bin ich nicht umhingekommen, mich doch ans Rednerpult zu stellen, denn irgendwie – ein Vorredner hat es ja schon gesagt – reden wir von zwei verschiedenen Uni­versen, in denen wir anscheinend leben. Ich sage aber: nur anscheinend, weil ich das Gefühl habe, dass die Kollegen von der ÖVP, und damit spreche ich die Bürgermeister an, ihren Bürgermeisterhut abgeben, wenn sie unten beim Josefs­platz hereinkommen, und nur mehr Bundesräte der türkisen Fraktion sind. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Es wird so hingestellt, als würden nur die SPÖ und die FPÖ diese Krise herbei­beschwören und als ginge es den Gemeinden eh gut. Wir haben angeblich ein Paradies, da und dort. Da könnte nun einer hergehen und sagen: Ja, die Blauen und die Roten können nicht wirtschaften! Das wird uns ja immer vorgehalten. (Bundesrat Schennach: Das hat er ja auch gesagt!)

Ihr kennt ja alle (eine Ausgabe der Zeitschrift „Kommunal“ in die Höhe haltend) die­ses Journal. Das bekommt jede Gemeinde, die Abgeordneten auch. Darin schreibt der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes – und ich glaube, der steht der SPÖ und der FPÖ nicht sehr nahe –, das ist im Vorwort der letzten Ausgabe zu lesen: Die Teuerung schlägt voll durch, die Gemeindestuben stehen vor riesigen Herausforderungen. Hauptursache sind die horrenden Steigerungen der Energiepreise, die die Kosten regelrecht explodieren lassen. Dazu kommen noch Lohn- und Preissteigerungen sowie sinkende Einnahmen infolge der Steuerreform. – Also der Kollege von der ÖVP und Präsident des Gemeinde­bun­des hat das durchschaut, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Ich weiß nicht, ob diese Weisheit bis zu euch durchge­drungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Bürgermeister gibt es dann noch (eine Ausgabe der Zeitschrift „Bürger­meister“ in die Höhe haltend) ein extra Hilfsblatt, auch vom Kommunal-Verlag, und darin steht genau aufgelistet, was man alles tun soll, wo die Einsparungs­potenziale, aber auch, wo die Herausforderungen für die Gemeinden liegen. Bitte schön, reden wir da nichts schlecht, sagen wir nicht, dass das von einer bestimmten Fraktion kommt – das sind Dinge, die 2 200 Gemeinden in dieser Republik betreffen, und nicht irgendwelche fraktionellen Geschichten. Diese Sache geht uns alle an! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Beantwortung unserer Anfrage durch den Herrn Staatssekretär ging eigentlich an der Realität vorbei. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es gäbe nächstes Jahr eine Steigerung der Ertragsanteile. Jetzt weiß ich nicht: Leitet ihr an die Länder andere Zahlen weiter? (Staatssekretär Tursky schüttelt den Kopf.) Wir haben vor drei Wochen eine Bürgermeisterkonferenz mit dem Land Kärnten gehabt. Da waren auch die Kollegen von der ÖVP Kärnten dabei, genauso wie Kollegen von der FPÖ und Kollegen und Kolleginnen von anderen Parteien. Da ist uns gesagt worden, dass es 2023 ein Minus von 1 Prozent der Ertragsanteile geben wird, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass die Sache zwar heuer gut ausschaut, es aber nächstes Jahr vorbei ist mit lustig. Wissen Sie das nicht oder passt da die Kommunikation nicht?

Ich nehme die Stellungnahme zur Begutachtung des Teuerungs-Entlastung­paketes Teil III vom Land Kärnten her: Mindereinnahmen der Länder, aufgrund des heute so abgefeierten Entlastungspaketes: 158 Millionen Euro für Gemein­den und Land. Das müssen wir auch kompensieren. Unterm Strich gehen den Gemeinden bis zum Jahr 2025 2 Milliarden Euro ab. (Bundesrat Bader: Das hat der Herr Staatssekretär eh erklärt!) Das heißt, um auf null zu kommen, um auf dem Level, auf dem wir zurzeit sind, weiterarbeiten zu können, bräuchten wir, ohne die ganzen Teuerungen, die jetzt schlagend werden, 2,2 Milliarden Euro in den Gemeinden. Da reden wir jetzt noch nicht von einem Hilfspaket, sondern von einem Pflaster.

Vielleicht lässt sich das Ganze besser verstehen, wenn ich ein bisserl aus meiner Gemeinde erzähle: Der Energieversorger hat in unserer Gemeinde mit Dezember den Energieversorgungsvertrag gekündigt. Zurzeit zahlen wir 7 Cent, wir haben jährliche Stromkosten in der Höhe von 300 000 Euro. Angeboten werden uns zur­zeit 49 Cent. Es ist nicht schwer auszurechnen, wie viel mehr das für die Gemeinde bedeutet. Wie wir das stemmen werden, weiß ich nicht.

Ein anderes Beispiel: Wir haben 28 Feuerwehrfahrzeuge. Ich habe einen Bauhof mit zehn Fahrzeugen. Es werden ständig neue Reifen gebraucht. Vor vier Mona­ten haben vier Reifen je 300 Euro beziehungsweise insgesamt 1 200 gekostet. Heute kosten die gleichen vier Reifen laut Bestellschein 4 000 Euro. Beim Kindergartenumbau – im März mit 300 000 Euro prognostiziert – haben wir jetzt alle Angebote vorliegen: 600 000 Euro. Für den Straßenbau: Ein 250 Meter langes Sträßchen war mit 120 000 Euro prognostiziert, heute kostet es 250 000 Euro. So geht das Ganze weiter. Da reden wir aber noch gar nicht von der Erhöhung der Lohnkosten für die Gemeindebediensteten, der Pensionen. Da gehen wir bei meiner Gemeinde wieder in die Millionen.

Investitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden 2023, 2024, 2025 nicht mehr möglich sein, aus verschiedensten Gründen: Erstens haben wir keinen Spielraum mehr, weil wir nicht mehr investieren können. Zweitens, was noch viel schlimmer ist, finden wir gar keine Unternehmen mehr, die unsere Aufträge ausführen können. Ich habe das Beispiel des Kindergartens schon angeführt. Da war ich froh, dass wenigstens ein Unternehmen ein Angebot abgegeben hat. Von einem Preisvergleich und dergleichen kann man da gar nicht reden. Es gibt Liefermängel, einen Fachkräftemangel – das schlägt sich alles nieder. Wir haben aber in der Gemeinde Pflichtaufgaben zu erfüllen. Ich kann nicht sagen, ich baue den Kindergarten nicht, obwohl ich zwei Gruppen brauche, weil die Kinder und Eltern das dringend brauchen. Wie wir das ohne Hilfe machen werden, kann ich nicht sagen.

Noch ein kleines Beispiel, weil es heute gut dazupasst: Pellets. Wir haben ein paar Gemeindegebäude auf Bioenergie umgestellt. Bei Pellets gibt es aktuell eine Preiserhöhung von 150 Prozent. So nebenbei gesagt: Es finden, glaube ich, heute Hausdurchsuchungen bei ein paar Unternehmen statt, weil da wieder eine Preisabsprache im Raum steht, wie das zum Beispiel auch schon bei den Kartell­absprachen im Straßenbau, im Gebäudebau mit Strabag und Co, die da in den Gemeinden anstehen, der Fall war. Auch da werden die Gemeinden zurzeit der Länge nach über den Tisch gezogen. (Bundesrätin Hahn: Das scheint den Herrn Staatssekretär nicht zu berühren!)

Von den Feuerwehrfahrzeugen rede ich gar nicht. Da haben wir ebenfalls eine Preissteigerung von 50 bis 70 Prozent. Wenn wir welche anschaffen müssen – ob das der Aufbau ist, ob es das Auto selbst ist, so wir es überhaupt bekom­men –, ist das ein Desaster. Auch da haben wir aber einen Versorgungsauftrag. Es ist schon angesprochen worden: Wenn wir kein Geld haben, werden wir auch die Vereine und sonstigen Geschichten nicht mehr unterstützen können.

Es hat geheißen, es gibt keine Armut. Als Gemeindevertreter, als Bürgermeister wird es Ihnen, glaube ich, allen gleich ergehen: Zu mir kommen die Eltern, die Lehrer und sagen: Helfen Sie bitte dieser Familie, denn die können sich die Hefte, die Bücher und die Malfarben nicht mehr leisten! – Von den Ausflügen, Skikursen und Badeausfahrten und dergleichen rede ich gar nicht. Das wird von uns noch mitgetragen – das gehört zum Gemeindewohl –, damit die Kinder das machen können. Daher meine Bitte: Herr Staatssekretär, sagen Sie das bitte dem Finanzminister: Den Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals. Wenn da nicht etwas passiert, wird das im Desaster enden!

Noch kurz zu Herrn Kollegen Pröller, eine positive Nachricht: Kärnten hilft, Kärnten tut! 124 Millionen Euro haben wir jetzt an Hilfen für Familien aufge­stellt. Das wird zum Beispiel für die Gratiskindergartenplätze aufgewendet. So haben die Familien 12 000 bis 18 000 Euro jährlich an Ersparnis in der Brief­tasche. Wir zeigen, wie es geht. Macht es uns nach! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Bravo!)

17.29

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Sebastian Kolland. – Bitte.