20.01

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich habe mir gedacht, die Rede von Christoph Steiner kann in dieser Debatte nicht das Letzte gewesen sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Oh ja! Das Letzte war sie schon!)

Es sind zwei Anträge eingebracht worden, und ich sage auch gleich, wie die sozialdemokratische Fraktion abstimmen wird: Das sogenannte Maßnah­menpaket gegen – was immer das sein soll – Scheinasylanten werden wir nicht unterstützen, aber wir werden den Misstrauensantrag gegen den Innenminister unterstützen. (Bundesrat Schreuder: Es gibt keinen Misstrauensantrag!)

Zum anderen, liebe Frau Steiner-Wieser: Den Ausdruck „Rotzpippen“ für Men­schen auf der Flucht halte ich für schwer rassistisch (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ) und eigentlich ungehörig. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Weiters darf ich auf zwei Rechtslagen aufmerksam machen: Wir haben einer­seits Menschen, die auf der Flucht sind und Hilfe suchen, und auf der anderen Seite haben wir nach EU-Regulation Vertriebene aus der Ukraine. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Genau das hab ich gesagt! ... trotzdem Rotzpippen!) – Moment jetzt, ich rede nur 5 Minuten, das habe ich Frau Zwazl versprochen, und ich halte mein Wort! (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Aus, Ende!

Was uns bei den ukrainischen Vertriebenen auffällt, ist, dass sie ankommen und dass eine erhebliche Anzahl wieder zurückgeht. Ich selber kenne einige davon, selbst betagte Damen sagen: Ich will wieder zu meinen Kindern oder zu meinem sozialen Umfeld zurück! Und die Differenz jener, die das Recht haben, nach Österreich zu kommen, und jener, die zurückgehen, macht die Zahl der anderen Asylsuchenden locker wett.

Zweitens: Grenzen dicht. Ich kenne keine Grenzen, die dicht sind. – Ich habe noch 3 Minuten, liebe Leute. (Bundesrat Schreuder: 2:48!) – Ich kenne keine dichte Grenze, weder die Grenze der USA noch jene Israels zu Palästina, es gibt keine dichten Grenzen. (Bundesrat Steiner: Dann macht man sie dicht!) – Moment! Und was es schon überhaupt nicht gibt, ist, dass eine Regierung mit einfacher Mehrheit das Asylgesetz aussetzen kann, das geht nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Sowohl die Flüchtlingskonvention als auch die Menschenrechtskonvention, die hier zum Tragen kommen, sind nämlich in unserer Verfassung verankert. Eine Änderung ist nur mit Zweidrittelmehrheit möglich, und die bekommen Sie von uns mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Es gilt wohl hoffentlich für die einheimische Bevölkerung auch die Menschenrechtskonvention, wenn sie dann vergewaltigt werden und wie ein Sack auf der Straße abgelegt werden! – Bundesrat Schreuder: Selbstverständlich gilt sie!) Natürlich gilt die Menschenrechtskonvention und für die Einheimischen gilt unser ganz normales Strafrecht, das wissen Sie. Und so zu tun, als ob irgendeine Regierung mit irgendeiner läppischen kleinen Mehrheit Konventionen abschaffen kann: Das gibt es nicht, tut mir leid! (Bundesrat Steiner: Ja, was passiert dann?)

Kollege Steiner, ich habe nicht genug Zeit, um mich mit Ihnen zu ausführlich zu unterhalten. (Bundesrat Steiner: Du hast 20 Minuten!) – Nein, mein Versprechen an Frau Zwazl ist höherwertig. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Schreuder: Zu Recht! – Bundesrat Steiner: Das Thema ist eigentlich nicht so lustig!)

Das Nächste: Diese Zeltegeschichte des Herrn Innenministers wäre überhaupt nicht notwendig. Schaut euch selber im Spiegel an: Ihr hetzt überall, wo Men­schen Häuser oder Quartiere zur Verfügung stellen, sofort die Menschen auf. (Bundesrat Steiner: So ein Blödsinn! Schwachsinn!) Das ist jetzt, seit wir wissen, dass Zelte notwendig sind, schon wieder passiert. Im Burgenland und in Wien wird es keine Zelte geben, denn wir erfüllen deutlich die Quote. In anderen Bundesländern: Nehmt euch doch alle selber bei der Nase! Man kann das doch vorbereiten, man hat das doch vorher gewusst, man geht doch nicht blind durch die Gegend. Und natürlich macht ihr ein Riesentrara (Bundesrat Steiner: Keine Ahnung!), ihr hetzt sofort wieder die Leute auf, wenn es Quartiere gibt. In Oberösterreich gab es gerade wieder so einen Fall, wo ein durchaus taugliches Quartier sofort unter diesen Druck geriet.

Diese Geschichte mit den Zelten hat Österreich nicht notwendig. So müssen wir schutzsuchende Menschen nicht behandeln, vor allem nicht in dieser Jahreszeit, und deshalb müssen wir humane und normale Möglichkeiten finden, wie sie das Burgenland und Wien gefunden haben. Wir haben im 16. Bezirk zum Beispiel ein ehemaliges Seniorenheim, das funktioniert alles wunderbar, das ist eingebettet in ein Umfeld, die Leute nehmen Rücksicht aufeinander, wunderbar. Aber wenn man immer und immer wieder zündelt, dann wird das so nicht gehen.

Ja, es sind ganz viele Fehler gemacht worden: Ich kann doch nicht in Ort­schaf­ten, wo ich schon 200 Leute habe, noch 200 Männer unterbringen. Aber Männer sind auch Menschen (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling, Hauschildt-Buschberger und Kittl. – Ruf bei der ÖVP: Danke!) – ja, es tut mir leid, es sind auch Menschen; meine Zeit ist abgelaufen (Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!) –, und auch sie haben das Recht, irgendwo untergebracht zu werden, Schutz zu bekommen und ernährt zu werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder und Zwazl.) Also so geht es nicht.

Darf ich noch einen allerletzten Satz an die Frau Bundesministerin richten? (Bundesrätin Zwazl: Ja, bitte schön!) Das ist mir nämlich besonders wichtig. Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) müssen mir jetzt gar nicht antworten, aber ich war über einen Satz von Ihnen ganz kurz schockiert, weil ich nämlich einem europäischen Thinktank, Freunde des Westbalkans, angehöre: Haben Sie wirk­lich gesagt, unsere Westbalkanpolitik hat den Sinn, die Migrationsströme zu unterbinden? Das hoffe ich nicht, weil unsere und vor allem die europäische Westbalkanpolitik einen anderen Sinn hat, nämlich die Demokratie zu festigen, die Verbindungen zu einer Region zu stärken, in der Österreich eine enorme geschichtliche Verantwortung hat. (Bundesrat Steiner: Jetzt sind die 5 Minuten aus! Versprechen gebrochen!)

Unser Verhältnis, gerade das österreichische Verhältnis – auch das Verhältnis der ÖVP zum Beispiel –, beinhaltet zum Beispiel die Anerkennung des Kosovo im europäischen Umfeld, und so weiter und so fort. Ich hoffe also nicht, dass wir den Balkan nur aus migrations- und flüchtlingspolitischer Sicht sehen. (Bundes­ministerin Edtstadler: Nicht nur!) Das wäre extrem schade, wenn wir das so reduzieren. Der Balkan ist zu viel wert und ein zu großer Teil unserer gemein­samen Geschichte.

In diesem Sinne: Dem Misstrauensantrag stimmen wir zu, dem sogenannten Maßnahmenpaket nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo, Johannes! – Bundesrätin Grimling: Das war logisch! – Bundesrat Hübner – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Das war logisch, ja!)