16.43

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher hier und zu Hause! Herr Minister, Sie können sich sicherlich an den 12. Mai erinnern – wir auch: Es war der Tag einer Bundesratssitzung, es war aber auch der Tag, für den in Wien und in ganz Österreich Großdemons­trationen des Pflegepersonals angekündigt waren, die dann auch stattfanden. Sie, Herr Minister, waren damals gerade einmal zwei Monate im Amt, und natürlich war es Ihnen wichtig, da gleich ein Zeichen zu setzen. Sie haben damals eine große Pflegereform angekündigt, ich weiß es noch, mit dem Zettel der Medienmitteilung in der Hand. (Bundesrat Schennach: Genau!)

Diese Pflegereform, die Sie angekündigt haben, war damals nur als Idee und in Ansätzen vorhanden. Der eine oder andere Ansatz ist vielleicht nicht schlecht, aber es ist auf jeden Fall keine Reform, sondern einmal ein ganz kleiner Anfang in einem Bereich, der eine große Reform benötigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt behandeln wir Beschlüsse und Gesetzesänderungen, die eine Reform und Verbesserungen bringen sollen und die vor allem das Ziel haben, mehr Menschen in diese fordernden und schweren Pflegeberufe zu bringen und auch zu halten.

An dieser Stelle möchte ich nicht nur all jenen Danke sagen, die während der Coronapandemie in diesen Gesundheits- und Pflegeberufen gearbeitet haben, sondern allen, die in diesen Berufen arbeiten, denn sie sind fordernd und schwer. Der Dank gilt allen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie aber das Ziel erreichen wollen, mehr Menschen in diese Berufe zu bringen, muss ich auch gleich dazusagen: Mit dem Pflegebonus erreichen Sie das nicht – damit erreichen Sie nur eine Spaltung, denn nach Berufsgruppen zu differenzieren war ein ganz massiver, schwerer Fehler. Das System ist nur quali­tativ hochwertig aufrechtzuerhalten, wenn alle die gleiche Wertschätzung und Anerkennung erfahren: der OP-Assistent genauso wie die OP-Schwester und der OP-Pfleger, der interne Transportmitarbeiter genauso wie der Küchenmitarbeiter. Mit Ihrem Pflegebonus erhöhen Sie die Motivation ganz bestimmt nicht!

Das Land Niederösterreich schlägt nun in die gleiche Kerbe und verteilt die 500 Euro – zwar steuerfrei, was Sie nicht geschafft haben, Herr Minister – wieder an die gleichen Berufsgruppen. Die Personalvertreter:innen sprechen ganz eindeutig davon, dass da Demotivation und Unmut entstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen vorlesen, was eine Personalvertreterin eines niederösterreichi­schen Krankenhauses in einer Stellungnahme an eine Zeitung ausgeführt hat:

„Auf diese Problematik von den BezirksBlättern angesprochen, erklärte Krankenhaus-Betriebsrätin [...]: ‚Verständlich ist, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen anderer Berufssparten [...] als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zweiter Klasse behandelt fühlen. Außer Frage steht, dass egal ob es der Bereich der Hebammen, jener der medizinischen Assistenzberufe, Serviceassis­tentIn­nen‘“ – und so weiter – „ist, einen wesentlichen Teil zur Versorgungssicherheit [...] beitragen.‘“

Es sei ein „Brief aller Betriebsräte des Landes NÖ, des Zentralbetriebsrates [...] und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst an Minister Rauch“ ergangen: „‚In diesem Brief haben wir darauf hingewiesen, dass weder wir, noch unsere Kolleginnen und Kollegen Verständnis für Einschränkungen [...] haben.‘ [...] Diese Ungleichbehandlung schaffe Demotivation und Unmut.“

Leider wurde jedoch dieser Brief bis heute nicht beantwortet. (Bundesrat Schennach: Ei, ei, ei!)

Herr Minister, diese Menschen leisten schwere Arbeit – finden Sie es ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung, dass Sie ihre Anfrage nicht beantworten? (Bundesrat Schennach: Das stimmt!)

Kommen wir zum Nachtschwerarbeitsgesetz, das wir unter diesen beiden Tagesordnungspunkten ebenfalls behandeln: Es wäre schön, wenn – nach dem Vorbild der Nachtschwerarbeitsregelung, die von der SPÖ angeregt wurde – auch bei der Schwerarbeiterregelung unser Vorschlag aufgegriffen werden würde. Vielleicht wird auch das einmal Realität, so wie das mit dem Zeitguthaben für Nachtstunden umgesetzt wurde.

Das mit der sechsten Urlaubswoche ist eine sehr unsichere Sache, denn Menschen in Berufen, die sich nicht einmal fünf Urlaubswochen nehmen können, weil kein Personal da ist, werden sich auch keine sechste nehmen können. Da braucht es eine Reform und nicht die Ankündigung einer Reform, dann wird es gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dann der Experte im Ausschuss oder auch ein Kollege hier im Bundesrat, ein Arzt, meinen: Na ja, das wird normalerweise so gemacht, dass zuerst der Sonderurlaub eingetragen wird und der andere Urlaub dann stehen bleibt! , dann kann es das nicht sein, da braucht es klare Regelungen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Zum nächsten Punkt, dem Bundespflegegeldgesetz: Herr Minister Rauch, haben Sie schon einmal zu Hause einen pflegebedürftigen Angehörigen betreut? – Ich habe es getan. Meine Schwester hat es ebenfalls getan, sie ist ausgebildete Krankenschwester. Wissen Sie, was das bedeutet? Haben Sie eine Ahnung, wie es ist, wenn man jemanden zu Hause pflegt, was das an physischer und psychischer Belastung bedeutet, auch wenn es nur Pflegestufe 3 und nicht einmal 4 ist, man aber nicht die Ausstattung wie in einem Krankenhaus oder Pflegeheim hat? Es ist ein Hohn: 1 500 Euro im Jahr, wenn man ein Jahr durchgehend gepflegt hat, und ich wünsche niemandem, dass der Angehörige zwei Tage vor Ablauf dieses Jahres stirbt, denn dann bekommt man nichts! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Haben Sie eine Ahnung, was es bedeutet, rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, einen demenzkranken Menschen zu pflegen, der nachts nicht schlafen kann, wenn Sie jedes Mal, wenn Sie das Haus verlassen, darüber nachdenken müssen, welche Gefahr lauert? (Bundesminister Rauch: Hab ich gemacht!) – Nein, ich glaube nicht, dass Sie daran denken! (Bundesminister Rauch: Ich habe es gemacht!) Ich kann Ihnen auch - - Sie kommen dann eh dran! (Bundesrätin Schumann: Ja, dann ...! – Bundesrätin Hahn: Dann sollten Sie es ja wissen!) Der Angehörige muss außerdem im selben Haushalt leben. (Bundesrat Steiner: Das habe ich ja schon gesagt!)

Wenn sich ein Angehöriger im Haushalt eines Mindestpensionisten oder einer Mindestpensionistin anmeldet, die rezeptgebühren- und GIS-befreit ist, dann fallen diese Befreiungen weg, und das können Sie dann mit den 1 500 Euro im Jahr aufrechnen. Das kann so nicht funktionieren! (Bundesrätin Schumann: Das war die Wöginger-Idee!)

Bei Pflegestufe 3 ist man körperlich schon so schlecht beisammen, dass man mehr Pflege braucht. Wissen Sie, ich glaube, es wäre wichtig, dass Sie mit denen reden, die das tun, worüber Sie glauben, entscheiden und Gesetze vorschlagen zu müssen!

Das ist wirklich keine Reform. Das ist nichts, womit Sie sich schmücken können. Das ist für pflegende Angehörige einfach nur eine Verhöhnung! Mehr kann ich dazu nicht sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, denn die pflegenden Angehörigen, die mit weniger als 1 500 Euro Einkommen – denn mehr dürfen sie nicht verdienen – schon in ihrem Hauptberuf arbeiten und danach noch pflegen, wer­den bald selbst Therapie brauchen; und das Geld für diese Therapien haben wir auch nicht, weil nämlich Schwarz-Blau mit der Umstrukturierung der Sozialversicherung, mit dem Zerstören der Selbstverwaltung, die Patien­tenmilliarde nicht erreicht hat – es steht weniger Geld zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Jetzt haben wir auch noch die Situation, dass wir teilweise Medikamente nicht bekommen, 537 Medikamente sind derzeit nicht verfügbar. Okay, dann gehen eh schon Stunden drauf, um von Apotheke zu Apotheke zu fahren, ob man sie vielleicht doch irgendwo bekommt, und deshalb möchte ich jetzt auch noch den Entschließungsantrag einbringen, mit dem Sie aufgefordert werden, sicher­zustellen, dass Österreich die Produktion ins Inland verlegt, dass wir Medika­mente hier vor Ort in guter Qualität erzeugen und dass diese auch verfügbar sind.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versorgungssicherheit mit Medikamenten jetzt herstellen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft“

– in diesem Fall, aber Sie dürfen es Ihrem Kollegen ans Herz legen –

„wird aufgefordert, die Produktion von Medikamenten und Wirkstoffen, wieder nach Europa und Österreich zurückzuholen. Die Regierung ist aufgefordert, hier eine staatliche Initiative zu starten. Es gilt, auf regionale Produktion mit höchsten Qualitätsstandards – sowohl im Bereich der Produkte, als auch im Sinne und zum Schutz der ArbeitnehmerInnen – zu setzen.“

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Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Versorgungssicherheit mit Medikamenten jetzt herstellen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.