17.42

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer:innen vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Bumm, ich weiß gar nicht wirklich, wo ich beginnen soll. Das war harter Tobak, muss ich sagen. Beginnen wir einmal damit – und ich möchte das noch einmal festhalten –, dass es wirklich ein Affront ist, dass eine Dringliche Anfrage verschoben wird, weil der Herr Bundeskanzler persönlich sein Kommen angekündigt hat, und diese Verschiebung dann darin endet, dass er nicht hier ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Da seid ihr selber schuld! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben vorhin von 1993 gesprochen. Ich glaube, genau das ist das Problem dieser Regierung, das Problem der ÖVP: Ihr lebt in der Vergangenheit! – Wir wollen Politik für die Gegenwart und wir wollen die Zukunft gestalten, und nicht ständig Ausreden in der Vergangenheit suchen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Mit Schulden, wie immer!) Diese Regierung kann und soll handeln. Ob sie es kann, weiß ich nicht, ob sie es will, auch nicht.

Aber jetzt zum Thema: Gestern habe ich schon fast geglaubt, es kommt eine Lösung. Gestern habe ich schon fast geglaubt, vielleicht brauchen wir keine Dringliche Anfrage, weil die EU das Problem löst, was diese Regierung auf nationaler Ebene ja nicht zustande bringt. Aber auch wenn bald Weihnachten kommt, diese Hoffnung wurde zerstört, denn das, was gestern passiert ist, hat nichts mit den Endverbraucherpreisen zu tun. Diese Entscheidung wird den Menschen im Alltag, im Leben in keiner Weise helfen. Wenn wir das diskutieren, nützt es keinem. Das, was nützen würde, ist, dass diese Regierung endlich bereit ist, wirklich etwas zu tun, und es dann auch tut, jetzt und für die Zukunft.

Wenn Sie Ihre Maßnahmen jetzt so hoch loben, dann gehen Sie bitte hinaus zu den Menschen! Beginnen wir bei den Privathaushalten! (Beifall bei der SPÖ.) Beginnen wir dort, wo sich Menschen wirklich täglich entscheiden müssen, was sie essen, ob sie essen, ob sie heizen! Es ist mir jetzt wirklich passiert – und das ist keine Geschichte –, dass ich im Supermarkt gestanden bin und eine ältere Dame gefragt habe: Stehen Sie bei der Wursttheke, ich will mich nicht vor­drän­gen? – Diese Wursttheke liegt genau neben dem Brotverkauf. Wissen Sie, welche Antwort ich bekommen habe? –Die Antwort war: Nein, ich überlege noch, ob ich mir 1 Kilo Brot kaufe oder ein halbes Kilo Brot, denn wenn ich 1 Kilo Brot kaufe, geht sich die Wurst nicht mehr aus! – Wissen Sie, wie die Menschen teilweise leben?

Das kann es nicht sein. Die Inflation wird in ganz enormer Weise von den Energiepreisen getrieben, und ein Klimabonus von 500 Euro kann da nichts retten! (Beifall bei der SPÖ.)

Neben den älteren Menschen betrifft das vor allem auch Kinder, ist es vor allem auch die Kinderarmut, die so enorm ansteigt. Ich bin ehrenamtlich tätig; ich weiß nicht, wie viele von Ihnen hier ehrenamtlich tätig sind, ich weiß nicht, ob Sie, Frau Staatssekretärin, in irgendeiner Form ein Ehrenamt ausüben und bei einer Tafel helfen oder in einem Markt. Ich kann Ihnen sagen, dass mir die Tränen kommen, wenn ich sehe, wie viele Menschen und welche Menschen anstehen, um bei der Tafel Lebensmittel zu bekommen. Wir reden wirklich davon, dass die Armut in der Mittelschicht – in der sogenannten Mittelschicht; ich weiß gar nicht mehr, wie man die definieren soll und ob es die überhaupt noch gibt – angekommen ist. Die Kinderarmut nimmt so stark zu!

Das Land Niederösterreich hat den Strompreisrabatt eingeführt, 80 Prozent des Stromverbrauchs gefördert. Ich will das nicht schlechtreden, es ist ein wichtiger Schritt, aber darf ich Ihnen sagen, wie es all jenen geht, die aufgrund dessen, dass sie klimafreundlich unterwegs sein wollten, schon jetzt ihre Öl- und Gasheizungen getauscht und sich eine Wärmepumpe hingestellt haben? Der durchschnittliche Energieverbrauch ist da nämlich kein Maßstab mehr, und die müssen jetzt ganz tief in die Tasche greifen.

Dann gibt es die, die da hochtrabend meinen: Dann müssen sie halt eine Foto­voltaikanlage machen! – Erstens einmal, jetzt eine zu bekommen, zweitens einmal, die zu bezahlen – das kostet Geld, das kann sich kaum jemand mehr leisten (Zwischenruf des Bundesrates Preineder) –, das geht sich nicht mehr aus. Ich glaube nicht, Herr Kollege Preineder, dass es angebracht ist, da in irgendeiner Form den Kopf zu schütteln.

Zuvor haben Sie, Frau Staatssekretärin, über die Vielfalt unserer Unternehmen gesprochen, von den Einpersonenunternehmen über die Kleinunternehmen bis hin zu den großen Betrieben. Glauben Sie wirklich, dass die Betriebe mit den Maßnahmen der Regierung ihre Probleme lösen können? – Nein, sie können es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das geht sich genauso wenig aus, denn – und ich bin Unternehmerin – der Energiekostenzuschuss ist zum großen Teil noch nicht ausbezahlt. Und weil die Richtlinien so toll sind, wurde jetzt sogar ein Zeitfenster nachgeöffnet, weil sich die meisten gar nicht angemeldet haben, weil sich ja fast keiner mehr auskennt, wie man was angehen soll. Ihr macht das so toll, dass die Unternehme­rinnen und Unternehmer gar nicht mehr wissen, wie sie zu diesem Geld kommen können – und wenn, dann brauchen sie Unterstützung von professio­nellen Beraterinnen und Beratern – Steuerberatern, Wirtschaftstreuhändern –, und die müssen sie auch wieder bezahlen. Das alles ist so fern der Realität, und was es ganz bestimmt nicht ist: Es ist nicht hilfreich!

Sie gefährden Arbeitsplätze, Sie gefährden den Wirtschaftsstandort, Sie gefähr­den die Wertschöpfung. Das ist es, was in Wahrheit das ganz große Problem ist: Ihr Nichthandeln gefährdet unser Land, die Menschen in diesem Land und die Wirtschaft in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie meinen, Deutschland würde sich mit Österreich in dem Fall doch nicht messen können, müssen Sie die echten Zahlen verwenden. Sie sagen, dass 49 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Gas heizen und nur 23 Prozent in Österreich. Auch Pellets und auch Fernwärme – stellen Sie sich vor! – brauchen in der Produktion Gas, und wenn man das zusammenrechnet, dann sind wir wieder am gleichen Punkt und dann ist der Vergleich sehr wohl wieder gegeben.

Es braucht jetzt schnelle Lösungen! Schauen wir uns am Land um – es sitzen die Vertreter der Bundesländer hier, und Sie wissen es aus Ihrem Umfeld –: Wie viele Betriebe haben schon den Schlüssel umgedreht, wie viele Bäcker, wie viele Fleischhauer, weil der Energieverbrauch für die Kühlhäuser zu hoch ist, weil sie das nicht mehr stemmen können? Es betrifft auch die Gemeinden – die Hallen­bäder, die geheizt werden müssen, die Bibliotheken, die Büchereien und die Vereinslokale: Sie alle sind betroffen. Nach der Covid-Krise herrscht jetzt die große Energiekrise, und geholfen wird einfach viel zu spät. Die Hilfe nützt nichts mehr, wenn der Betrieb schon geschlossen ist, wenn die Menschen nicht mehr können, wenn sie aufgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin davon überzeugt, dass vor der Niederösterreichwahl wieder ein Paket präsentiert werden wird. Es wird sich erst nach der Wahl herausstellen, wie zielgerichtet und wirksam es ist. Das wird nämlich vorher noch nicht deutlich sein. Es darf nicht noch einmal das Gleiche passieren wie mit den Covid-Förderungen. Es darf nicht sein, dass sie an keinerlei Arbeitsplatzgarantie, an keinerlei Wirtschaftsstandortgarantie gebunden sind, dass Geld in alle Rich­tungen ausgegeben wird, ohne Sicherheiten zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ fordert schon lange einen echten Gaspreisdeckel, der beim End­verbraucher wirksam wird. Das sind 50 Euro pro Megawattstunde, wobei dann die Differenz zum Einkaufs-, zum Handelspreis für die Erzeuger, die Kraftwerke und die Produzenten subventioniert wird. Das wäre eine echte Hilfe für die Wirtschaft, das wäre eine echte Hilfe für die Menschen. Das bringt etwas. Alles andere sind wunderschöne, von Ihnen präsentierte Worthülsen, aber keine echten Standorthilfen, keine echten Maßnahmen gegen Armut, keine echten Maßnahmen dagegen, dass in Österreich der Wohlstand zerstört wird und die Mittelschicht schon längst dabei ist zu verschwinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Springen Sie endlich über Ihren Schatten! Nehmen Sie Vorschläge an, auch wenn sie von der Opposition kommen. (Bundesrat Schennach: Das schaffen sie nicht!) Sie lehnen Vorschläge aus Prinzip ab, wenn sie von der Opposition kommen. Das ist keine Politik für die Menschen und für das Land.

Ich möchte Ihnen zum Abschluss besinnliche Weihnachten wünschen, und mit besinnlich meine ich: Besinnen Sie sich! Besinnen Sie sich darauf, was Ihre Aufgabe ist. Sie haben Macht in Ihre Hände bekommen, Sie haben Verantwor­tung auf Ihre Schulten bekommen. Werden Sie der Verantwortung für dieses Land und die Menschen gerecht! Besinnen Sie sich, wofür Sie stehen müssen, wofür wir stehen müssen, und das ist nicht Macht- und Parteipolitik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.53

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte.