18.20

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Kollege Gross, wenn Sie diese Hülle und Fülle an Maßnahmen nennen – Sie haben das jetzt ja in einem Plädoyer runtergelesen –, frage ich mich allen Ernstes, warum dann Betriebe, nicht nur in meinem Ort, sondern im ganzen Bundesland Salzburg, mit denen ich ins Gespräch komme, auf mich zukommen und mir sagen, ja, sie überlegen, den Betrieb zuzusperren, weil sie es sich nicht mehr leisten können: die Backstube, die Gärtnereien das Glashaus. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: 100 Freistromtage von der Salzburg AG für KMUs! Das hat der Herr Landeshauptmann organisiert!) Warum kommen so viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch von der ÖVP her und sagen, dass sie sich das Heizen und den Betrieb der Schwimm­bäder nicht mehr leisten können und dass sie überlegen, das leider zuzusperren? Auch die ÖVP-Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister klagen über diese unglaubliche Teuerung.

Ich frage mich wirklich, warum diese Hülle und Fülle an Maßnahmen – ich verstehe natürlich diese Lobhudelei innerhalb der Bundesregierung – nicht bei denen wirkt, die es wirklich brauchen. Auch wenn ich mich in Lehen vor den Interspar – fast ein Einkaufszentrum – stelle und mir Pensionistinnen und Pensionisten unter Tränen sagen, dass sie in einer kalten Wohnung sitzen, stellt sich die Bundesregierung allen Ernstes hier her und sagt: Heile Welt, alles in Ordnung! – So ist es aber nicht, da muss man aufwachen! (Beifall bei SPÖ und Grünen. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Danke, Frau Staatssekretärin, dass Sie zwei enorm wichtige Punkte ange­sprochen haben, nämlich einerseits die Inflation. Das hat ein bisschen so geklungen, als wäre das ein Naturgesetz und in Stein gemeißelt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Inflation ist von Menschenhand, genauer gesagt, von Regierungshand gemacht. (Bundesrat Preineder: Die ist nicht nur in Österreich!)

Da komme ich gleich zum zweiten Punkt, zu diesen 47 Milliarden Euro, die Sie, glaube ich, genannt haben: Rekordförderungen in Zeiten von Corona. Die wären da und dort ja auch ganz gut aufgehoben gewesen, aber da frage ich mich schon. Mit 47 Milliarden Euro sind wir Spitzenreiter bei den Coronahilfen gewesen, aber das merkt man irgendwie bei der Inflation gerade nicht. Griechenland steht besser da, Frankreich steht besser da, Malta steht besser da. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die ganze Welt! – Ruf bei der FPÖ: Die ganze Welt steht besser da!) Da kann man ruhig so weitermachen: Die Schweiz steht besser da.

Wer waren denn die großen Profiteure von den 47 Milliarden Euro? – Es waren die Freunde von ÖVP-Ex-Kanzler Kurz: Es war der Gastronom Martin Ho mit 2,8 Millionen Euro an Förderungen, René Benko mit seinem Firmenimperium in der Höhe von 10 Millionen Euro, Novomatic in der Höhe von 2 Millionen Euro. (Bundesrat Kornhäusl: Hannes Androsch!) Ich kenne keinen österreichischen Haushalt, der solche Förderungen bekommen hat wie die Freunde der ÖVP. (Bundesrat Preineder: Die beschäftigen auch nicht so viele Leute!) Keinen einzigen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da muss ich ganz ehrlich sagen – Sie wollen ja hoffentlich nicht den Rechnungs­hof infrage stellen –, die Wahrheit ist, die Cofag und die Förderungen, die ausgeschüttet worden sind, sind schwer kritisiert worden. Es war total intranspa­rent, hat es geheißen. Sie haben die Konzerne gefördert, die Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet haben! Sie haben nichts für die vielen in diesem Land getan. Sie haben für die Krankenpfleger:innen applaudiert, aber etwas gezahlt haben Sie den Milliardären in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der ÖVP: Frag einmal den ..., was er verdient!)

Ja, es gibt eine Bremse, es gibt eine halbherzig angezogene Handbremse, es gibt ein Deckelchen da, ein paar Förderungen dort – Herr Gross hat sie alle aufge­zählt –, aber ehrlich gesagt, ohne den Zettel hätten wir wahrscheinlich diesen Überblick überhaupt nicht gehabt. Wenn ich draußen in der Straßenbahn oder im Zug – egal in welchem Bundesland – jemanden frage, ob er einen Überblick über die Förderungen hat: Ich glaube, da braucht man mittlerweile ein Hoch­schulstudium. Diese Bundesregierung hat es nicht geschafft, einen einheit­lichen Fördermaßnahmenkatalog für die Österreicherinnen und Österreicher zu schaffen.

Was passiert jetzt? – Der Durchblick fehlt, es ist ein Förderdschungel, ein Förderwirrwarr, das nicht treffsicher ist, das nicht ankommt. Man sagt, dass jeder Topf seinen Deckel oder sein Deckelchen findet. Das ist vielleicht ganz nett für jemanden, der Liebeskummer hat, aber den Menschen in unserem schönen Österreich ist dadurch nicht geholfen.

Wir haben schon im April darauf hingewiesen, dass man zielgerichtete Maßnah­men braucht. (Bundesrat Preineder: Schnell muss es sein! Schnell! Schnell haben wir das gemacht!) Die FPÖ ist Gott sei Dank auf diesen Zug aufgesprungen, die Industriellenvereinigung hat das unterstützt, die Landeshauptleute – quer­feldein über ganz Österreich verteilt: Drexler, Stelzer – sind aufgesprungen, die Wirtschaftskammer ist aufgesprungen, um die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin zu halten oder nicht zu verlieren – es geht um Arbeitsplätze in Österreich.

Es hat aber gedauert und gedauert, und diese Bundesregierung hat nichts getan. Seien wir uns ehrlich, die war in der Regierungshängematte. Man hat darauf gewartet, dass die EU jetzt eine halbherzige Lösung liefert. (Bundesrat Preineder: Ihr habt sie dauernd vor den EU-Ausschuss zitiert und Dringliche Anfragen gestellt!) Die Regierung – da muss ich schon korrigieren – hat es nicht vorangetrieben, einen Gaspreisdeckel auf europäischer Ebene einzuführen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das kann sie ja gar nicht!) Die Regierung hat es nicht vorangetrieben, dass Meritordersystem auszusetzen. Ich meine, Sie sind in der Regierung. Dann tun Sie es! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt nicht alles schlechtreden. Dieser auf europäischer Ebene eingeführte, vielleicht einmal greifende Gaspreisdeckel von 180 Euro die Megawattstunde ist eher der Notanker im Extremfall – so ehrlich muss man sein –, aber dadurch wird kein einziges Lebensmittel billiger – dadurch wird die Butter nicht billiger –, der Treibstoff nicht billiger und die Stromrechnung, wenn Sie zu Hause sitzen und den Fernseher aufdrehen, wird dadurch auch nicht billiger. In Wahrheit kommt dieser Deckel nicht an, er bringt nichts. Und ich kenne niemanden, der diese Hülle und Fülle an Maßnahmen kennt und zu Hause im Geldbörsel spürt.

Damit kommen wir zur Scheinwelt der Grünen: Jeder kann sich eine Fotovoltaik­anlage aufs Dach montieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Jeder hat natürlich das nötige Kleingeld, um den Ölkessel oder die Gasheizung zu tauschen. (Bundesrat Preineder: 14 Prozent gefördert ...!) Nur ein paar Zahlen: Es gibt über 400 000 Gasheizungen in Wien, über 200 000 in Niederösterreich, über 100 000 in Oberösterreich. Jeder vierte Haushalt heizt mit Gas, die brauchen diese Entlastung. (Bundesrat Schennach: Das verstehen sie nicht! Das verstehen sie einfach nicht!) Die können das nicht von heute auf morgen tun.

Ich kenne viele Bekannte aus meinem Heimatort, Pensionistinnen und Pensionis­ten, die haben sich vor 50, 60 Jahren mit ganz viel Fleiß und wahrscheinlich blutigen Händen das Einfamilienhäusl hingestellt, einen Ölkessel eingebaut, und die können sich – trotz jeder Förderung – nicht von heute auf morgen einfach so ruckzuck ein neues Heizsystem für ihr Zuhause leisten. Das ist nicht die Lebensrealität der Menschen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Wenn ich aus den Reihen der ÖVP höre, dass wir nicht die Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land vertreten müssen: Ja wer hat denn dieses Land aufgebaut? Wer unterstützt sie denn dabei? Wenn mir eine Pensionistin erzählt, dass sie sich am Ende des Monates, Kollege Kornhäusl, entscheiden muss, ob sie sich noch Fleisch kaufen kann oder nur Kartoffeln, sollte es bei der Regierung einmal klick machen.

Welche Auswirkung hat das denn auf diejenigen, die schon vor zehn Jahren auf Wärmepumpe umgestellt haben? – Unglaublich hohe Stromkosten! Für die, die schon auf Pellets umgestellt haben und natürlich etwas dazu beitragen wollten, ist das jetzt wieder mit extrem hohen Kosten verbunden. Sie haben die Entkop­pelung des Meritordersystems richtigerweise angesprochen. Bitte setzen Sie sich dafür ein! (Bundesrat Schennach: Sie haben ja dagegengestimmt!) Setzen Sie es um, wenn Sie das heute schon in den Raum stellen.

Sie haben die Erbschaftssteuer kurz angesprochen. 1993 bin ich, glaube ich, gerade eingeschult worden. (Ruf bei der ÖVP: So wird das nichts mit Salzburg! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ich darf Sie an die jüngere Geschichte erinnern: Da hat Johanna Mikl-Leitner, die niederösterreichische Landeshauptfrau, eine Solidarabgabe für Superreiche gefordert. Meine Unterstützung hat die Landeshauptfrau von Niederösterreich bei dieser Maßnahme. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist für mich weniger verwunderlich, dass die Motivation von Grün und von Schwarz zur Entlastung der vielen in diesem Land nicht so hoch ist. Es ist für mich schon ein bissel verwunderlich, dass Ihr Regierungskollege, der Finanz­minister, der Robin Hood der Superreichen, den Großaktionären noch ein Weihnachtspackerl unter den Christbaum legen möchte (Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) – mit der Abschaffung der Wertpapier-KESt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte. (Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Egger-Kranzinger weisend –: Ein Neuanfang für Salzburg! – Bundesrätin Schumann: Ja, so schaut’s aus! Das ist unsere Hoffnung! – Bundesrat Schennach: Aber nicht der Kollege Hübner! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)