9.22

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates und des Europäischen Parlaments! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie die Sitzung hier im Hohen Haus vor Ort verfolgen, aber auch sehr geehrte Damen und Herren, die uns via Fernsehen und Livestream sehen.

Bevor ich zum Thema der Aktuellen Stunde komme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um der scheidenden Bundesratspräsidentin namens der ÖVP-Bun­desratsfraktion einen herzlichen Dank (Bundesrat Steiner: Danke!) für ihre Arbeit im zweiten Halbjahr 2022 zu sagen. Es war eine tolle Präsidentschaft, die du hingelegt hast – herzlichen Dank dafür! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Wir wünschen dem incoming Präsidenten aus dem Burgenland ebenso alles Gute für die Arbeit im ersten Halbjahr 2023.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die EU in herausfordernden Zeiten“ ist das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Das ist, wie ich meine, ein Thema, das klug gewählt wurde, denn selten in der Geschichte Europas waren die Herausforderungen für ein gemeinsames Zusammenwirken – in wel­cher Form auch immer – so groß wie heute. Putins Angriffskrieg auf die Ukrai­ne – viele von uns hätten es vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, dass wir seit Februar 2022 wieder Krieg in Europa haben – hat zu enormen Problemen für die Ukraine geführt, für die Menschen im Lande, die jetzt in der kälteren Jahreszeit den Wirren dieses Krieges ausgesetzt sind und die um ihr persönliches Leben, um ihr Hab und Gut fürchten müssen.

Es spricht für die Solidarität der Länder Europas und den Wertekanon Europas, dass wir hier gemeinsam gegen einen solchen Angriffskrieg stehen, wir müs­sen aber auch den besonderen Erfordernissen eines neutralen Landes wie Öster­reich gerecht werden. Dieser Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu Verwer­fungen auf den Energiemärkten geführt. Dazu haben wir den Klimawandel, der insbesondere die jungen Menschen belastet. Wir haben eine Inflation, die viele von uns nicht für möglich gehalten hätten, in einer Dimension, in der sie für die privaten Haushalte ebenso schmerzhaft ist wie für die Wirtschaft in Ös­terreich, in Europa und letztendlich auf der ganzen Welt. Wir spüren immer noch die Auswirkungen der Pandemie – wir haben das gestern in Bezug auf Fra­gen der Gesundheit diskutiert –, die unser Gesundheitssystem und damit auch die öffentlichen Haushalte entsprechend belasten.

Dazu kommt, dass viele Menschen Europa als sicheren Hafen sehen und gerne nach Europa kommen möchten und dass die illegale Migration – die illegale Immigration – viele Länder dieses gemeinsamen Europas, so auch Österreich, vor große Herausforderungen stellt.

Multiple Krisen brauchen multiple Antworten. Ein einfacher Lösungspfad wird nicht so leicht zu finden sein. Was sich die Menschen – die Österreicherin­nen und Österreicher, aber letztendlich auch alle Europäer:innen – wünschen, ist, in Sicherheit und in Frieden und in Freiheit leben zu können, ihre Kin­der in Wohlstand großziehen zu können und auch in einen gesicherten Ruhe­stand übertreten zu können. Diese Sicherheit ist ein Anliegen, das uns, glaube ich, eint. Diese Sicherheit vermittelt zu bekommen, das erwarten sich die Menschen. Maßnahmen zu ergreifen, die diese Sicherheit zum Ausdruck brin­gen, ist dringend erforderlich.

Wir haben uns gestern im EU-Ausschuss des österreichischen Bundesrates sehr intensiv mit den Fragen der illegalen Migration, des Schlepperunwesens, des gemeinsamen Binnenmarktes auseinandergesetzt und wir haben natürlich auch die Erweiterung dieses Binnenmarktes um jene Länder, die im Raum stehen, sehr intensiv diskutiert. Wenn wir diesen Binnenmarkt erweitern und die maximalen Freiheiten dieses Binnenmarktes – den freien Personenverkehr, den freien Warenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr – nutzen wollen, dann müssen wir auch ein professionelles Außengrenzschutzmanagement an den Tag legen.

Deswegen bin ich Herrn Bundeskanzler Nehammer, dem Herrn Innenminister und auch Frau Bundesministerin Edtstadler sehr dankbar dafür, dass sie in Fragen der Schengenerweiterung klar aufgezeigt haben, dass wir natürlich wol­len, dass Rumänien und Bulgarien ebenso wie Kroatien Mitglied in diesem Schengenraum werden, dass es aber für Österreich und die Sicherheitsbedürf­nisse der österreichischen Bevölkerung unabdingbar ist, dass es auch ei­nen professionellen Außengrenzschutz gibt und dass der Fünf-Punkte-Plan, der vom Bundeskanzler vorgeschlagen worden ist, auch auf europäischer Ebe­ne Gehör findet. (Beifall bei der ÖVP.)

Uns gegenüber hat gestern im EU-Ausschuss der Vertreter des Innenministe­riums klar zum Ausdruck gebracht, dass diese fünf Punkte auf europäi­scher Ebene intensiv diskutiert werden. Ich bin zuversichtlich, dass man hier eine gemeinsame Lösung finden kann – auch deshalb, weil es für die österreichi­sche Wirtschaft, aber auch für viele Pflegebedürftige im Lande wichtig ist, dass wir hier eine klare gemeinsame Linie haben und dass der Schengenraum entsprechend effizient funktioniert, und zwar im Interesse der beitrittswilligen Länder, aber auch im Interesse der österreichischen Bevölkerung.

Wenn ich über die Sehnsucht nach Sicherheit spreche, dann weise ich darauf hin, dass es auch Sicherheitsbedürfnisse für die Wirtschaft gibt. Wir wollen eine Reindustrialisierung der europäischen Wirtschaft, wir wollen die Industrie auch entlang der Wertschöpfungsketten entsprechend stärken. Nicht zuletzt die Pandemie hat uns gezeigt, dass es hier große Defizite gibt. Wir müssen die Digitalisierung in Europa vorantreiben und wir müssen letztendlich auch die Ein­bindung in die Verkehrswege intensivieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelingt, Österreich im Rahmen der transeuropäischen Netze nicht nur im baltisch-adriatischen Korridor entlang der Ost-West-Verbindung einzu­binden, sondern auch entlang der Nord-Süd-Verbindung. Wie ich höre, gibt es hier auf europäischer Ebene auch entsprechende Bemühungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich über die Sicherheit der Wirtschaft rede, rede ich auch davon, dass es multilaterale Handelsabkommen geben muss und geben soll. Die sind auch für die österreichische Industrie und die österreichische Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze bei uns im Lande wichtig, und wir sollten rasch danach trachten, diese multilateralen Han­delsabkommen auch voranzutreiben.

Nicht vergessen werden soll, wenn es um das Thema der Sicherheit geht, auch die Lage auf anderen Kontinenten. Ich verweise nur auf den EU-Afrika-Gipfel und die Situation in Afrika, wo wir auch ganz besondere Interessen haben.

Wenn es um Sicherheit geht, geht es auch um Sicherheit im Vorhof Europas, damit ist die Erweiterung der Europäischen Union gemeint. Denken Sie an den Westbalkan, denken Sie an die Anliegen der Ukraine, auch an die Anliegen Georgiens und Moldawiens! Auch da wird es notwendig sein, auf der einen Seite die Länder des westlichen Balkans weiter in ihren Prozessen zu unterstützen, um eines Tages einen Beitritt zur Europäischen Union zu ermöglichen, aber auf der anderen Seite auch Ländern wie der Ukraine, Georgien und Mol­dawien zu zeigen, dass sie in Europa willkommen sind.

Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesrat, ich bitte um den Schlusssatz. – Danke schön.

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Jawohl, Frau Präsidentin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 2022 war das Europäische Jahr der Jugend, 2023 wird das Europäische Jahr der Skills. Wenn wir unsere ge­meinsamen Skills nutzen, um uns für Europa und die Menschen in Europa ein­zusetzen, dann braucht uns um die Zukunft nicht bange zu werden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

9.31

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte schön, Herr Bundesrat.