9.39

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Damen und Herren! Frau Ministerin! Lieber Kollege und Vorredner Schennach! Wir machen einen Rückblick auf die Europäische Union oder Ös­terreich in der Europäischen Union im letzten Jahr. Der Rückblick sollte so passieren, dass wir uns anschauen, was geschehen und was nicht geschehen ist, und nicht, dass wir davon reden, dass wir über Dinge reden müssen. Reden tun wir seit zehn, zwölf, 20 Jahren über verschiedene Dinge, passieren tut nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne werde ich mir erlauben, kurz die Leistungen der Europäischen Union – nicht die Leistungen Europas, sondern der Bürokratie, die die Europäische Union bewegt – darzustellen.

Fangen wir mit der Masseneinwanderung an: Das ist ja kein neues Phänomen, das ist ein Phänomen, das jetzt wieder, sagen wir einmal, über die Stränge schlägt, das uns zu überwältigen droht, ein Phänomen, mit dem wir seit 20, 30 Jahren befasst sind. Die Europäische Union und ihre Institutionen haben alles getan, damit dieses Phänomen dramatischer, schlimmer wird, und es wurden alle Möglichkeiten, es zu unterbinden, hintangestellt. Das betrifft zum einen die Aktionen im Mittelmeer, die die Flotten der europäischen Mitgliedsländer übernehmen mussten, wo sie zur größten Schlepperorganisation in der europäischen Geschichte geworden ist, wo mit Mitteln, auf Kosten und unter den Organisationsstrukturen der EU Hunderttausende Leute aus Nordafrika nach Europa gebracht worden sind.

Das geht munter so weiter: Die Europäische Union, die die Möglichkeit hat, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht gegen Länder wie Marokko, wenn sie will, innerhalb von 24 Stunden alles durchzusetzen, hat es bis heute nicht fer­tiggebracht oder nicht fertigbringen wollen, ein Rücknahmeabkommen mit die­sem Staat abzuschließen, das es den Europäern ermöglicht, ohne Proble­me kriminelle Staatsbürger dieses Landes abzuschieben oder zurückzubringen – bis heute nicht. Kollege Schennach, das ist keine Sache, die nur das Ziller­tal interessiert, sondern das ist eine Sache, die auch Innsbruck und ganz Tirol interessiert – und ganz Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ein einziges Beispiel, wo das Grenzmanagement funktioniert hat, ich habe es schon mehrfach gesagt: Das ist die Abwehr der versuchten Erpressung Europas durch Weißrussland im vergangenen Jahr, als Polen ohne Hilfe der EU und gegen die Linien und Aufträge der EU die Grenzen geschützt und uns vor einer neuen Masseneinwanderungsroute bewahrt hat. Da hat Polen sicher­gestellt, dass keine EU-Beamten und keine Frontex-Leute an die Grenze herankommen, Frau Minister.

Kommen wir zum größten Friedensprojekt der Geschichte – ja, so nennt sich die Europäische Union. Jetzt ist die Bewährungsprobe da, es herrscht seit fast einem Jahr Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Bis heute habe ich nicht eine einzige Initiative der Europäischen Union gesehen, diesen Krieg zu beenden oder wenigstens einen Waffenstillstand zu vermitteln. (Beifall bei der FPÖ.)

Was hat ein Friedensprojekt denn sonst zu tun, außer Frieden zu schaffen, Frieden zu erhalten, Frieden wiederherzustellen oder zumindest die Waffen zum Schweigen zu bringen? Den Krieg anzufachen und nur davon zu reden: Ein Staat muss unterstützt werden!, Es muss einen militärischen Erfolg geben!, Der Aggressor muss bestraft werden!, und das Ganze mit einer Sanktionspolitik zu garnieren, die wir alle über das Energiepreischaos auszubaden haben, unter dem wir alle leiden, das ist wohl kein Friedensprojekt.

Von der Inflation will ich gar nicht reden, ich glaube, das erübrigt sich; von den Strompreisen und dem sogenannten Meritordersystem, das ja letztendlich auch eine Idee der europäischen Institutionen ist, ebenfalls nicht. Wo ist die Initiative auf europäischer Ebene, von diesem sogenannten Merit­ordersystem abzugehen? Wir müssen den Preis des teuersten Anbieters zahlen, das heißt, wer das teuerste Anbot macht, der bestimmt, was der Konsu­ment letztendlich für Strom zu zahlen hat – ein irres System! Ja, Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Köck), da brauchen Sie gar nicht zu schauen, so funktio­niert das Meritordersystem! Wenn es zehn Anbote gibt – vom billigsten an bis zum teuersten wird gekauft –, müssen alle den Preis, der für das teuerste Angebot zu zahlen ist, zahlen. Das ist ein System, das für die Energieversorger natürlich sehr praktisch ist, damit werden auf unserem Rücken Milliarden­gewinne gemacht. Geschehen ist nichts.

Vom 750 Milliarden Euro schweren sogenannten Wiederaufbaufonds, zu dem die Ministerin schweigt, will ich gar nicht reden. Es ist ja das größte Deba­kel (Beifall bei der FPÖ), dass Österreich in einem solchen Fall den Leuten den Eindruck vermittelt, dass da etwas Vernünftiges geschieht. Da werden die Haushaltsregeln ausgehebelt, indem sich die EU auf dem Kapitalmarkt 750 Milliarden Euro ausborgt. Wir haften dafür und bekommen von unserem Haftungsanteil in der Höhe von 21, 22 Milliarden Euro – je nachdem, wie man das genau berechnet – letztendlich 3 Milliarden Euro. Wir katapultieren 18 Milliarden Euro sozusagen beim Fenster raus. Das muss eine Europa­ministerin meiner Ansicht nach ansprechen, denn eine Europaministerin heißt zwar Europaministerin, aber nicht deshalb, weil sie Propagandistin der EU-Institutionen ist, sondern weil sie die Interessen Österreichs – des Landes, von dem sie bezahlt wird – in der Europäischen Union vertritt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: So sollte es sein!)

Deswegen erwarte ich mir da auch klare Worte. Das betrifft auch Dinge wie die angebliche Zukunftskonferenz. Da erwarte ich mir, dass man sagt: Wir sind nicht in einer kommunistischen Räterepublik, wo man sich 800 Leute aussucht, die einem das bestätigen, was man selber will, sondern wir sind in einer Demokratie, in der das Volk durch Wahlen entscheidet! Wenn das nicht ge­schieht, sondern Strukturen einer Räterepublik herangezogen werden – schön verbrämt als Zukunftskonferenz –, dann erwarte ich mir, dass der Minister sagt: Da hat nicht das Volk entschieden, sondern da hat sich die Kommission selbst ein Volk geschaffen und das bestätigen lassen, was sie will! – Das alles fehlt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss, Kollege (in Richtung Bundesrat Schennach), noch einmal zu Ungarn. (Bundesrat Schennach: Zu mir? – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Ich schaue Sie an, es ist ja Ihre große Sache. (Bundesrat Schennach: Es dür­fen ein paar nicht schauen!) Es ist besonders interessant, weil wir von den euro­päischen Werten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und so weiter reden. (Bundesrätin Zwazl: Das ist auch wichtig!) Da gibt es ein Land, das gegen gewisse Dinge verstößt, die der EU-Nomenklatura wichtig sind – das sind immer andere Dinge, jetzt ist es angeblich gerade die Korruption –: Da kommt in der Präambel der Verfassung der liebe Gott vor – ui, da hat es schon gestaubt –, dann gab es eine Reform der obersten Gerichte, mit der die alten kommunisti­schen Kader entmachtet wurden – ui, da hat es gestaubt, das durfte man gar nicht, da sind sehr viele Bürgerliche hineingefallen –, und dann hat es Umbenennungen von Plätzen und dergleichen gegeben. Das ist ja nicht der erste Anlauf: Jedes Mal wurde mit dem Einzigen gedroht, mit dem die EU drohen kann, mit der Finanzkeule.

Jetzt ist ihnen eingefallen: Es werden 7 Milliarden Euro strafweise zurückbehal­ten, weil Ungarn angeblich so korrupt ist. Ja, Ungarn ist ein korruptes Land, aber nicht nur Ungarn ist korrupt, auch viele andere Länder in der Europäischen Union sind korrupt. Ich will sie nicht nennen. (Rufe bei der FPÖ: Nieder­österreich!) – Von Österreich rede ich gar nicht, ich will nicht unser eigenes Land schlecht darstellen, aber schauen Sie sich einmal den Bericht von Transparency International an, da gibt es zumindest zwei Länder, die deutlich schlechter als Ungarn dastehen.

Das ist wurscht, über diese Länder wird kein Wort verloren. Es wird über den Süden Italiens kein Wort verloren, es wird über das Europäische Parla­ment natürlich kein Wort verloren. All das wird vermieden. Diejenigen, die jetzt wegen Korruption in Haft sitzen, sind die Wortführer der Sanktionen gegen Ungarn wegen angeblicher Korruption gewesen. Da erwarte ich mir, dass eine Europaministerin eines demokratischen Staates sagt: Da wird Geld, das von uns stammt, da wird eine Macht, die von uns an die Kommission und an die europäischen Institutionen delegiert wurde, missbraucht, um die Demo­kratie in einem anderen Land auszuhebeln. – Nichts anderes ist das! (Beifall bei der FPÖ.)

Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesrat, ich ersuche Sie um Ihren Schlusssatz.

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Da geht es darum – das ist mein letzter Satz –, dass einem die Entscheidung der Bevölkerung eines Landes bei Wahlen und die daraus resultierende Regierung nicht passt, und darum will man sie finanziell abstrafen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.48

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreu­der. – Bitte, Herr Bundesrat.