10.43

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Vor allem liebe Zuseherinnen, Zuseher, die Sie heute unsere Debatte zur Aktuellen Europastunde mitverfolgen! „Die EU in herausfor­dernden Zeiten“ – ja, aber vor allem die Menschen in Europa haben Tag für Tag große Herausforderungen zu bewältigen und wissen nicht mehr, wie sie ihren Alltag finanzieren und bestreiten sollen.

Das ist die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen: Krieg auf Kon­tinentaleuropa mit allen Folgewirkungen, dem menschlichen Leid, der Teuerungswelle, die nicht nur auf diesen Krieg zurückgeht, sondern sich schon vorher abgezeichnet hat. Die Rede von Kollegen Tiefnig hat gezeigt, dass da sehr wohl auch Problembewusstsein vorhanden ist. Ja, es hat sich schon vor­her abgezeichnet, dass es Angebots- und Lieferengpässe gibt, und über­haupt, dass ein Marktversagen festzustellen war, und da braucht es entspre­chende Lösungen, konsequente Lösungen, der sich auch die Konservativen und die Nationalisten in Europa nicht länger verschließen dürfen.

Wir müssen uns in Europa der Energie- und Klimakrise stellen, wie das auch schon Abgeordneter Schieder angesprochen hat, aber auch dem Phänomen, dass Arm und Reich immer mehr auseinanderdriften und sich einfach viele, viele Menschen nicht mehr vertreten, einfach abgehängt fühlen.

Kollegin Vana – es freut mich, dass ich sie heute kennenlernen durfte – hat in ihrer Rede die große Armutsgefährdung angesprochen. Das ist eine im­mense Herausforderung, auch wenn es darum geht, das Vertrauen der Men­schen wiederzugewinnen. Die Menschen fühlen sich nicht mehr vertreten – in einer Union oder von Staaten, von denen sie das Gefühl haben, die verstehen sie nicht mehr, die erkennen ihre Probleme nicht mehr.

Leider ist die Vertrauenskrise in Österreich besonders groß, weil, wie wir aus vielerlei Untersuchungen wissen, die Menschen auch dieser Bundesregie­rung immer weniger vertrauen, und dieses Misstrauen schwappt auf alle demokratischen Institutionen in Österreich und eben auch in Europa über. Durch das peinliche Auftreten, das wirklich mehr als peinliche Auftreten des Kanzlers im Europäischen Rat – nicht nur im heute schon besprochenen Fall, das ist ja schon am laufenden Band so – wird dieser Vertrauensverlust wei­ter vorangetrieben und nicht nur die EU, sondern auch Österreich geschwächt, und das gerade jetzt, da es ein starkes Österreich in einem starken Europa bräuchte.

Die multiplen Krisen, auf die es gesamteuropäische Lösungen braucht und dringend braucht, bringen schonungslos die Schwachstellen des Systems zutage: Das sind zum Beispiel Abhängigkeiten, die entstanden sind, weil die Produk­tion auch von lebensnotwendigsten Produkten, wie Medizinprodukten, in Billig­lohnländer auf anderen Kontinenten verlagert wurde. Es muss gelingen, die Produktion vieler lebensnotwendiger Produkte wieder nach Europa zu holen, begleitet von Forschung und Entwicklung, damit wir uns in Europa selbst versorgen können. Diese Produkte müssen unter Wahrung sozialer und ökologi­scher Standards produziert werden, und bei Importen muss gewährleistet sein, dass die jedenfalls unter Wahrung ökologischer und sozialer Mindeststan­dards hergestellt wurden, denn sonst können wir unsere eigenen Standards auch nicht mehr aufrechterhalten und fördern weltweit Umweltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.

Wir müssen endlich die Marktmacht Europas von an die 500 Millionen Menschen nutzen, und da braucht es dringend ein strenges Lieferkettengesetz, das derzeit in Verhandlung ist, aber von den Konservativen, auch von Öster­reich aus, blockiert und verwässert wird, wie auch andere wichtige Gesetze zum Arbeitnehmer:innenschutz. Wir haben erst gestern über die Richtlinie zum Schutz von sogenannter Plattformarbeit diskutiert, weil länderübergreifend im­mer mehr fragwürdige Beschäftigungspraktiken – Scheinselbstständig­keiten – einreißen, und da braucht es europäische Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie dringend, da von der Bremse zu steigen und von Nationalismen abzusehen und diese Antworten auch zuzulassen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.49

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. –Bitte, Herr Bundesrat.