11.28

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren, die uns zu Hause via ORF III sozusagen live zugeschaltet sind – herzlich willkommen im Bundes­rat! Zum vorliegenden Gesetzentwurf muss man sagen: Ja, die Covid-Pandemie hat es natürlich auch notwendig gemacht, dass man diverse Sonderregelun­gen trifft, gerade auch im Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes, des Asylge­setzes. Wir haben es heute schon gehört, das muss ich, glaube ich, nicht noch einmal näher ausführen.

Sollen also etliche dieser Sonderregelungen, die sich als durchaus sinnvoll erwiesen haben, noch einmal verlängert werden? Diese neuerliche Verlängerung wird letztendlich unsere Zustimmung erhalten, noch einmal unsere Zustim­mung erhalten. Warum sage ich das? – Ich denke, es wäre langsam an der Zeit, sich zu überlegen, was sich davon tatsächlich so bewährt hat, dass es ins Dauerrecht übernommen werden kann und soll. Man hat gehört, das soll passie­ren, aber im Ausschuss ist uns nicht konkret beantwortet worden, welche Regelungen das dann genau sein sollen.

Entweder gibt es dazu also, entgegen der Ankündigung, doch noch keinen wirklich konkreten Plan oder es wird im stillen Kämmerlein ausgemacht – wer weiß das schon so genau? Aber wie auch immer: Wir erwarten da ein­mal mehr ganz konkrete Taten nach den Worten, die wir immer wieder hören.

Ich möchte auch ein paar Worte zur Asylthematik ganz generell verlieren: zum einen weil ich es – da muss ich der FPÖ zumindest zu einem kleinen Teil recht geben – schade finde, dass wir heute keine Gelegenheit haben, hier auch mit dem Herrn Innenminister über diese Thematik zu debattieren; und zum anderen, weil ich den Eindruck habe, dass es einige Aspekte gibt, die ganz, ganz dringend behandelt und ausgesprochen werden müssen.

In Wahrheit ist es eigentlich völlig unerheblich, wer auf der Regierungsbank Platz nimmt, die Antworten der Regierungsmitglieder sind ohnehin dieselben (Bun­desrat Buchmann: Weil sie gut sind! – weiterer Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!), wie wir in den vergangenen Wochen immer wieder gehört und bestätigt be­kommen haben. (Bundesrat Bader: Wenn du dir deine eigene Wahrheit konstruieren willst!) – Herr Kollege, Sie können mir zuerst zuhören und sich dann auch noch zu Wort melden, wenn Sie das für notwendig erachten. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Bader.)

Wissen Sie, was ich absolut bedenklich finde? – Immer dann, wenn es für die ÖVP – aktuell eben für die ÖVP in Niederösterreich – gerade eng wird, wenn es irgendwo neue Chatprotokolle gibt, wenn mutmaßliche Korruptionsvorwürfe im Raum stehen (Ruf bei der ÖVP: Aber immer nur Vorwürfe! Immer nur mut­maßlich!), wenn von mutmaßlichem Postenschacher die Rede ist, wenn man, wie in den vergangenen Tagen, dort und da liest und hört, dass auch in der me­dialen Berichterstattung zugunsten der Volkspartei interveniert wird – ja, so et­was gibt es durchaus (Rufe bei der ÖVP: In Wien wird das anders sein! Da fällt einem nur Wien ein! Das Burgenland auch!) –, dann kommt die Volkspartei daher und zettelt ganz schnell eine Asyldebatte an. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP gibt es also neuerdings mit freiheitlichem Spin, die Volkspartei als die neuen Freiheitlichen. Zieht euch warm an, FPÖ, ihr kriegt offensichtlich Konkurrenz (Bundesrat Spanring: Nein, bitte!), denn jetzt gibt es auf einmal Blau statt Blau-Gelb, weil es gerade in den Wahlkampf passt!

Stichwort Zelte: Da werden jetzt also, sozusagen ganz hysterisch, Zeltstädte in Österreich aufgebaut, weil es der Herr Innenminister, der dafür zuständig wäre, in Wahrheit nicht schafft, dass alle Bundesländer ihre Quoten erfüllen und wir daher Unterbringungsmöglichkeiten brauchen. (Bundesrat Schennach: Bis auf zwei!) – Zwei von neun Bundesländern schaffen es, sieben tun das nicht.

Und wie – natürlich unter Anführungszeichen – „angenehm“ das bei den ak­tuellen Temperaturen unter null ist, kann sich die Volkspartei ganz offensichtlich nicht vorstellen. Ich würde vorschlagen, Sie versuchen einmal zwei bis drei Wochen lang bei den aktuell winterlichen Bedingungen einen Urlaub im unbe­heizten Zelt zu verbringen (Bundesrat Himmer: Wieso Urlaub?), so lange sind Flüchtlinge dort nämlich offensichtlich untergebracht: im Durchschnitt zwei bis drei Wochen. Wobei der Herr Innenminister ja dauernd betont, es sei eigent­lich gar keine Unterbringung, das sei ja nur eine Registrierung. Seien Sie mir nicht böse: Den Menschen dort ist es relativ wurscht, wie man es nennt.

Unterm Strich ist es eine menschliche Tragödie, die sich da abspielt. Und unterm Strich muss man sagen, dass der Herr Innenminister seiner Aufgabe da nicht nachkommt. Ganz aktuell ist natürlich auch die Situation im Erstaufnahme­zentrum in Traiskirchen. Erst vor wenigen Wochen gab es in den Medien einen ganz dramatischen Bericht von Herrn Bürgermeister Andi Babler (Bundesrat Preineder: Bla, bla!), in dem es heißt:

„Wir haben in den vergangene Wochen 700 obdachlose Menschen versorgt – Menschen, die vom System obdachlos gemacht wurden“, klagt der Traiskirchner Bürgermeister. Und weiters heißt es: „Die geflüchteten Menschen werden quer durch Österreich geschickt, landen dann spät abends in Traiskirchen. Das Lager sei heillos überfüllt, weil niemand die Menschen auf andere Bundes­länder verteilt.“ Und er „sieht in dem Problem politisches Kalkül – es geht um 4.000 Menschen, die in der Grundversorgung sind. Nicht viele für ein Land wie Österreich. Babler sparte dabei nicht mit scharfer Kritik an der Vor­gehensweise der Bundesregierung. ‚Wie man heute sieht, ist das ein gewünschtes Thema, um von anderen Sachen abzulenken, die der ÖVP nicht gut zu Gesicht stehen‘“ und vieles anderes mehr.

An dieser Stelle möchte ich ein großes Danke an alle Freiwilligen und Ehrenamtlichen richten, die sich nach wie vor so toll in der Flüchtlingshilfe engagieren (Beifall bei der SPÖ) und die alles tun, um gerade den Familien, den Kindern, wie sie auch in Traiskirchen untergebracht sind, die neben den eh schon tragischen Fluchtursachen jetzt noch zusätzlich solche unmenschlichen Zu­stände ertragen müssen, weiterhin zu helfen. Danke dafür!

Stichwort Kommunikation mit betroffenen Gemeinden: Nicht selten berichten Bürgermeister, dass sie, was die Zelte in ihren Gemeinden betrifft, vor vollendete Tatsachen gestellt werden, dass der Minister im Vorfeld nie das Ge­spräch gesucht hat. Die Gemeinde Kindberg ist dafür ein Beispiel. Dass die Bevölkerung verunsichert ist, weil man sie vor vollendete Tatsachen stellt, ist dann natürlich auch keine große Überraschung.

Stichwort Grenzzäune: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als einer Ihrer Kanzler – er hat, glaube ich, Kurz geheißen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na!) – die Mittelmeerroute geschlossen hat und, ich glaube, die Balkanroute und vieles andere auch (Bundesrat Preineder: Weißt du es oder glaubst du es?), aber jetzt brauchen wir plötzlich Zäune. Also ich kenne mich langsam nicht mehr aus. Erst vor wenigen Tagen und auch heute in der Aktuellen Stunde haben (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) Sie ja selbst bestätigt, dass diese Zäune unbedingt notwendig sind.

Wenn man aber nur ein bisschen weiter über die österreichische Grenze hinaus schaut, stellt man fest, dass es solche Zäune an den Grenzen ja längst gibt, zum Beispiel zwischen Ungarn und Serbien, und dass diese noch dazu unter Strom stehen. Dennoch kommen nach wie vor Menschen, noch dazu unregistriert, nach Österreich, und was noch erschwerend hinzukommt: Das Schleppergeschäft floriert weiterhin, und das wünschen wir uns alle nicht. Die Zahlen sprechen leider für sich: 98 Prozent aller Aufgriffe erfolgen im Osten, sprich im Burgenland, wohin die Menschen über Ungarn kommen. Das heißt, die Zäune wirken nicht, sie funktionieren nicht. Die Menschen kommen trotzdem zu uns nach Österreich und suchen hier Schutz. (Ruf bei der ÖVP: 42 Kilometer Zaun ...!) Ich frage mich, was als Nächstes kommt: eine Mauer à la Trump? So viel zum Friedensprojekt EU – ich glaube, davon haben wir heute schon etwas gehört –, so viel zur Solidarität innerhalb der EU.

Ich frage mich aber auch: Wo ist der Herr Bundeskanzler, der sich ja sonst eher hemdsärmelig darstellen lässt und sich sonst auch gerne wichtigmacht? (Bundesrat Buchmann: Hallo! – Bundesrat Preineder: Und was machen Sie gerade, Frau Kollegin? Machen Sie sich nicht gerade wichtig?) Wieso werden nicht längst multilaterale Gespräche auf gesamter EU-Ebene geführt? Wieso werden keine Gespräche mit dem Kollegen Orbán geführt, mit dem, so dachte ich, die ÖVP ja ohnehin auf Du und Du ist? (Bundesrat Bader: Wo ist denn dein Lösungsvorschlag?)

Wenn man das alles zusammenzählt, stellt man fest: Man will die Asylproblematik gar nicht lösen, ganz im Gegenteil, man will sie am Köcheln halten und damit politisches Kleingeld wechseln (Beifall bei der SPÖ), um – ganz besonders jetzt, vor der Landtagswahl in Niederösterreich – von unange­nehmen Themen abzulenken. (Bundesrat Bader – erheitert –: Was ist denn deine Idee? Vorschläge! – Bundesrätin Grimling: Warum? Ihr seid in der Regierung!) Was mich sehr bestürzt, ist, dass die Grünen da mitmachen, das ist völlig unverständlich.

Dass man sich vielleicht Gedanken über die Fluchtursachen macht, und schaut, wie man diese lösen kann: Fehlanzeige! Dass man schaut, dass man straf­fällig gewordene Asylwerber auch tatsächlich abschiebt: Fehlanzeige! (Bundesrä­tin Schartel: Das ist ja ganz neu von der SPÖ!) Dass man darauf achtet, dass Flüchtlinge, die sich nicht aus Jux und Tollerei auf den Weg machen, menschlich untergebracht und staatlich gut versorgt werden: Fehlanzeige! (Bundesrat Preineder: Asylanten aufnehmen, aber nicht Flüchtlinge!) Menschenrechte, Kinder­rechte sind für die ÖVP nach eigenen Aussagen ja sowieso nicht in Stein gemeißelt und ich könnte diese Liste noch weiter fortsetzen.

Abschließend: Man hat mir einmal erklärt – das ist aber zugegebenermaßen schon länger her –, dass die ÖVP das Christlich-Soziale in ihren Wurzeln habe. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, das stimmt auch! – Bundesrätin Grim­ling: Wo?) Dafür gilt offensichtlich und ganz bestimmt die Unschuldsvermutung. Vielleicht kann man sich ja zu Weihnachten wieder auf diese Werte besin­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Super! – Bundesrat Bader: Christlich-sozial ...!)

11.38

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.