14.57

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundeminister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir es bereits im Bericht gehört haben, geht es wieder einmal – das kennen wir auch schon – um die unterschiedlichsten Themen im Bildungsbereich, die in Wahrheit ursächlich nicht viel bis gar nichts miteinander zu tun haben.

Wieder einmal, und auch das kennen wir leider schon, war die Begutach­tungsfrist außergewöhnlich kurz, nämlich zwei statt sechs Wochen, oder noch genauer: exakt sieben Werktage, davon ein Fenstertag, und Herbstferien waren auch gerade. Also damit Expertinnen und Experten profunde Stellung-nahmen hätten abgeben können, war die Zeit wohl doch ein bisschen kurz; aber ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Tatsächlich ist einiges drinnen, muss man sagen, was diskussionswürdig ist und was wir durchaus kritisch sehen, zunächst einmal was die Erweiterung der IKM-plus-Kompetenzmessungen betrifft. Da kann man schon ein bisschen den Eindruck bekommen, in Österreich ist an den Schulen die chronische Testitis ausgebrochen. Unter Minister Faßmann ist ja diese verpflichtende Tes­tung eingeführt worden, auch schon in den Volksschulen, und ausgeweitet worden. Das konkrete Testfenster ist ja gestern erst zu Ende gegangen. Da sollen neben Deutsch, Mathematik und Englisch als Basismodulen jetzt auch noch weitere Kompetenzen abgefragt werden. Da ist konkret die Rede von überfachlichen Kompetenzen und vor allem von motivationalen lernme­thodischen und sozialen Kompetenzen – hört, hört!

Man muss dazusagen, aus meiner Praxis - - (Bundesminister Polaschek spricht mit Vizepräsident Novak.) – Ich warte noch, bis der Herr Minister wieder so weit aufmerksam ist, dass er aus meiner Praxis auch ein bisschen etwas mitbekommt. (Bundesminister Polaschek: Ich kann auch zuhören, ich bin multitaskingfähig! – Ruf bei der ÖVP: Das sind nur Frauen!) – Ah, es freut mich, dass Multitasking mög­lich ist.

An meiner Mittelschule habe ich vor etwa 14 Tagen diese verpflichtende Testung selbst durchgeführt. Ich habe es mit meiner Mathematikklasse – einer 7. Klasse – durchgeführt, und ich muss sagen: Grundsätzlich d’accord, ich bin natürlich damit einverstanden und verstehe auch völlig, dass man eine ge­wisse Menge an statistischen Daten braucht, um dann entsprechende bildungspolitische Maßnahmen ableiten zu können. Alles klar, damit bin ich so weit d’accord.

Ich kann mir eine Beurteilung aber trotzdem nicht ersparen. Ich habe ein bissel den Eindruck, man ist nicht ganz darüber im Bilde, was Pädagoginnen und Pädagogen den ganzen Tag leisten.

Nehmen wir nur die letzten drei Jahre her, die extrem herausfordernd waren – wir wissen ja warum, ich muss das jetzt nicht noch einmal wiederholen –: Jetzt geht es darum, alle Langzeitfolgen, mit denen wir uns wahrscheinlich noch viele Jahre werden beschäftigen müssen, aufzuarbeiten. Es geht darum, Lernrückstände aufzuholen, psychosoziale Folgen abzufedern, sich um psychi­sche Probleme zu kümmern und sie dann auch gemeinsam mit den Schüle­rinnen und Schülern aufzuarbeiten. Dazu kommt auch noch die Digitalisierung, die eine weitere große Herausforderung darstellt.

Auch gibt es ja leider nach wie vor eine überbordende Flut an administrativen Tätigkeiten für die Lehrkräfte, aber vor allem natürlich für die Leiterinnen und Leiter der Schulen, und zusätzlich haben wir noch den Lehrer:innenmangel – und wir alle wissen, wovon da die Rede ist. Jetzt soll da offensichtlich dau­ernd irgendwo IKM-getestet werden, wobei ich mich frage: Wie will man soziale Kompetenzen mit einem standardisierten Verfahren wirklich überprüfen, wie will man die Kompetenzen in Bezug auf die Lernmethoden überprüfen? – Na ja, okay.

Der Experte im Ausschuss hat uns jetzt zumindest darauf hingewiesen – und uns auch ein bissel beruhigt, wenn man so möchte –, dass es sich bei diesen moti­vationalen und lernmethodischen Kompetenzen nicht um eine Testung wie in Deutsch, Mathematik oder Englisch handelt, sondern dass es lediglich um den Einsatz von Einschätzungsbögen geht. Mir ist dennoch nicht wirklich klar, welches Ziel damit eigentlich verfolgt wird.

Was mache ich als Lehrerin mit der Information, dass eine Schülerin, ein Schüler nicht ausreichend lernmotiviert ist? Was mache ich, wenn der Einschät­zungsbogen ergibt, dass die lernmethodischen Gegebenheiten nicht förderlich sind, dass es da Nachholbedarf gibt? Bekomme ich als Lehrerin dann auch nur eine einzige Stunde mehr, bekomme ich dadurch mehr finanzielle Ressour­cen? Das kann ich mir schwer vorstellen.

Man kann außerdem schon davon ausgehen, dass die Lehrkräfte in Österreich über mehr als genügend pädagogische Expertise verfügen, um auch ohne einen standardisierten Einschätzungsbogen erkennen zu können, welches Kind unter Umständen Förderbedarf hat und welches nicht.

Dann heißt es im Gesetzentwurf noch, dass diese Testungen nach Bedarf verpflichtend sind, und ich muss gestehen: Dazu steht bei mir ein großes Frage­zeichen. Wie sieht dieser Bedarf konkret aus? Wann ist dieser Bedarf kon­kret gegeben? Anhand welcher Kriterien soll das bewertet werden? Auch das konnte im Ausschuss nicht beantwortet werden. Das heißt, wir sollen da so eine Art Blackbox beschließen, bei der man eigentlich bis dato gar nicht weiß, was wirklich drinnen steckt. – Sorry, aber das geht sich nicht aus.

Eines muss ich immerhin als positiv hervorheben: Ich habe im Ausschuss die Frage gestellt, wie die Referenzwerte bei den Basismodulen mit den ös­terreichweiten Werten und den Vergleichswerten von Mittelschule und AHS zustande kommen, zumal ja der Durchführungszeitraum, wie ich schon ge­sagt habe, erst gestern zu Ende gegangen ist und für mich einfach nicht klar war, woher dann diese Referenzwerte kommen können. Das hat uns der Exper­te dann dankenswerterweise wirklich noch prompt nachgeliefert. – Vielen Dank dafür, somit ist das für mich auch positiv geklärt.

Ich habe aber noch einen Kritikpunkt, den ich unbedingt anbringen muss, und dieser betrifft die Ausbildungsarchitektur in der Elementarpädagogik, wie sie jetzt beschrieben wird. Aus unserer Sicht ist einfach nicht klar, wie sich Kollegs und Lehrgänge für Quereinsteiger:innen in diese neue Ausbildungsarchitektur tatsächlich einpassen sollen. Für uns geht es da auch um die Frage der facheinschlägigen Berufspraxis, die dann ja im Masterstudium keine Voraussetzung und offensichtlich auch kein wirklich wesentlicher Teil der Ausbildung mehr ist.

Es gibt dann noch eine weitere, für uns völlig ungeklärte Frage zu den so­genannten gruppenführenden Pädagog:innen, von denen im Gesetzentwurf die Rede ist: Wie genau sollen diese in Zukunft in die Entlohnung eingepflegt werden? Bis dato gibt es ja drei unterschiedliche Gruppen von elementarpädago­gischen Mitarbeiter:innen: die sogenannten Helfer:innen, wenn man es so nennen möchte (Bundesrätin Schumann: Assistent:innen!), die Pädagog:innen und die Leiter:innen, und jetzt kommt irgendwo eine zusätzliche Gruppe, eben die gruppenführenden Pädagoginnen und Pädagogen, dazu. Das ist ganz klar ei­ne Kompetenzfrage zwischen Bund, Land und Gemeinden, die es unbedingt zu klären gilt, die wir aber offensichtlich, zumindest laut der Information im Aus­schuss, noch nicht geklärt haben. Abgesehen davon wird es dafür natürlich auch finanzielle Ressourcen brauchen.

Unter dem Strich sind das für uns einfach zu viele Kritikpunkte, um unsere Zustimmung erteilen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte meine Rede aber natürlich nicht negativ beschließen, sondern möchte an dieser Stelle meinen Kolleginnen und Kollegen draußen an den Schulen, den Schülerinnen und Schülern, ganz besonders den Schulleiter:in­nen und natürlich auch Ihnen allen frohe Weihnachten wünschen. Mögen die bevorstehenden Feiertage und auch der Jahreswechsel etwas ruhiger wer­den, damit wir das neue Jahr dann auch ruhig und mit neuer Energie an­gehen können!

Zu unserer Präsidentin Korinna Schumann: Da es auch meine letzte Rede in die­sem Jahr ist, möchte ich dir noch abschließend zu deiner wirklich sehr, sehr erfolgreichen und großartigen Präsidentschaft gratulieren. Ich glaube, es hat da einige sensationelle Ergebnisse gegeben, an denen man unbedingt weiter­arbeiten muss. Herzliche Gratulation und vielen Dank für dein Engagement und deinen Einsatz! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Zwazl und Arlamovsky.)

15.06

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.