10.22

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie­be Interessierte, die den Livestream mitverfolgen! Kommen wir wieder zurück zum Thema! (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Das Burgenland ist schon ein sehr spezielles Stückchen Österreich, das darf ich, glaube ich, auch als Steirerin hier so sagen. Wir haben es schon gehört: Es ist unser jüngstes Bundesland, das heuer auch seine hundertjährige Zugehörig­keit zur Republik Österreich feiert. (Rufe bei der SPÖ: Nein! Gefeiert hat!) – Doch, die letzten Gemeinden sind erst heuer dazugekommen, das habe ich extra nachgeschaut. (Heiterkeit der Rednerin. – Zwischenbemerkung von Landes­hauptmann Doskozil.) – Der Herr Landeshauptmann stimmt mir zu, sehr schön. (Bundesrat Schreuder: Historikerkommision!) – Genau.

Durch seine idealen klimatischen Voraussetzungen, mit diesen warmen, trocke­nen Winden aus der Pannonischen Tiefebene und den schweren, tiefgrün­digen Lehmböden ist es, wie wir alle wissen, auch die Heimat großartiger Rot­weine. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... großartiger Rotwein! – Ruf bei der FPÖ: ... Uhudler! – Zwischen­rufe der Bundesräte Preineder und Himmer.) – Ja, das ist so. Mit dem Neusiedler See verfügt das Burgenland auch über ein Naturparadies, in dem allein 340 Vogelarten ihren artgeschützten Lebensraum finden.

Mir scheint aber, auch in der Politik geht das Burgenland gerne seinen eigenen Weg. Beim wichtigen Thema Pflege, das Günter Kovacs ja als Schwer­punktthema des burgenländischen Bundesratsvorsitzes im nächsten Halbjahr gewählt hat, ist das Burgenland mit einem Anstellungsmodell für pflegen­de Angehörige österreichweit in die Vorlage gegangen. Das ist grundsätzlich ein Modell, das auf den ersten Blick sehr gut aussieht, beim näheren Hin­schauen zeigen sich aber durchaus einige Fallstricke.

Warum? – Ein großes Problem ist das der Finanzierung. Die zu pflegenden Men­schen liefern ihr Pflegegeld ab, in Pflegestufe 3 sind das 90 Prozent, und dafür gibt es eine 20-Stunden-Anstellung für eine Angehörige oder einen Ange­hörigen. Die zusätzlich notwendigen pflegerischen Fachdienste müssen aber selbst bezahlt werden. Das geht sich von den verbleibenden 10 Prozent des Pflegegeldes schlichtweg nicht aus.

Ein weiteres Problem ist, dass der oder die pflegende Angehörige während der Dienstzeit nur Betreuungshandlungen und keine pflegerischen Tätigkeiten vollziehen darf, weil die Angehörigen ja keine Pflegeausbildung haben. Es kann ihnen selbstverständlich niemand verbieten, in ihrer Freizeit pflegerische Maßnahmen zu setzen. Darum ist das auch gängige Praxis. Es ist allerdings nicht geklärt, was passiert, wenn in der Dienstzeit eine pflegerische Handlung ge­setzt wird und dabei vielleicht auch ein Pflegefehler passiert: Wer haftet dann?

Ein drittes Problem, das nicht gelöst ist, ist, dass das Dienstverhältnis, das der pflegende Angehörige mit der Pflegeservice Burgenland GmbH hat, ohne Übergangsfrist mit dem Tod des zu Pflegenden endet. Das ist aus Arbeitneh­mer:innensicht eine fatale Schlechterstellung gegenüber anderen Arbeitsverhältnissen.

Bis heute fehlt auch die lange versprochene Evaluierung des Projektes. Allein auf mündliche Auskünfte ausgewählter Gesprächspartner:innen zu setzen, ermöglicht keine seriöse Auswertung, wie sich das Projekt in der Praxis bewährt hat.

In einem weiteren Schritt hat die burgenländische Landesregierung beschlossen, auch die mobile Pflege im Burgenland neu aufzustellen. Ein Institut wurde beauftragt, dazu einen Plan zu erstellen. Das Ergebnis war, dass die vorhandene Struktur völlig aufgelöst wird und stattdessen 71 Pflegestützpunkte errich­tet werden. Die vorgesehenen 71 Pflegestützpunkte decken jeweils eine Region ab und sollen dort Hauskrankenpflege, betreutes Wohnen, Tagesbetreuung sowie Pflege- und Sozialberatung organisieren.

Das ist ein Schritt, der von Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotem Kreuz und Volkshilfe scharf kritisiert wird: Das neue Modell sei unausgegoren und über die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen hinweg entwickelt worden. So­wohl Angestellte dieser Organisationen als auch Patientinnen und Patienten beziehungsweise Kundinnen und Kunden haben eine Beziehung zu ihrer langjährig vertrauten Pflegeorganisation aufgebaut und können nicht einfach wie Figuren auf einem Spielfeld in eine andere Struktur verschoben werden.

Wenn die Trägerorganisationen das neue Pflegesystem des Burgenlands derart hart kritisieren und von einer Zerschlagung eines funktionierenden Sys­tems sprechen, müssen bei Ihnen, Herr Landeshauptmann, doch eigentlich die Alarmglocken läuten. Das Burgenland rühmt sich, Reformen im Pflegebe­reich zügig anzugehen, verweigert dazu aber scheinbar den ernsthaften Dialog und die Verhandlung mit denen, die die Pflege tatsächlich in der Praxis vollziehen und managen.

Man kann hier nicht stehen und über ein Bundesland reden, ohne auch auf das Thema Raumordnung einzugehen, denn der Bodenschutz und der sorgsa­me Umgang mit der Ressource Boden sind ein zentrales grünes Anliegen in allen Bundesländern. Während bestehende Ortskerne ausbluten, werden unauf­hörlich lebendige Böden zubetoniert. Diese Verschwendungspolitik vernichtet Lebensräume für Tiere und Pflanzen, heizt dem Klima ein, zerstört kost­bare Anbauflächen für unsere Nahrung und gefährdet letztendlich unsere Le­bensgrundlage.

Das Burgenland hat im Bundesländervergleich die höchste Pro-Kopf-Quote an Bodenversiegelung. Mit der Änderung des Raumplanungsgesetzes, das dem Wildwuchs von Einkaufszentren an Ortsrändern einen ersten Riegel vor­schiebt, hat das Burgenland einen wichtigen Schritt in die richtige Rich­tung gesetzt. Wenn es aber dem Burgenland mit dem Schutz von unverbrauch­ten Böden ernst ist, dann verstehe ich nicht ganz, warum man von Plänen, wie beispielsweise im Bezirk Neusiedl am See ein neues Krankenhaus mitten in die Weingärten, in ein Naturschutzgebiet zu setzen, nicht abweicht.

Ausnahmen und Hintertürchen finden sich auch in der jüngst beschlossenen Baulandmobilisierungsmaßnahme, sodass wichtige Schritte zwar in der Kommunikation nach außen gut verkaufbar sind, dann aber in Wahrheit doch eher zahnlos bleiben. Leider fehlt da seitens der burgenländischen Lan­desregierung anscheinend der Mut zu konsequentem Bodenschutz, um der mas­siven Bodenversiegelung Einhalt zu gebieten.

Herr Landeshauptmann, Herr Bundesratspräsident, abschließend bleibt mir nur zu hoffen, dass dieses Leben des „Miteinander“ und das „gegenseitige Verständnis“ mehr sind als nur eine hohle Phrase, dass wir wirklich ernsthaft bestrebt sind, kooperativ zu agieren, um die konstruktive Zusammenar­beit aller im Sinne gemeinsamer Anliegen in den Vordergrund unserer Arbeit zu stellen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.30

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.