10.37

Landeshauptmann von Burgenland Mag. Hans Peter Doskozil: Werte Mitglieder des Bundesrates! Es sei mir gestattet, vielleicht auf den einen oder anderen Redner, die eine oder andere Rednerin kurz einzugehen.

Bei der Rede des Herrn Bundesrates Hirczy habe ich mich irgendwie an eine burgenländische Landtagssitzung erinnert gefühlt. Also ich glaube, er hat hier die Protokolle einer burgenländischen Landtagssitzung verlesen. Das ist natür­lich – das möchte ich an dieser Stelle auch klar sagen – derzeit die Politik, mit der wir uns im Burgenland konfrontiert sehen.

Es ist natürlich schwierig, wenn man Jahre hindurch – da rede ich von den letzten 60, 70 Jahren des Burgenlandes – mit einer Proporzregierung ausgestattet war. Sie kennen die jüngere Geschichte und die Entwicklung, das sind immer Lernprozesse, das sind für die Sozialdemokratische Partei auf Bundesebene immer Lernprozesse, das möchte ich gar nicht abstreiten, und das ist auch für eine Oppositionspartei auf Landesebene jetzt ein Lernprozess.

Ich möchte aber an dieser Stelle schon zwei, drei wesentliche Dinge betonen: Hätten wir nach wie vor diese Proporzregierung, wie es im Burgenland bis 2015 üblich war, hätten wir den Mindestlohn nicht einführen und umsetzen können. Wir hätten den Gratiskindergarten höchstwahrscheinlich nicht in dieser Dimension umsetzen können. Wir hätten – ich komme auch inhaltlich da­zu – die Verkehrsbetriebe, die angesprochen wurden, im südlichen Teil des Burgenlandes, wo eigentlich der Ausgangspunkt dieser Idee war, nicht umsetzen können. Wir hätten – das ist der zweite Punkt, auf den ich eingehen will – auch die Pflegeaspekte und die Pflegereform in dieser Dimension nicht umset­zen können.

Mir ist bewusst, dass es, wenn man eine absolute Mehrheit, eine absolute Re­gierungsmehrheit hat, schwierig ist, damit auch umzugehen. Es ist auch wichtig, ein gewisses Maß an Demut an den Tag zu legen und immer wieder zu wissen, wer einem diese Möglichkeiten verliehen hat, nämlich dass es die Bevölkerung ist und nicht sonst irgendjemand. Daher leben wir diese Regierungsmehrheit und diese absolute Mehrheit in einer Koalition mit der Bevölkerung.

Es wurde gesagt, dass wir so einen hohen Verschuldungsgrad haben: Wir – das Burgendland – brauchten im letzten Jahr keine Neuverschuldung. Wir ha­ben historische Zahlungsmittelreserven, wir brauchten keine Neuverschuldung. Wir haben ein Toprating von Standard and Poor’s, das müssen Sie an die­ser Stelle auch erwähnen. Natürlich haben wir gesamtheitlich, die Holding inbe­griffen, ein gewisses Maß an Verschuldung, aber dem – der Verschuldung der Holding – stehen ja natürlich massive Werte gegenüber! Auch das muss man bei einer Schuldendiskussion in weiterer Folge schon sagen.

Wenn davon geredet wird, dass heute von der Burgenland Energie möglicher­weise Übergewinnsteuer abgeführt werden soll – ja, dann hat man höchst­wahrscheinlich irgendetwas versäumt. Na, wer bekommt denn mittlerweile die Übergewinne der Energieerzeuger? – Diese bekommt mittlerweile der Finanzminister. Die kann man höchstwahrscheinlich gar nicht mehr abführen und dem einzelnen Burgenländer rückübermitteln. – So viel dazu.

An dieser Stelle sei wohl angemerkt: Das Burgenland hat stabile Finanzen – das ist unsere Aufgabe – und es wird auch in Zukunft stabile Finanzen haben. Das bestätigen auch – das ist ganz wesentlich, und daher machen wir das auch jedes Jahr – die Ratingagenturen.

Zur Pflege – auch das ist ein ganz wesentliches Thema, die Pflege wurde ja auch hier im Diskurs in den Mittelpunkt gestellt – erzähle ich Ihnen jetzt nur zwei Sachverhalte, und Sie können dann selbst urteilen, was man daraus macht.

Wir haben teilweise eine Situation, und das wird in anderen Bundesländern gar nicht anders sein, dass, wenn heute stationäre Pflege betrieben wird, das heißt, wenn ein Pflegeheim betrieben wird, wir diese Pflegeheime mit Tagsätzen des Landes finanzieren, die teilweise, bis zu einem gewissen Grad, mit den Einbehaltungen der zu Pflegenden – das betrifft in Pflegeheimen das Pflegegeld und auch 80 Prozent der Pensionsleistungen – mitfinanziert werden.

So werden Pflegeheime finanziert, und diese Tagsätze bilden den Betrieb eines Pflegeheimes und bilden andererseits die Immobilie Pflegeheim ab. Mittler­weile passiert die Refinanzierung der Immobilienanteile so, dass diese Immobi­lienanteile über die Tagsätze statisch bezahlt werden, und die Pflege­heimbetreiber mittlerweile ein Modell entwickelt haben, dass sie auf der Vis-à-vis-Seite des Landes, der öffentlichen Hand, nicht nur eine Betriebsge­sellschaft, sondern auch eine Besitzgesellschaft haben. Die Betriebsgesellschaft zahlt der Besitzgesellschaft dann natürlich statisch immer wieder Miete.

Das heißt, die öffentliche Hand refinanziert, refinanziert, refinanziert und zahlt ein Pflegeheim zwei-, drei-, viermal. Und das Beste an diesen Modellen ist, dass wir dann, wenn irgendein Pflegeheimbetreiber – mittlerweile ist das im Bur­genland schon zweimal passiert; aktuell wieder – die Immobilie dann noch ins Ausland verkauft, an einen Immobilienfonds verkauft, mit unseren Tagsätzen die Rendite des Fonds bedienen. Daher haben wir diesen Riegel einge­schoben! Das führt jetzt natürlich zu Diskussionen. Pflege muss gemeinnützig sein, auch gesetzlich gemeinnützig, nicht nur verbal: Wir sind gemeinnützig!, son­dern tatsächlich gemeinnützig.

Dann sage ich Ihnen noch zwei Aspekte, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, weil wir dadurch, durch diese Strukturveränderung, natürlich bud­getär umschichten können und diese Dichte an Pflege auch sicherstellen kön­nen: Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wenn Sie heute eine mobile Haus­krankenpflege ordern, was eine solche kostet. Das ist ein bisschen unterschied­lich: Je nach Ausbildungsgrad der betreffenden Person – des betreffenden Mitarbeiters, der betreffenden Mitarbeiterin – kostet eine mobile Hauskranken­pflege im Stundensatz zwischen 75 und 85 Euro. Ungefähr 25, 26 Euro, so ist es im Burgenland, beträgt der Selbstbehalt des Betroffenen.

Wissen Sie, was im Notarztwesen ein Rettungsdienstfahrzeug mit einem aus­gebildeten hauptberuflichen Sanitäter und einem Zivildiener kostet? – 70 Euro. Da zahlen wir 70 Euro! Da müssen wir das Fahrzeug refinanzieren, da müssen wir die Sonderausrüstung refinanzieren, da müssen wir einen hauptamtlich ausgebildeten und beschäftigten Sanitäter bei den Rettungsorga­nisationen refinanzieren. Da müssen wir auch den Zivildiener refinanzie­ren, auch der bekommt eine Zivildienstentschädigung.

Können Sie da zuschauen? Ich kann da nicht zuschauen! Das passt für mich nicht, da ist ein Missverhältnis, und genau das sind die Dinge, die ich vorhin auch ganz klar angesprochen habe: Wenn wir bestmögliche Versorgung – das ist in der Gesundheit, in der Pflege und in vielen anderen Lebensbereichen so – mit den vorhandenen Mitteln – auch wir im Burgenland haben keine Geld­druckmaschinen im Keller und die hat auch der Finanzminister nicht – sicherstel­len wollen, dann müssen wir auch diese Themen ansprechen.

Das ist nicht angenehm. Das ist mit Sicherheit nicht angenehm für die Betreiber von Pflegeheimen und in weiterer Folge von NGO-Organisationen, aber wir haben das angesprochen. Ich glaube, das haben Sie in der Diskussion im Burgenland offensichtlich noch mitbekommen. Wir haben das angesprochen, es gibt einen Diskurs mit allen Pflegeanbietern. Es gibt auch eine Einigung mit allen Pflegeanbietern. Es gibt keine öffentliche Diskussion mehr über diesen neuen Weg der Pflege, den wir mit den 71 Pflegestützpunkten gehen.

Nur, was bringt in weiterer Folge unsere Umstellung auf nicht stundenweise Ab­geltung – Abgeltung per Stundensatz – in der Pflege mit sich? Das haben Sie nämlich nicht erwähnt. – Es bringt mit sich – und das ist nicht nur im öffentli­chen Dienst so, sondern zukünftig auch in der stationären, in der mobilen Pflege –, dass jeder, der dort arbeitet, auch den Mindestlohn bezahlt bekommt!

Wir können diese Änderung der Pflegestrukturen, wir können die Bezahlung des Mindestlohns vornehmen, weil wir Strukturen angreifen, weil wir hinterfra­gen. Wir brauchen für den Sektor Pflege keine höhere budgetäre Bedeckung, als sie derzeit aus dem Landesbudget gegeben ist. Daher sehe ich – das sage ich nur für das Burgenland, nicht für die anderen Bundesländer – die Finanzaus­gleichsverhandlungen im Bereich der Pflege sicherlich ein bisschen entspannter.

Ich bleibe dabei: Der wesentlichste Aspekt in dieser zukünftigen Entwicklung, auch im Bereich der Finanzausgleichsverhandlungen, wird die Spitalsfinanzierung sein. In diesem Sinne ist es wirklich mein Appell – ich kenne das natürlich, wenn man im Burgenland Oppositionspartei ist, diese Diskussionen, die Dinge, die man in den Raum stellt; man agiert dann immer mit Gerüchten, Halb­wahrheiten und mit Dingen, die man nicht verifiziert hat –: Nehmen Sie sich doch Zeit, schauen Sie sich die Strukturen an, schauen Sie, wie die Dinge tatsächlich finanziert werden, wie die Finanzströme sind, warum das so ist, und hinterfragen Sie immer alles kritisch! Nur wenn man immer alles kritisch hinterfragt, wird man auf manche Dinge draufkommen.

Die einfache Antwort – zu sagen: Wir brauchen dort mehr Geld, wir brauchen mehr Geld!, und der Status quo bleibt gleich – ist die bequemste Art, Poli­tik zu machen. Um bequem Politik zu machen, ist es aber nicht die Zeit. Das ist unsere Zeit nicht, auch nicht unsere Herausforderung, sondern wir haben auf der einen Seite andere Herausforderungen zu bewältigen und auf der ande­ren Seite sicherzustellen, dass dieses Niveau, das die Bevölkerung genau in diesen sensiblen Bereichen Pflege und Gesundheit gewohnt ist, erhalten bleibt und möglicherweise ausgebaut wird. – In diesem Sinne recht herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

10.48

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf jetzt auch Herrn Bundesrat außer Dienst Michael Raml, Stadtrat für Sicherheit und Gesundheit in Linz, bei uns begrüßen. – Herzlich will­kommen! (Beifall bei der FPÖ.)