11.20

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung.“ Als ich den Titel das erste Mal gelesen habe, musste ich scharf nachdenken, was das Wort Asylbremse genau bedeuten könnte, so es doch in meinen Au­gen zumindest ein Oxymoron ist. Asyl zu gewähren, Asyl zu beantragen ist nicht etwas, was sich steuern oder einfach bremsen lässt. Asyl bietet Schutz vor Ereignissen oder Eingriffen (Bundesrat Steiner: Auf Zeit ...!), die sich eben nicht genau vorhersehen oder steuern oder bremsen lassen. (Bundesrat Steiner: Auf Zeit ...!) Es geht in diesem Zusammenhang um Personengruppen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten so­zialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt oder unter­drückt werden beziehungsweise in ihrem eigenen Land von staatlicher Seite nicht ausreichend geschützt werden können. Diesen Menschen gebührt Asyl. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Dazu haben wir und viele andere Staaten uns in der Genfer Flüchtlingskonven­tion bekannt, die völkerrechtlich am 22. April 1954 in Kraft trat und durch die Republik Österreich am 15. April 1955 ratifiziert und mit dem Bundesgesetz­blatt Nr. 55/1955 in den österreichischen Rechtsbestand übernommen wurde. – Eine Asylbremse würde ich genau dort sehen, wo wir es den Staaten unmöglich machen, ihre Menschen so zu behandeln, dass sie fliehen müssen.

Lassen Sie mich jetzt einen Blick in die Erdbebenregionen machen: Genau dort sind wir als Staatengemeinschaft nun gefordert, schnell Hilfe vor Ort zu leisten, wie wir das auch seit dem 6. Februar tun. Dazu möchte ich an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern des Bundesheeres und allen Men­schen, die für die Opfer der Bebenkatastrophe gespendet haben, ein herzliches Danke sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Wenden wir aber den Blick noch kurz etwas genauer nach Syrien: Erst vor­gestern wurden auf Druck der Vereinten Nationen zwei weitere Grenz­übergänge geöffnet. Jetzt sind es insgesamt immer noch erst drei, an denen Hilfslieferungen in eine Region von fünf Millionen Menschen, die schon durch den jahrelangen Krieg und durch das Assad-Regime gepeinigt sind und jetzt noch zusätzlich einer Erdbebenkatastrophe ausgesetzt sind, möglich sind. Hilfeleistungen und Schutz der Menschenrechte vor Ort: Das, genau das ist es, was auf lange Sicht verhindert, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Oder betrachten wir die Situation der Frauen in Afghanistan und die Folgen der Übernahme des Staates durch das Talibanregime: Frauen und Mädchen werden dort systematisch unterdrückt, erniedrigt und auch daran gehindert, Bil­dung zu erwerben. Es wird in Zukunft zum Beispiel keine Ärztinnen mehr geben, an die sich Frauen um Hilfe wenden können, und von Männern dürfen Frauen nicht ärztlich versorgt werden. Internationale Hilfsorganisationen werden an ihrer Arbeit gehindert. – Genau da tut es besonders weh, wenn ich immer von einer Festung Europa höre. Wenn wir nämlich nicht mehr dafür eintreten, anderen Menschen Hilfen zu gewähren, damit sie auch leben beziehungsweise nur überleben können, dann ist wohl der schlechteste Zustand erreicht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Natürlich sehe ich auch die Problematik, dass Österreich und Europa nicht in der Lage sind, eine unendliche Anzahl von Menschen aufzunehmen. Daher gilt es natürlich, die Gründe für die Zuflucht nach Europa zu überprüfen und dementsprechend Schutz zu gewähren.

In letzter Zeit hören wir immer wieder von extremen Asylantragszahlen und illegaler Migration. 2022 wurden in Österreich tatsächlich 108 780 Asylanträge gestellt, es gab aber kaum einen Anstieg von Asyl­werber:innen in der Grundversorgung, weil der Großteil der Antragsteller:innen nach kurzer Zeit Österreich wieder verlassen hat beziehungsweise immer wieder verlässt. Der Anstieg der Asylwerber:innen in der Grundversorgung ver­lief von 1.1.2022 bis jetzt von circa 17 200 auf 21 000. Von den derzeit insgesamt 91 500 Menschen in der Grundversorgung sind nämlich 55 000 Menschen aus der Ukraine, wovon fast 39 000 bei Privatpersonen untergebracht sind, weiters zählen dazu noch 20 700 Asylwerber:innen, 9 000 subsidiär Schutzberechtigte und weitere kleine Gruppen wie Asylberechtigte kurz nach der Anerkennung und einige geduldete Menschen.

Wenn wir noch etwas genauer hinschauen, dann sehen wir, dass im Jahr 2022 in Summe, abgesehen von den Geflüchteten aus der Ukraine, rund 21 253 Menschen Schutz in Österreich gewährt wurde. Das bedeutet, dass diese Menschen von einer österreichischen Behörde als schutzbedürftig einge­stuft wurden und diesen Schutz somit auch benötigen. Dazu haben wir uns, wie ich schon erwähnt habe, völkerrechtlich bekannt, und das ist auch gut und richtig so.

Eine weitaus andere Problematik sehe ich aber darin, dass wir auf europäischer Ebene kein taugliches System haben, um diese Herausforderungen ge­meinsam zu bewältigen. Das liegt wohl auch daran, dass es über viele Jahre keine gute und praxisorientierte Reform des Dublinsystems gegeben hat und dieses nun vor dem faktischen Aus steht. Würde Dublin nämlich funk­tionieren, dann würden nur wenige Asylverfahren in Österreich geführt werden. Da aber die Länder an den EU-Außengrenzen über viele Jahre bei der Aufnahme von Schutzbedürftigen und der Abwicklung von Asylverfah­ren alleingelassen wurden, hat sich so manches Land schon aus dem System ausgeklinkt. Dafür nenne ich unser Nachbarland Ungarn als prominen­tes Beispiel.

Ganz interessant ist, dass Österreich sich in der Vergangenheit immer gegen einen europäischen Verteilungsschlüssel betreffend Schutzsuchende ausgesprochen hat. Nun, da wir in der Situation großer Antragszahlen sind, beginnt langsam ein Umdenken. Das ist gut, und in diese Richtung soll­ten wir weiterarbeiten. Nur ein gesamteuropäisches Konzept wird eine Entlas­tung für Österreich und schlussendlich auch für Europa bringen. Dazu ge­hören auch Maßnahmen wie die gemeinsamen Rückführungsübereinkommen und eine bedachtsame Visa- und Zuwanderungspolitik.

Am Asylrecht ist nicht zu rütteln, bei der Einhaltung und bei der Kontrolle der Menschenrechte gibt es aber sehr viel zu tun, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung. Das gemeinsame Europa muss die Flüchtlingsfrage gemeinsam lösen, und genau darauf sollte unser Fokus liegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

11.27

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Ich bitte auch Sie, die Redezeit von 10 Minuten nicht zu überschreiten. Bitte, Herr Minister.