12.56

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Mo­ment! (Bundesminister Karner hilft der Rednerin, das Redner:innenpult höherzustellen.) Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ja, hier in Österreich zu leben, hier geboren zu sein und hier heute, auch ich sage das, im wiedereröff­neten Parlament stehen zu dürfen, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und mit großer Demut, denn Österreich ist ein demokratisches, ein freies und ein si­cheres Land mit einem starken Rechtsstaat mit guten Gesetzen, entspre­chenden Sanktionen und demokratischen Kontrollen. Das ist, wie wir schmerz­lich gerade in Europa mitbekommen, nicht überall so, und das müssen wir hochhalten, bewahren und auch weiterentwickeln, und das tun wir.

Gerade beim vorigen Tagesordnungspunkt haben wir einstimmig die unab­hängige Kontrollkommission Verfassungsschutz bestätigt, ein Kontrollorgan, das das Handeln der Sicherheitspolizei, eines hochsensiblen Bereichs, darauf prüft, ob es gesetzmäßig und grundrechtskonform durchgeführt wurde. Miss­stände können damit aufgezeigt und Empfehlungen zu ihrer Behebung ausgesprochen werden, und das öffentlich. Das ist ein ähnliches Instrument wie die Volksanwaltschaft im Bereich der Verwaltung. Das sind wichtige und gute Instrumente in einem demokratischen Staat, in dem die Trennung der Ge­walten und Institutionen, deren Kontrolle und die Transparenz wesentli­che Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie sind.

Mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz verfolgen wir nun einen ähnlichen Mechanismus. Es geht dieses Mal um die redliche Führung von privaten Unternehmen und solchen, die dem Bund gehören, sowie um den öffentlichen Dienst.

Einzelpersonen – wir haben es schon gehört –, die Gesetzesverstöße, von der öffentlichen Auftragsvergabe über Umweltschutz bis hin zu Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Korruption – also weit mehr eigentlich, als der Kollege vorhin genannt hat –, in privaten Unternehmen oder im öffent­lichen Sektor wahrnehmen und aufzeigen, sogenannte Whistleblower:innen eben, müssen geschützt werden. Ja, und warum?

Auch mein Vorredner hat sie erwähnt: Julian Assange, Edward Snowden, wir kennen sie, wir kennen ihre Bedeutung für die Allgemeinheit und wir kennen aber auch ihren Leidensweg. Der Schutz der Hinweisgeber:innen ist deswegen besonders wichtig, da sie sich immer mit Mächtigen anlegen und große persönliche oder finanzielle Risiken eingehen, sei es durch Mobbing, Karrierehindernisse, den Verlust des Jobs oder gar Einschüchterungsklagen.

Den Hinweisgeber:innen soll aber genau diese Angst genommen werden. Eine Meldung soll daher in einfachen Verfahren formlos und anonym einge­bracht werden können, die Hinweisgeber:innen sollen weitestmöglich geschützt werden. Es geht hier nicht um einen Anreiz zur Denunziation oder zum Vernadern, denn Hinweise auf unredliche und illegale Geschäftsgebarung haben äußerst selten das Ziel, sich eigene Vorteile zu verschaffen, indem man andere diskreditiert. Untersuchungen zeigen sogar, das sind nur zwischen 2 und 6 Prozent der Meldungen. Und zudem: Wissentlich falsche Meldungen sind natürlich strafbar.

Bei den Whistleblower:innen unserer Zeit ist eher das Gegenteil der Fall. Um Gerechtigkeit zu erreichen, riskieren sie viel, ich habe es schon gesagt: Ruf, Geld, Erfolg, psychische Gesundheit. Und das, weil sie nicht Teil eines Systems sein wollen, das Missstände unter den Tisch kehrt oder Macht miss­braucht, sondern ganz im Gegenteil, sie legen sich genau mit diesem System und den Mächtigen in diesem System an. Genau deshalb brauchen diese Hin­weisgeber:innen Schutz. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die in diesem Gesetz geschaffene Möglichkeit der Prozesskostenhilfe durch Interessenvertretungen bietet da weit mehr Schutz, als die EU-Richtlinie es verlangt. Sie unterstützt diejenigen, die mit Einschüchterungsklagen bedroht werden. Es ist ja eigentlich verrückt, im wahrsten Sinne des Wortes, dass die, die auf eine rechtmäßige Gebarung pochen, so ein großes Risiko tragen und nicht die, die diese Unrechtmäßigkeit zu vertuschen versuchen. Das darf in einem Rechtsstaat nicht akzeptiert werden.

Zudem ist es für die Unternehmen und den öffentlichen Dienst von Vorteil, wenn Rechtsverletzungen oder korrupte Machenschaften in ihrer Organisation möglichst rasch erkannt werden. Dadurch können Entscheidungsträger:in­nen zeitgerecht reagieren und einen rechtskonformen Zustand herstellen. Aus diesem Grund sind auch die internen Meldestellen, die geschaffen werden sollen, von Bedeutung. Viele Firmen haben so etwas Ähnliches schon, und die gesetzlichen Regelungen zu den Meldeeinrichtungen sind noch dazu Min­deststandards. Also jedes Unternehmen, jedes integre Unternehmen vor allem, kann diese auch erhöhen.

Wichtig aber zu betonen ist, Hinweisgeber:innen können sich aussuchen, ob sie den Missstand bei einer internen Stelle melden wollen oder extern beim Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung. Bei beiden muss das formlos möglich sein.

Für Mitarbeitende von Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeiter:innen ist es natürlich möglich, ihre Hinweise bei der externen Meldestelle abzugeben. Der Sinn dieser Regelung war die Kostenersparnis für kleinere Unternehmen. Natürlich sind die Hinweisgeber:innen bei der externen Stelle genauso geschützt. Zudem können sie die Meldung dort sogar anonym abgeben. Darüber hinaus – auch das geht weiter als die Richtlinie – haben die externen Stellen einen besonderen Auftrag zur Information und Beratung.

Das und die bereits erwähnten Prozesskostenhilfe gehen eben weit über die Vorgaben der EU hinaus.

Ein weiterer Punkt – und da widerspreche ich meinem Kollegen von vorher – ist, dass nicht nur EU-Rechtsakte, für die der Hinweisgeber:innenschutz gilt, anwendbar sind, sondern sehr wohl auch entsprechende nationale Regelungen. (Zwischenruf des Bundesrates Obrecht.)

Zusätzlich war es uns besonders wichtig, auch die Korruptionsstraftatbestände des Strafgesetzbuchs aufzunehmen. Auch das steht nicht in der EU-Richt­linie. Da ist uns auch ein wenig gelungen, und ich verstehe eigentlich nicht, wa­rum dem nicht zugestimmt werden will.

Weil wir hier in der Länderkammer sind und gerade vor mir auch ein Vertreter von Wien die Umsetzung durch den Bund so immens kritisiert hat: Vielleicht sollte Wien zuerst vor seiner eigenen Türe kehren. Wie verständlich ist denn das erst vor einem halben Jahr veröffentlichte Wiener Hinweis­geberinnen- und Hinweisgeber-Schutzgesetz? Ich hörte, nicht sehr. (Bundesrätin Schumann: Aber es gibt es, oder nicht?) Und: Werden so wie im Bund unions­rechtliche genauso wie nationale Gesetzesverstöße behandelt? Ich hörte auch: Nein. Wir tun das mit dem heutigen Gesetz sehr wohl. Aber trotz der Un­zulänglichkeit des Wiener Gesetzes haben die Wiener Grünen und auch die ÖVP dem Vorschlag der rot-pinken Stadtregierung zugestimmt, eben weil es de­mokratiepolitisch ein wichtiges Instrument ist. (Wow-Rufe bei der SPÖ. – Bundes­rat Schennach: Unglaublich!)

Apropos Unverständlichkeit: Potenzielle Hinweisgeber:innen werden sich wohl im Internet erkundigen, wie sie ihre Hinweise am besten geschützt vor­bringen können. Dafür müssen wie erwähnt die offiziellen Stellen natürlich auch verständliche Erklärungen bieten.

Ja, wir sind teilweise zu spät dran mit der Umsetzung, so wie fast alle EU-Länder, aber, wie wir im Ausschuss gehört haben, ist die Materie höchst komplex. Es musste mit den verschiedenen Ministerien und allen Ländern die Frage der Kompetenzverteilung gelöst werden. Auch das ist gelungen.

Darüber hinaus ist die Europäische Kommission über den Fortgang der Gesetzwerdung in allen Schritten informiert, und wir haben im Ausschuss gehört, dass die Kommission voraussichtlich keine weiteren rechtlichen Schritte gegen Österreich unternehmen wird. Auch das ist gut.

Man kann in allem und jedem Fehler finden, darauf herumreiten und sie breittre­ten. Unrechtmäßigkeiten aufzuzeigen ist wichtig, keine Frage. Darum geht es ja heute. Aber bitte, werte Opposition, vergessen Sie nicht die Verhältnismä­ßigkeit und reden Sie lieber über das Ziel dieses Gesetzes, nämlich über die Stärkung und den Schutz korrekten Verhaltens, die ein Umfeld der Verant­wortlichkeit und des Vertrauens erfordern! Das Gesetz ist zudem ein wich­tiger Schritt in Richtung Korruptionsprävention im öffentlichen Bereich, der der Allgemeinheit und dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Daher muss dort besonders sorgfältig gehandelt und genau hingeschaut werden.

Das HinweisgeberInnenschutzgesetz ist also einer von vielen Schritten, die wir setzen, um im Korruptionsindex wieder weiter nach oben zu steigen. Und ja, es bedarf hier weiterer Maßnahmen und weiterer Gesetze, und wir wollen diese Maßnahmen so gut und so rasch wie möglich umsetzen. Daher schaue ich zum Beispiel zu den sozialdemokratischen Kolleg:innen aus Wien, von denen es genauso abhängt, ob wir zum Beispiel endlich das Amtsgeheimnis abschaffen können. Daher: Stimmen Sie hier zu und leisten Sie Ihren Beitrag zur Abschaffung von Korruption und zu mehr Verant­wortungsübernahme! (Bundesrätin Schumann: In jeder Rede einmal Wienbashing!)

Um den Bogen zum Anfang zu schließen, ein wenig pathetisch vielleicht: Ich bin dankbar und froh, hier im wunderschön, neu und nachhaltig sanierten Haus der Demokratie stehen und reden zu dürfen, und ich appelliere an Sie: Verstärken wir gemeinsam die tragenden Säulen der Demokratie mit diesem und mit weiteren Gesetzen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundes­rätin Schumann: In jeder Rede einmal Wienbashing!)

13.06

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich darf den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Dr. Martin Kocher recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Zurück zur Debatte. Die nächste Wortmeldung liegt mir von Bundesrat Dr. Johannes Hübner vor. (Bundesrat Hübner: Ich verzichte darauf! – Ruf bei der ÖVP: Na geh!) – Der Bundesrat verzichtet auf seine Wortmeldung.

Als nächste Rednerin ist mir Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler gemeldet. Ich erteile ihr dieses.