13.27

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Wertes Hohes Haus! Ich starte vielleicht mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz, nutze aber auch die Gelegenheit, kurz auf die aktuelle Debatte einzugehen, auch wenn sie nicht Teil der Tagesordnung ist.

Zum HinweisgeberInnenschutzgesetz: Es hat natürlich etwas länger gedauert, mir wäre es auch sehr recht gewesen, wenn wir das schneller geschafft hätten. Es waren vier Staaten in der EU, die es fristgerecht umgesetzt haben, Österreich ist unter denen, die es nicht geschafft haben. Es ist eine komplexe Materie, möchte ich noch einmal für alle hervorheben: weil natürlich schon zuvor in gewissen Bereichen gewisse Hinweisgeber:innenschutzbe­stimmungen bestanden haben, zum Beispiel im Finanzdienstleistungsbereich; weil der öffentliche und der private Sektor umfasst sind; weil größere Unternehmen – das wurde auch schon angesprochen –, die zum Beispiel europaweit oder weltweit agieren, bestehende Systeme haben und diese Sys­teme natürlich auch weitergeführt werden sollten und weil es um – inter­ne und externe – Meldestellen geht und es eine gute Auswahl gebraucht hat.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit explizit bei allen Beamtinnen und Beamten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium bedanken, weil das Arbeits- und Wirtschaftsressort da federführend war. Die Bestim­mungen in diesem Gesetz gehen aber natürlich weit über das hinaus, was normaler Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz ist. Viele andere Dinge sind – das ist ja schon angesprochen worden – berührt: europarechtliche Vorgaben, rechtliche Vorgaben im Justizbereich, und so weiter, und so weiter. Also es ist viel komplexer als die normale gesetzliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns im Haus.

Was macht das Gesetz? – Für mich ist entscheidend, dass das Gesetz eben Schutz für Whistleblower, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, bietet und idealerweise alles tut, damit Repressalien oder Belastungen ver­hindert werden.

Da es offensichtlich noch einige Missverständnisse gibt, glaube ich, dass es wichtig ist, noch einmal hervorzuheben, dass erstens ganz klar ist, dass alle Rechtsakte, die im Gesetz genannt werden, umfasst sind, nämlich sowohl was EU-Recht als auch nationales Recht in diesen Anwendungsbereichen betrifft, das heißt nicht nur EU-Recht, sondern auch nationales Recht in den ge­nannten Anwendungsbereichen. Es ist, glaube ich, sehr wichtig, das klar hervorzuheben. Damit muss der Rechtsanwender, der mögliche Whistleblower, die Whistleblowerin, nicht unterscheiden: Ist das EU-Recht oder ist das nationales Recht? (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

Ganz bewusst haben wir auch Teile des Korruptionsstrafrechts ergänzt und gehen damit bewusst ganz klar über die Richtlinie hinaus. Die europäi­sche Richtlinie hätte eine weniger weit gehende Umsetzung erlaubt. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben gesagt, wir wollen das erstens einfacher ma­chen und zweitens auch bewusst gewisse Rechtsbereiche ergänzen.

Wichtig ist auch – ich habe es auch schon im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Nationalrat gesagt –: Natürlich, das Gesetz ist komplex, und wir als zu­ständiges Ministerium werden den Betroffenen, den Unternehmen, aber auch den möglichen Whistleblowern, natürlich eine Handreichung geben, mit Information, was umfasst ist, wie das funktioniert. Niemand wird das Gesetz lesen, oder wenige Leute werden das Gesetz lesen, wenn sie sich über­legen, dass sie einen Missstand melden. Ich glaube, das ist wichtig, dazu stehe ich auch und das sage ich auf jeden Fall auch zu.

Es geht auch darum, dass wir jetzt mit diesem Gesetz Erfahrung sammeln. Die Evaluierung 2026 wurde ja schon angesprochen. Es gibt auf beiden Sei­ten Befürchtungen. Es gibt hinsichtlich möglicher Whistleblower Befürchtungen, dass es nicht genug Meldungen gibt. Es gibt aber auch Befürchtungen, dass es viel zu viele Meldungen gibt. In Österreich gibt es ein funktionierendes Rechtssystem, in dem Whistleblowing eben nur in gewissen Bereichen not­wendig ist. Wir werden das gut evaluieren, und danach, auf Basis dieser Erfah­rung, kann man natürlich auch Anpassungen vornehmen. Ich glaube, das ist die richtige Vorgangsweise. Wir werden natürlich auch von anderen Staaten in der EU lernen, die das ähnlich wie oder anders als Österreich umgesetzt haben.

Jetzt möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, zum aktuellen Thema etwas zu sagen. Ich starte mit der Feststellung, dass Österreich ein sehr gut funktio­nierender Sozialstaat ist, mit einer hohen Sozialquote und auch mit einer Ausweitung dieses Sozialstaates in den letzten Jahren.

Diese Regierung hat im Sozialbereich sehr vieles gemacht, ich traue mich fast zu sagen: mehr als jede andere Regierung. Ich sage gleich, was ich damit meine. (Bundesrat Schennach: Soziale Kälte nennen wir das! – Bundesrat Schreuder: Nein, das stimmt nicht, wir haben sehr viel gemacht!) Wir haben bei den Antiteue­rungspaketen immer sehr stark auf niedrige Einkommen geschaut: Einmalzahlun­gen, Antiteuerungsbonus und so weiter.

Wir haben als erste Regierung die Sozialleistungen indexiert. Das ist ein Meilen­stein, was die Sozialleistungen betrifft. (Bundesrätin Schumann: Das wäre doch gar nicht anders gegangen bei der Teuerungsquote! Entschuldigung!) Der Aus­gleichszulagenrichtsatz wurde immer um mehr als die Inflationsrate er­höht. Auch die niedrigen Pensionen wurden um mehr als die Inflationsrate erhöht.

Abschaffung der kalten Progression: Um zwei Drittel werden die Steuerstufen automatisch angepasst, das letzte Drittel wurde für dieses Jahr (Bundesrä­tin Schumann: ... Pensionserhöhungen ...!) in die untersten Einkommensschichten gegeben – auch da wieder eine Stärkung des Sozialstaates.

Natürlich haben wir mit allen Ausgaben am Arbeitsmarkt versucht, Menschen in Beschäftigung zu bringen, gerade aus der Langzeitarbeitslosigkeit – auch ein Beitrag.

Der Sozialstaat funktioniert also, und das ist gut so – ich sage das ganz explizit: das ist gut so! –, aber es ist entscheidend, dass wir es schaffen, diesen funktionierenden Sozialstaat in Österreich auch in der Zukunft aufrechtzuerhal­ten, und dafür ist es notwendig, dass es Beiträge gibt – von arbeitenden Menschen in Österreich. (Bundesrätin Schumann: Genau! – Zwischenruf der Bun­desrätin Kahofer.) Es geht also darum, dass wir es möglich machen – mög­lich machen, so habe ich es auch im Interview gesagt; es ist immer etwas einfach, einen Halbsatz aus einem Interview herauszunehmen – und attraktiv ma­chen, dass Menschen Vollzeit beschäftigt sind. Möglich und attraktiv – das ist der entscheidende Punkt. (Bundesrätin Schumann: Das haben Sie nicht getan!)

Natürlich will ich niemandem etwas wegnehmen und vor allem will ich Frauen und Müttern nichts wegnehmen. (Bundesrätin Gerdenitsch: ... Ganztages­betreuung ...! – Bundesrätin Kittl: Das könnte ... umsetzen!) Das sage ich jetzt ganz persönlich, weil es mich auch ein bisschen betrifft: Ich habe bei all den Entscheidungen, die ich getroffen habe, und das kann man auch nachvollziehen, immer ein Hauptaugenmerk auf die Frauen gelegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt zum Beispiel beim AMS eine Regelung, eine positive Diskriminierung, die sagt, dass in den AMS-Budgets 4 Prozentpunkte mehr für Frauen ausgege­ben werden, als deren Anteil an der Arbeitslosigkeit beträgt. Das waren vor mei­ner Zeit 3,5 Prozent, ich habe es erhöht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es gibt eine Reihe von anderen Maßnahmen, ich gehe da jetzt nicht ins Detail.

Es ist, glaube ich, aber trotzdem wichtig, unabhängig von dieser Debatte, dass wir es schaffen, dass wir es attraktiv machen, gerade bei denen, die es kön­nen, dass sie Vollzeit arbeiten können und auch wollen. (Bundesrätin Schumann: Wo tun wir die Kinder hin?!) Es gibt einen Trend bei jüngeren Menschen, die eben teilweise nicht Vollzeit arbeiten. Das liegt an mehreren Faktoren, und ich hoffe sehr, dass wir diese Debatte weiterführen können, nämlich in diese Richtung, und dass wir diese Debatte auf einer faktenbasierten, unemotio­nalen Ebene führen (Bundesrätin Schumann: Arbeitszeitverkürzung ist eine Idee! – Bundesrätin Grimling: Genau!), um unseren Sozialstaat, um unseren Wohl­stand zu erhalten.

Warum ist das so wichtig? – In den letzten zehn, 15 Jahren ist am Arbeitsmarkt jedes Jahr eine zusätzliche Anzahl von 50 000 bis teilweise 100 000 Men­schen tätig gewesen. Das erhöht die Beitragseinnahmen im Sozialsystem jedes Jahr. Durch die demographische Entwicklung wird das in den nächsten zehn Jahren nicht mehr der Fall sein. (Bundesrätin Schumann: Genau! Jetzt fangen wir zu pressen an!) Wir müssen es schaffen, den Sozialstaat abzusichern, und ich hoffe sehr auf die Zusammenarbeit bei diesem großen Projekt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.35

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Minister.

Noch eine Wortmeldung: Herr Bundesrat Sascha Obrecht. – Bitte sehr.