15.09

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir heute, alle Parteien miteinander, diese Lücke in einem Gesetz schließen, das einen wirklich dunklen Teil unse­rer Geschichte und unserer Gesellschaft betrifft. Meine Vorrednerinnen haben schon ganz drastische Beispiele erwähnt.

Es geht um Gewalt, die Menschen in staatlichen Einrichtungen erfahren mussten, wo sie eigentlich hätten Schutz bekommen sollen, und das nicht in Zeiten eines Krieges, in einer Zeit der Ungesetzlichkeit, sondern in eigent­lich friedlichen Zeiten.

Dennoch waren diese verschiedensten Formen von Gewalt individuell und strukturell in erschreckendem Ausmaß möglich. Die Volksanwaltschaft hat, gemeinsam mit meiner Kollegin aus dem Nationalrat, Genossin Sabine Schatz, dankenswerterweise eben diese Lücken herausgearbeitet, um eine Form von Wiedergutmachung zu finden, eben die Auszahlung einer Rente für diese Opfer von Gewalt in Heimen. Mit dieser Vorlage schlie­ßen wir jetzt endlich diese Lücken, und das ist gut so.

Was uns alle extrem alarmieren muss und was wir im Idealfall aus diesen Heimskandalen jetzt lernen müssen: Kinder und Jugendliche sind nach wie vor Gewalt ausgesetzt, in öffentlichen Einrichtungen, in Vereinen, in Kultur­einrichtungen und auch in der Familie, jeden Tag, wahrscheinlich jede Stunde. Das ist extrem schwer auszuhalten.

Wir haben allen jungen Menschen in dem Moment, als wir – unsere Vor­gänger:innen in den meisten Fällen – vor rund 34 Jahren hier im Parlament die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, Schutz vor Gewalt versprochen. Dieses Versprechen können wir bis heute noch nicht halten. Wir halten dieses Versprechen von Schutz vor Gewalt leider nicht ein.

Wir hören regelmäßig von Einzelfällen, die uns zu Recht empören. Wir alle wissen auch, Hand aufs Herz, dass diese Einzelfälle nur die Spitze des Eisberges sind. Jeder einzelne Fall bedeutet extreme Angst, bedeutet Verletzungen an Körper oder Seele oder beidem und jedenfalls ein Trauma, das ein ganzes Le­ben beeinflussen kann. Oft führt es in der Folge zu chronischer Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und jedenfalls zu quälendem Leid, wahrscheinlich jeden Tag.

Darum müssen wir gleichzeitig mit dem Versuch der Wiedergutmachung dieser begangenen Gewalt alles tun, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen heute und in Zukunft zu gewährleisten. Dafür müssen aus meiner Sicht folgende Dinge getan werden, und das betrifft nicht nur Ihr Ressort, Herr Minister, sondern einige andere Ressorts auch.

Erstens: Kinder müssen über ihre Rechte informiert sein, und sie müssen auch wissen, was Unrecht ist.

Zweitens: Es muss flächendeckend Präventionsworkshops für Kinder und Jugendliche und für alle, die mit diesen Kindern arbeiten, geben, und zwar vom Kindergarten an über die Schule und auch in außerschulischen Einrichtun­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss drittens verpflichtende Schulungen für alle Personen geben, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, um sie zu sensibilisieren, damit sie auch schon ganz leichte Signale von Anfang an wahrnehmen und erkennen.

Viertens braucht es aus meiner Sicht – und da unterscheide ich mich von der Idee der Bundesregierung – verpflichtende Kinderschutzkonzepte und Kinderschutzmaßnahmen bei allen Institutionen und Organisationen und Ver­einen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, nicht nur Anreize. Das wäre mir ganz wichtig, das muss verpflichtend sein.

Wir brauchen fünftens aus meiner Sicht kostenlose Zugänge zu Strafregis­terauszügen, speziell im Ehrenamt. Das sollte über die Bürgerkarte abrufbar sein. Das würde Organisationen und Vereine enorm entlasten.

Es braucht sechstens, wenn tatsächlich trotzdem noch etwas passiert – was man nicht hoffen will, aber es passiert leider –, ganz rasche und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen, damit gewährleistet ist, dass diese Kinder und Jugendlichen gut begleitet werden.

Siebtens braucht es Gewaltschutzambulanzen in ganz Österreich, weil diese eine ganz wesentliche Rolle in der ersten Phase von Gewaltanwendungen einneh­men können.

Es braucht achtens Kinderschutzzentren, die mit allen Ressourcen ausgestattet sind, die sie brauchen, aber auch die Abteilungen in den Ministerien und in den verschiedenen Einrichtungen, die sich beispielsweise mit Onlinemissbrauch beschäftigen und dahin gehend fahnden, müssen personell so ausgestattet sein, dass sie diese Arbeit gut machen können.

Und neuntens braucht es Ressourcen für diesen Kinderschutz für all jene, die ihn machen sollen, denn das macht sich nicht nebenbei, da muss man fokussiert darauf schauen. Auch wenn Staatssekretärin Plakolm wohl ein offenes Ohr hat, aber wenn sie Organisationen dafür 2 500 Euro anbietet, merkt man: Das kann es noch nicht gewesen sein, mit dieser Summe kann man Kinderschutz in Organisationen und Strukturen nicht etablieren. Das reicht nicht.

Das Ziel muss sein – gestern hat es auch Landesrat Michael Lindner in Oberösterreich betont –: Überall dort, wo Kinder sind, überall dort, wo Kinder sich aufhalten, muss ein sicherer Ort sein. Er muss sicher sein, bei gleich­zeitig maximaler Freiheit. Das ist die pädagogische Spange, die es zu schließen gilt, aber das kann möglich sein. Das ist ein gemeinsamer, öffentlicher und privater Auftrag.

Mit der heutigen Beschlussfassung dieser Novelle bearbeiten wir also, was vor vielen Jahren an jungen Menschen, die mittlerweile alle erwachsen sind, verbrochen wurde. Wir versuchen ein wenig Wiedergutmachung für dieses er­fahrene Leid. Gleichzeitig plädiere ich dafür, dass wir alles daran setzen, dass kein Kind so etwas je wieder erleiden muss. Daher brauchen wir jetzt ganz konsequenten Kinderschutz. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

15.16

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.