16.30

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich das erste Mal hier in diesem neuen Bundesratssaal bin und dass es mir tatsächlich eine große Ehre ist, hier in diesem neu reno­vierten Haus und auch in diesem neuen Saal der Demokratie dienen zu dürfen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dem Volk! – weiterer Zwischenruf bei der FPÖ), das heißt, auch Meinungen anderer auszuhalten – vielleicht auch ohne Zwischenrufe oder auch mit Zwischenrufen. Wie auch immer: Ich empfin­de es als tatsächliches Privileg.

Herr Bundesrat Ofner, ich möchte mich ganz speziell bei Ihnen für die – unter Anführungszeichen – „charmante“ Einleitung bedanken (Bundesrat Ofner: Gerne!), auch für die Bewertung meiner Arbeit mit unterschiedlichen Eigenschaftswörtern, die ich nicht wiederhole. Ich habe in mehr als fünf Jahren Politik gelernt, das auch irgendwie über mich ergehen zu lassen.

Eines, Herr Bundesrat, lasse ich mir aber nicht unterstellen: Scheinheiligkeit, wenn es darum geht, Frauen zu fördern, Frauen zu unterstützen und vor Gewalt zu bewahren. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Novak. – Bundesrat Steiner: Ach so?! Was war mit der Leonie?! – Bun­desrätin Steiner-Wiesner: Was ist mit der Leonie?!)

Zu Ihrer Dringlichen Anfrage möchte ich Ihnen sagen (Zwischenruf bei der FPÖ), dass der Zeitpunkt eigentlich nicht besser sein könnte – nicht weil, wie Sie es beschreiben, das eh immer schon ein Thema ist, das nicht gelöst wird, son­dern weil jetzt entscheidende Schritte nach vorne gemacht worden sind (Bundesrat Spanring: Von wem?), um dieses Thema tatsächlich zu lösen.

Ich sage Ihnen auch: Ich bleibe dabei, was ich schon gesagt habe, was Sie ja wiederholt haben, dass das europäische Asylsystem gescheitert ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wir sehen es anhand der Zahlen, wir sehen es anhand der über 100 000 Asylanträge, die im Jahr 2022 in Österreich gestellt worden sind: eine Steigerung von rund 200 Prozent, eine Pro-Kopf-Belastung, die in der Europäischen Union an der zweiten Stelle steht. Und: 75 Prozent derer, die nach Österreich gekommen sind, wur­den vorher noch in keinem EU-Land registriert. Dieser Zustand ist eigentlich nur möglich, wenn Migrantinnen und Migranten mit dem Fallschirm über Öster­reich abspringen. (Bundesrat Steiner: Das sagen wir seit zehn Jahren!) Wir wissen, dass das nicht der Fall ist, und deshalb bleibe ich dabei, genauso wie der Bundeskanzler und auch der Innenminister (Bundesrätin Steiner-Wiesner: Das ist ja scheinheilig!), dass dieses System gescheitert ist, dass Dublin III tot ist (Ruf bei der FPÖ: Unglaubwürdig!) und dass – und da sind wir uns in der Problem­analyse ja sogar einig; es tut mir fast weh, Ihnen da recht geben zu müssen, aber da sind wir uns einig – die Problemanalyse heißt: Wir brauchen da Antwor­ten, und es geht um die Sicherheit für Österreich und es geht um die Sicher­heit für die Europäische Union.

Was ist denn der Schlüssel dazu? – Der Schlüssel dazu ist ein funktionierender Außengrenzschutz. Das ist unsere gemeinsame Grenze, und da brauchen die Staaten an der Außengrenze, wie zum Beispiel Bulgarien, auch unsere Unter­stützung: in personeller Hinsicht, in technischer Hinsicht, mit Infrastruktur wie Drohnen. Das ist etwas, das ich zum Beispiel – das ist jetzt ein kleiner Vor­griff auf Ihre Fragen – auch heute mit der stellvertretenden Außenminis­terin aus Bulgarien besprochen habe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worauf ich aber auch Wert lege, ist, dass wir all diese Maßnahmen immer unter der Berücksichtigung von Huma­nität und von Menschlichkeit setzen und dass wir dabei selbstverständlich auf unsere Sicherheit, auf die Menschen und die Sicherheit der Menschen in diesem Land Bedacht nehmen. Das müssen wir tun und das tun wir.

Ich glaube, viele von Ihnen – vielleicht nicht von der FPÖ, aber die anderen, glaube ich – teilen meine Vision, die ich für ein gemeinsames Europa ha­be. (Bundesrat Steiner: Das ist ja das Traurige!) Das ist die Vision eines Europas ohne Grenzen, das ist die Vision eines Europas ohne Grenzen nach in­nen, mit festen Grenzen nach außen, mit einem entsprechenden Außengrenz­schutz. (Bundesrat Steiner: Diese Vision ist gescheitert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass die Schlepper bestimmen, wer nach Österreich kommt. (Bundesrat Steiner: Das tun sie aber!) Das Heft des Handelns muss in unserer Hand bleiben, und dafür setzen wir uns ein. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Mir wäre das so zu pein­lich! Ich täte mich schämen!)

Ja, liebe Bundesräte der FPÖ, ich billige Ihnen zu: Sie sprechen hier ein Problem an, Sie sprechen es sehr scharf an (Bundesrat Spanring: ... weil es sonst keiner tut!), Sie sprechen es teilweise in einer Art und Weise an, die ich persön­lich massiv ablehne, aber Sie sprechen ein Problem an, das viele Menschen in diesem Land bewegt und das auch uns als Bundesregierung massiv be­wegt. (Bundesrat Steiner: Ja, speziell den grünen Teil der Regierung!) Deshalb sind wir da auch dran, etwas zu tun.

Liebe FPÖ, ich darf Ihnen aber auch etwas sagen: Die Lösungen, die Sie den Menschen vor Augen halten, das sind Träumereien (Rufe bei der FPÖ: Na, na, na!), die funktionieren schlicht und einfach gar nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Ihre ge­forderte Festung Österreich widerspricht der Europäischen Menschen­rechtskonvention (Bundesrätin Schartel: Na geh!), widerspricht dem europäischen Recht (Ruf bei der FPÖ: Und was passiert?!), widerspricht der Genfer Flücht­lingskonvention. (Bundesrat Steiner: Wo ist das Problem?! – Bundesrätin Schartel: ... bei den Frauen?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Wo ist das Problem?!) – Liebe Bundesräte und Bundesrätinnen, ich verstehe gar nicht, wieso Sie sich so aufregen. (Bundesrat Steiner: Na, wo ist das Problem ...?!) Sie brauchen ja nur Ihren Klubobmann zu fragen, Herbert Kickl, der Bundesminister der Republik Österreich war (Bundesrat Steiner: Ja, da waren Sie Sekretärin! Da waren Sie seine Sekretärin! – Ruf bei der ÖVP: Hallo!) und der sich als der beste Bundesminister aller Zeiten abfeiern lässt. Was hat er denn gemacht? (Beifall bei der ÖVP. –Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er hat ge­nau nichts geändert, nichts hat er geändert am bestehenden System. Und wa­rum? (Bundesrat Steiner: Er hatte eine schlechte Sekretärin! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Darf ich bitte um Ruhe im Saal bitten?! (Bundesrat Steiner: Er hatte eine schlechte Sekretärin! – Bundesrat Bader: Halt einmal deine Pappen, hearst! Das ist ja doch ein Witz! Respektlosigkeit!)

Ich ersuche um etwas mehr Disziplin und Ruhe. Man kann nichts mehr verste­hen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Die Frau Bundesminister ist am Wort.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Das, was Sie fordern, hätte der gewesene Bun­desminister Herbert Kickl ja machen können. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er hat rein gar nichts am System geändert, weil es eben nicht geht, weil es nicht alleine geht, sondern weil es nur im europäischen Kontext geht.

Der entscheidende Unterschied ist aber jetzt: Unser Bundeskanzler Karl Neham­mer hat sich dafür eingesetzt, dass das Thema auf der Agenda des Europäi­schen Rates war (Ruf bei der FPÖ: Geh bitte! – Bundesrat Spanring: Der war selber Innenminister und hat nix getan! ...! – Ruf bei der ÖVP: Jetzt ist eine Ruhe!), gemeinsam mit dem Innenminister, mit dem Außenminister und auch mit meiner Wenigkeit, die Sie ja mit so netten Eigenschaften auch schon tituliert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen für eine Lösung, wir stehen für Lösungen, die faktenbasiert sind und die seriös sind. (Bundesrat Ofner: Und nicht funktionieren!) Es ist unsere Aufgabe, im Übrigen unsere gemeinsame Aufgabe, Antworten auf die Fragen der Gegenwart zu geben und Lösun­gen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden, damit sich die Menschen eben keine Sorgen über diese Dinge machen, und da sind wir dran.

Durch Österreich ist es gelungen, dass beim letzten außerordentlichen Europäischen Rat – womöglich ist Ihnen das entgangen – das Thema Migration und Asylpolitik auf der Agenda war. (Zwischenrufe der Bundesräte Ofner und Steiner.) Das war ein außerordentlicher Europäischer Rat zu diesem Thema. (Bundesrat Ofner: Das Veto ...!) Unter anderem deshalb, liebe Bundesrät:in­nen von der FPÖ, bin ich ja so dankbar, dass ich Ihnen das heute direkt sagen kann, weil es offensichtlich nicht gelingt, das aus den Medien zu resorbieren. Ich gebe zu, man müsste auch manchmal über die Grenzen Österreichs hinaus­schauen, um zu sehen, wie das auch anderswo bewertet wird. (Bundesrat Ofner: Aber die Medien haben das so nicht gebracht!) Wir geben die entscheidenden Impulse aus Österreich (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe bei der FPÖ), und wir setzen uns dafür ein, dass es eine nachhaltige Migrations- und Asylpoli­tik gibt. (Bundesrat Ofner: ... „Oe24“, oder?)

Wenn Sie mir 2 Minuten zuhören, dann sage ich Ihnen kurz zusammengefasst, was diese Ergebnisse des Europäischen Rates mit Fokus auf Asyl und Migration sind.

Erster Punkt: eine Stärkung des EU-Außengrenzschutzes durch substanzielle EU-Mittel. Die Europäische Kommission selbst hat diese Mittel jetzt auch tat­sächlich proklamiert und wird sie in die Hand nehmen. (Ruf bei der FPÖ: Ja, nach zehn Jahren! – Bundesrat Buchmann: Mein Gott na!) Da geht es um die Siche­rung der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei – wir wissen, dass das eine sensible Grenze ist –, aber auch um die Unterstützung anderer Grenzen mit verschiedenster Infrastruktur.

Zweiter Punkt: Die Registrierung von Migranten und ein schnelles Asylverfahren sowie Rückführungen an der Außengrenze sind ein weiteres Ergebnis dieses außerordentlichen Rates.

Der dritte Punkt: schnellere Abschiebungen (Ruf bei der FPÖ: Da hat man 20 Jah­re gebraucht dafür!) für diejenigen, die keine Chance auf Asyl haben.

Der vierte Punkt – und das wird Sie vielleicht auch interessieren, weil ich Ihnen recht gebe: jedes Strafverfahren, das hier geführt werden muss, und jede Verletzung einer Frau ist eines beziehungsweise eine zu viel – ist der verstärkte Kampf gegen Schlepper durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Zwischenruf des Bundesrates Ofner) – etwas, wo sich damals auch Ihr Innenmi­nister eingesetzt hat und was wir jetzt aber europäisch auf den Weg ge­bracht haben.

Der Weg geht in die richtige Richtung (Bundesrat Hübner: Ja wo?), und es ist wichtig, die Dinge jetzt auch zu implementieren, die am 9. Februar beschlossen worden sind. Wir werden da weiter dranbleiben und auch Taktge­ber bleiben, wenn es um diese Themen geht. (Ruf bei der FPÖ: Oje! Oje!)

Ich möchte Ihnen jetzt auch noch einmal sagen, wie das beschrieben worden ist. Es ist immer schwierig – der Prophet im eigenen Land zählt nicht, lautet ein Spruch –, offensichtlich ist das, was Bundeskanzler Karl Nehammer da erreicht hat, in Österreich bei manchen nicht angekommen (Ruf bei der FPÖ: Ja, weil es ...!); in Brüssel ist es angekommen. (Bundesrat Steiner: Es ist angekommen, es ist sogar richtig angekommen!) Das Nachrichtenportal „Politico“ hat den Euro­päischen Rat - - (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hören Sie zu! Hören Sie sich das einfach an, geschätzte Bundesräte, ich habe Ihnen auch zugehört! (Bundesrat Steiner: Es ist schon angekommen, dass nichts übrig geblieben ist! Also alles gut!) – Ganz im Gegenteil: Ich möchte Ihnen nur sagen, „Politico“ hat diesen außerordentlichen Europäischen Rat als „Vienna victory“ – übersetzt: Wiener Sieg – bezeichnet. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser.)

Es sei ein Erfolg unseres Bundeskanzlers gewesen, dass es auf der Tagesordnung war und dass diese Themen behandelt worden sind. Ich möchte auch sagen, dass der Bundeskanzler bis spät in die Nacht, bis in die frühen Morgenstunden hinein verhandelt hat (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), um das zu erreichen – für die Sicherheit in Europa (Zwischenruf des Bundesrates Steiner – Bundesrätin Steiner-Wieser: ... der Kogler hat auf die ... aufgepasst!), für ein System, das man auslöschen muss, nämlich ein menschenverachtendes Schlep­persystem, und für Humanität auf unserem Kontinent. Im Übrigen sind wir uns da – denn das kommt sicher als nächste Frage – mit unserem Koalitionspart­ner sehr einig. (Ruf: ... sind völlig schmerzbefreit!) Es braucht Humanität und es braucht Ordnung, damit wir da weiterkommen.

Dieser Erfolg ist historisch, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wol­len, denn erstmals gibt es einen Konsens zwischen den Ländern an der Außengrenze und den Binnenländern; das war bisher noch nicht der Fall. Das ist ein großer Schritt in Richtung einer europäischen Lösung. Auch da nehme ich kein Wort von dem zurück, was ich gesagt habe, Sie haben mich ja zitiert. Es ist auch ein Paradigmenwechsel, dass die Europäische Kommission da Geld in die Hand nimmt, und es ist ein Erfolg unseres Bundeskanzlers. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich komme damit zur Be­antwortung der Fragen, nicht ohne mich noch einmal dafür zu bedanken, das hier durchaus in einer Breite darlegen zu können, was schon alles passiert ist.

Zur Frage 1:

Grundsätzlich darf ich da auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Kli­maschutz verweisen. Aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen – näm­lich rechtmäßiger Aufenthalt, Hauptwohnsitz für mindestens 183 Tage zu einem bestimmten Stichtag und unabhängig von Alter und Staatsbürgerschaft – sind auch Fremde, die diese Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich anspruchs­berechtigt.

De facto können Asylwerber, die erst im Jahr 2022 in Österreich einen Asyl­antrag gestellt haben, jedenfalls nur zum Teil unter den Kreis der An­spruchsberechtigten, insbesondere aufgrund der Voraussetzungen des Min­destaufenthalts, fallen. Mit Blick auf die Voraussetzungen ist der Klima­bonus nicht als geeignet anzusehen, Fluchtentscheidungen grundsätzlich zu beeinflussen.

Zu den Fragen 2, 3 und 4:

Es braucht klare europäische Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Nachhaltige Maßnahmen gegen irreguläre Migration sind entlang aller Migrationsrouten notwendig. Die Bundesregierung hat diesbezüglich schon im November einen Fünfpunkteplan erarbeitet und an die europäischen Part­ner gerichtet. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass bereits einige Punkte im Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Westbalkanroute oder auch die Mittelmeerroute aufgenommen wurden, wie zum Beispiel finan­zielle Unterstützung derjenigen Mitgliedstaaten, die wie Österreich die Westbalkanländer mit Grenzschutzmaßnahmen unterstützen, sowie das Pilotprojekt Außengrenzschutz.

Migration kam auf Wunsch Österreichs auf die Tagesordnung des Rates Allgemeine Angelegenheiten, in dem wir Europaminister:innen den Europäischen Rat vorbereiten. Ich habe zahlreiche Gespräche geführt, unter anderen mit und in Schweden, aber auch mit der ungarischen Kollegin, heute mit der bulgari­schen Kollegin, mit dem italienischen Kollegen in Rom, mit der Rumänin, mit der Französin und mit der deutschen Kollegin bin ich in regelmäßiger Ab­stimmung. Wir werden diese Gespräche auch fortsetzen, um die Ergebnisse des Europäischen Rates auch tatsächlich umzusetzen.

Zur Frage 5:

Seit Jahren vertreten wir im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel, das ist der sogenannte Coreper, die Position, dass irreguläre Migration bekämpft werden muss und dass die EU-Außengrenzen wirksam geschützt werden müs­sen. Wie den zahlreichen diesbezüglichen Coreper-Berichten, die dem Parlament vorliegen, zu entnehmen ist, hat Österreich da immer eine sehr prononcierte Haltung vertreten, sei es bei der Vorbereitung des Rates für innere Angelegen­heiten, das sind die Innenminister, bei der Vorbereitung des Rates Allge­meine Angelegenheiten, das sind die Europaminister oder die den Europäischen Rat vorbereitenden Europaminister, oder auch bei sonstigen Aussprachen zu Asyl- und Migrationspolitik.

Bei der Vorbereitung des Sondergipfels, der ja – wie Sie sicher wissen – am 9. Februar 2023 stattgefunden hat, haben wir uns im Ausschuss der Ständigen Vertreter sehr deutlich unter anderem dafür ausgesprochen, dass erstens der Außengrenzschutz auch durch EU-Mittel verstärkt werden muss und dass insbesondere Bulgarien da zu unterstützen ist, es zweitens eine Zurück­weisungsrichtlinie braucht, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, offensichtlich unbegründete Asylanträge von Staatsangehörigen aus sicheren Herkunfts­ländern beschleunigt abzulehnen, drittens Rückführungen von nicht asylberech­tigten Personen in ihre Herkunftsländer besser umgesetzt werden müssen und dass die EU dafür auch die ihr zur Verfügung stehenden Hebel anwenden soll, zum Beispiel das Visaregime.

Wie das Ergebnis dieses Sondergipfels zeigt, konnte Österreich gemeinsam mit den Niederlanden sehr viel erreichen, zum Beispiel die Forderung an die Kommission, substanzielle EU-Mittel zur Stärkung des Außengrenzschutzes und der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Zur Frage 6:

Ich habe in meiner Funktion als Europaministerin im Rat Allgemeine Angele­genheiten sowie gegenüber der Kommission und den Parlamentsvertre­tern meine Vorschläge mehrfach vorgebracht.

Zu den Fragen 7, 9, 18 und 19:

Zuletzt habe ich in Gesprächen mit Vertretern von folgenden EU-Mitglied­staaten über das Thema Migration gesprochen und die österreichische Position dargelegt: mit dem griechischen Krisen- und Klimaschutzminister Christos Stylianides und dem slowenischen EU-Staatssekretär Marko Štucin – beide wa­ren am 16. November 2022 in Wien; mit der schwedischen Europaminis­terin Jessika Roswall in Stockholm am 6. Dezember 2022; mit dem italienischen Europaminister Raffaele Fitto und dem italienischen Vizepremierminister und Außenminister Antonio Tajani in Rom am 17. Jänner 2023; mit dem irischen Europaminister Peter Burke in einem Videotelefonat am 26. Jänner 2023; mit der ungarischen Europaministerin Judit Varga in Wien am 30. Jänner dieses Jahres und mit der bulgarischen Vizeaußenministerin Velislava Petrova – wie schon erwähnt – heute in Wien, wenige Minuten bevor ich zu Ihnen gekom­men bin.

Auch bei Reisen nach Brüssel und bei Gesprächen mit Vertretern der Europäi­schen Kommission lege ich stets den österreichischen Standpunkt dar – so zuletzt auch bei einem Gespräch mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Margaritis Schinas in Brüssel am 25. Oktober 2022.

Auch bei Treffen mit politischen Vertretern von Westbalkanländern wird die Problematik von irregulärer Migration besprochen, unter anderem im Rahmen meiner Arbeitsreise nach Bosnien und Herzegowina am 3. und 4. No­vember 2022, bei einem Treffen mit dem nordmazedonischen Premier­minister Dimitar Kovačevski in Wien am 7. Dezember und zuletzt mit dem Vizeaußenminister von Bosnien und Herzegowina Josip Brkić in Wien am 18. Jänner dieses Jahres.

Zur Frage 8:

Erstens: Verstärkte Maßnahmen im externen Bereich, unter anderem stärkere Kooperation mit Herkunfts- und Transitstaaten; Abdeckung aller Migra­tionsrouten auch mit angemessenen Mitteln; Umsetzung der beiden Aktionspläne für den Westbalkan und das zentrale Mittelmeer; Kampf gegen irreguläre Migration und Schlepper; Gewährleistung von regulärer und ge­ordneter Migration; Visa Policy Alignment durch Nachbarstaaten.

Zweitens: Stärkung der Zusammenarbeit bei Rückführungen und Rücküber­nahmen; Whole-of-Government-Ansatz; Gewährleistung wirksamer Rückführungen in Herkunfts- und Transitstaaten, in diesem Zusammenhang Nutzung aller zur Verfügung stehender Instrumente, unter anderen auch der Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit sowie Visa.

Die Europäische Asylagentur ist aufgerufen, Leitlinien für eine verstärkte Anwendung des Konzepts über sichere Drittstaaten und sichere Her­kunftsstaaten zur Verfügung zu stellen.

Drittens: verstärktes EU-Außengrenzmanagement und Mittel, darunter fällt Mobilisierung von EU-Mitteln zur Finanzierung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die unmittelbar zur Kontrolle der EU-Außengrenzen beitragen, wie zum Beispiel Pilotprojekte zur Grenzverwaltung sowie zur Verbesse­rung der Grenzkontrollen in wichtigen Ländern auf den Transitrouten in die EU; oder auch EU-Mittel, um Mitgliedstaaten bei der Verstärkung der Grenz­schutzkapazitäten und Infrastrukturen der Überwachungsmittel einschließlich Luftraumüberwachung und der Ausrüstung zu unterstützen; weiters Unter­stützung für Frontex Einreise-/Ausreisesystem und Etias; Statusvereinbarungen Frontex-Drittstaaten, verstärkte Kooperation bei Search und Rescue.

Viertens: Kampf gegen Instrumentalisierung, Menschenhandel, Schleusung von Migrant:innen. Die Europäische Kommission und der Rat sind aufgerufen, die Arbeiten an den einschlägigen Rechtsakten voranzutreiben und verstärkte Zusammenarbeit im Kampf gegen Menschenhandel und Schleusung von Migrant:innen hervorzubringen.

Fünftens: Erhöhung von Verfügbarkeit von Daten zu Migrationsbewegungen und Situationsanalyse.

Sechstens: Fortsetzung der Arbeiten zum Asyl- und Migrationspaket auf Basis des gemeinsamen Fahrplans des Rates und des Europäischen Parlaments vom September 2022 sowie an den Überarbeitungen des Schengener Grenzko­dexes und der Rückkehrrichtlinie. Umsetzung der Dublin-Roadmap und wirksames Engagement an den Außengrenzen wird beim nächsten JI-Rat – also das sind die Justiz- und Innenminister – ebenfalls besprochen werden.

Positiv im Hinblick auf die Hauptforderungen Österreichs ist insbesondere, dass es da jetzt eine finanzielle Unterstützung der Europäischen Kommission für die Außengrenze gibt, auch für physische Barrieren – auch wenn die in dieser Diktion nicht gleich genannt werden –, dafür wird sehr viel mehr Geld zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 10:

Oberste Priorität haben Rückführungen von unrechtmäßig in Österreich befind­lichen Migrantinnen und Migranten in Herkunftsländer. Maßnahmen zur Verbesserung der Drittstaatskooperation sind eine der wesentlichsten Positio­nen Österreichs auf EU-Ebene, und davon zeugt auch der laufende Einsatz des Bundeskanzlers, des Bundesministers für Inneres, aber auch in sämtlichen Gremien sowie bei den Außenministern und auch bei mir, für eine Stär­kung des Rückübernahmebereichs. Experten der Ressorts leisten aktive Beiträge und Unterstützungen in den relevanten Formen. Im Übrigen darf ich auch sagen, dass bei der Beantwortung der heutigen Dringlichen auch das Innenminis­terium unterstützend zur Seite stand, und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die da mitgewirkt haben, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen eine Verbesserung der Kooperation durch ein umfassendes Maß­nahmenbündel erreichen. Darunter fallen auch der Abschluss entspre­chender Abkommen, Vereinbarungen oder Partnerschaften. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang besonders Schwerpunkte des schwedischen EU-Vorsitzes hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Drittstaaten sowie einen umfassenden Ansatz bei der Bekämpfung illegaler Migration, des Men­schenhandels und der Schlepperei.

Österreich verstärkt bilaterale Beziehungen mit Staaten, bei denen die EU-Kommission dies noch nicht geschafft hat. Der österreichische Außenminis­ter hat Anfang 2023 ein Abkommen mit Indien auf den Weg gebracht, und Sie wissen, dass der Bundeskanzler auch in Serbien war und einiges dazu beige­tragen hat, dass die Zahlen insbesondere von Migranten aus Indien und an­deren Ländern zurückgegangen sind.

Zur Frage 11:

Österreich fordert auch schon bisher auf europäischer Ebene, dass alle der EU zur Verfügung stehenden Hebel genutzt werden, um die Kooperation mit Drittstaaten im Bereich der Rückkehr zu stärken. Das betrifft sowohl den sogenannten Visahebel, also den Artikel 25a des Visakodex, als auch He­bel im Bereich der Wirtschaft, der Investitionen oder der EU-Finanzierungsins­trumente. Auch beim Europäischen Rat am 9. Februar 2023 wurde ge­schlussfolgert, alle einschlägigen Strategien, Instrumente und Werkzeuge der EU – darunter Diplomatie, Entwicklung, Handel und Visa – als Hebel ein­zusetzen. Österreich begrüßt ausdrücklich diesen EK-Vorstoß, die mangelnde Rückkehrkooperation als einen Grund für die vorübergehende Rücknah­me der Zollpräferenzen zu verankern.

Zur Frage 12:

Österreich setzt sich für einen funktionierenden Schengenraum ohne Binnen­grenzkontrollen ein. Die Zahl der Aufgriffe, die Österreich im letzten Jahr an seinen Binnengrenzen verzeichnete, zeigt aber, dass das Schengensystem nicht funktioniert. Es braucht daher einen Systemwandel im Kampf ge­gen illegale Migration, eine gesamteuropäische Lösung und dafür eine einheit­liche Vorgehensweise. Österreich hat daher den Fünfpunkteplan vorge­schlagen. Dafür macht Österreich seit Monaten Druck auf die EU und hat sich gemeinsam mit den Niederlanden dafür eingesetzt, dass der Sondergipfel der EU-Staats- und -Regierungschefs zur Migration stattfindet.

Im Rahmen des Sondergipfels wurden die Voraussetzungen für einen konse­quenten und lückenlosen Außengrenzschutz geschaffen. Der Kampf ge­gen illegale Migration beginnt für Österreich bereits vor der österreichischen Staatsgrenze. Wir unterstützen intensiv unsere Nachbarn am Balkan durch den Einsatz österreichischer Polizistinnen und Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze, der serbisch-nordmazedonischen Grenze, der nordma­zedonisch-griechischen Grenze sowie an der Grenze von Montenegro zu Alba­nien und Kosovo. Dadurch wird ein massiver Beitrag geleistet, bevor ille­gale Migration überhaupt unsere Staatsgrenze erreicht.

Zu den Fragen 13 und 14:

Österreich setzt sich für effektive Maßnahmen gegen irreguläre Migration und illegale Schlepperei ein. Diese müssen dabei helfen, den Druck auf EU-Außengrenzen zu reduzieren und die Sekundärmigration innerhalb Europas zu verhindern. Eine verpflichtende Verteilung von Migrantinnen und Migran­ten würde gegenteilige Effekte schaffen, diese lehnen wir daher ab. Die aktuellen Vorschläge der Kommission für einen Solidaritätsmechanismus haben aus österreichischer Sicht einen zu starken Fokus auf Relocation. Im Rah­men der Verhandlungen zu den entsprechenden Rechtsakten setzt sich Öster­reich daher für eine verpflichtende, aber flexible Solidarität ein, die die Möglichkeiten alternativer Solidaritätsleistungen – zum Beispiel Kapazitäts­aufbau, Experteneinsätze, Grenzschutz, Schaffung von Perspektiven vor Ort – oder anderer Maßnahmen, die den Migrationsdruck reduzieren, einschließt. Dies passiert sowohl in Gesprächen und in Gremien mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen in den entsprechenden Arbeitsgruppen, aber auch im Ausschuss der Ständigen Vertreter.

Zu den Fragen 15 und 16:

Das Bundesministerium für Inneres hat sich, wie bereits erwähnt, in den letzten Jahren immer gegen eine verpflichtende Verteilung von Asylwerbern auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgesprochen. An dieser Position hat sich auch bei den aktuellen Verhandlungen nichts geändert.

Zur Frage 17:

Das Paket für Asyl und Migration beziehungsweise dessen einzelne Elemente sind derzeit in laufenden Verhandlungen. Daher stellt sich derzeit die Frage der Zustimmung oder Ablehnung nicht und es wird alles darangesetzt werden, die österreichischen Interessen da bestmöglich in den Rechts­akten zu verwirklichen.

Zur Frage 20:

Die Gespräche haben dazu geführt, dass neue Allianzen geschmiedet wurden. Österreich hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Estland, Grie­chenland, Litauen, Lettland, Malta, der Slowakei und Dänemark im Vorfeld des von Österreich und den Niederlanden initiierten Sondergipfels vom 9.2.2023 einen Brief an Charles Michel und die Präsidentin der Europäi­schen Kommission von der Leyen geschrieben und erneuert darin die For­derung nach einer effektiven Migrationspolitik.

Ich möchte betonen, das ist Ausfluss dieser Arbeit, dass so viele Staaten ge­meinsam mit uns diesen Brief geschrieben haben. Wir haben darauf hin­gewiesen, dass das derzeitige Asylsystem kaputt ist und wir umfassende und innovative Lösungen brauchen, um irreguläre Migration in die EU effek­tiv zu verhindern und Pullfaktoren zu reduzieren.

Zur Frage 21:

Die Diskussion rund um die Grenzzäune sehe ich nicht als beendet, geschweige denn als gescheitert an. Es ist von größter Bedeutung, die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen nicht alleine zu lassen. Deshalb plädiert Österreich zum Beispiel dafür, Bulgarien mit einer Summe von rund 2 Milliarden Euro zu unterstützen, um damit in die Verbesserung des Grenzzauns zu inves­tieren und die Überwachungsinstrumente stabiler zu machen.

Meiner Meinung nach kann die Möglichkeit der direkten Finanzierung zusätzlicher Grenzverwaltungsmaßnahmen – wie Grenzzäune oder andere Formen der unmittelbaren Grenzüberwachung und Grenzsicherung – den Mitgliedstaaten an der Außengrenze helfen, besser auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. Ob letztlich die Finanzierung dieser Maßnahmen direkt oder indirekt – durch das Freiwerden anderer Mittel der Mitgliedstaaten – erreicht wird, ist aus österreichischer Sicht zweitrangig, sofern die damit ver­bundenen Ziele erreicht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, insbesondere der FPÖ, Sie haben eingangs mit Ausrufezeichen gesagt: Endlich handeln! – Ich hoffe, Ihnen mit der Beantwortung dieser Fragen vor Augen geführt zu haben, dass wir bereits gehandelt haben (Bundesrat Ofner: Leider nicht!), und ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Danke, dass Sie diese Dringliche gestellt haben, danke, dass Sie mir damit die Möglichkeit gegeben haben, Ihnen noch einmal struktu­riert vor Augen zu führen, was da bereits alles passiert ist und was natürlich auch weiterhin mit Nachdruck vonseiten Österreichs passieren wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.57

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.