9.07

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute natürlich vor allem: Sehr geehrte neue Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen im Bundesrat im Namen der Fraktion der Grünen! Jetzt gerade passiert ja doch ein großer Umbruch – ich habe auch noch nicht allen gratuliert, merke ich gerade. Es ist natürlich im­mer spannend, wenn hier so viele neue Gesichter angelobt werden, wir müssen nun aber trotzdem sozusagen in unseren bundesrätlichen Alltag übergehen.

Wir haben eine Aktuelle Stunde zu einem Thema, über das ich jetzt referieren möchte. Das Thema ist schon deswegen interessant, weil Sport und Kul­tur eigentlich in einer ganz besonderen Art und Weise auch einen Spiegel der Gesellschaft darstellen. Sport und Kultur sind ja nicht losgelöst von der Gesellschaft. Es sind unzählige Menschen in Österreich tagein, tagaus mit Kultur oder Sport beschäftigt: als Aktive, als Berufstätige in diesem Bereich oder hobbymäßig in der Freizeit, als Zuschauer oder Zuschauerinnen, als Organisa­torinnen oder Organisatoren, als Ausbildner oder Ausbildnerinnen für die Jugend und Kinder.

In den Bereichen der Gesellschaft, wo es sozusagen Bruchlinien gibt, sind diese nun auch im Sport und in der Kultur in einer ganz besonderen Weise deut­lich sichtbar. Darunter fallen Muster von Diskriminierungen, Muster von Sexismus, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und all die anderen furchtbaren Dinge, die es in unserer Gesellschaft gibt – manchmal lei­der auch Missbrauch und Gewalt.

Aber, und das ist das wirklich Wichtige in diesem Bereich, es gibt von sehr vielen Seiten – seitens des Ministeriums, seitens der Bundesregierung, seitens vie­ler Politiker und Politikerinnen auf Landesebene, aber auch seitens der Sportverbände – sehr viele Bemühungen, diesen Problemen, die es einfach gibt, in einer gewissen Art und Weise zu begegnen, und das Bekenntnis dazu, die Problemlösung anzugehen.

Eines muss auch gesagt werden: Die Ausgrenzung von Talenten – Menschen, die gut Fußball spielen, Handballtalente, Menschen, die ein herausragendes Ge­fühl beim Skispringen oder beim Skifliegen haben, ganz besonders schön Sopran singen können oder in verblüffender Weise Beats und Gitarren mixen können –, auf diese Talente zu verzichten, weil sie sich in einem Verband, in einem Verein, wo auch immer, nicht wohlfühlen, das wäre vor allem eines: dumm.

Insbesondere eine Maßnahme, die das Ministerium auch sehr breit unterstützt – gemeinsam mit der Bundes-Sport GmbH und 100 % Sport –, möchte ich Ihnen, weil auch bei Ihnen in den Ländern sehr viele in Sportvereinen tätig sind, ganz besonders ans Herz legen, und das ist die „Handreichung für Sport­vereine“ (die entsprechende Broschüre zeigend), sie heißt „Für Respekt und Sicher­heit – gegen sexualisierte Übergriffe im Sport“. Das ist so eine Handrei­chung, von der man sagen muss, man kann immer nur hoffen, dass die Vereine sie nicht brauchen. Am besten wäre es, niemand bräuchte diese Broschüre, aber es ist gut, wenn man sie hat, wenn es zu einem Vorfall kommt, und man eine Hilfestellung bekommt. Das ist jetzt die dritte Auflage, und ich kann nur wärmstens ans Herz legen, sich diese auch wirklich abzuholen, zumindest im Verein zu haben und dann herauszuholen, wenn man sie leider braucht. Das ist eine wirklich wichtige Geschichte.

Mit Diskriminierungen im Sport beschäftige ich persönlich mich ja schon seit vielen Jahren und zum Glück, kann man sagen – das möchte ich schon sagen, ich bin ja ein alter Wiener-Sport-Club-Fan und Rapid-Fan (Ah-Ruf des Bundes­rates Arlamovsky sowie Oje-Rufe bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) –, zum Glück, kann ich sagen, sind viele, viele der Gesänge, die ich noch vor Jah­ren, noch vor wenigen Monaten hören musste, immer seltener zu hören. Als ich im letzten Wiener Derby gewisse Gesänge nicht mehr hörte, war ich richtig erleichtert. Ich glaube, das war das erste Wiener Derby, das ich erlebt habe, bei dem ich gewisse Sprüche – ich glaube, ihr wisst alle, welche ich meine: Hm, hm, hm FAK!, oder Hm, hm, hm SCR! – nicht hören musste (Bundesrat Himmer: Dann warst du nicht dort!), und das ist wichtig.

Es ist wichtig, dass man in einem Sportverein auch eine Atmosphäre der Inklusion schafft, weil wir zum Beispiel aus einer Studie der Sportuniversität in Köln wissen, dass vor allem viele LGBTIQs, die Sport betreiben – und die hat ganz viel erforscht und nachgefragt –, die Sportvereine schon im Jugendalter verlassen, weil sie sich in dem dortigen Klima nicht wohlfühlen, weil sie sich dort nicht zu Hause fühlen, weil sie sich nicht abgeholt fühlen. Und das ist ein­fach etwas, das man nicht wollen kann. Das sind unsere Fußballtalente, das sind die Leute, die morgen Superstars werden könnten – weiß man natürlich vorher nicht, aber es wäre doch blöd, auf diese zu verzichten.

Auch die Uefa ist sehr aktiv geworden, das ist sehr erfreulich. Es gibt ja jetzt sozusagen eine Verpflichtung auch für die Vereine in den Fußballverbän­den, eine soziale Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, dass es hier eine CSR-Initiative gibt, Sexismus, Diskriminierung und Verletzungen von Men­schenrechten als Bestandteil des Fußballs zu definieren. Ich halte das für ganz wichtig.

Einen Punkt möchte ich auch lobend erwähnen, nämlich dass der ÖFB und die österreichische Bundesliga aktiv geworden sind und eine Ombudsstelle eingerichtet haben, nämlich Fußball für alle, mit dem Ombudsmann Oliver Egger, einem offen schwulen Fußballer des FC Gratkorn in der Steiermark, der da ganz tolle Arbeit leistet. Das empfinde ich schon als wichtig, denn zum Glück gibt es auch immer mehr Spieler, die sich nicht mehr verstecken wollen, die toxi­sche Stimmungen dann auch kundtun und sagen: Hallo, wir gehören alle zum Sport, Sport muss für alle da sein und nicht nur für eine kleine Gruppe! Das halte ich für ganz wichtig.

Solche Anlaufstellen gibt es jetzt auch im Kulturbereich, denn auch im Kulturbe­reich sind, auch wenn man es dort oft nicht vermuten würde, solche Me­chanismen von Ausgrenzung nicht unbekannt. Auch dort gibt es das. Geschlech­tergerechtigkeit als ein Ziel auch im Kulturbereich, auch dazu hat sich die­se Regierung bekannt. (Ruf bei der SPÖ: Geh!) Auch dort sind Anlaufstellen ganz entscheidend, und eine Anlaufstelle ist jetzt Vera*, die ja auch für Sport zuständig ist, aber eben auch für Kultur. Sie ist jetzt zum Beispiel bei Belästigung und Gewalt in diesen Bereichen zuständig und man kann sich an sie wenden, wenn man grausliche Probleme hat.

Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, aber eine Maßnahme in der Kultur­politik möchte ich schon ganz besonders hervorheben, denn auch wenn man sich das international anschaut, muss man sagen, das gibt es eigentlich auch in anderen Ländern sehr selten, und ich finde, das ist eine ganz tolle Sache: die Fair-Pay-Initiative, die es seitens der Kultur und unserer Bundesregierung gibt.

Seit 2020, also schon seit drei Jahren, wurde in einem sehr, sehr breiten Pro­zess – und das Schöne ist, und das betrifft ja uns im Bundesrat dann besonders, mit allen Bundesländern, allen Sportreferenten und Sportreferentinnen in den Bundesländern, Entschuldigung, Kulturreferentinnen und -referenten in den Bundesländern – an den Arbeitsbedingungen, etwa der sozialen und recht­lichen Absicherung von Künstlerinnen, aber auch von Künstlern gearbeitet. Und diese Fair-Pay-Initiative betrifft in einer ganz besonderen Art und Weise freilich Frauen – wir wissen ja auch, ein Genderpaygap ist auch im Kultur­bereich nicht selten.

Wir haben ja zum Glück gerade auch das Radio-Symphonieorchester gerettet (Bundesrätin Schumann: Die haben sich selbst gerettet! – Die Bundesrätin­nen Schumann und Hahn: Was heißt „gerettet“? – Bundesrätin Schumann: Reden kann ich auch schön!), mit einer Chefdirigentin, leider auch noch eine sehr große Seltenheit im Bereich der Kultur, mit Marin Alsop, die wirklich eine ganz, ganz hervorragende Dirigentin ist, und das ist, finde ich, ganz besonders lobenswert.

Bei diesem Prozess mit den Bundesländern hat man eben Daten gesammelt, man hat sich den Bedarf angeschaut, die Unterschiede. Man hat sich genau angeschaut, wo es Ungerechtigkeiten im Kulturbetrieb gibt. Und nach einer Pilotphase, die ja voriges Jahr stattgefunden hat, mit ganz gezielten Fair-Pay-Zu­schüssen, ist man seit dem Juni 2022 erfreulicherweise seitens der Staats­sekretärin und des Ministeriums aktiv geworden. Man hat in Grafenegg mit allen Bundesländern eine Umsetzung, eine Fair-Pay-Strategie unterzeichnet. Das ist wirklich gerade für Frauen eine ganz, ganz gute Initiative. Wir müssen auch aus der Situation herauskommen, dass Kulturarbeit sozusagen in einer Selbstausbeutung stattfindet, sondern sie muss eine gut bezahlte Tätigkeit sein, die uns allen dient.

In diesem Zusammenhang werden sicher auch alle Bundesländer eine ganz ent­scheidende Rolle spielen müssen, auch für die Zukunft, damit das auch weiterhin funktioniert, also da müssen alle zusammenhalten.

Es gibt noch wahnsinnig viele weitere kulturpolitische Steuerungsinstrumente, bei Genderbudgeting, bei Fördermaßnahmen für Frauen, auch in der Ausbildung, man kann sie gar nicht alle aufzählen, aber eines ist klar: Da bewegt sich gerade massiv etwas in dieser Republik und das ist auch gut und wichtig so. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundes­rätin Schumann: Das glaubst ja selbst nicht!)

9.17

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.