16.27

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:in­nen! Zunächst einmal einleitend: In diesen und allen anderen Zeiten, in denen die Preise horrend steigen, die Inflation unerträglich ist, den vielen immer weni­ger zum Leben bleibt, in all diesen Zeiten ist die Sozialdemokratie für nachhaltige Entlastung der Menschen in diesem Land eingetreten (Beifall bei der SPÖ), so wie in den letzten Wochen und Monaten und auch heute wieder.

All unsere Anträge wurden aber von der Bundesregierung ins Gegenteil ver­kehrt: keine verdiente nachhaltige Entlastung, nein, nur Einmalzahlun­gen, die sich die Menschen am Ende des Tages selbst zahlen müssen. Wie oft wiederholen wir das noch?

Ganz ehrlich: Die letzten Wochen, auch heute wieder, habe ich mich gefragt: Woher kommt diese ablehnende Haltung vor allem vonseiten der Bundes-ÖVP, wenn es beispielsweise um die von uns geforderte Mietpreis­bremse geht?! Der Genosse hat vorhin das Richtige gesagt: Es gibt vor allem in den Gemeinden viele, viele Menschen, die sich der ÖVP angehörig fühlen, die es am eigenen Leib schon spüren. Und Sie machen nicht Politik für Ihre eigenen Leute! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber um zurückzukommen: Ich stelle mir diese Frage und ich habe ganz ehrlich, glaube ich, eine Antwort darauf. Diese Antwort ist einfach, aber zugleich beschämend, nämlich: Wenn in Wahlkampfjahren zum Beispiel über 20 Groß­spender allein aus der Immobilienbranche über eine halbe Million Euro an die türkise Partei unter Kurz gespendet haben, dann erwarten sich diese noblen Spender auch, dass geliefert wird. Und geliefert wird den Spendern eine Gegenleistung, denn nichts anderes sind die mit Steuergeld finanzierten Einmalzahlungen, die die Menschen bei diesen Mieten nicht lange über Wasser halten werden, inzwischen aber in die Taschen der Betuchten fließen, der betuchten Immobilienklientel im türkisen Dunstkreis.

Ja, fast wäre Thomas Schmid dafür zu danken, dass uns die veröffentlichten Chats die türkisen Hinterzimmermauscheleien gezeigt und uns klar vor Augen geführt haben, für wen die türkise Partei im Bund Politik macht. Ich könnte jetzt aus diesen Chats zitieren, doch ich sehe davon ab, um die Würde dieses ehrenwerten Hauses zu wahren.

Sehr geehrte Staatssekretärin, was ich Ihnen hingegen – und das bei al­lem Respekt – sagen muss: Sie und Ihr Kanzler arbeiten nicht für die Menschen in diesem Land, auch nicht für die Jungen, nicht für den Mittelstand, nicht für die Menschen da draußen. Sie und Ihre Partei arbeiten nur für jene, die es Ih­nen mit Geld zu danken wissen. Sie zahlen es ja zurück, Frau Staatssekre­tärin, Sie zahlen es ihnen zurück: über die armen Menschen und längst eben auch schon über die breite Mittelschicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Politik, Ihr Handeln vergrößert die Kluft zwischen den Menschen, zwischen Arm und Reich, und das nicht nur im Bereich des Wohnens. Bleiben wir aber beim Thema Immobilien, sehr geehrte Damen und Herren! Sie alle wissen es wie ich: Das Dach über dem Kopf ist einer der wesentlichen Preistreiber. Man braucht uns nicht glauben zu machen, dass die Wohnkosten einfach nur so ir­gendwie durch die Krise derartig drastisch steigen. Die Wohnkosten steigen derart drastisch wegen der Spekulanten, ihrer Gier und des Hortens von dem, was die Menschen dringend brauchen. Es sind Wohnungen, die die Menschen dringend brauchen und teuer anmieten müssen. Den Spekulanten beschert das ein fette Rendite, ohne auch nur einen Finger krümmen zu müssen.

Ich möchte Ihnen ja glauben, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich möchte Ihnen glauben, dass Sie diese Probleme der Menschen zumindest erkennen und wirklich und ehrlich angehen wollen. Wenn es ums Wohnen geht, stehen immerhin 34 Forderungen in Ihrem Regie­rungsprogramm. Was ich aber vor allem vermisse, sind Taten – die Umsetzung dieses Programms.

Wo sind die angekündigten Maßnahmen gegen den Leerstand? Gerade in Tirol braucht es dringend Maßnahmen dagegen. Zum Beispiel in Innsbruck: In Innsbruck stehen fast 10 Prozent aller Wohnungen leer. Weitere 6 Prozent der Wohnungen in Innsbruck sind als Nebenwohnsitze deklariert. Das sind in etwa 15 Prozent aller Wohnungen in der Landeshauptstadt, fast 12 000 Wohnungen, in denen kein Mensch seinen Lebensmittelpunkt hat, kein Mensch jeden Tag von der Arbeit kommt und dorthin geht, kein Mensch seine Kinder großzieht.

Diese Zahlen hat die Beantwortung einer Anfrage der Innsbrucker Sozialdemo­kratie an den grünen Bürgermeister Georg Willi offenbart. Da verwun­dert es nicht, dass in Innsbruck eine 55-Quadratmeter-Wohnung um die 1 400 Euro kostet – ohne Betriebskosten. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Wahnsinn! Das ist Wahnsinn! Ich kann mich nur Ge­nossen (Bundesrätin Schumann: Egger!) David Egger anschließen: Ihr müsst endlich in die Gänge kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Land Tirol steuert nun mit Zutun der Sozialdemokratie endlich auch dagegen an. Mit Anfang 2023 ist das Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabga­bengesetz in Kraft getreten. Die Dringlichkeit haben auch Salzburg und das Land Steiermark erkannt und ähnliche Gesetze beschlossen. Tirol, Salzburg und die Steiermark, das sind drei Bundesländer, die von ÖVP-Landeshauptleuten an­geführt werden und – das müssen wir jetzt wirklich so sagen – aufgrund des völligen Versagens auf Bundesebene aktiv werden mussten. (Beifall bei der SPÖ.)

Übrigens: In Wien gab es ja schon eine derartige Leerstandsabgabe – bis 1985, bis sie vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde, der sie damals als zu hoch beurteilt hat (Bundesrat Tiefnig: Hoch sozial!), denn für die Gesetzgebung im sogenannten Volkswohnwesen ist der Bund verantwortlich. (Bundesrätin Schumann: Genau! – Bundesrat Schennach: Da schau her!) Den Ländern fehlt so die echte Steuerkompetenz (Bundesrat Schennach: Das ist der Aha-Effekt für die Frau Staatssekretärin!), was eben dazu führt, dass sie nur bedingt regulie­rend eingreifen können. – Werte Staatssekretärin, da brauchen wir den Bund, den Ländern sind die Hände gebunden. Da sind Sie am Zug! (Beifall bei der SPÖ.)

Um einen tatsächlichen Lenkungseffekt zu erzielen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen, braucht es eine Änderung des Verfassungsartikels zum Volks­wohnungswesen sowie eine verfassungsrechtliche Absicherung der Flächenwid­mung sozialer Wohnbau.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass wir in Tirol eine Leerstands­abgabe haben, ebenso wie die Menschen in Salzburg und auch in der Steier­mark. (Bundesrat Leinfellner: Da sind sie auch froh darüber, ja!) Doch we­gen der Tatenlosigkeit auf Bundesebene sind wie zuvor erwähnt unsere Leer­standsabgaben, beispielsweise in Tirol, zu niedrig, ja beinahe schon zahn­los, sie schrecken die Spekulanten nicht ab. (Zwischenruf des Bundes­rates Spanring.) Die Spekulanten können sich unsere Leerstandsabgaben leisten, ebenso die Neben- und Freizeitwohnsitze, die die Menschen in Tirol wie die Leerstände längst als Problem erkannt haben.

Nicht das einzige, aber ein sichtbares Symptom dieser Problematik ist der Wildwuchs von Apartmenthäusern und Chaletdörfern, wie wir ihn in den letzten Jahren mitansehen mussten. Gekauft werden diese Apartmenthäuser und Chalets von betuchten, meist ausländischen Investoren. Deshalb – Genosse David Egger hat das schon erwähnt – schießen sie auch wie die Schwammerl aus dem Boden. (Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig.) – Das ist so. Fahren Sie ein­mal zu mir nach Tirol, dann werden Sie es sehen!

Das ist aber jener Boden, von dem wir in Tirol nur 12 Prozent haben. Wir in Tirol haben 12 Prozent dauerhaften Siedlungsraum, nicht mehr! Das macht diese Häuser und Dörfer, deren Namen ihr eigentliches Wesen verschleiert, zu – ich zitiere den Genossen (in Richtung Bundesrat Egger-Kranzinger weisend) – „Betongold“. Es sind sogenannte Investorenmodelle und somit Einfallstüren für Freizeitwohnsitze, die den Tirolerinnen und Tirolern buchstäblich ihr Land rauben. Sehr geehrte Staatssekretärin, da braucht es dringend ein Handeln, ein Regulativ auf Bundesebene! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die Menschen vor Problemen stehen, steht die Politik vor Herausforde­rungen. Wir alle müssen sie annehmen, Lösungen suchen und finden, aber eines nach dem anderen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und deshalb zurück zur Leerstandsabgabe: Es ist höchst an der Zeit, dass die Bundes­länder endlich die Kompetenz vom Bund zugesprochen bekommen, um im Sinne der Menschen gegen den Leerstand vorgehen zu können.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bundesländern schaffen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfas­sung im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehestmöglich ein Gesetzespaket vorzulegen, mit dem die Bun­desländer verfassungsrechtlich ermächtigt werden Leerstandsabgaben mit ausreichendem Lenkungseffekt einzuführen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bun­desländern schaffen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.