17.05

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir jetzt bei den Worten von Herrn Hübner ein bisschen die Gänsehaut heruntergeronnen (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring), denn sie klingen zwar lieb und nett, der Duk­tus erinnert aber an die Dreißigerjahre (Bundesrätin Steiner-Wieser: He he!), wo irgendein Schuldiger oder jemand gesucht wird, von dem man Wohnungen oder Arbeit nehmen kann, um sie – unter Anführungszeichen – den „eige­nen“ Leuten zu geben. Das ist eigentlich sehr erschreckend. (Bundesrat Spanring: Angebot und Nachfrage ist rassistisch? Sehr interessant! Das ist die grüne ...!) –Ja. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber: Es ist immens wichtig – da gebe ich den Anfragesteller:innen recht –, leistbares Wohnen immer im Auge zu behalten. Ja, Wohnen ist ein Grundrecht, denn wir müssen alle irgendwo wohnen, und das sage ich hier nicht zum ersten Mal. Daher ist es so wichtig, darauf zu schauen, dass der An­teil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen nicht zu hoch wird, damit den Familien für andere existenziell, aber auch sozial notwendige Ausgaben noch genügend Geld zur Verfügung steht.

Menschen mit wenig Einkommen, die einen großen Anteil ihres Haushalts­einkommens für Wohnen ausgeben müssen, bleibt zu wenig Geld, um ihre Kinder ausreichend zu unterstützen, sei das ein Skikurs, seien das aber auch nur ein Kindergeburtstag oder Nachhilfe, Musikstunden oder andere Kul­tur- und Freizeitaktivitäten. Da fehlt es an den Förderungen für die Kinder, an der Freude, die man ihnen machen kann, und an der sozialen Einbettung. Das sind alles Faktoren, die es braucht, um sozial mobil zu sein, also aufsteigen zu können.

Daher treten wir Grüne lautstark für leistbares Wohnen ein (Ruf bei der FPÖ: Wo?), Sie wissen das und Sie wissen das auch aus Wien. Ich gehe sehr gern auf Wien ein, ich bin ja auch aus Wien entsendet. Eine Stellschraube für günstigere Mietwohnungen ist, genügend Mietwohnungen auf den Markt zu bringen, damit das Angebot höher als oder zumindest gleich hoch wie die Nachfrage ist und die Mieten aufgrund des Wettbewerbs – weil die Nachfrage das Angebot übersteigt – nicht so enorm steigen wie bisher. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wohnraummobilisierung ist der Fachausdruck, und dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, von denen ich ein paar nennen möchte, bevor ich auf die Leerstandsabgabe eingehe. Mein Fokus – ich habe es schon gesagt – liegt auf Wien, während der die Anfrage einbringende Bundesrat seinen Fokus auf Salzburg legt – wie wir schon gehört haben nicht verwunderlich, wir haben heute, glaube ich, recht viele Wahlkampfreden hier gehört.

In der Anfrage geht es unter anderem um touristische Vermietung. Sie sprechen eben von Chaletdörfern – wir haben es jetzt oft gehört –, die Boden und Wohnraum für die Menschen vor Ort extrem verteuern. Das stimmt, aber es muss nicht so sein, wenn sie nicht so gewidmet werden. Ähnliches gibt es auch in Wien. Wien ist als Ganzes ein touristischer Hotspot. Da geht es natürlich nicht um die Chaletdörfer, aber eben um die touristische Vermietung. Es geht um die touristische Vermietung von bestehendem Wohnraum wie zum Beispiel über Airbnb, und genau das entzieht dem Markt wieder Woh­nungen und ist zusätzlich eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Wien braucht aber, weil die Bevölkerung Wiens jedes Jahr um 10 000 bis 20 000 Menschen wächst, mehr Mietwohnungen. Daher braucht es ein wienweites Verbot – die Wiener SPÖ: bitte die Ohren spitzen! – von touristischen Kurzzeitvermietungen von Wohnungen, und es braucht genügend Daten und effektive Sanktionsmöglichkeiten, um gegen verbotene Kurz­zeitvermietung vorzugehen. Wenn man ganz konsequent sein möchte, wäre ein allgemeines Zweckentfremdungsgebot für Wohnraum am zielführendsten.

Einen grünen Antrag in Wien zur Abschaffung von Ausnahmeregelun­gen in Wohnzonen hat die SPÖ leider – für mich unverständlicherweise – ab­gelehnt; wahrscheinlich auch die NEOS, weil mich Kollege Arlamovsky so anschaut. (Bundesrat Arlamovsky schüttelt den Kopf.)

Eine weitere sehr große Stellschraube ist die Flächenwidmung. Die Raumord­nung ist Ländersache, die Flächenwidmung ist Gemeindesache. Ich wage zu behaupten, dass die Fraktion der Anfragesteller:innen genügend Macht in den Ländern hat, etwas weiterzubringen. Sie sitzen in genügend Landtagen und sind mit genügend Macht ausgestattet, um mittels der Flächenwidmung zu mehr leistbarem Wohnen zu kommen.

Da kann ich Wien als gutes Beispiel nennen. In der Zeit der Koalition mit den Grünen und auch auf Betreiben der Grünen ist Wien im Bereich der Flä­chenwidmung mit gutem Beispiel vorangegangen. Es hat in der Bauordnung, die in Wien eben auch die Raumordnungsbestimmungen enthält, die neue Widmungskategorie geförderter Wohnbau eingeführt, die auf neu gewidmete Bauflächen zu zwei Dritteln umgesetzt werden muss. Das ist ein riesen­großer Schritt, der hin zu leistbaren Wohnungen geht und weg von den frei ver­mieteten und teuren Privatwohnungen. Da ist Wien, genauso was die Ge­meindewohnungen und den Bau von Gemeindewohnungen betrifft, den man im 20. Jahrhundert so stark vorangetrieben hat, ein gutes Beispiel, ein großes Vorbild, und wir zehren immer noch davon, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Wiener Bevölkerung, eine halbe Million Menschen, in circa 220 000 Ge­meindewohnungen wohnt.

Das bringt mich zur nächsten Maßnahme, die noch weitere, vor allem leistbare Wohnungen auf den Markt bringen soll. Die öffentliche Hand ist Eigentü­merin von Gemeindebauten und kann überprüfen, wer denn in Gemeindewoh­nungen wohnt und ob sie überhaupt bewohnt werden, denn viele, wirklich sehr viele Wohnungen, eben auch in Wien, sind Zweitwohnsitzwohnungen oder sind gar nicht als Wohnsitz gemeldet. Das heißt, sie stehen leer und sie dienen keinem dringenden Wohnbedürfnis. Das betrifft auch Gemeindewohnungen.

Wenn ich die leider immer nur geschätzten Leerstandszahlen in Wien mit circa 10 Prozent ansetze – eine Studie der Arbeiterkammer geht von 15 Prozent aus ‑, ergibt das, es könnten mehr als 20 000 Wohnungen für etwa 50 000 Men­schen den einkommensschwächsten Bewohner:innen von Wien zur Verfü­gung gestellt werden. Hier könnte die Stadt Wien sofort handeln, genauso wie sie die Indexanpassung in Gemeindewohnungen schon länger aussetzen könnte, wie zum Beispiel Traiskirchen das gemacht hat. Auch vermietet Traiskir­chen Gemeindewohnungen weitaus günstiger, nämlich nach dem Kate­goriemietzins.

Noch etwas zur Flächenwidmung: Was mir und uns Grünen ein sehr großes Anliegen ist: Hören Sie auf, Ortsränder mit Gewerbeparks zu verbauen! Sie werden gleich hören, warum ich darauf eingehe: Das versiegelt wertvolle Böden, es schadet der Versickerung, es fördert den Verkehr, es verur­sacht Unmengen an CO2, darüber hinaus lässt es die Ortskerne völlig verwaisen. Derweilen sollten gerade die Ortskerne aus ökologischer und sozialer Sicht gefördert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Da komme ich gleich zu der Maßnahme, die gerade in Wien sehr unterstüt­zenswert wäre, nämlich, mehr Wohnungen zu bauen, ohne Boden versiegeln zu müssen, und mehr Wohnungen damit auf den Markt zu bringen, und zwar mittels Nachverdichtung. Das ist bei bestehenden Häusern und auch wieder bei Gemeindebauten möglich, wo man zum Beispiel Parkplätze überbauen könn­te oder Dachböden ausbauen könnte, aber auch bei den Tausenden Su­permärkten und Gewerbeparks, die überbaut werden könnten.

Wenn wir von diesen ungenutzten Brachen und bereits versiegelten Flächen sprechen, komme ich auch zum Grund und Boden der öffentlichen Hand: Ja, diese Flächen sollten, wenn sie nicht mehr genutzt und verkauft werden, jedenfalls für gemeinwohlorientierten Wohnbau verwendet werden. Grundsätzlich aber sollte, weil man damit politisch besser lenken kann, gar kein öffentlicher Grund verkauft werden, sondern maximal im Baurecht ver­geben werden, was zunehmend von den ÖBB und glücklicherweise auch von Wien gemacht wird. – Gut so.

Nun zur Leerstandsabgabe: Diese betrifft Vermieter:innen oder Eigentümer:in­nen von Wohnungen, die nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohn­bedürfnisses dienen. Sie sagen es selbst, die Länder können hier selbst aktiv werden, und sie wurden es auch schon; wir haben es heute schon öfters gehört. Allerdings wurden sie es mit einer Abgabe in einer recht geringen Höhe, nämlich von circa 1 Euro pro Quadratmeter, und das wird nicht sehr viele davon überzeugen – wenn man 100 Quadratmeter nimmt, sind das 100 Euro im Monat –, dass sie diese Wohnungen vermieten werden. Aber es ist ein erster Schritt.

Daher haben die Grünen in Wien, unser grüner Sprecher für Wohnen Georg Prack, einen Antrag auf Einführung einer entsprechend höheren Leer­standsabgabe in Wien eingebracht, einer moderaten Leerstandsabgabe, die nicht der Ansicht des VfGH widerspricht. Die SPÖ-NEOS-Regierung aber hat ihn abgelehnt. Auch das ist nicht nachvollziehbar.

Eine von den Ländern eingeführte Leerstandsabgabe muss nämlich nicht zahnlos sein, sie muss nicht 1 Euro pro Quadratmeter betragen, die potenzielle Vermieter:innen, die neue Mietwohnungen auf den Markt bringen könnten, nicht kratzt. In diesem Modell haben wir eine moderate Leerstandsab­gabe gefordert, die zwei Drittel des Richtwertes beträgt, das sind etwa 4 Euro pro Quadratmeter. Damit würden monatlich zusätzlich zu den anfallen­den Betriebskosten bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung, das ist am ein­fachsten zu rechnen, 400 Euro zu bezahlen sein. Das wäre eine monat­liche Belastung, inklusive Betriebskosten, Instandhaltung, von circa 700 bis 1 000 Euro. Das schmerzt sehr wohl, aber es zwingt nicht zur Vermie­tung, wie der Verfassungsgerichtshof sagt, und es würde mehr Wohnungen auf den Markt bringen, denn es rechnet sich dann nicht mehr, diese leer stehen zu lassen.

Ein weiterer Benefit der Einführung einer Leerstandsabgabe, sogar, wenn sie sozusagen keine Zähne hat, ist die Erhebung des Leerstands. Das ist für uns politisch wichtig, um entsprechend handeln zu können.

Das Argument also, dass der Bund handeln muss, greift meiner Ansicht nach nicht. Das ist meines Erachtens eine Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln.

Die SPÖ beklagt sich ständig und weist immer darauf hin, was der Bund nicht alles tun sollte und was er falsch macht, aber genau dort, wo der Bund nachhaltige strukturelle Maßnahmen setzt, wie etwa die Anpassung der Sozial­leistungen an die Inflation und die Abschaffung der kalten Progression, genau dort, wo es um nachhaltige Maßnahmen geht, hat das von der SPÖ ge­führte Wien nur Einmalzahlungen beschlossen, und sie tut es weiterhin. Zudem werden Gemeindegebühren für Müll, Kanal und Wasser pünktlich zu Neujahr an die Inflation angepasst, egal, wie hoch die Inflation ist. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Buchmann: Ja, da schau her!)

So manche Sozialleistungen der Stadt Wien aber werden nicht an die Inflation angepasst, wie zum Beispiel die Wohnbeihilfe durch die nicht indexierten Einkommensgrenzen. Das führt dazu, dass Tausende Menschen ihren Anspruch auf Wohnbeihilfe verlieren, weil sie mit ihrem Einkommen über diesen Grenzen liegen. Die Stadt Wien hat diese Einkommensgrenzen das letzte Mal vor mehr als 20 Jahren angehoben. Obwohl die Wiener Bevölkerung in den letzten Jahren um mehr als 200 000 Personen gewachsen ist, ist die Zahl der Wohnbeihilfebezieher:innen gesunken – aber nicht, weil die Men­schen reicher oder die Mieten günstiger geworden sind, ganz im Gegenteil. Mehr Menschen bräuchten eigentlich die Wohnbeihilfe, bekommen sie aber nicht. Das ist nichts anderes als kalte Progression bei der so wichtigen Wohnbeihilfe, in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen Wohnen nicht mehr leisten können. Wo bleibt da Verantwortung und Ihr Aufschrei, liebe SPÖ? (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.17

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.