19.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (bereits am Redner:innenpult stehend): Ich will ein bisserl Zeit einsparen. (Heiterkeit des Redners.) – Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Als ich neuer Parlamentarier, also damals, 2005, Landtags­abgeordneter in Wien geworden bin, haben mir ein paar Mentoren, Men­torinnen – also andere Abgeordnete – gesagt: Lieber Marco! Eine der wichtigs­ten parlamentarischen Gepflogenheiten ist, dass du, wenn du als Redner rausgehst, dann die Debattenbeiträge der anderen verfolgst, weil es Gegen- und Gegenrede ist! – Das ist Debatte.

Jetzt wollte sich schon Herr Kollege Buchmann mit Herrn Hübner auseinander­setzen, Herr Kollege Schennach wollte Herrn Hübner etwas sagen, weil er ja ein paar arge Sachen gesagt hat, da kann man ja gerne darüber diskutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Er geht aber hier als Erstredner her – ich erkläre euch die Welt! –, geht raus und hört sich die anderen Redebei­träge nicht mehr an. Jetzt muss ich schon einmal sagen - - (Bundesrat Schen­nach: Nein, ich hab keine argen Sachen gesagt!) – Nein, nein, du wolltest auch Herrn Hübner etwas sagen (Bundesrat Schennach: Ach so, ja!) und er ist nicht da. (In Richtung FPÖ:) Es wird so oft von euch kritisiert, dass je­mand nicht im Bundesrat ist, aber ich finde auch, dass ein Bundesrat, der in einer Debatte einen Beitrag leistet, sich dann durchaus die Beiträge der anderen anhören könnte – vor allem, wenn man replizieren will. Das wollte ich jetzt ge­sagt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Ich wer­de ... das nächste Mal daran erinnern, Herr Kollege!) – Gerne, gerne. Ich bin eigent­lich, wenn ich rede, bei den Debatten immer da, das möchte ich schon betonen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

In diesem Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023, wie der Bericht heißt, werden die großen internationalen Herausforderungen, die Probleme und die Krisen besprochen. Tatsächlich, wenn wir derzeit von Außenpolitik sprechen, sind es vor allem diese Herausforderungen, diese Probleme und die Krisen, die natürlich – wir haben das ja auch in den Redebeiträgen vorhin er­lebt – im Vordergrund stehen.

Jetzt wird es auch in diesen Berichten zunehmend schwieriger, die Chancen und die Lösungsansätze zu suchen und zu finden. Genau das ist aber wichtig, weil eines der Ziele von Außenpolitik ja auch sein muss, so etwas wie Hoffnung zu finden, Perspektiven zu schaffen. Ich glaube, das Motto, das dem gan­zen Bericht zugrunde liegt, wurde noch gar nicht genannt. Es heißt: „Eine ent­schlossen und geeint vorgehende Union“. Genau das ist die große Chance, die auch wir als Österreich haben. Wir sollen uns das auch nicht schlechtreden lassen.

Ja, es ist wichtig, innerhalb der europäischen Institutionen über den demokrati­schen Weg zu streiten: Was ist der beste Weg für die Europäische Union? Ja, wir müssen um diese Positionen ringen, aber es ist wirklich wichtig, dass wir uns als Österreich klar im ganzen Koordinatensystem, international beken­nen: Wir sind Teil der Europäischen Union, und wenn es um internationale Fra­gen geht, haben wir die stärkste Stimme innerhalb dieser Europäischen Union. Das ist ganz wichtig für so ein kleines Land.

Das ist auch notwendig, wenn es um die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und mit den Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, geht. Solidarität hat auch innerhalb der Neutralität Platz, denn wenn Menschen, die nichts tun, als zu Hause zu wohnen, die nichts tun, als zu Hause eine Fa­milie zu haben, die nichts anderes tun, als dort zu leben, bombardiert werden und aus ihrem Wohnhaus weggebombt werden, wenn Universitäten zer­bombt werden, wenn Schulen zerbombt werden, wenn Bibliotheken zerbombt werden, wenn Museen und Theater, in denen Menschen leben, in denen Menschen arbeiten oder Schutz suchen, zerstört werden, wenn Kin­der verschleppt werden, von ihren Eltern teilweise getrennt und dann in ein anderes Land verschleppt werden und dort zwangsadoptiert werden, dann kann man auch als neutraler Staat sagen: Das geht nicht! Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Wenn ein Land ein anderes angreift, nur weil es meint, aufgrund irgendeiner Ideologie irgendein Recht zu haben – in diesem Falle wird diese Ideolo­gie mit durchaus faschistoidem Ansatz Russkij Mir genannt –, wenn in dieser Ideologie einfach internationales Recht gebrochen wird, Völkerrecht ge­brochen wird, dann kann man nicht so tun, wie es die FPÖ macht, als sei das ein Konflikt mit zwei gleichmäßig zu verteilenden Schuldzuweisungen. Das geht einfach nicht.

Ich darf hier vielleicht auch Bruno Kreisky zitieren (Bundesrätin Schumann: Freundschaft! – Bundesrat Schennach: Ja, bitte!): „Unsere Neutralität hindert uns in keiner Weise daran, zu den Ereignissen in Europa und in der ganzen Welt in dezidierter Weise Stellung zu nehmen.“ (Bundesrat Kornhäusl: Da hat er recht gehabt! Eines der wenigen Dinge, wo er recht gehabt hat!) – Das halte ich wirklich für die beste Zusammenfassung der ganzen Diskussion: ein Bruno-Kreisky-Spruch, dem man eigentlich nur zustimmen kann, und ich würde mir wünschen, dass das eine parteiübergreifende Haltung wäre.

Der Bericht ist freilich eine Reise und ein Rundblick auf mehrere Epizentren – wenn ich das einmal so sagen darf – der weltweiten Herausforderungen. Migration wurde ja auch bereits in den Reden vorab angesprochen, und ich wäre nicht Marco Schreuder und ich wäre nicht bei den Grünen, wenn ich nicht müde würde, zu betonen, dass derzeit die beste Prävention für viel Migration Klimaschutz ist.

Mein Kollege Adi Gross hat bereits die Auswirkungen genannt – was es bedeutet, wenn sich die Erde weiter in diesem rapiden Tempo, wie wir es derzeit haben, erwärmt. Das würde tatsächlich bedeuten, dass weite, weite Land­striche dieser Erde, in denen jetzt Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen le­ben, nicht mehr bewohnbar werden. So gesehen ist natürlich das Klima­schutzprogramm der Europäischen Union ein ganz wesentlicher Bestandteil, um genau dem – dass das passiert – vorzubeugen.

Weitere Bereiche sind freilich auch anzusprechen. Das Annähern von Saudi-Arabien und dem Iran ist sicher eine ganz große und ganz wesentliche und für viele auch durchaus überraschende Änderung der geopolitischen Land­karte; und weil ich gesagt habe, man muss auch die Hoffnungsschimmer sehen: Für den Jemen und den wirklich fürchterlichen Krieg im Jemen bedeutet das eine große Chance und eine große Hoffnung – überhaupt keine Frage. Natürlich, was es auf lange Sicht bedeutet, dass zwei Staaten, die nun auch nicht gerade für Menschenrechte und Demokratie bekannt sind, sich so zusam­menfinden, das werden wir in Zukunft sehen.

Apropos Iran: Ich möchte hier schon noch einmal betonen, dass das, was die Frauen und die Zivilgesellschaft an Widerstandskraft gegen dieses repres­sive, brutale Mullah-Regime im Iran zu Wege bringen, wirklich bewundernswert ist und meinen vollsten Respekt verdient. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Auch die Iranerinnen und Iraner, die in Österreich leben – ich kann das jedem nur empfehlen –: Vor der UNO-City gibt es ein Camp von Iranern und Iranerinnen. Sie sind überhaupt nicht organisiert. Das sind Menschen, die hier wohnen, die dort einfach vor der UNO zeigen wollen, was im Iran pas­siert. – Besuchen Sie diese Menschen! Das sind ganz, ganz großartige Menschen. Zum Beispiel gehört die Tischlerei in meinem Haus einem Iraner, und seine Mutter kocht dann immer für die Leute, die dort campen. Das sind so be­wundernswerte Menschen.

Manchmal denke ich, man kann sich auch Inspiration von der Kraft und dem Willen, der dort herrscht, für das holen, was wir hier tun, nämlich das Rede­recht zu haben, debattieren zu dürfen und unterschiedliche Meinungen ha­ben zu dürfen, während die dort dafür einstehen und auch noch sterben müssen. Ich finde, das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben ja auch nahezu alle hier im Hause Patenschaften für inhaftierte Iranerinnen und Iraner übernommen. Ich darf zumindest von meinem Patenkind, wenn ich das so sagen darf, von Negar Tavousi sagen, sie ist freigelassen worden. Das freut mich wirklich sehr. Allerdings sind natürlich noch viel zu viele Menschen inhaftiert und vielen droht immer noch die Todesstrafe.

Für Österreich ist auf jeden Fall die Umsetzung – ich habe es vorhin schon bei der Frage der Migration erwähnt –der EU-Klimaziele, insbesondere des Fit-for-55-Pakets ganz zentral. Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, die Klima­neutralität mit der Europäischen Union bis 2040 zu erledigen, also sogar noch zehn Jahre vor dem EU-Ziel. Im Außenministerium geht man allerdings davon aus – habe ich im Bericht gelesen –, dass dafür noch ambitio­niertere Maßnahmen erforderlich sind, generell sei klar, dass die Klima- und Biodiversitätskrise nicht alleine in Europa gelöst werden kann. Das se­hen wir auch so. Aber gerade für die EU ist es auch im internationalen Kontext natürlich ganz wichtig, bei multilateralen Konferenzen mit einer ganz klaren Stimme für Umweltschutz, für Klimaschutz und für Biodiversität einzu­stehen.

Frauenpolitik ist oft auch Außenpolitik und umgekehrt. Und die Fassungslosig­keit, die wir derzeit gegenüber der brutalen Unterdrückung von Frauen in Afghanistan erleben müssen, möchte ich hier auch ansprechen. Frauen werden zunehmend durch die radikalislamischen Taliban mit Berufs- und Studien­verboten belegt, sogar mit Schulverboten. Damit wird der Hälfte der afghani­schen Bevölkerung eine Bildungschance verwehrt, und eigentlich wird der Hälfte eines Landes jegliche Chance, jegliches Potenzial genommen.

Deutschland hat jetzt beispielsweise ein eigenes Stipendienprogramm ins Leben gerufen, mit 7 Millionen Euro dotiert. Da ja Herr Kollege Spanring gesagt hat, Deutschland hätte so eine schlechte Regierung: Die helfen den Frauen in Afghanistan mit einem Stipendienprogramm. (Bundesrat Spanring: Nicht schlecht, peinlich habe ich gesagt! Schlecht sind sie auch!) Das wäre wohl auch ein Vor­bild, würde ich einmal sagen, und ein Beispiel, wie man hier vorgehen kann, um den Frauen in Afghanistan gezielt zu helfen.

Meine Damen und Herren, es gibt viel Hoffnungsschimmer. Wer hätte noch vor fünf Jahren gedacht, dass es nach Schwierigkeiten – das muss man dazu­sagen – zwischen Serbien und dem Kosovo eine Annäherung geben kann, dass diese zwei Staaten bereit sind, miteinander – ich sage das einmal so – leben zu lernen? Und auch hier kann die Europäische Union als Perspektive eine ganz entscheidende Rolle bieten, denn eines dürfen wir nicht vergessen: Es gibt immer noch viele Länder, die der Europäischen Union beitreten wollen. Also ganz so schlecht kann diese Europäische Union ja nicht sein. Die EU ist ein solcher Ort der Hoffnung in schwierigen Zeiten. Und die sollen wir hüten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.43

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesmi­nister. – Bitte, Herr Minister.