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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

952. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 14. April 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

952. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 14. April 2023

Dauer der Sitzung

Freitag, 14. April 2023: 9.00 – 21.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines/einer 2. Vizepräsidenten/Vizepräsidentin für den Rest des 1. Halbjahres 2023

2. Punkt: Wahl eines/einer 1. Schriftführers/Schriftführerin, eines/einer 3. Schriftführers/Schriftführerin und eines/einer 4. Schriftführers/Schriftführerin sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2023

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzu­schussgesetz) und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-
Gesetz – LWA-G geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartenge­bundene Zahlungsvorgänge (Interbankenentgeltevollzugsgesetz – IEVG) erlassen


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 2

und das E-Geldgesetz 2010, das Wettbewerbsgesetz und das Zahlungs­dienstegesetz 2018 geändert werden

6. Punkt: Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbe­zogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnver­lagerung

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung des Flächenrecyclings, der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt im Ausland sowie über das österreichische JI/CDM-Programm für den Klimaschutz (Umweltförderungsgesetz – UFG geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (41. KFG-Novelle)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bericht betreffend EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f Ab­satz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG

11. Punkt: 45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021)

12. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grundrechte“

13. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. November 2020“


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 3

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schul­unterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhal­tungs Grundsatzgesetz und das COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG geändert werden

15. Punkt: Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits

16. Punkt: Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits

17. Punkt: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung

18. Punkt: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

19. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

20. Punkt: Bericht betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 4

24. Punkt: Bericht betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des französi­schen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekostenzuschuss­gesetz – UEZG geändert wird

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

28. Punkt: Bericht betreffend EU Vorhaben 2023

29. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen ge­meinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

*****

Ergänzung der Tagesordnung ..................................................................................     82

30. Punkt: Antrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Christoph Steiner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ (370/A-BR/2023)

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Inhalt

Bundesrat

Angelobung der Bundesrät:innen Mag. Claudia Arpa, Andreas Babler, MSc, Michael Bernard, Sandra Böhmwalder, Christian Fischer, Margit Göll,


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 5

Doris Hahn, MEd MA, Viktoria Hutter, Simone Jagl, Klemens Kofler, Sandra Lassnig, Dr. Manfred Mertel, Andreas Arthur Spanring, Mag. Isabella Theuermann, Matthias Zauner und Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ..............     24

Verlangen des Bundesrates Christoph Steiner auf Erteilung eines Ordnungs­rufes .........................................................................................................................     66

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner mit Bezug auf § 49 GO-BR           68

Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates .................................     72

Schreiben des Kärntner Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates ......................................................................     76

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdölexportierenden Länder (OPEC) zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdöl­exportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der Erdöl­exportierenden Länder durch den Bundespräsidenten .....................................     78

Antrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Chris­toph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Christoph Steiner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ ohne Vorbera­tung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen (370/A-BR/2023) – Annahme .................................................................  81, 82


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 6

1. Punkt: Wahl eines/einer 2. Vizepräsidenten/Vizepräsidentin für den Rest des 1. Halbjahres 2023 .................................................................................     83

2. Punkt: Wahl eines/einer 1. Schriftführers/Schriftführerin, eines/einer 3. Schriftführers/Schriftführerin und eines/einer 4. Schriftfüh­rers/Schriftführerin sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjah­res 2023 ...................................................................................................................     84

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ......  153, 311

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................  154, 312

Personalien

Verhinderung ..........................................................................................................     24

Aktuelle Stunde (104.)

Thema: „Frauenförderung & Gleichstellung in Sport und Kultur“ ..................     26

Redner:innen:

Marco Schreuder .....................................................................................................     26

Heike Eder, BSc MBA ..............................................................................................     31

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................     34

Markus Leinfellner ...................................................................................................     38

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...............................................................  43, 61

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................     49

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................     52

Stefan Schennach ....................................................................................................     54

Christoph Steiner .....................................................................................................     56

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     60

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     81


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 7

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  69, 411

29. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 ..................................  409

Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkos­ten – Herr Bundeskanzler, machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar!“ (4096/J-BR/2023) .................................................................................  240

Begründung: David Egger-Kranzinger ...................................................................  241

Staatssekretärin Claudia Plakolm ..........................................................................  247

Debatte:

Daniel Schmid ..........................................................................................................  255

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  260

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  266

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  271

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  277

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  282

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  288

Günter Pröller ...........................................................................................................  292

David Egger-Kranzinger ..........................................................................................  296

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  298

Markus Leinfellner ...................................................................................................  303

Stefan Schennach ....................................................................................................  305

Günter Kovacs .........................................................................................................  308


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 8

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bundesländern schaffen“ – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ..................................................................  259, 311

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  312

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Flächenwidmung ‚Sozialer Wohnbau‘ zur Schaffung von leistbarem Wohnraum in den Bundesländern“ – Ab­lehnung ...................................................................................................  285, 314

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3256/A und 1992 d.B. sowie 11216/BR d.B.) .........................................     86

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................     87

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzu­schussgesetz) und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert werden (1993 d.B. sowie 11217/BR d.B.) .........     86

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................     87

Redner:innen:

Korinna Schumann ..................................................................................................     88

Klara Neurauter .......................................................................................................     92

Markus Steinmaurer ................................................................................................     95

Marco Schreuder .....................................................................................................     97


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  101

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (Interbankenentgeltevollzugsgesetz – IEVG) erlassen und das E-Geldgesetz 2010, das Wettbewerbsgesetz und das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert werden (1957 d.B. und 1991 d.B. sowie 11218/BR d.B.) ..........................................................................  102

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  102

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend eine Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbe­zogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (1847 d.B. und 1990 d.B. sowie 11219/BR d.B.)         102

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  102

Redner:innen:

Christoph Stillebacher .............................................................................................  104

Dominik Reisinger ....................................................................................................  105

Günter Pröller ...........................................................................................................  106

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  109


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 10

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneinge­schränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaf­fung in Österreich und der EU“ – Ablehnung ....................................  108, 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2
Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................... 
110

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung des Flächenrecyclings, der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt im Ausland sowie über das österreichische JI/CDM-Pro­gramm für den Klimaschutz (Umweltförderungsgesetz – UFG geändert wird (3255/A und 1963 d.B. sowie 11192/BR d.B. und 11212/BR d.B.) ...............  111

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  112

Redner:innen:

Michael Bernard ......................................................................................................  112

Alexandra Platzer, MBA ..........................................................................................  114

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  116

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  119

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  123

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  126


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 11

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert
wird (41. KFG-Novelle) (1954 d.B. und 1974 d.B. sowie 11197/BR d.B.) ...... 
127

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  127

Redner:innen:

Horst Schachner ......................................................................................................  128

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  130

Michael Bernard ......................................................................................................  133

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  136

Marco Schreuder (tatsächliche Berichtigung) ......................................................  139

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  142

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3241/A und 1995 d.B. sowie 11193/BR d.B. und 11198/BR d.B.) ...............................................................................................  142

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  142

Redner:innen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  143

Mag. Franz Ebner .....................................................................................................  145

Dominik Reisinger ....................................................................................................  146

Marlies Steiner-Wieser.............................................................................................  148

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  150

Korinna Schumann ..................................................................................................  152


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 12

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pen­sionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskas­sen“– Ablehnung (namentliche Abstimmung) ...................................  149, 153

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  153

10. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-806-BR/2023 d.B. sowie 11199/BR d.B.) ............................................................................................  156

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  156

Redner:innen:

Marlies Steiner-Wieser.............................................................................................  157

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  159

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  162

Horst Schachner ......................................................................................................  164

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  166

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“ – Ablehnung .........  158, 168

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-806-BR/2023 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...............................................................  168

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: 45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezem­ber 2021) (III-783-BR/2022 d.B. sowie 11194/BR d.B.) ..................................  168

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  169


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 13

12. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grundrechte“ (III-797-BR/2022 d.B. sowie 11195/BR d.B.) ...............  168

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  169

13. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. November 2020“ (III-800-BR/2022 d.B. sowie 11196/BR d.B.) .......................................................................................................  169

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  169

Redner:innen:

Barbara Tausch ........................................................................................................  170

Volksanwältin Gabriela Schwarz ............................................................................  174

Günter Kovacs .........................................................................................................  178

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  180

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ......................................................................  188

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  194

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz ........................................................................  197

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  201

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, den Bericht III-783-BR/2022 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .......................................................  206

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, den Bericht III-797-BR/2022 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .......................................................  206

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, den Bericht III-800-BR/2022 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .......................................................  206

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grund­satzgesetz und das COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG geändert werden (1956 d.B. und 1964 d.B. sowie 11211/BR d.B.) .................................  207

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  207


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 14

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  208

Bernhard Hirczy .......................................................................................................  213

Günter Pröller ...........................................................................................................  217

Simone Jagl ..............................................................................................................  220

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  223

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  226

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  228

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits (1904 d.B. und 1983 d.B. sowie 11205/BR d.B.) .......................................................................................................  228

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ...........................................................  228

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenar­beit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits (1905 d.B. und 1984 d.B. sowie 11206/BR d.B.) ............................................................................................  228

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ...........................................................  228

Redner:innen:

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  229

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  230

Elisabeth Grimling ....................................................................................................  232

Marco Schreuder .....................................................................................................  233


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 15

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2
Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................... 
235

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2
Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................... 
235

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1800 d.B. und 1985 d.B. so­wie 11207/BR d.B.) ................................................................................................  236

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  237

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ei­nen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Ur­kunden von der Beglaubigung (1902 d.B. und 1986 d.B. sowie 11208/BR d.B.) .......................................................................................................  236

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  237

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österrei­chischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1951 d.B. und 1987 d.B. sowie 11209/BR d.B.) ........  237

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  237


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 16

Redner:innen:

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  238

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................  314

Stefan Schennach ....................................................................................................  315

Marco Schreuder .....................................................................................................  316

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  318

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  318

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  318

20. Punkt: Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023 (III-808-BR/2023 d.B. sowie 11210/BR d.B.) ...................................................................  319

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  319

Redner:innen:

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  319

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................  326

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  330

Stefan Schennach ....................................................................................................  337

Marco Schreuder .....................................................................................................  340

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ...........................................  345

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-808-BR/2023 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...............................................................  347


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 17

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch ge­ändert wird (Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023) (1920 d.B. und 1979 d.B. sowie 11201/BR d.B.) ..........................................................................  347

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................  348

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  348

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (1946 d.B. und 1980 d.B. sowie 11202/BR d.B.) ............................................................................................  349

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................  349

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  349

Klara Neurauter .......................................................................................................  350

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  351

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  352

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  354

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  355

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1948 d.B. und 1981 d.B. sowie 11203/BR d.B.) ..................................................................  355

Berichterstatterin: Barbara Tausch .......................................................................  356

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  356

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  358


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 18

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  360

Markus Leinfellner ...................................................................................................  361

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  361

24. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 so­wie dem Achtzehnmonats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes (III-815-BR/2023 d.B. sowie 11204/BR d.B.) .....  362

Berichterstatterin: Barbara Tausch .......................................................................  362

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  362

Matthias Zauner ......................................................................................................  367

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  370

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-815-BR/2023 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...............................................................  371

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekosten­zuschussgesetz – UEZG geändert wird (3223/A und 1962 d.B. sowie 11213/BR d.B.) .......................................................................................................  372

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  372

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird (1947 d.B. und 1961 d.B. sowie 11214/BR d.B.) ......................  372

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  372


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 19

Redner:innen:

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................  373

Markus Stotter, BA ..................................................................................................  374

Michael Bernard ......................................................................................................  376

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  381

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  382

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Infrastrukturoffensive für Österreich“ – Ablehnung ..............................................................................................  380, 384

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  383

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 26, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  383

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (3158/A und 1994 d.B. sowie 11200/BR d.B.) .........................................  384

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..............................................  384

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  385

Heike Eder, BSc MBA ..............................................................................................  388

Günter Pröller ...........................................................................................................  390

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  391

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  393

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler .....................................................  396

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  399


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 20

28. Punkt: Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betref­fend EU Vorhaben 2023 (III-813-BR/2023 d.B. sowie 11215/BR d.B.) .........  399

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..............................................  399

Redner:innen:

Korinna Schumann ..................................................................................................  400

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ..........................................................................  402

Markus Steinmaurer ................................................................................................  406

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  407

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-813-BR/2023 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...............................................................  409

30. Punkt: Antrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Korn­häusl, Christoph Steiner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“
(370/A-BR/2023) ................................................................................................... 
410

Annahme des Antrages 370/A-BR/2023 ............................................................  411

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesrät:innen

Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Christoph Steiner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ (370/A-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 21

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend PRIDEs nicht ohne den Bund – eigenes Budget für die LGBTIQ-Community sicherstel­len (371/A(E)-BR/2023)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskassen (372/A(E)-BR/2023)

Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU (373/A(E)-BR/2023)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lohn- und Sozial­versicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten
(374/A(E)-BR/2023)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Sperre der „Todesstiege“ in der Gedenkstätte Mauthausen
(375/A(E)-BR/2023)

Anfragen der Bundesrät:innen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Lebensmittelverschwendung – Quo vadis? (4092/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Lebensmittelverschwendung – Quo vadis?
(4093/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lebensmittelverschwendung – Quo vadis? (4094/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 22

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Lebensmittelverschwendung – Quo vadis? (4095/J-BR/2023)

David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – Herr Bundeskanzler, machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar! (4096/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Krankenkassenbei­träge für Asylwerber 2021, 2022 und 2023 (4097/J-BR/2023)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die von den einzelnen Bundesländern „beantragten“ oder angeregten Bun­desehrenzeichen (4098/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Queere“ Inhaltsvermittlung und „Dragqueen“-Auftritte als Teil des Schulunterrichtes? (4099/J-BR/2023)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Bildungszentrum im Süden von Graz (3772/AB-BR/2023
zu 4070/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalsituation am LKH-Univ. Klinikum Graz (3773/AB-BR/2023 zu 4071/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 23

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Personalsituation am LKH-Univ. Klinikum Graz (3774/AB-BR/2023 zu 4072/J-BR/2023J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Personalsituation am LKH-Univ. Klinikum Graz (3775/AB-BR/2023 zu 4072/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wo bleibt der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in den Bundesländern? (3776/AB-BR/2023 zu 4081/J-BR/2023)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuregelung des Schü­lergelegenheitsverkehrs (3777/AB-BR/2023 zu 4078/J-BR/2023)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesrät:innen David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haben Sie dabei zugesehen, wie Energiekonzerne die Menschen in Öster­reich ungerechtfertigt abgezockt haben, Herr Bundesminister?
(3778/AB-BR/2023 zu 4080/J-BR/2023)


 


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 24

09.00.11Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Günter Kovacs, Vizepräsident Mag. Harald Himmer, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA.

09.00.12*****


Präsident Günter Kovacs: Einen wunderschönen guten Morgen! Ich eröffne die 952. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 951. Sitzung des Bundesrates vom 16. März 2023 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Andrea Michaela Schartel.

Ich darf kurz zu den Begrüßungen kommen: Ich darf bei uns im Bundesrats­sitzungssaal recht herzlich den Zweiten Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages Gottfried Waldhäusl begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich begrüße die Dritte Präsidentin des Niederösterreichischen Landtages Eva Prischl. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Auch zu Gast bei uns ist Bundesratspräsident außer Dienst Edgar Mayer. – Herzlich willkommen, Edgar! (Allgemeiner Beifall.)

Es ist auch ein Anliegen von mir, den Herrn Fraktionsvorsitzenden der ÖVP außer Dienst zu begrüßen. – Herzlich willkommen, Karl Bader! Schön, dass du da bist! (Allgemeiner Beifall.)

09.01.37Angelobung


Präsident Günter Kovacs: Eingelangt sind ein Schreiben des Niederösterrei­chischen Landtages betreffend die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 25

des Bundesrates sowie ein Schreiben des Kärntner Landtages betreffend die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates. (siehe S. 72)

Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Sehr geehrte Damen und Herren, ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates:

„Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beob­achtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner leisten die Bundesrät:innen Mag. Claudia Arpa, Andreas Babler, MSc, Michael Bernard, Sandra Böhmwalder, Christian Fischer, Margit Göll, Doris Hahn, MEd MA, Viktoria Hutter, Simone Jagl, Klemens Kofler, Sandra Lassnig, Dr. Manfred Mertel, Andreas Arthur Spanring, Mag. Isabella Theuermann, Matthias Zauner und Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Günter Kovacs: Meine Damen und Herren, ich begrüße die neuen be­ziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. Herzliche Gratulation!

Ich darf in unserer Mitte außerdem Herrn Vizekanzler Kogler begrüßen. – Herzlich willkommen, Herr Vizekanzler! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 26

09.06.10Aktuelle Stunde


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Frauenförderung & Gleichstellung in Sport und Kultur“

mit Herrn Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler, den ich noch einmal herzlich willkommen heißen darf.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen bezie­hungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stel­lungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner pro Fraktion sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglich­keit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. Bitte, Herr Bundesrat.


9.07.11

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute natürlich vor allem: Sehr geehrte neue Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen im Bundesrat im Namen der Fraktion der Grünen! Jetzt gerade passiert ja doch ein großer Umbruch – ich habe auch noch nicht allen gratuliert, merke ich gerade. Es ist natürlich im­mer spannend, wenn hier so viele neue Gesichter angelobt werden, wir müssen nun aber trotzdem sozusagen in unseren bundesrätlichen Alltag übergehen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 27

Wir haben eine Aktuelle Stunde zu einem Thema, über das ich jetzt referieren möchte. Das Thema ist schon deswegen interessant, weil Sport und Kul­tur eigentlich in einer ganz besonderen Art und Weise auch einen Spiegel der Gesellschaft darstellen. Sport und Kultur sind ja nicht losgelöst von der Gesellschaft. Es sind unzählige Menschen in Österreich tagein, tagaus mit Kultur oder Sport beschäftigt: als Aktive, als Berufstätige in diesem Bereich oder hobbymäßig in der Freizeit, als Zuschauer oder Zuschauerinnen, als Organisa­torinnen oder Organisatoren, als Ausbildner oder Ausbildnerinnen für die Jugend und Kinder.

In den Bereichen der Gesellschaft, wo es sozusagen Bruchlinien gibt, sind diese nun auch im Sport und in der Kultur in einer ganz besonderen Weise deut­lich sichtbar. Darunter fallen Muster von Diskriminierungen, Muster von Sexismus, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und all die anderen furchtbaren Dinge, die es in unserer Gesellschaft gibt – manchmal lei­der auch Missbrauch und Gewalt.

Aber, und das ist das wirklich Wichtige in diesem Bereich, es gibt von sehr vielen Seiten – seitens des Ministeriums, seitens der Bundesregierung, seitens vie­ler Politiker und Politikerinnen auf Landesebene, aber auch seitens der Sportverbände – sehr viele Bemühungen, diesen Problemen, die es einfach gibt, in einer gewissen Art und Weise zu begegnen, und das Bekenntnis dazu, die Problemlösung anzugehen.

Eines muss auch gesagt werden: Die Ausgrenzung von Talenten – Menschen, die gut Fußball spielen, Handballtalente, Menschen, die ein herausragendes Ge­fühl beim Skispringen oder beim Skifliegen haben, ganz besonders schön Sopran singen können oder in verblüffender Weise Beats und Gitarren mixen
können –, auf diese Talente zu verzichten, weil sie sich in einem Verband, in einem Verein, wo auch immer, nicht wohlfühlen, das wäre vor allem eines: dumm.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 28

Insbesondere eine Maßnahme, die das Ministerium auch sehr breit unterstützt – gemeinsam mit der Bundes-Sport GmbH und 100 % Sport –, möchte ich Ihnen, weil auch bei Ihnen in den Ländern sehr viele in Sportvereinen tätig sind, ganz besonders ans Herz legen, und das ist die „Handreichung für Sport­vereine“ (die entsprechende Broschüre zeigend), sie heißt „Für Respekt und Sicher­heit – gegen sexualisierte Übergriffe im Sport“. Das ist so eine Handrei­chung, von der man sagen muss, man kann immer nur hoffen, dass die Vereine sie nicht brauchen. Am besten wäre es, niemand bräuchte diese Broschüre, aber es ist gut, wenn man sie hat, wenn es zu einem Vorfall kommt, und man eine Hilfestellung bekommt. Das ist jetzt die dritte Auflage, und ich kann nur wärmstens ans Herz legen, sich diese auch wirklich abzuholen, zumindest im Verein zu haben und dann herauszuholen, wenn man sie leider braucht. Das ist eine wirklich wichtige Geschichte.

Mit Diskriminierungen im Sport beschäftige ich persönlich mich ja schon seit vielen Jahren und zum Glück, kann man sagen – das möchte ich schon sagen, ich bin ja ein alter Wiener-Sport-Club-Fan und Rapid-Fan (Ah-Ruf des Bundes­rates Arlamovsky sowie Oje-Rufe bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) –, zum Glück, kann ich sagen, sind viele, viele der Gesänge, die ich noch vor Jah­ren, noch vor wenigen Monaten hören musste, immer seltener zu hören. Als ich im letzten Wiener Derby gewisse Gesänge nicht mehr hörte, war ich richtig erleichtert. Ich glaube, das war das erste Wiener Derby, das ich erlebt habe, bei dem ich gewisse Sprüche – ich glaube, ihr wisst alle, welche ich meine: Hm, hm, hm FAK!, oder Hm, hm, hm SCR! – nicht hören musste (Bundesrat Himmer: Dann warst du nicht dort!), und das ist wichtig.

Es ist wichtig, dass man in einem Sportverein auch eine Atmosphäre der Inklusion schafft, weil wir zum Beispiel aus einer Studie der Sportuniversität in Köln wissen, dass vor allem viele LGBTIQs, die Sport betreiben – und die hat ganz viel erforscht und nachgefragt –, die Sportvereine schon im Jugendalter verlassen, weil sie sich in dem dortigen Klima nicht wohlfühlen, weil sie sich


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dort nicht zu Hause fühlen, weil sie sich nicht abgeholt fühlen. Und das ist ein­fach etwas, das man nicht wollen kann. Das sind unsere Fußballtalente, das sind die Leute, die morgen Superstars werden könnten – weiß man natürlich vorher nicht, aber es wäre doch blöd, auf diese zu verzichten.

Auch die Uefa ist sehr aktiv geworden, das ist sehr erfreulich. Es gibt ja jetzt sozusagen eine Verpflichtung auch für die Vereine in den Fußballverbän­den, eine soziale Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, dass es hier eine CSR-Initiative gibt, Sexismus, Diskriminierung und Verletzungen von Men­schenrechten als Bestandteil des Fußballs zu definieren. Ich halte das für ganz wichtig.

Einen Punkt möchte ich auch lobend erwähnen, nämlich dass der ÖFB und die österreichische Bundesliga aktiv geworden sind und eine Ombudsstelle eingerichtet haben, nämlich Fußball für alle, mit dem Ombudsmann Oliver Egger, einem offen schwulen Fußballer des FC Gratkorn in der Steiermark, der da ganz tolle Arbeit leistet. Das empfinde ich schon als wichtig, denn zum Glück gibt es auch immer mehr Spieler, die sich nicht mehr verstecken wollen, die toxi­sche Stimmungen dann auch kundtun und sagen: Hallo, wir gehören alle zum Sport, Sport muss für alle da sein und nicht nur für eine kleine Gruppe! Das halte ich für ganz wichtig.

Solche Anlaufstellen gibt es jetzt auch im Kulturbereich, denn auch im Kulturbe­reich sind, auch wenn man es dort oft nicht vermuten würde, solche Me­chanismen von Ausgrenzung nicht unbekannt. Auch dort gibt es das. Geschlech­tergerechtigkeit als ein Ziel auch im Kulturbereich, auch dazu hat sich die­se Regierung bekannt. (Ruf bei der SPÖ: Geh!) Auch dort sind Anlaufstellen ganz entscheidend, und eine Anlaufstelle ist jetzt Vera*, die ja auch für Sport zuständig ist, aber eben auch für Kultur. Sie ist jetzt zum Beispiel bei Belästigung und Gewalt in diesen Bereichen zuständig und man kann sich an sie wenden, wenn man grausliche Probleme hat.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 30

Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, aber eine Maßnahme in der Kultur­politik möchte ich schon ganz besonders hervorheben, denn auch wenn man sich das international anschaut, muss man sagen, das gibt es eigentlich auch in anderen Ländern sehr selten, und ich finde, das ist eine ganz tolle Sache: die Fair-Pay-Initiative, die es seitens der Kultur und unserer Bundesregierung gibt.

Seit 2020, also schon seit drei Jahren, wurde in einem sehr, sehr breiten Pro­zess – und das Schöne ist, und das betrifft ja uns im Bundesrat dann besonders, mit allen Bundesländern, allen Sportreferenten und Sportreferentinnen in den Bundesländern, Entschuldigung, Kulturreferentinnen und -referenten in den Bundesländern – an den Arbeitsbedingungen, etwa der sozialen und recht­lichen Absicherung von Künstlerinnen, aber auch von Künstlern gearbeitet. Und diese Fair-Pay-Initiative betrifft in einer ganz besonderen Art und Weise freilich Frauen – wir wissen ja auch, ein Genderpaygap ist auch im Kultur­bereich nicht selten.

Wir haben ja zum Glück gerade auch das Radio-Symphonieorchester gerettet (Bundesrätin Schumann: Die haben sich selbst gerettet! – Die Bundesrätin­nen Schumann und Hahn: Was heißt „gerettet“? – Bundesrätin Schumann: Reden kann ich auch schön!), mit einer Chefdirigentin, leider auch noch eine sehr große Seltenheit im Bereich der Kultur, mit Marin Alsop, die wirklich eine ganz, ganz hervorragende Dirigentin ist, und das ist, finde ich, ganz besonders lobenswert.

Bei diesem Prozess mit den Bundesländern hat man eben Daten gesammelt, man hat sich den Bedarf angeschaut, die Unterschiede. Man hat sich genau angeschaut, wo es Ungerechtigkeiten im Kulturbetrieb gibt. Und nach einer Pilotphase, die ja voriges Jahr stattgefunden hat, mit ganz gezielten Fair-Pay-Zu­schüssen, ist man seit dem Juni 2022 erfreulicherweise seitens der Staats­sekretärin und des Ministeriums aktiv geworden. Man hat in Grafenegg mit allen Bundesländern eine Umsetzung, eine Fair-Pay-Strategie unterzeichnet. Das ist wirklich gerade für Frauen eine ganz, ganz gute Initiative. Wir müssen auch aus der Situation herauskommen, dass Kulturarbeit sozusagen in


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einer Selbstausbeutung stattfindet, sondern sie muss eine gut bezahlte Tätigkeit sein, die uns allen dient.

In diesem Zusammenhang werden sicher auch alle Bundesländer eine ganz ent­scheidende Rolle spielen müssen, auch für die Zukunft, damit das auch weiterhin funktioniert, also da müssen alle zusammenhalten.

Es gibt noch wahnsinnig viele weitere kulturpolitische Steuerungsinstrumente, bei Genderbudgeting, bei Fördermaßnahmen für Frauen, auch in der Ausbildung, man kann sie gar nicht alle aufzählen, aber eines ist klar: Da bewegt sich gerade massiv etwas in dieser Republik und das ist auch gut und wichtig so. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundes­rätin Schumann: Das glaubst ja selbst nicht!)

9.17


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.17.33

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Guten Morgen, Herr Prä­sident! Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen, liebe Besucher! Liebe Angehörige von vielen, die heute an­gelobt worden sind, herzlich willkommen im Bundesrat! Liebe Zuseher zu Hause! Wir sind nach der heutigen Angelobung aktuell 29 Frauen im Bundesrat, das sind 47,5 Prozent der Mitglieder, und damit teilen wir Frauen etwas, das kein männlicher Kollege von uns kennt – auch Sie nicht, Herr Vizekanzler –: Wir haben nämlich unsere Periode. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Aber was hat Menstruation mit Sport zu tun, was hat Menstruation mit Leistungsfähigkeit zu tun?, das werden Sie sich vermutlich fragen. Der eine oder der andere denkt sich vielleicht: Na ja, nicht besonders viel, zumindest ist das kaum Thema in öffentlichen Diskussionen und Debatten und hat kaum Aufmerksamkeit erlangt. Aber nur deshalb, weil es kein Thema ist, heißt das


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nicht, dass die Periode keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Sportlerin hat.

In einer BBC-Umfrage, in Rahmen derer über 500 Sportlerinnen befragt wurden, gaben 60 Prozent nämlich an, dass sie ihre Periode durchaus in ihrer sportli­chen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und auch bereits dazu geführt hat, dass sie schon das eine oder andere Training oder den einen oder anderen Wettkampf ausfallen lassen mussten. Und dennoch fanden es gleichzeitig 40 Prozent der Befragten als äußerst unangenehm, mit ihrem Trainer über dieses frauenspezifische Thema zu reden. Umso mehr Aufmerksamkeit bekommen bekannte Sportlerinnen dann, wenn sie es doch einmal tun, also darüber reden.

Die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui hat bei den Olympischen Spielen in Rio weltweite Aufmerksamkeit bekommen, als sie in einem Interview öf­fentlich sagte: Meine Periode hat gestern Nacht eingesetzt und ich fühle mich ziemlich schwach und wirklich müde.

Auch Mikaela Shiffrin – die meisten von euch werden sie kennen, das ist mein Lieblingsbeispiel, die erfolgreichste Skirennläuferin aller Zeiten – hat in der vergangenen Saison in einem Interview über ihre Periode gesprochen. Sie hat gesagt: „Nach gestern war ich ziemlich müde, ich habe gerade nicht den besten Moment in meinem monatlichen Zyklus“.

Dass selbst die Medien bei diesem Thema etwas unbeholfen und, ja, auch unerfahren sind, zeigt auch die Reaktion des ORF bei der Übersetzung. Aus den englischen Worten von Mikaela – sie hat gesagt: „I’m kind of in an unfortunate time of my monthly cycle“ – konstruierte der Moderator nämlich die Übersetzung: „Es ist sehr anstrengend. Ich komme nicht einmal zum Radfah­ren, was ich immer mache jedes Monat.“ (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist ja Frauenförderung im Sport und auch in der Kultur. Ihr habt es wahrscheinlich mitbekommen: Ich konzentriere mich jetzt in meinem Beitrag


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auf das Thema Sport. Da der Monatszyklus einer Frau wirklich erhebli­chen Einfluss auf Training und Wettkampf ausübt, hat das Olympiazentrum Vorarlberg ein Projekt namens Female Athlete konzipiert und umgesetzt.

Female Athlete ist das erste Projekt in dieser Form in Österreich, das die Frau im Leistungssport nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beleuch­tet. Da wird man zum Beispiel in physiologischen Schwerpunkten wie den Zyklusphasen geschult. Es gibt ernährungswissenschaftliche Besonderheiten während der Zyklusphasen, da werden die Sportlerinnen gebrieft und ge­schult, worauf sie sich da konzentrieren sollen, und natürlich ist das Thema Kom­munikation ein großer Schwerpunkt, wo es unter anderem auch um die Frage geht: Wie kommuniziere ich mit meinem Trainer über frauenspezifische Themen oder das Thema Periode im Konkreten?

Das Thema ist sehr gut angekommen, sogar so gut, dass das Olympiazentrum Vorarlberg jetzt gerade durch alle Olympiazentren in ganz Österreich tourt. Linz und Sankt Pölten waren schon dran, Innsbruck, Salzburg und Kla­genfurt folgen in den nächsten Wochen. Das heißt, wir rollen nun also unser Vorarlberger Female-Athlete-Konzept und -Programm auf den ganzen Spitzensport in Österreich aus.

Neben dem Spitzensport braucht es aber auch Funktionär:innen, es braucht Trainer:innen, es braucht Manager:innen, die sich nachhaltig im Sport engagieren. An dieser Stelle kann man auch wirklich das Gendertraineepro­gramm als absolut positiv erwähnen, das extra ins Leben gerufen wurde. Mit einer vierjährigen Ausbildung können sich da junge Talente in der österrei­chischen Sportlandschaft positionieren, denn am Ende geht es mit all die­sen Maßnahmen eigentlich nur darum, an verschiedensten Stellschrauben zu drehen, damit wir Österreichs Sportlandschaft nachhaltig und weiter verbessern.

In diesem Sinne: Bleibt sportlich! – Und: Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.22



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Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Gross­mann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.23.03

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herzliche Gratulation an unsere neuen Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, Sie hier auch be­grüßen zu dürfen, und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Ich möchte natürlich auch die Angehörigen und die Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Hohen Haus sehr herzlich begrüßen.

Ich freue mich sehr, dass wir heute Gelegenheit haben, das Thema Gleichstellung mit der Staatsspitze, dem Vizekanzler immerhin, zu diskutieren. Der Bundes­kanzler lässt sich bei solchen Themen ja regelmäßig entschuldigen (Bun­desrat Buchmann: Na hallo!), was auch – ja, tatsächlich! – sehr schade ist, denn Gleichstellung muss in jeder Organisationseinheit Chef- beziehungsweise Chefinnensache sein, in jedem Betrieb, in jedem Verein sowie natürlich auch im Staat, sonst funktioniert das nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Das Gleichstellungsziel muss schließlich auch durchgesetzt werden. Das ist eine ganz, ganz wesentliche Führungsaufgabe. Dieser kann man sich auch nicht entziehen und entledigen, indem man pro forma eine Frauenbeauftragte einsetzt oder im Falle des Staates eben eine Frauen­ministerin ernennt, die die notwendigen Steuerungsinstrumente und Durch­griffsrechte nicht hat und – im Falle des Staates Österreich – auch gar nicht haben will, zumal sie ja Wert darauf legt, nur ja nicht irgendwie mit dem Feminismus in Berührung zu kommen, und nur ja keine Feministin sein will.

Deshalb, Herr Vizekanzler, adressiere ich Sie ganz bewusst auch ressort­übergreifend mit Gleichstellungsthemen, obwohl die Ausformulie­rung des Themas dieser Aktuellen Stunde auf Gleichstellung von Frauen in Sport und Kultur ja sehr eingegrenzt ist.


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Da gibt es auch einiges zu tun, zweifellos, da ist auch schon einiges getan worden, denn unter dem Eindruck der schrecklichen Fälle von Machtmissbrauch in den Bereichen Kunst und Kultur und Sport wurde ja auf SPÖ-Initiative – es gab hier ja auch einige Anträge von uns – die Einrichtung der Vertrauensstelle Vera* beschlossen, die Kollege Schreuder schon erwähnt hat, um Opfern von Belästigungen und Gewalt eine Anlaufstelle zu bieten. Diese unabhängige Stelle soll kostenlose psychologische und juristische Unterstützung bie­ten, aber natürlich auch präventiv Bewusstseinsbildungsarbeit leisten. Der Be­darf danach ist wohl größer als ursprünglich angenommen, denn diese Stelle wird sehr stark in Anspruch genommen – so stark, dass man mit den Res­sourcen schon an die Grenzen stößt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sind schon sehr mit der Fallbearbeitung ausgelastet, da bleibt oft wenig Zeit für die wichtige Präventivarbeit.

Also da braucht es dringend auch eine Verbesserung der finanziellen und perso­nellen Ausstattung, damit diese wichtige Aufgabe auch wirklich im Sinne der Erfinderinnen und Erfinder geleistet werden kann, und es braucht natürlich auch diesen Know-how-Transfer, diese Bewusstseinsbildung hinein in alle Vereine. Dort wird auch sehr viel geleistet, schon aus Eigeninitiative in den Vereinen. Allein wenn man sich die Aktivitäten beim Askö ansieht: Da gibt es ganz klare Konzepte.

Kollege Schreuder, diese Broschüre, die Sie gezeigt haben, ist gut, ja, aber man soll sie nicht nur zur Hand nehmen, wenn etwas passiert ist, sondern da braucht es Präventivarbeit. Da ist jeder Verein gefordert, und es ist wie gesagt eine Chef‑, Chefinnensache, dafür zu sorgen, dass die Strukturen schon von vornherein so aufgebaut werden, dass es gar nicht zu Missbrauchsfällen kommt, überhaupt dann, wenn man mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat. (Beifall bei der SPÖ.) Gerade da ist Prävention absolut unverzichtbar; das muss wie gesagt wirklich von oben auch entsprechend eingeleitet und ge­steuert werden. Zum Sportbereich wird mein Kollege Stefan Schennach im Ein­zelnen noch Stellung nehmen.


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Noch zum Kulturbereich zurückkommend: Es hat bei uns einiges an Kopfschütteln und Irritation hervorgerufen, als Bundesrat Schreuder gemeint hat, er hat oder es wurde das Radio-Symphonieorchester schon gerettet. (Bundesrat Schreuder: Ich habe es nicht gerettet!) – Wäre schön, wir wollten jetzt mitjubeln, aber ich weiß nicht, da wäre vielleicht noch Aufklärung notwen­dig. Ich hoffe, wir können auch bald die Rettung der „Wiener Zeitung“ verkün­den. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Das wäre auch ein ganz großes Anliegen. Also wenn wir schon in Jubelstimmung ausbrechen, sollten wir auch einen Grund dafür haben, aber vielleicht gibt es dazu heu­te noch Aufklärung.

Herr Vizekanzler, Sie sind ja auch für den öffentlichen Dienst zuständig. Da hat die Bundesregierung unlängst den 14. Gleichbehandlungsbericht des Bun­des vorgelegt, dem Nationalrat, wohlgemerkt, nicht uns im Bundesrat, obwohl sehr viele länderspezifische Empfehlungen drinnen stehen. Daher fordern wir als Bundesrätinnen und Bundesräte der SPÖ in einem Gesetzesantrag, dass dieser Bericht auch dem Bundesrat vorgelegt und im Bundesrat diskutiert wird.

Ich entnehme jetzt Ihrer Körperhaltung, dagegen gibt es gar keinen Widerstand, aber das wird sehr wohl von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen blo­ckiert. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Vielleicht können Sie dafür Sorge tragen, dass hier Bewegung in die Sache kommt und dass wir diesen wichtigen Bericht im Bundesrat auch diskutieren dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss sich vor diesem Bericht wirklich nicht fürchten, sondern kann zielführende Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen daraus ableiten, denn im gesamten Bundesdienst ist der Frauenanteil gestiegen, zwar nur sehr schwach, aber immerhin auf 43 Prozent gestiegen (Bundesrat Kornhäusl: Na ja! Das ist ja nicht nichts!), und in manchen Bereichen, etwa bei Lehrer:innen, ist er traditionellerweise besonders hoch.

Es fällt auch positiv auf, dass im Bundesdienst jahrzehntelange Männerdomänen immer stärker auch von Frauen erobert werden, zum Beispiel bei Richter:in­nen, bei Staatsanwält:innen, in der Verwaltung, auch im gehobenen Dienst. Es


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gibt da zwar doch noch gewissermaßen auch eine gläserne Decke, die feststellbar ist, aber da tut sich im Bundesdienst unglaublich viel. Also das ist anscheinend wirklich ein Best-Practice-Modell.

Warum tut sich da viel? – Weil es wirksame Gleichbehandlungsgesetze gibt, und nicht erst, seit die Grünen in der Regierung sind, sondern schon recht lange: dank einer Johanna Dohnal, einer Barbara Prammer, einer Helga Konrad, einer Gabriele Heinisch-Hosek, und wie sie alle heißen (Beifall bei der SPÖ) – eben noch echter Frauenministerinnen, die ihre Aufgabe auch ernst genommen haben –, und Bundeskanzlern wie Kreisky, wie Vranitzky, und wie sie alle heißen, die das auch zugelassen und unterstützt haben.

Im Bundesdienst sind viele Dinge eine Selbstverständlichkeit, um die man in der Privatwirtschaft noch kämpfen muss. Die Teilzeitquote von Frauen etwa ist im öffentlichen Dienst im Vergleich relativ gering, und die Einkommens­unterschiede zwischen Männern und Frauen sind auch relativ gering – eben dank wirksamer Gleichbehandlungsgesetze, dank weitgehender Lohntransparenz und Frauenförderung, die, wie ich eben gesagt habe, auf sozialdemokratische Regierungen zurückgehen.

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Vizekanzler, wäre es an der Zeit, diese Erkenntnisse auch auf die Privatwirtschaft zu übertragen, anstatt Teilzeitbeschäftigte an den Pranger zu stellen. Jetzt wäre es an der Zeit für echte Lohntransparenz, und gerade jetzt ist eine Gelegenheit, weil auf
EU-Ebene derzeit die Lohntransparenzrichtlinie bereits auf Ratsebene in Ver­handlung ist, da sie die Kommission und das Parlament schon passiert hat. Da ersuche ich Sie, Herr Vizekanzler, auch dafür zu sorgen, dass der unmittelbar zuständige Minister Kocher zustimmt und eben nicht länger auf der Bremse steht, denn bisher hat er sich da auf EU-Ebene nicht sehr kooperativ und konstruktiv verhalten (Beifall bei der SPÖ), wie auch in vielen anderen Berei­chen, wenn es um Gleichstellung und Verbesserung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht.


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Zusammenfassend muss man sagen, den Frauen in Österreich geht es wirklich nicht gut. Das, was die Frauen tagtäglich spüren, lässt sich auch an Zah­len, an trockenen Zahlen ablesen. Ich war jetzt in der Osterwoche gemeinsam mit den Abgeordneten Lopatka, Graf und Stögmüller bei einer OECD-Ta­gung in Paris, und da mussten wir uns anhören, dass die Lohnunterschiede zwi­schen Männern und Frauen in Österreich im OECD-Vergleich so ziemlich unter den höchsten sind. Die Reallöhne gemessen an der Kaufkraft sind bei uns im Sinken, und Frauen sind da besonders benachteiligt und durch die ge­stiegenen Preise für das Wohnen, für das Essen und für die Güter des täglichen Bedarfs belastet. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Da tragen Sie, wenn auch als kleiner Regierungspartner, große Mitverantwortung. Bitte nehmen Sie diese endlich wahr! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.33


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.34.13

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Sportminister! Geschätzte Zuseher und Zuhörer hier im Saal und zu Hause! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es geht heute hier um Frauenförderung und Gleichstellung im Sport und in der Kultur. Ich möchte den Großteil meiner Redezeit dem Sport – der Gleichstellung und auch der Frauenförderung im Sport – widmen. Ja, das ist mir persönlich auch ein Herzensanliegen.

Herr Sportminister, als selbst begeisterter Sportfunktionär in vielen verschiedenen Vereinen vermisse ich gerade in diesen Funktionen sehr oft die Stimme der Politik, vor allem der Regierungsverantwortlichen, ganz egal ob im Bund oder in den Bundesländern. Es gäbe vieles zu sagen, aber ich höre nichts davon.


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Da komme ich auf meine Vorredner:innen: Da habe ich jetzt auch sehr vie­les gehört – zu Arbeitnehmern oder Frauengleichstellung –, aber ich habe nichts im Zusammenhang mit dem Sport gehört, dabei gibt es gerade im Bereich des Sports so vieles zu sagen, Herr Sportminister.

Ja, es gibt auch einige Dinge, die wirklich begrüßenswert sind. Ich denke nur daran, dass man das Sportbudget inzwischen auf 120 Millionen Euro erhöht hat, und ja – das darf ich schon auch sagen –, auch auf Druck von uns Freiheitlichen wurde es erhöht. Ich glaube auch, dass man nicht nur das Budget erhöhen muss, sondern auch den ganzen Förderdschungel im Bereich der Subventionen im Sport endlich einmal durchforsten muss, denn ja, es sind gerade die kleinen Vereine, die es in allen Gemeinden gibt, die eine groß­artige, eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Arbeit im Bereich des Nachwuchssports, im Bereich des Nachwuchsleistungssports vollbringen. Auf die vergisst man eben einmal gerne.

Genau diese kleinen Vereine mit ihren Trainern, mit ihren Funktionären leisten großartige Arbeit, Herr Sportminister. Genau diese kleinen Vereine sind es aber auch, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen und die nur sehr, sehr wenig von dieser Erhöhung des gesamten Sportbudgets haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, man darf an dieser Stelle auch einem Teil der Politik einmal Danke sagen, nämlich den Bürgermeistern und den Gemeinden, denn die leisten einen wirklich großartigen Beitrag für diese kleinen Vereine. Nach dem ganzen Corona­wahnsinn der letzten drei Jahre – ich will darauf gar nicht eingehen – waren es gerade die Gemeinden, die diese kleinen Vereine am Leben gehalten ha­ben, andernfalls würde es viele nicht mehr geben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Da es heute um das Thema Gleichstellung im Sport geht: Wissen Sie, wo es diese Probleme mit der Gleichstellung nicht gibt? – Bei genau diesen kleinen Ver­einen. In diesen kleinen Vereinen, von denen ich selbst in sehr vielen


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tätig bin, gibt es diesen Unterschied nicht. Da gibt es auch keine Probleme, keine Unterscheidungen zwischen Mädchen und Buben, zwischen Frauen und Männern. Wissen Sie, was es dort auch nicht gibt? – Die gesamte sinnlose Gen­derei. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Diese Frauen legen keinen Wert auf ein Binnen-I oder auf eine Verhunzung der Bundeshymne. (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) Wis­sen Sie, was diese Frauen wollen? – Sie wollen die gleiche Wertschätzung für gleiche Leistungen (Beifall bei der FPÖ), und ja, Herr Sportminister, sie wol­len auch gleich zusammengepfiffen werden wie jeder Mann, wenn es einmal nicht so läuft. Das wollen diese Frauen, und das ist Gleichstellung. Und ja, diese Gleichstellung funktioniert in den kleinen Vereinen großartig. (Bundesrat Schreuder: Schön, dass ein Mann das den Frauen erklärt! Super ist das! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Schreuder: Frauenver­steher Leinfellner! – Bundesrätin Platzer: Experte!)

Herr Sportminister, eines wundert mich nämlich schon: Einmal habe ich es heute kurz gehört, nämlich dieses Gendertrainee- - (Bundesrätin Schumann: Spit­zenkandidatin Steiner-Wieser! Es wird gegendert bei der FPÖ! – Bundes­rat Steiner: ... kennst dich gar nicht aus im Sport!)

Eines möchte ich hier ganz kurz dazwischen einwerfen: Euch versteht keiner, weder zu Hause beim Fernsehen noch sonst irgendwo. Mich hier herau­ßen interessiert es auch nicht wirklich, deswegen würde ich jetzt eigentlich ganz gerne meine 10 Minuten ausnutzen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Aber ihr schreits ja nie rein! – Zwischenruf der Bundesrätin Platzer.)

So, dieses Gendertraineeprogramm – um jetzt wirklich einmal konkret auf ein Programm einzugehen – ist eigentlich etwas Großartiges. Heute sind 25 Frauen in diesem Programm, zehn weitere Frauen sollen bis zum Sommer noch dazukommen, und in der Endausbaustufe soll dieses gesamte Projekt 64 Frauen umfassen, die – ich glaube, Heike Eder hat es vorhin erwähnt – die Möglichkeit haben, eine vierjährige Ausbildung zu machen, Trainer


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zu werden, Coach zu werden, Manager zu werden. Das ist nämlich genau das, was wir brauchen und wo uns heute die Frauen im Leistungssport wirklich fehlen.

Wissen Sie, was mein Problem bei dem Ganzen ist? – Das ist ein Projekt aus dem Jahr 2021, das in Wahrheit schon 2019 angefangen hat. Wir haben heute, im Jahr 2023, eine Aktuelle Stunde und das Aktuellste, was Sie im Bereich der Frau­enförderung zu bieten haben, ist anscheinend ein Projekt, das 2021 einge­führt und 2019 auf Schiene gebracht wurde. Das ist etwas, das ich nicht verste­hen kann, wenn wir heute das Thema Frauenförderung und Gleichstellung im Sport behandeln, nämlich dass das Aktuellste, was aus dem Sportministerium kommt, aus dem Jahr 2021 stammt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines frage ich mich auch: Wo ist die Öffentlichkeitsarbeit? Wo ist die Öffentlichkeitsarbeit gerade in diesem Be­reich? Wo sind die ganzen Millionen, die man bei Corona sinnlos beim Fenster hinausgeschmissen hat? Wenn Sie Gendertrainee auf Google eingeben, finden Sie nach fünf Seiten den ersten Eintrag einer Zeitung, nämlich vom 31. März 2021: eine APA-Meldung, einen Eintrag der „Kronen Zeitung“ und einen Eintrag der „Wiener Zeitung“; damit sind wir dann aber fertig. Aus dem Jahr 2021 gibt es keine einzige Plakatserie zu diesem Programm, keine einzige Zeitungsaussendung, um dieses Programm zu bewerben – also das kann es doch nicht sein! Sich dann heute hierherzustellen und für eine Gleichstellung von Frauen im Sport einzutreten ist ein Treppenwitz, Herr Sport­minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch das zweite Projekt, das übrigens auch aus dem Jahr 2021 stammt, das Pro­jekt Dreamteams, ist etwas Großartiges. Ja, es ist wichtig, den Frauenmann­schaftssport zu fördern, die Damenmannschaften im Leistungssport, im Spitzensport – das steht für uns außer Frage. Zwei Jahre lang ist aber nichts pas­siert. Sich jetzt in der Aktuellen Stunde hierherzustellen und dieses Thema aus dem Jahr 2021 aufzukochen, das hilft keiner Frau etwas.


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Es gibt schon sehr, sehr viele Beispiele oder sehr viele aktuelle Themen, bei denen es um die Gleichstellung und Förderung von Frauen geht, und ich möchte da schon auch auf konkrete Beispiele eingehen, nämlich auf diese ganzen Transgenderathleten – auch wenn es niemand von den Grünen hier hören möchte. Da vermisse ich die klaren Worte des Sportministers, denn da gibt es wirklich Aufholbedarf. Wenn jemand als Mann geboren ist, dann sollte das gerade im Sport von der Wiege bis zur Bahre gelten, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Privat ist es mir völlig egal, ob sich jemand einen Kittel oder eine Hose anziehen will, aber eines steht fest: Wenn jemand zum Urologen und nicht zum Gynäkologen zu gehen hat, dann hat er in einer Damenmannschaft und auch in anderen Damenklassen nichts verloren, denn das ist keine Gleichstellung! Ich frage mich sowieso, wofür man in diesem Land 72 Geschlechter braucht. Da­rauf möchte ich aber gar nicht näher eingehen, und ich möchte auch nicht alle begrüßen oder erwähnen, aber wir haben zwei biologische Geschlechter und einige wenige Ausnahmefälle, und damit sollten wir auskommen.

Ich glaube, einer jeden Frau wird geholfen, wenn wir das endlich auf Schiene bringen, Herr Sportminister. Ich glaube, keine Frau will gegen einen biologischen Mann schwimmen, laufen, Rad fahren, vielleicht sogar boxen. Das kann doch nicht im Interesse des Sportministers und schon ganz und gar nicht im In­teresse unserer Frauen sein. Da vermisse ich Ihre Stimme, dazu habe ich nichts gehört – wie auch zu so vielen anderen Dingen in der Vergangenheit.

Das Einzige, was ich gehört habe, war eine Aussage nach der Landtags­wahl in Niederösterreich, Herr Sportminister, und auf diese möchte noch kurz eingehen. Lieber Werner Kogler, wir haben uns sehr, sehr oft anlässlich von Wahlkämpfen in der Steiermark getroffen und ich glaube, wir sind immer wertschätzend miteinander umgegangen. (Bundesrat Schreuder: Das merkt man, wie wertschätzend!) Ich glaube, das ist eine Aussage, die ganz und gar nicht zu dir passt. Die passt zu keinem Vizekanzler. Dich kenne ich so nicht, deswegen stelle ich mir die Frage: Bist du da menschlich völlig verfallen? Gibt es


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den Welschriesling inzwischen auf Rezept? – Ich weiß es nicht. (He-Rufe bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.) Irgendetwas muss es gewesen sein, du wirst es in deiner Stellungnahme sicher noch beantworten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Unmöglich! – Bundesrätin Grimling: Das ist eine Frechheit!)

9.44


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundes­minister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Ich erteile es ihm, auch seine Redezeit soll bitte 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bun­desminister.


9.45.14

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Als Erstes möchte auch ich allen neu angelobten Bundesrätinnen und Bundesräten zu ihrer demokratisch gewählten Funktion gratulieren. Das bleibt und ist ja das Wichtigste im Bereich der reprä­sentativen Demokratie – keine Frage.

Ich habe hier in diesen Minuten eigentlich eine konstruktive Stimmung verspürt, und das war ganz okay. Deshalb wollen wir uns nicht von Rednern irritieren lassen, die immer vorher schon gewusst haben, was einer nachher sagt, obwohl er noch gar nicht geredet hat. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Diese Disziplin ist eine besondere. Schon mein Großvater hat gesagt: Hüte dich vor de­nen, die es immer schon gewusst haben, vor allem vorher und nachher an­ders! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das war ein Grüner, oder?) – Ja, und Sie sollten die Spitze bemerkt haben: Auch Grüne haben Großväter, nicht nur Großmütter, die auch Schlaues sagen. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Steiner.)

Wir können aber das Angebot gerne aufgreifen – „wir“, da rede ich in Wahrheit nur von mir – und das alles einmal besprechen. Ich glaube, das Thema hat


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es nicht verdient, dass es dort hingeschleppt wird, wohin Sie es gerade gebracht haben. Ich möchte nur eines sagen und der zweiten Kammer des Parla­ments einen Tipp geben – das kann man mir, denke ich, schon glauben, dass ich das für sehr wichtig halte –: Das müssen Sie hier diskutieren – und ich will mich hier auch nicht groß damit aufhalten –, ob und inwieweit eine Verhunzung der Bundeshymne vorliegt. Ich nehme an, es geht um die Leistungen der großen Töchter, die es in diesem Lande gibt – die Sie ja hoffentlich nicht bestrei­ten. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Dass das hier einfach so mir nichts, dir nichts gesagt werden kann – also da würde ich schon anregen, dass Sie das in der Präsidiale besprechen, aber ich will mich nicht in den parla­mentarischen Prozess einmischen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.– Ich gebe Ihnen eh recht, ich möchte nur meine persönliche Meinung auch da nicht verhehlen. Es ist natürlich schon sehr wichtig – das dürfen auch wir Männer anerkennen –, wie wir mit Sprache umgehen, auch dazu müs­sen wir alle miteinander nicht studiert haben: Es ist doch völlig klar, dass Sprache Bewusstsein prägt und Bewusstsein auch wieder etwas mit der Wirklich­keit macht, und in der Wirklichkeit sind die Frauen benachteiligt. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Da sind wir eh beim Thema – traditionellerweise, über Jahrtausende natürlich benachteiligt haben es Frauen in vielen Bereichen noch schwerer –, mit dem wir uns heute beschäftigen. Auch wenn das Thema aus verständlichen Gründen, wie Bundesrätin Grossmann ausgeführt hat, ausgeweitet wurde, möchte ich es doch auf Sport, Kunst und Kultur fokussieren. Der Zusam­menhang mit dem Ganzen ist aber trotzdem gegeben, weil – wir haben es in der Pandemie oder auch in anderen Zusammenhängen gesehen – gerade die Bereiche Sport und Kultur ein besonderer Spiegel oder ein besonderes Brennglas der sogenannten gesellschaftlichen Umstände sind. Das bezieht sich auf die Bezahlung, das bezieht sich auf den Ressourcenzugang – das sind ja auch noch andere Fragen als nur die Bezahlung –, das bezieht sich auf die Vereinbarkeiten eigentlich vieler Bereiche – traditionellerweise sind Fami­lie und Beruf und in dem Fall halt Sport- oder Kulturausübung das Thema –, die


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Repräsentanz in den vielen Entscheidungsgremien und die Rollenbilder an sich, die da eben im wahrsten Sinne des Wortes eine Rolle spielen. Deshalb ist es, glaube ich, umgekehrt auch von besonderer Bedeutung, wenn der Sportbereich und der Kulturbereich da in den Fokus kommen.

Beim öffentlichen Dienst ist es ein bisserl etwas anderes: Frau Kollegin Grossmann hat es erwähnt, dass wir dort Möglichkeiten haben und da schon traditionell mehr passiert ist. Ich will dem überhaupt nicht widerspre­chen und man sieht dann auch die Ergebnisse. Dort aber, wo die Politik steuernd eingreifen kann, wenn es auch in einem privateren Bereich ist – also jetzt im wirtschaftlichen Sinne gesprochen –, oder eben auch im Sport- oder im Kul­turbereich, sind es eben die klassischen Instrumente Gesetze, Normen, Vorgaben, Budgetierungen, Förderungen et cetera, die anzuwenden sind. Wir können uns jetzt natürlich gerne darüber unterhalten, was schon alles pas­siert ist und was nicht. Ich will überhaupt nicht widersprechen, dass da schon vieles passiert ist, das habe ich ja gerade anerkannt.

Ich habe es ehrlich gesagt – noch einmal eine Replik auf den Vorredner – gerade im Bereich Sport immer gerne unterlassen, das parteipolitisch zu betreiben oder zu betrachten. Ich glaube, es gibt, was den Sportbereich betrifft, eine gute Zusammenarbeit, im Übrigen auch mit Nationalratsabgeordneten Ihrer Fraktion.

Insofern habe ich mich eigentlich nie damit beschäftigt, auch was bestimmte Dinge betrifft, die von meinem Vorgänger Heinz-Christian Strache ge­macht wurden oder nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Man darf viel­leicht auch sagen, die Zeit war ja nicht so lang. Ehrlich gesagt, hier alle möglichen Projekte, die nie wer angegangen ist – ich hätte es nicht entdeckt; wir haben nicht extra Nachschau gehalten –, jetzt ausgerechnet auf das Jahr 2019 zu datieren: Ich habe noch nicht erkannt, dass in der Vorbereitung auf Ibiza große Sportkongresse veranstaltet worden wären, insofern verstehe ich den Zusammenhang nicht.


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Schauen Sie (Bundesrat Spanring: Das muss man nüchtern betrachten!), mit mir können Sie immer lustig polemisieren. Ich erlaube mir das ja auch manchmal von der Regierungsbank aus. Sie müssen halt wissen, mit wem Sie sich ein­lassen. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von Grünen und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Ich freue mich schon!)

Der Punkt ist natürlich schon, dass es tatsächlich so ist (Zwischenrufe bei der FPÖ), dass ich der Meinung bin, dass wir das im Sportbereich unterlassen sollten. Ich habe auch in ein paar Bereichen Dinge, die unter meinem Vorgänger – oder Vorvorgänger – Heinz-Christian Strache tatsächlich passiert sind und die ich gut finde, übernommen. Es ging da um Sportstrategien und um in die­sen niedergeschriebene Kriterien und Ähnliches mehr. Zu mehr war halt aber in der Kürze – das muss man objektiv anerkennen – nicht Zeit. Wir hatten mehr Zeit, weil wir ja, zugegeben, schon ein bisschen länger regieren (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ), und da passiert auch einiges.

Worüber wir heute hier reden, das kann man ja dann auch kritisch beleuch­ten. Man kann auch mehr einfordern, wie es Bundesrätin Grossmann zum Beispiel an einer wichtigen Stelle, nämlich bei der Vertrauensstelle Vera*, gemacht hat. Genau deswegen diskutieren wir ja. Ich sehe das nämlich ge­nauso wie Sie.

Räumen wir das jetzt alles weg und widmen wir uns schnell einmal der Sache, in diesem Fall auch von meiner Seite im Schnelldurchlauf! Das Kraftpaket für Frauenligen – Dreamteams – wurde dankenswerterweise ohnehin erwähnt. In Wahrheit geht es um ein Profiligenprogramm für Frauen. Ich spreche jetzt zuerst einmal zum Sportbereich; es gibt ja noch eine zweite Runde, damit die Kul­tur nicht zu kurz kommt.

Das ist natürlich schon das Ergebnis einer Überlegung und Analyse, die mit den großen Benachteiligungen zu tun hat. Wie ist es gewesen? – Als wir die Pandemie hatten, mussten wir diesen Ligen im Profibereich – wie auch im Wirt­schaftsbereich, das ist ja durchaus ähnlich – irgendwie hinüberhelfen, denn


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sonst hätten sie den Betrieb in Zeiten der Lockdowns und so weiter nicht weiter aufrechterhalten können. Da hat es zig Programme gegeben.

Wir haben natürlich wegen der Steuergeldverwendung nach Kriterien ge­schaut – man muss aufpassen, was der Rechnungshof sagen wird et cetera – und haben bestimmte Kriterien ausarbeiten lassen. Diese Kriterien haben dazu geführt, dass aufgrund der Summen, um die es geht, für diese Profi­ligenförderungen überhaupt nur eine größere Anzahl von Männerligen diese Kriterien erfüllt haben und nur eine einzige Frauenliga, obwohl die sozusagen an der Spitze sind, das sind Profiligen oder Halbprofiligen.

Wir haben die Geschichte umgedreht und gesagt, das ist ja eine systematische Benachteiligung, gegen die wir längerfristig etwas tun müssen. Auf diese Art und Weise ist die Frauenligenförderung entstanden, die jetzt ganz anders ist als die Coronahilfen für Fußballvereine, Fußballligen oder Eishockey und so weiter – im Prinzip können Sie alle Ballsportarten nennen –, die abgeschlos­sen waren, als die Pandemie vorbei war. Diese Sache ist auf mehrere, wenn es nach mir geht, auf viele Jahre angelegt. Wir werden auch versuchen, in diesem Bereich das Budget zu erhöhen.

Ich war gestern bei einem der Finalspiele der ersten österreichischen Volleyballliga, Sokol/Post gegen Linz/Steg, und alle – von beiden Vereinen und vom österreichischen Verband; die waren ja alle da, weil es ein wichtiges Ereignis war – haben gesagt, niemals zuvor – niemals zuvor! – ist für die Frauen­ligen in Österreich erstens überhaupt erkennbar so etwas getan worden und zweitens sicher nicht in diesem Ausmaß – niemals zuvor! Das erfüllt mich dann doch mit einer gewissen - - (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sagen wir einmal so: Es ist ein gewisser Praxistest. Natürlich, es ist eh alles Steu­ergeld, es muss sich ja niemand herstellen und sagen: Wir sind es, die es verteilen!, aber was es schon ist: Es sind die Schwerpunkte, die man setzt.


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Diese Bundesregierung – und da schließe ich natürlich den Regierungspartner völlig mit ein – hat sich in der Sportpolitik zum Ziel gesetzt, vier große Schwerpunkte anzugehen, die bis jetzt nicht im Vordergrund standen – man darf ja auch andere haben (in Richtung FPÖ) und ich habe auch andere übernom­men, ich sage das ja, durchaus auch von Kollegen Strache –: Frauenförderung, Gleichstellung – weil es gerade Thema ist –, aber auch Inklusion – wir wissen, wie wichtig das ist; es gab vor zwei Tagen eine Feier zu 30 Jahre Special Olympics Österreich hier im Haus –, dann auch die Frage der Nachhaltigkeit von Sportereignissen, aber auch bei den entsprechenden Infrastruktur­einrichtungen sowie Fragen der Integration.

Überall können Sie nachvollziehen, wie das Regierungsprogramm Schritt für Schritt umgesetzt wurde. Ich kann es Ihnen in einem zweiten Redebei­trag ja nachgerade noch beweisen.

Im Sport geht es aber auch mit dem Gendertraineeprogramm weiter, das wurde ja erwähnt. Ich hätte jetzt nicht entdeckt, wer das früher erfunden hätte – ist mir aber auch wurscht. Ich bin gerne bereit, da immer noch mehr mit hinein­zunehmen, weil auch das etwas sein wird, das wir auf viele Jahre ausrollen sollten. Das Programm erfreut sich nicht nur großer Beliebtheit, sondern ist mitt­lerweile wieder einmal ein Rolemodel. In der europäischen Sportszenerie wird genau auf Österreich geschaut, weil das wirklich einmalig ist.

Ähnliches haben wir bei all diesen Fördercalls, die wir machen. Ja, ich gebe Ihnen (in Richtung FPÖ) recht, das könnte man noch mehr bewerben, damit noch mehr Bescheid wissen. Bei diesen Fördercalls geht es darum, dass auch Projekte prominent hochgehängt werden, bei denen kreative Dinge passieren, auch in der Frauenförderung. Sie gehen genau entlang der vier Schwerpunkte. Im Be­reich der Frauenförderung wurden elf Projekte ausgewählt, die sich auch alle sehen lassen können.

Insofern möchte ich mit einem Übergangsprojekt zur Kultur schließen. Das Pro­jekt Vera*, die Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt, gilt ja für


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Sport und Kultur. Ich werde es noch einmal erwähnen und darf Abgeordneter Grossmann an dieser Stelle schon sagen, wir sind intensiv dabei, nachzu­kurbeln, namhaft mehr Budgetmittel reinzutun, weil die Nachfrage – tragischer­weise oder Gott sei Dank, wie man es sehen will, wenn sich etwas verbes­sert – tatsächlich da und viel größer ist als erwartet. Da können wir dann noch einmal anknüpfen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

9.57


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Maria Huber. – Bitte Frau Bundesrätin. (Bundes­rat Schreuder: ... Diplomingenieurin!)


9.57.24

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Be­sucher und liebe Zusehende! Eines muss ich vorweg schon einmal in Richtung der Kollegen von der FPÖ sagen: Ich finde das grundsätzlich schon sehr bezeichnend, wenn sich zum Thema Gleichstellung zwei Männer von der FPÖ hier herausstellen und uns Frauen wieder einmal erklären, wie wir die Welt zu sehen haben. Das ist mir - - (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Das ist Ihre subjektive Meinung, Kollege Leinfellner. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner. – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrät:innen von FPÖ und ÖVP.) Ich bin selber in kleinen Sportvereinen aktiv und ich möchte mich nicht mitge­meint fühlen (Bundesrat Spanring: Bei den Grünen weiß man ja gar nicht, welches Geschlecht jetzt gemeint ist!), wenn Sie hier solche Aussagen für alle


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Frauen in Österreich treffen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundes­rätin Steiner-Wieser: Das ist Gleichberechtigung ...! – Bundesrat Steiner: Reden Sie da als Frau, oder was? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Der Leinfellner!)

Ich möchte jetzt auch noch ein bisschen auf das Thema Sport eingehen, weil ich glaube, dass Gleichstellung im Sport wirklich sehr wichtig ist. Fairness und Chancengleichheit zählen zu den grundlegenden Werten im Sport. Doch werden sie auch gelebt, wenn es um Akzeptanz und Sichtbarkeit von Frauen geht?

Der österreichische Sport ist mit 2,1 Millionen Mitgliedern und 15 000 Vereinen der drittgrößte organisierte Bereich in Österreich und hat somit auch eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle inne. Dennoch ist allein der An­teil von Männern, die in Sportvereinen aktiv sind, um ein Vielfaches höher als der Anteil von Frauen. (Bundesrätin Schumann: Weil sie keine Zeit haben!) Noch deutlicher wird das Ganze, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist daher umso wichtiger, Frauen im Sport stärker vor den Vorhang zu holen und sichtbar zu machen. Wir wollen mehr Frauen in Sportgremien sehen, vor allem in Führungspositionen, dort, wo es darum geht, Strategien vorzugeben, dort, wo Veränderungsprozesse an­gestoßen werden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das tun wir auch (Bundesrat Leinfellner: Verhandelt ihr gerade die GIS-Gebühren? Dann ...!), mit Claudia Lösch beispielsweise. Claudia Lösch ist die erfolg­reichste Skifahrerin in der Geschichte des Behindertensports in Österreich und sie ist die erste Frau im Komitee der Bundes-Sport GmbH, in der Kommis­sion für den Leistungs- und Spitzensport. Das tun wir auch mit der Sportökonomin Anna Kleissner als Vorsitzende der Breitensportkommission.

Das tun wir auch mit dem Gendertraineeprogramm, von dem wir heute schon ein paar Mal gehört haben. Ich halte das wirklich für eine großartige Maß­nahme, denn dabei geht es genau darum, Frauen im Sport eine starke Perspektive zu geben und sie nachhaltig als Trainerinnen, Managerinnen und


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Funktionärinnen im Sport zu positionieren. Wir haben es schon gehört: 25 motivierte und begeisterte Trainees der ersten beiden Ausbildungsjahrgänge sind österreichweit bereits an ihren Ausbildungsstandorten im Einsatz. Zehn weitere werden bis zum Sommer 2023 dazukommen und ihr Training on the Job starten.

Auch bei Athletinnen im Spitzensport ist das Thema Gleichstellung allerdings ein sehr wesentliches, das haben wir ebenfalls schon gehört, denn vor allem der Teamsport ist nach wie vor noch immer eine Männerdomäne. Deshalb wur­de von unserem Sportminister Werner Kogler beispielsweise das Programm Dreamteams ins Leben gerufen. Das halte ich für sehr großartig. Es ist ein Im­puls, um Strukturen aufzubauen und Frauenligen in Österreich auch in den Mannschaftssportarten wirklich gezielt zu fördern, damit, wie es unser Herr Minister schon erwähnt hat, Frauenteams die Möglichkeit bekommen, zum internationalen Spitzenfeld aufzuschließen. Das schafft Sichtbarkeit und es schafft Vorbilder für junge Mädchen. Ein Beispiel: Es gibt in Österreich end­lich wieder ein Damennationalteam im Basketball.

Ja, es ist noch ein langer Weg bis zur Gleichstellung, auch im Sport; aber ich glaube, es ist dieser schwarz-grünen Bundesregierung gelungen, wich­tige Initiativen ins Leben zu rufen und Maßnahmen zu setzen (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner – Bundesrätin Steiner-Wieser: ... für uns Frauen ...!), um die notwendigen Veränderungen voranzutreiben und die Welt des Sports für Frauen noch mehr zu verbessern. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

10.01


Präsident Günter Kovacs: Danke sehr, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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10.02.13

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher, von wo auch immer Sie uns hören und sehen! Ich darf zu Beginn Kollegin Huber zu dem, was sie zu Kollegen Leinfellner zum Thema Gendern gesagt hat, zustim­men. Das ist genauso unsere und auch meine Meinung. Sprache schafft Fakten, schafft Bewusstsein. Wehret den Anfängen, kann ich da nur sagen! (Bei­fall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Zum Thema Verhunzung der Bundeshymne: Man kann das ins Lächerli­che ziehen, aber wir haben eine Bundeshymne, und die Töchter gehören ge­nauso dazu wie die Söhne. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein!)

Zu Kollegin Grossmann: Da bin ich schon ein bisschen enttäuscht, dass du gesagt hast, der Herr Bundeskanzler lässt sich immer nur von der Frau Staatssekre­tärin vertreten. (Ruf bei der SPÖ: Da ... heute!) Wir sind Frauen, und der Herr Bun­deskanzler wird entweder von Frau Bundesministerin Edtstadler, von Frau Bundesministerin Raab oder von Frau Staatssekretärin Plakolm vertre­ten. Ich denke, wir Frauen sollten doch zusammenhalten. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Das ist nicht nichts, sondern das ist doch eine starke Präsenz. Werten wir uns doch nicht ab! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Na, hoffentlich kommt der Kanzler ...!)

Vielleicht noch zur SPÖ: Wir in unserer Bundesratsfraktion sind seit heute 14 Frauen und elf Männer – das ist Frauendominanz. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Na, schauts einmal im Landtag in Niederösterreich!) Wir reden also nicht nur davon, sondern wir tun etwas. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl. – Bundesrätin Schumann: Ja, ja, im Landtag in Niederöster­reich! In Niederösterreich im Landtag!)


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Ich möchte aber nun noch kurz, weil ich nicht mehr so viel Zeit habe, auf das Thema Kultur eingehen. Mich als Salzburgerin hat natürlich in der Zeit um Ostern der Kulturbetrieb rund um die Osterfestspiele sehr beschäftigt. Ich habe in den Medien nachgelesen und bin draufgekommen, dass die Be­richterstattung wirklich großteils von Männern handelt. Ich habe da „nur“ – unter Anführungszeichen – einen Artikel von Florian Oberhummer in den „SN“ gelesen, in dem Marlis Petersen, die heuer die Elisabeth in „Tannhäuser“ gege­ben hat, ein Interview gegeben und schon auch über Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb gesprochen hat. Allerdings war alles wirklich sehr männlich domi­niert; und darum bin ich sehr froh darüber, dass wir uns heute diesem The­ma widmen. (Bundesrat Steiner: Was passiert dann ...?)

Ich möchte nun noch ausführen, dass es ja wirkliche Highlights bei uns in Salzburg gibt. Zum Beispiel im Museum der Moderne am Mönchsberg gibt es derzeit eine Ausstellung, die „Stepping Out!“ heißt und Kunst aus China von 26 Chinesinnen zeigt. Die Kuratorin Christina Penetsdorfer hat Künstlerin­nen, zum Beispiel Xing Danwen, die erste Chinesin, die 1990 weibliche Akte (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... Russen!) gemacht hat, eine Stimme gegeben. Man sieht also, es passiert schon etwas. (Bundesrat Steiner: Russenfreundinnen ...!)

Ganz, ganz stolz bin ich darauf, dass wir in Salzburg seit 2019 ein professionelles reines Frauenorchester haben, das ausschließlich Werke von Künstlerinnen aufführt. (Bundesrat Leinfellner: Die österreichische Bundeshymne in der ursprüngli­chen Fassung zum Beispiel?!) Frau Spinnato ist eine italienische Dirigentin, die wirklich vergessene Komponistinnen aufführt. Ihr Orchester wird von Stadt und Land Salzburg unterstützt und ist gerade auf Tournee in Italien, wirk­lich toll! Ich war am 8.2. im Konzert. Frauen spielen Frauen, das ist etwas Außer­gewöhnliches. Herr Bundesminister, vielleicht könnten Sie sich da einen Ruck geben und auch von Ihrer Seite eine Unterstützung andenken, denn sie sind es wirklich wert, dass sie unterstützt werden. Dieses Frauenorchester heißt FSOA und es bringt das Repertoire dieser Künstlerinnen, die vergessen waren, an die Öffentlichkeit.


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Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, anhand dieser Beispiele: Es tut sich etwas, aber meiner Meinung nach tut sich noch zu wenig. Wir haben heu­te schon gehört, es gibt Maßnahmen. Ich kann auch Kollegen Schreuder nur bei­pflichten: Fair Pay ist eine ganz wichtige Initiative im Kunst- und Kulturbe­reich, das gilt natürlich auch für Vera*. Da kann ich auch mit gutem Gewissen sagen, das ist ganz eine wichtige Einrichtung, die weiter unterstützt und ausgebaut gehört. Beides sind gute Schritte. Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir auch da weiterkommen, dass wir gerade im Bereich Kultur die Frauen sichtbar machen. Da weiß ich, dass das Thema bei dieser Bundesregie­rung in guten Händen ist, und dass wir gemeinsam weitere Schritte für eine gute Zukunft setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit des Bundesrates Leinfellner.)

10.07


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prof. Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Steiner: Noch einmal! – Ruf bei der SPÖ: Gut er­kannt! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)


10.07.35

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Lieber Kollege Steiner, es ist nicht so schlecht, wenn sich auch Männer bei der Gleichbehandlung zu Wort mel­den. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Was wir heute erleben, ist ja eine Premiere, dass wir den Gleichbehandlungsbericht hier diskutieren dürfen. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es nicht, warum ein Geset­zesantrag des Bundesrates an den Nationalrat von ÖVP und Grünen ge­meinsam gekübelt wird, dass wir keinen Gleichbehandlungsbericht hier diskutie­ren dürfen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Nun brauchen wir eine Aktuelle Stunde, um das zu tun, aber es geht ja so einfach.

Kollege Schreuder, wir haben das RSO gerettet?! Vor zwei Tagen, als wir nämlich den Antrag gestellt haben, habe ich davon nichts gemerkt. Worte einzelner


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Regierungsmitglieder sind nett; aber wenn eine parlamentarische Kammer sich dahinter stellt, dann ist das etwas anderes. Was war da? – ÖVP und Grüne haben in Tateinheit wiederum eine Initiative gekübelt (Bundesrat Schreuder: Ja ... Or­chester ...!), gerade ein Orchester, das zeitgenössische Musik zur Auffüh­rung bringt und mehrheitlich aus Frauen besteht. Von einer Rettung merken wir derzeit nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kollegin Eder-Gitschthaler, ich bin voll bei dem, was du hier gesagt hast. Vera* müssen wir allerdings personell ausbauen und finanziell stärken. Du und ich, wir sind ja beide auch im Europarat, und der Europarat hat ja gerade ein Zehnpunkteprogramm gegen sexuellen Missbrauch – insbesondere von Kindern – im Sport geschaffen; ich habe daran selber mitgearbeitet. Wir ha­ben ein ganz langes Hearing mit missbrauchten Sportlerinnen gemacht und haben ein Zehnpunkteprogramm vorgelegt.

Dieses Zehnpunkteprogramm sagt, dass jeder Sportverein, der sich mit Kindern befasst, eine entsprechende Beauftragung und Kenntnis darüber haben muss, um das abzuwehren – und wenn nicht, sollte es keine öffentliche Förde­rung dafür geben. Ich glaube, dass das ein sehr richtiger Weg ist.

Bei der Gleichbehandlung haben wir die Situation, dass der Equal-Pay-Tag, ab dem Frauen aufgrund ungleicher Einkommen eigentlich aufhören können, zu arbeiten, ja immer mehr nach vorne verrutscht ist. Das heißt, die Frauen ar­beiten eigentlich immer länger unbezahlt. Wenn wir jetzt zur Kultur kom­men und den letzten Künstler- und Künstlerinnensozialbericht hernehmen, dann sehen wir, dass das gerade im Bereich der Musik noch viel stärker ist: Da hat sich der Unterschied beim durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen gewaschen. Da, lieber Herr Vizekanzler, muss wirklich angesetzt wer­den. Bei Frauen im Bereich der Musik, Komposition oder bildnerischen Erziehung gibt es ganz, ganz große Probleme.

Kommen wir zum Sport, weil meine Kollegin Grossmann mir gesagt hat: Der Schennach soll sich jetzt auch noch um den Sport kümmern! (Heiterkeit


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bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder) – aber mit Liebe, aber mit Liebe, liebe Sissi Grossmann! Herr Vizekanzler, was wir noch im­mer erleben, ist eine komplette mediale Ungleichbehandlung, zum Beispiel beim Frauenfußball, beim Frauenskispringen. Ich hoffe, dass Sie sich als zustän­diger Sportminister an das Olympische Komitee wenden und auch an den öster­reichischen Vertreter, damit bei der nordischen Kombination – die Frauen aller Nationen veranstalten Rennen für Rennen einen Protest, und das jetzt schon sehr, sehr lange – nicht nur der Männerbewerb olympisch ist, son­dern auch der Frauenbewerb. Ich denke, dass das besonders wichtig ist.

Jetzt habe ich nur mehr eine ganz kurze Redezeit. Herr Vizekanzler, darf ich Sie zu etwas einladen? Können Sie sich zumindest - - (Bundesrat Steiner: Zu einem Spritzer!) – Ruhe einmal kurz! (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Herr Vizekanzler, es geht um diesen unglaublichen Akt, dass eine Familie heute Nacht des Landes verwiesen wurde. Eine voll integrierte Familie in Has­lach in Oberösterreich, in Mangelberufen tätig (Bundesrat Steiner: Das war ges­tern! Das war gestern! – Bundesrätin Hahn: Das macht’s nicht besser! Das macht’s um keinen Millimeter besser!), mit christlichem Hintergrund, wurde heute Nacht, mein lieber Freund, des Landes verwiesen. Ich denke, hier ist ein­mal – aus welchen Gründen auch immer – eine Entschuldigung zumindest eines Regierungsmitgliedes angesagt. Ich hoffe, Sie haben die Größe, das heute zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

10.12


Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.13.03

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, 5 Minuten sind kurz, aber wir werden das Beste versuchen. Frau Kollegin Huber wirft uns vor, dass wir einen Mann zum Thema Gleichstellung herausschicken, hat aber selber ihren


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Fraktionsvorsitzenden Schreuder herausgeschickt. Ich weiß nicht, vielleicht haben Sie sich heute als Frau gefühlt? Keine Ahnung, auf jeden Fall war auch von den Grünen ein Mann heraußen. (Beifall bei der FPÖ. – He-Rufe bei SPÖ und Grünen.) – Ich weiß es ja nicht! Keine Ahnung, kann ja passieren! Kann ja passieren!

Und Frau Eder-Gitschthaler ist überhaupt die Beste - - (Ruf bei der SPÖ: Wer keine Argumente hat, muss untergriffig werden! – Bundesrat Kornhäusl: Christoph! Christoph! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Kollege Steiner, das ist letztklas­sig!) –Beruhigt euch! Frau Kollegin Eder-Gitschthaler ist überhaupt die Beste und sagt: Der Herr Kanzler lässt sich so toll von Frauen vertreten! – Ja, wenn der Herr im Haus sagt: Ich will da nicht hin!, schickt er die Frauen hin. Ganz einfach, so macht das der Kanzler andauernd. So schaut’s aus! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Na, na, na, das ist aus dem Kontext gerissen!)

Jetzt beschäftigen wir uns aber ein bissl mit Herrn Kogler, wenn er schon einmal bei uns ist, er ist ja ein selten gesehener Gast. Wenn er sich nicht irgendwie komisch äußert, hört und sieht man ja nicht viel von ihm. Sie zählen ja angeblich, Herr Kogler, zum Führungspersonal der Grünen, und ich muss Sie ganz ehr­lich fragen, ob Sie Ihre eigenen Aussagen überhaupt ernst nehmen, ob die Grü­nen Ihre Aussagen überhaupt noch ernst nehmen – denn wenn man es nüchtern betrachtet: Herr Kogler, Ihre Aussagen nimmt die Bevölkerung schon lange nicht mehr ernst. Wir als FPÖ haben Sie sowieso nie bis selten ernst genommen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na, na!) Und warum können wir Ihre Aussagen nicht ernst nehmen? – Das ist Ihnen ganz selber zuzu­schreiben: Weil wir ja nie wissen, in welchem Zustand Sie diese Aussagen täti­gen. Es ist nicht zu unterscheiden, ob Sie solche Aussagen im Normalzu­stand oder in Weinlaune tätigen, man weiß es nicht. (Ruf bei der SPÖ: Wow! – Bun­desrat Kornhäusl: Hallo, hallo! – Bundesrat Schreuder: Entschuldigung, das geht nicht! Das geht nicht! Herr Präsident! Herr Präsident! – Rufe bei der ÖVP: Kein Benehmen!) – Ich komme gleich darauf, ich komme schon gleich darauf! Wenn man - - (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


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Herr Präsident, also jetzt beruhigen Sie einmal hier den Saal bitte, denn das ist meine Redezeit! (Bundesrat Schreuder: Selber schuld! – Weitere Zwischen­rufe bei den Grünen.)


Präsident Günter Kovacs (das Glockenzeichen gebend): Herr Bundesrat, ich ersuche Sie um Mäßigung (Bundesrat Steiner: Das ist meine Redezeit! – Rufe: Ja, selber schuld! Selber schuld!) Ihrer Ausdrucksweise. Herzlichen Dank. Sie bekommen die Redezeit verlängert. (Bundesrätin Schumann: So untergriffig, also geh bitte!)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Warum sage ich das? Warum sage ich so etwas, dass wir zwischen Normalzustand und Weinlaune bei Herrn Kog­ler nicht unterscheiden können? – Sie stellen sich allen Ernstes – allen Ernstes! – hin und titulieren den Mitbewerber, ob man ihn jetzt schätzt, Herr Kogler, ob man die politische Einstellung mag oder nicht – glauben Sie mir, ich mag die grüne Einstellung auch nicht –, aber ich werde nie zu Ihnen persönlich sol­che Worte sagen (Rufe: Das tust du ja gerade! – Bundesrat Schreuder: Was tust du jetzt gerade? Was tust du jetzt gerade? – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen) – ja, losts amol zua; du Obergscheite da aus Oberösterreich, beruhig’ di! (Ruf: Hallo! – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen) –, wie jene, mit denen Sie mittlerweile nahezu 30 Prozent in Österreich titulieren, nämlich als „Kellernazis“. Herr Kogler, deshalb wissen wir nicht, ob Sie Ihre Aussagen immer nüch­tern tätigen. Man kann ja nicht nahezu 30 Prozent der Österreicher als „Keller­nazis“ betiteln! Wo sind wir denn überhaupt, Herr Vizekanzler?! So etwas geht nicht! (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Ihr könnt euch hier herinnen jetzt aufregen, wie ihr wollt; ihr könnt euch auch rausstellen, ihr könnt euch umdrehen, ihr könnt unter die Bänke kriechen, es ist mir völlig wurscht, was ihr da macht – aber wir lassen uns von einem Vizekanzler nicht als „Kellernazis“ titulieren. Haben Sie das jetzt endlich verstanden? (Beifall bei der FPÖ.)


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Reden wir über Frauenförderungen! Wie lange kämpfen wir jetzt schon für ein Gesetz für ein Tätigkeitsverbot für Pädophile? Was ist damit in den Ver­einen? Was passiert bei der Jugendausbildung? Was ist da los? Wie lange kämp­fen wir schon dafür? Ein Tätigkeitsverbot, Herr Kogler, ist ein Unterschied zu einem Berufsverbot. Und glauben Sie mir: Wenn wir über Frauen im Sport re­den, dann können wir als Republik Österreich stolz sein auf so tolle Frauen, auf so tolle Sportlerinnen, die Leistungen bringen – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kogler – im höchsten Ausmaß. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Boah!)

Unzählige Sportlerinnen aus ganz Österreich repräsentieren unser Land im Ausland (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), in der ganzen Welt, aber ausschließlich mit ihren Leistungen, mit Würde und mit dem höchsten Maß an Professionalität. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kogler: Da müssen sich die Österreicher im Ausland oft einmal rechtfertigen, was wir da für einen Vize­kanzler haben, sich im Ausland schämen. Wir erwarten uns von Ihnen aber schon überhaupt keine Entschuldigung, denn wahrscheinlich werden Sie das auch nie über die Lippen kriegen, weil das Ihre ganz persönliche inner­liche Einstellung ist.

Es tut mir leid, dass Sie 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung – wahrscheinlich sind auch einige Frauen darunter – als „Kellernazis“ betiteln. So etwas ist traurig – aber was soll man von Ihnen erwarten? Ich kann nur mit einem Wort schließen: Prost, Herr Kogler! (Beifall bei der FPÖ.)

10.18


Präsident Günter Kovacs: Ich ersuche um Mäßigung bei der Wortwahl auch aus Respekt gegenüber unserer Institution, dem Bundesrat, aber auch dem Herrn Vizekanzler gegenüber. Ich bitte um Kenntnisnahme. (Bundesrat Schreu­der: Ordnungsruf!)

Ich möchte jetzt Herrn Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (Bundesrat Schreuder: Ist alles konsequenzlos!) das Wort erteilen. – Bitte sehr, Herr Bundesrat. (Bundesrat Kornhäusl: Wenigstens was Sachliches jetzt! Danke, Karl!)



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10.19.23

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wer­de zur Abwechslung zur Tagesordnung sprechen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen. – Bundesrat Steiner: Wir befinden uns außerhalb der Tagesordnung, Herr Bundesrat! Tut mir leid! Steht so in der Geschäftsordnung!)

Ich müsste sogar mit einem Lob beginnen, und zwar, dass unter Ihnen, Herr Vizekanzler, der Frauensport tatsächlich mehr im Fokus ist. Das sieht man schon in den Berichten zu den Sportförderungen. 2022 gab es zum Beispiel rund 40 Förderungen für den Frauensport, Maßnahmen für mehr Sichtbar­keit im Frauensport wie beispielsweise im Frauenligenpaket. Das kann man durchaus positiv hervorstreichen.

Es ist positiv, dass da etwas passiert ist, es sollte aber vielmehr so sein, dass das Thema ganzheitlich in der Bundessportförderung berücksichtigt wird. Mo­mentan ist die Situation ja so, dass im Bundes-Sportförderungsgesetz steht, dass man den Frauen- und Mädchensport mit der besonderen Sportförderung fördern kann. Derzeit sind das circa 1,6 Millionen Euro, wobei im Gesetz nur eine Untergrenze von 200 000 Euro steht. Es sollte aber eigentlich nicht so sein, dass es von der Person des jeweiligen Ministers abhängt, ob der Frauen­sport jetzt 200 000 Euro bekommt oder das Achtfache, deswegen braucht es eine umfassende Reform der Sportförderung. Dazu gibt es auch von uns NEOS einen Antrag im Sportausschuss des Nationalrates.

Nicht nur wir kritisieren, dass die Förderempfänger, die zum Beispiel Mitglieder in den Verbänden sind, auch in jenen Gremien sitzen können, die über die Fördermittelvergabe entscheiden. Der Rechnungshof hat deswegen in Bezug auf die Organisation der Sportförderung, der Entscheidungsstrukturen in der Bundes-Sport GmbH empfohlen, dass darauf hingewirkt wird, dass die Förder­nehmerinnen und -nehmer bei den Förderentscheidungen höchstens in beratender, nicht aber in entscheidender Funktion agieren dürfen.


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Wir erwarten uns da, gerade von Ihnen als Parteichef der Grünen, mehr Einsatz für eine saubere Trennung und vor allem mehr Transparenz.

Sie haben berichtet, dass es im Zusammenhang mit Sportförderung einen Kriterienkatalog für Good Governance geben soll. Das ist grundsätzlich etwas Gutes, die Umsetzung geschieht aber leider nur teilweise. Statt in Aus­sicht zu stellen, wann Mittel aus der Sportförderung an gewisse Kriterien geknüpft werden, wird jetzt einfach nur ein neuer Sportfördertopf aufgemacht. Sie argumentieren das damit, dass viele Vereine mit der Umsetzung sonst überfordert wären. Für kleine Vereine mag das stimmen, aber zumindest für die großen Verbände könnte man auch jetzt schon Vorgaben machen und zum Beispiel das Ganze in Etappen ausrollen. Was in diesem Zusammenhang auch verhindert werden muss, ist, dass unter der neuen Förderschiene einfach neues Geld für alte Maßnahmen abgeholt wird, also die Mitnahme­effekte überwiegen.

Unser Resümee ist: Es geht anerkennenswerterweise etwas weiter im Frauensport, aber leider werden die systematischen Konstruktionsfehler noch immer nicht behoben. – Danke sehr. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

10.22


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler. – Bitte, Herr Vizekanzler.


10.22.36

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Die Diskussionsausweitung, die hier stattfindet, nehme ich gerne auf. Ich weiß zwar nicht, ob das irgendwie den Geschäftsord­nungsvorgaben entspricht, aber wenn es denn zugelassen ist, soll es sein.

Tatsächlich ist ja etwas Wichtiges angesprochen worden von Bundesrat (in die Unterlagen blickend) Steiner. (Heiterkeit bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat


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Steiner: Ein guter Witz! Superschmäh! Alter Schmähbruder!) Ich bin vor der Karwo­che in ein paar Interviews gefragt worden, was ich denn zur Bildung der Landesregierung in Niederösterreich sage und wie ich das einordne. Wenn wir schon darüber reden, dann ist es wirklich wichtig, auch richtig zu zitieren. Wir haben ja schon in der Pandemie gesehen, dass das bei der FPÖ ein bisschen ein schwieriges Unterfangen ist. Es ist ja auch eine andere - - (Bundesrat Spanring: ... Neonazis, Rechtsradikale, gell, Herr Vizekanzler?) – Ja eben genau nicht, ja genau nicht! Es ist genau das Gleiche.

Damals ging es darum – und ich bleibe dabei, dass ich ausdrücklich gesagt habe, es ist ganz wichtig, das zu haben; das haben Sie sonst von wenigen Regierungsmitgliedern gehört –: Die Leute sollen, wenn sie gegen das Impfen sind, demonstrieren gehen, sie dürfen das und sonst etwas, aber wir als Regierung, wir als Abgeordnete, als Bundesräte dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es sehr wohl auch solche gibt, die da dabei sind, manche – manchmal sogar an der Spitze –, und das ist die Gefahr und da muss man am Anfang immer hinschauen, immer eingeleitet und ausgeleitet damit, dass es natürlich das Demonstrationsrecht gibt, und mit dem Hinweis, dass das für die meisten nicht gilt. Solche aber sind eben auch dabei.

Wenn man das so benennt, dann ist es erstens genau korrekt, es entspricht auch der Wahrheit, die Sie traditionell verdrehen, und zwar in einer Art und Weise, wie es halt die letzten Jahre, auch über diese sogenannten sozialen Medien, in die jeder hineinkleschen darf, was er will, en vogue geworden ist. Ich halte das für demokratiegefährdend, was da passiert – dass das auch ein­mal in dem Haus gesagt wird, wenn das so Mode macht.

Auch was Niederösterreich betrifft, kann man genau den gleichen Vorgang beobachten. Wenn Sie die Interviews hören oder lesen – im ORF kann man das ja noch abrufen; auch in den Printmedien wurde es so festgehalten –, so werden Sie wissen, dass ich erstens einmal den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde zitiert habe, der genau darauf hingewiesen hat, dass es sich bei den einen oder anderen Funktionären um „Kellernazis“ handeln könnte –


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sinngemäß. Natürlich hat er das gesagt, ich habe es ja selber im ORF gese­hen. Darauf habe ich hingewiesen, gleichzeitig, zuvor und danach betont, unter anderem bei Armin Wolf, es geht mir genau darum, dass es nicht die Wählerinnen und Wähler sind, weder im Allgemeinen noch im Besonderen, aber dass es Funktionäre gibt – ich glaube, Herr Deutsch hat sogar von Man­dataren gesprochen, da habe ich mich nicht einmal hingewagt –, dass es diese Phänomene gibt, die dann so beschrieben werden.

Wenn Sie das dauernd verdrehen, dann ist das Ihr Kalkül. Ich sage nur: Es geht mir nicht um die Wählerinnen und Wähler. Das ist ganz wichtig in der Demokratie, da gebe ich Ihnen ja recht, wenn Sie das meinen. Sie machen die Verdrehung ja aus einem anderen Grund. Sie verdrehen absichtlich die Wahrheit, und dafür gibt es auch ein Wort, das heißt Lüge. Und wir werden nicht bereit sein, diese ständig zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf hinzufügen, dass es wenige gibt, wahrscheinlich bei den Grünen oder in der Regierungsverantwortung – früher bei SPÖ oder auch bei Grünen –, die immer wieder versuchen, ein sehr offenes Gesprächsklima oder eine Ge­sprächsbasis mit Funktionären oder Verantwortungsträgern der Frei­heitlichen Partei aufrechtzuerhalten.

Ich habe sogar auch schon öffentlich da oder dort einmal gesagt, dass es in schwierigen Situationen, die wir gehabt haben, auch in dieser Regierungsperiode, gute Gespräche mit Klubobmann Kickl gegeben hat. Nicht dass ich das jetzt so wichtig und erwähnenswert finde; es beweist ja nur, dass Sie aus Kal­kül immer das glatte Gegenteil behaupten. Herr Klubobmann Kickl weiß das auch. Natürlich regt er sich auf, wenn die Debatte so läuft wie jetzt. Das gehört dazu. Das müssen wir wechselseitig aushalten. Es ist aber, denke ich, nicht hinzunehmen, dass ständig alles verdreht wird, dass Sie dort, wo Sie sich dann besonders herumtreiben, in den sogenannten sozialen Medien – warum die so heißen, weiß man nicht –, genau immer die gegenteiligen Lügen verbrei­ten. Das muss einmal gesagt werden – wenn es sonst keiner macht hier


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herinnen, mache ich es halt selber. Und das geht einfach nicht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

So, jetzt in aller Knappheit zurück zum Thema: Die Vertrauensstelle Vera* wurde ja angesprochen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da budgetäre Ausweitungen vornehmen können, weil es nämlich beide Bereiche – das war eben der Übergang von Sport zu Kultur – betrifft. Tatsächlich gibt es mehr Fälle als er­wartet, und die Präventionsarbeit kommt ja auch noch dazu, die sehr, sehr wichtig ist.

Frauenfußball im TV, da das angesprochen wurde: An der Stelle möchte ich den ORF sogar verteidigen. Im Spitzenbereich ist da sehr viel passiert. Ich glau­be, der ORF war eine der wenigen europäischen Stationen, die jedes – jedes, nicht nur die der Österreicherinnen – Fußballspiel der Europameister­schaft im letzten Sommer übertragen hat. Das halte ich für beachtenswert. Darauf war der ORF zu Recht stolz. Bei ORF Sport plus geht es jetzt im Übrigen genau darum, diese Sichtbarkeit zu erhalten. Da stimmen aber, glaube ich, eh die meisten hier herinnen – ich nehme an, auch Sie (in Richtung FPÖ) – überein. (Bundesrat Steiner: Da gibt es Anträge von uns!) Da geht ja tat­sächlich etwas weiter.

Zum Kulturbereich, es wurde erwähnt, möchte ich nur sagen, dass wir da die Budgets ausweiten oder ausgeweitet haben auf 9 Millionen Euro. Das wird wohl auf dem Niveau bleiben, was den Fair-Pay-Bereich betrifft, und dass davon tendenziell natürlich mehr Frauen, aus allen Gründen, die vorhin genannt wurden, als Männer betroffen sind, ist auch klar.

Ein ganz spezieller Bereich ist das Genderbudgeting, vielleicht haben Sie ein anderes Wort dafür. Wenn wir uns das anschauen, dann sieht man, dass wir in der Filmförderung beispielsweise massive Fortschritte gemacht haben, weil da die Debatte besonders intensiv war, dass in der Anzahl der Projektförde­rungen, aber auch in der Volumenverteilung bei Projekten mit Frauen­beteiligungen aufgeholt werden kann. Da sind enorme Fortschritte passiert. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)


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Letzter Punkt, das gilt jetzt für beide Bereiche, für Sport und Kultur: die Beschickung von Spitzenpositionen mit Frauen. Das betrifft im Kulturbereich zum Beispiel die Managementebene oder die künstlerischen und wis­senschaftlichen Bereiche etwa in den Museen. In den Museen haben wir 75 Pro­zent Frauen an führender Stelle. Das kann man sich auch im Europaver­gleich anschauen. Bei den wirtschaftlichen Leitungen sind es auch immer noch 50 Prozent, bei den Bundestheatern ist es ein bisschen anders, aber ich denke, mit der Berufung und Besetzung von Lotte de Beer hat man gesehen, in welche Richtung es geht. Auch dort steigen natürlich entsprechend die Quoten.

Lange war es so – und so ist es noch –, dass gerade im Kulturbereich – durchaus aufgrund der Vorgänger in der Verantwortung – die Quoten von Frauen eigentlich auch international gesehen ganz gut sind, und sie steigen noch weiter. Im Sport war das viel, viel schwieriger. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir in den wenigen letzten Jahren von Quoten, die manchmal bei 0 Prozent, bei 10, 20 Prozent lagen, jetzt auf 30, 40, 50 Prozent oder darüber hinaus kom­men. Warum? – Weil überall dort, wo das Sportministerium jemanden in diese Gremien schicken kann, wir diese mit mindestens 50 Prozent Frauen oder mehr beschicken, sodass die Gesamtrepräsentanz, die Frauenquo­ten in diesen Aufsichtsgremien oder Beratungsgremien – da gibt es ja verschie­dene; ich will nicht alle aufzählen, sie sind Ihnen ja zum Teil bekannt –, jetzt ebenfalls massiv steigen, weil das eben einen riesigen, riesigen Unterschied macht. Das gilt übrigens auch wieder für das Gendertraineeprogramm.

Überall, wohin man kommt – jetzt war ich eben in Salzburg; dort sind ja besonders viele engagiert, was das Gendertraineeprogramm betrifft –, sagen selbst die männlichen, auch älteren Funktionäre oder auch hauptberuflich Verantwortliche dort, dass sich etwas ändert. In diesen ein, zwei Jahren – so kurz läuft das Programm im Übrigen erst – hat sich schon etwas verän­dert, weil nämlich eine andere Sichtweise, eine andere Herangehensweise und tatsächlich da oder dort – und gerade auch im Sport – eine andere Kultur mit Einzug hält.


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Das, denke ich, sind schon Erfolgsnachweise, die schneller passieren, als ich das erwartet hätte. Vieles von dem, was eine Regierung tut, wirkt ja erst über Jahre – und viele Jahre – hinweg, deswegen hätte ich selber nicht erwartet, dass das jetzt so schnell geht und greift.

Das ist durchaus etwas Positives, denke ich, und mit diesem positiven Blick auf die Dinge möchte ich hier auch schließen, denn am Schluss sollten wir – zumindest in demokratischen Gremien – so weit sein, dass wir so zusammenar­beiten können, dass wir das Gemeinsame auch noch sehen und finden, und das, was uns trennt, sollte uns halt nicht ganz unversöhnlich zurücklassen.

Vielleicht wollen Sie (in Richtung Bundesrat Steiner) sich ja wirklich einmal mit mir unterhalten, aber in einem anderen Zusammenhang, und dann reden wir weiter – aber lange höre ich mir das auch nicht mehr an. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Kollege Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


10.32.32

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsbehandlung: Ich habe zwei Anträge zu stellen, aber ich erkläre sie kurz.

Herr Vizekanzler Kogler hat jetzt gesagt, er habe nie die Wörter „Staats­verweigerer“, „Demokratiefeinde“ und „Neonazis“ im Zusammenhang mit den Coronademonstranten verwendet (Vizekanzler Kogler: Sicher habe ich sie verwendet!) und hat uns dann der Lüge bezichtigt (Rufe: Das hat er nicht gesagt!) – wahrscheinlich weiß er oft einmal nicht, was er redet.

Ich habe mir jetzt das Stenographische Protokoll ausgehoben. Darin steht na­türlich Folgendes: „Ich habe nicht nur kein Verständnis dafür, sondern


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ich fordere, dass wir mit dieser Klarheit eben auch Stellung beziehen, klar sehen, klarstellen, was dort vorgeht“ und so weiter (Vizekanzler Kogler: Richtig!), „wenn Staatsverweigerer, Demokratiefeinde, Neonazis und Neofaschisten in unseren Städten herumspazieren.“ (Bundesrätin Steiner-Wieser: Pfui!) – So.

Das hat er gesagt, das steht im Stenographischen Protokoll – und jetzt behaup­tet er, er hätte das nie gesagt. (Bundesrat Kornhäusl: Hat er nicht! Hallo!)

Jetzt stelle ich folgenden Antrag: Ich ersuche bitte, das Stenographische Proto­koll auszuheben und dann dem Herrn Vizekanzler, der uns der Lüge bezich­tigt hat (Ruf: Hat er nicht!), einen Ordnungsruf zu erteilen, denn so, Herr Vizekanzler, geht es im Bundesrat nicht. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.)

Man kann etwas entweder sagen oder nicht sagen, aber zu dem, was man sagt, hat man dann auch zu stehen, selbst wenn man es vergisst – dann muss man es sich halt aufschreiben und immer mitnehmen. Wenn Sie aber ständig Leute in Österreich als Faschisten, als Neonazis, als Kellernazis bezichtigen, dann stehen Sie auch dazu und lügen Sie nicht herum (Bundesrat Kornhäusl: Ha, halt!) hier herinnen im Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ.)

10.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich würde zunächst einmal bitten, dass wir alle uns generell ein Stück weit beruhigen. (Rufe bei der SPÖ: Nicht alle!)

Es ist so, dass dieser Antrag im Rahmen der Geschäftsordnung jetzt nicht möglich ist. Soweit ich den Herrn Vizekanzler verstanden habe, hat der Herr Vizekanzler dieses Wort ja verwendet (Zwischenruf des Bundesrates Stei­ner – Bundesrat Schreuder: Für das Wort lügen gibt es normalerweise ...!), das ist richtig. (Bundesrat Schreuder: Er hat lügen gesagt!) Wer sich dann aber konkret damit angesprochen fühlt und wer gemeint ist, das wiederum ist auch eine andere Frage.


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Ich will hier aber eines klarstellen: Es bringt uns nichts, wenn wir die Auseinan­dersetzungen, die wir in den sozialen Medien und außerhalb des Parla­ments haben, hier mit vollem Schwung fortsetzen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Daher lautet meine Bitte, dass wir hier gemeinsam bemüht sind, die Würde des Hauses aufrechtzuerhalten. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wir können gerne nach Prüfung aller Stenographischen Protokolle mit der entsprechenden Ruhe dann auch das Protokoll der heutigen Sitzung überprüfen und gegebenenfalls auch nachträglich Ordnungsrufe erteilen. Da aber die Wirkung von Ordnungsrufen ohnehin enden wollend ist, bitte ich in erster Linie während der Fortsetzung der Debatte einmal um Beruhigung. (Bundesrat Schreuder: Das Wort lügen?)

Gibt es weitere Wortmeldungen? (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsbehandlung!)

Die Aktuelle Stunde ist - - (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.36.15

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Noch einmal zur Geschäftsbehandlung: Sie können ja nicht vom Präsidium aus behaupten, dass der Antrag zur Geschäftsordnung nicht möglich ist.

Ich darf zur Erinnerung aus unserer Geschäftsordnung § 49 zitieren: „Anträge und Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung“: „Anträge zur Geschäfts­behandlung können, sofern sich aus der Geschäftsordnung nicht anderes ergibt, von jedem Bundesrat jederzeit, jedoch ohne Unterbrechung eines Red­ners, mündlich oder schriftlich gestellt werden. Sie bedürfen keiner Unterstüt­zung und sind vom Präsidenten, falls eine Debatte gemäß Abs. 3 nicht stattfindet, sogleich zur Abstimmung zu bringen.“ – Danke. (Bundesrätin Hahn: Was wurde jetzt eigentlich beantragt?)

10.36



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 69

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ja, aber das heißt nicht, dass man einen Antrag auf einen Ordnungsruf stellen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ein Ordnungsruf ist durch den Präsidenten zu verhängen oder nicht (Bundesrat Steiner: Ja, aber man muss ja abstimmen! – Bundesrat Kornhäusl: Was willst du jetzt ...?), und es wird nicht darüber abgestimmt, ob ein Ordnungsruf verhängt wird oder nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Was will er jetzt?)

Wir können aber gerne die Sitzung unterbrechen und eine kurze Stehpräsidiale einberufen.

Hast du dieses Bedürfnis? – Du hast dieses Bedürfnis nicht.

*****

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.37.35Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,

sowie eines Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 22)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 70

2. Schreiben der Landtage

Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 2)

Schreiben des Kärntner Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatz­mitgliedern des Bundesrates (Anlage 3)

4. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundes­ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdölexportierenden Länder (OPEC) zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organi­sation der Erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der Erdöl­exportierenden Länder (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung)

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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 71

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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 72


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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 74


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 75

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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 76


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 77

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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 78


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 79


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 80

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BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 81

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weiters eingelangt sind die Anfragebeant­wortung 3777/AB-BR/2023 durch den Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. zur schriftlichen Anfrage der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Neuregelung des Schülergelegenheitsverkehrs“ und

die Anfragebeantwortung 3778/AB-BR/2023 durch den Bundesminister für Ar­beit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher zu der schriftlichen Anfrage der Bundesräte David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „Haben Sie dabei zuge­sehen, wie Energiekonzerne die Menschen in Österreich ungerechtfertigt abge­zockt haben, Herr Bundesminister?“

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesrät:innen Günter Kovacs, Karlheinz Kornhäusl, Christoph Steiner, Marco Schreuder und Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nach­denken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ eingebracht wurde.

Hierzu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ge­mäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorbe­ratungen in Verhandlung zu nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 82

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Kovacs, Kornhäusl, Steiner, Schreuder, Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen, diesen Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhellig­keit. Der Antrag, den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentari­schen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Herausforderungen der Zu­kunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ ergänzen und als 30. und somit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, den Selbständigen Antrag 370/A-BR/2023 auf Abhaltung einer parlamentarischen En­quete, die Wahl der zweiten Vizepräsidentin oder des zweiten Vizepräsidenten für den Rest des 1. Halbjahres 2023, die Wahl eines ersten Schriftfüh­rers beziehungsweise einer ersten Schriftführerin, eines dritten Schriftführers beziehungsweise einer dritten Schriftführerin, eines vierten Schriftfüh­rers beziehungsweise einer vierten Schriftführerin sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2023 sowie die Wahl von Mitgliedern und Ersatz­mitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des


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Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund des mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 3 und 4, 5 und 6, 11 bis 13, 15 und 16, 17 bis 19 sowie 25 und 26 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – Herr Bundes­kanzler, machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar!“ an den Bun­deskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.42.101. Punkt

Wahl eines/einer 2. Vizepräsidenten/Vizepräsidentin für den Rest des 1. Halb­jahres 2023


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tages­ordnung.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 84

Ich werde die Wahl der zweiten Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nun in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

10.43.172. Punkt

Wahl eines/einer 1. Schriftführers/Schriftführerin, eines/einer 3. Schrift­führers/Schriftführerin und eines/einer 4. Schriftführers/Schriftführerin sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2023


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 85

Aufgrund des Ergebnisses zu den Wahlen des Niederösterreichischen Landtages beziehungsweise des Kärntner Landtages sind die gegenständlichen Funk­tionswahlen erforderlich.

Wahl der Schriftführer:innen


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Silvester Gfrerer, Marlies Steiner-Wieser und Sandra Böhmwalder für den Rest des 1. Halbjahres 2023 zum Schriftführer be­ziehungsweise zu Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhellig­keit fest. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die Bundesrät:innen Silvester Gfrerer, Marlies Steiner-Wieser und Sandra Böhm­walder bedanken sich und nehmen die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere den Gewählten sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl eines Ordners


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nunmehr zur Wahl eines Ordners.

Es liegt mir ein Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Bundesrat Andreas Arthur Spanring für den Rest des 1. Halbjahres 2023 zum Ordner des Bun­desrates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 86

Falls kein Einwand dagegen erhoben wird, werde ich die Wahl unter einem vor­nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmen­einhelligkeit.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Andreas Arthur Spanring bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Herzliche Gratulation. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundes­rät:innen von ÖVP und SPÖ.)

10.45.233. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3256/A und 1992 d.B. sowie 11216/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz) und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geän­dert werden (1993 d.B. sowie 11217/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 3 und 4 ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den


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Bericht.


10.46.03

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Werter Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird.

Aus ökologischen Gründen soll ausdrücklich geregelt werden, dass auch für die Anschaffung und Herstellung von klimafreundlichen Heizungen wie Wär­mepumpen, Biomassekessel, Fernwärmetauscher, Fernwärmeübergabestationen und Mikronetze in Zusammenhang mit Gebäuden ein Investitionsfreibetrag zusteht.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

TOP 4: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz geändert werden.

Der Bund soll zusätzlich zum bereits vorgesehenen Zweckzuschuss für Wohn- und Heizkostenzuschüsse in Höhe von 450 Millionen Euro den Ländern weitere 225 Millionen Euro zur Abfederung gestiegener Wohnkosten zur Ver­fügung stellen. Damit können von den Ländern je nach Wohnsituation im jeweiligen Land adäquate Unterstützungen ausgestaltet werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 88

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Kollegin.


10.48.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst einmal herzliche Gratulation unserer neu gewählten Vizepräsidentin und viel Erfolg bei der Arbeit!

Jetzt gehen wir in die Sache ein. Der Bericht klingt ja so irgendwie unverdächtig, das Thema ist aber mehr als drückend: Es geht um die Frage der Miethöhen.

Wie wir schon lange gesagt haben: Wir bräuchten eine Mietpreisbremse! Diese Regierung hat sich aber anders entschieden, und vor allen Dingen die ÖVP war da in vorderster Reihe und hat gesagt: keine Mietpreisbremse! Und in dem Moment, als klar war, es gibt keine Mietpreisbremse, haben in der Immobi­lienindustrie, bei den Immobilienspekulanten die Sektkorken geknallt.

Das war ein großes, großes Geschenk für sie. Sie haben gewonnen – verloren haben die 400 000 Menschen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Bun­desrätin Miesenberger), die in ihren Haushalten jetzt 8,6 Prozent mehr an Miete zahlen müssen. – Sie haben die wenigen bedient und die vielen im Stich gelassen, die in dieser Phase der Teuerung schon gar nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben bezahlen sollen. Jetzt werden ihre Mieten noch einmal um 8,6 Pro­zent erhöht – vielleicht nicht jetzt im April, sondern es wird sich in den Mai verzögern, aber was das für die Menschen heißt, ist unglaublich.

Und: Die Kategoriemieten werden wahrscheinlich – davon ist jetzt auszugehen, denn Sie haben ja keine Bremse eingelegt – mit Juli zum vierten Mal erhöht!


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 89

Das sind Belastungen, die unglaublich sind – und entlasten tun Sie mit Steuer­mitteln: 225 Millionen Euro an Steuermitteln, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Pensionistinnen und Pensionisten zahlen, nehmen Sie in die Hand, um damit im Umkehrschluss ganz einfach die Vermieterinnen und Vermieter zu sponsern. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Vermieter haben in den letzten Jahren 400 Millionen Euro eingenommen. Dieses Geld wandert direkt auf die Konten der oberen 10 Prozent – und übrig bleiben all jene, die in der Mitte des Monats schon nicht mehr wissen, wie sie alles zahlen sollen. Das ist nicht gerecht und das ist nicht fair, und das haben Sie zu verantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Was dabei auch noch schlimm ist, ist, dass es zu keiner Inflationsdämpfung kommt. Sie haben viel, viel Geld in die Hand genommen, aber die Infla­tion in keiner Weise gedämpft, und diese Mieterhöhung wird die Inflation noch einmal mehr anheizen. Wir haben derzeit 9,1 Prozent Inflation, das ist eine unglaublich hohe Rate im europäischen Vergleich. Alle anderen oder fast alle anderen Staaten haben eine wesentlich geringere Inflation. Und dass wir überhaupt nur 9,1 Prozent haben, liegt daran, dass der Vergleichswert im Jahr davor, der Vergleichswert von März, bereits so hoch war, und damit ergeben sich jetzt die 9,1 Prozent. Das sind aber nur Zahlen. Es geht im­mer darum, dass die Menschen einfach nichts mehr im Geldbörsl haben, weil die Teuerung so unglaublich um sich greift.

Ganz ehrlich: Wie kann es sein, dass man die jungen Menschen so derartig vergisst? Die jungen Menschen können jetzt ganz schwer Mietverträ­ge eingehen, weil es für sie immer teurer wird. Und was machen wir denn im nächsten Jahr? – Jetzt erhöhen wir um 8,6 Prozent – und im nächsten Jahr noch einmal? Wohnen wird nicht mehr leistbar sein, und dafür tragen Sie die Verantwortung, das ist ganz klar. Es ist eindeutig, dass die ÖVP sagt: Na ja, was gehen mich die Menschen in den Städten an?, aber so kurzfristig kann man doch nicht denken, das ist doch viel zu eng gesehen! Wir müssen die Menschen jetzt entlasten (Ruf: ... was die Stadt Wien macht ...!) und wir müssen


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die Inflation senken, denn: Wir können auf jeden Fall, auch als Gewerk­schaften, für gute Lohnerhöhungen kämpfen, aber diese Inflation können wir nicht mehr abdecken – und Sie tragen die Schuld daran mit Ihren Ein­malzahlungen, die immer nur ein bisschen etwas waren, immer nur eine kurz­fristige Hilfe, aber nicht das, was die Menschen jetzt wirklich brauchen, nämlich ein Dämpfen der Inflation. Das ist mehr als dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Mieten sei noch gesagt: Der Druck wird immer größer. Eigentum ist für normal verdienende Menschen derzeit nicht mehr leistbar. Da haben sie keine Chance, und damit sind sie auf Mietwohnungen angewiesen – denn es ist ja natürlich auch der Wohnbau zurückgegangen –, und wenn Sie jetzt die Mieten noch einmal erhöhen, ist der Druck noch einmal höher. Ich darf auch da­rauf hinweisen, dass jede zweite Miete in Österreich eine befristete Miete ist. Auch das greifen Sie nicht an. Befristung heißt immer, mit dem nächsten Ver­trag wird die Miete wieder höher, und das ist ein riesiges Problem.

Es ist gut, wenn Sie jetzt sagen, Sie entlasten ein bisschen und die Länder sollen auszahlen, aber: Das alles ist antragsbedingt, die Menschen müssen wieder Anträge stellen. – Man muss in das System eingreifen, und, ganz ehrlich, das sagt jetzt nicht nur die Sozialdemokratie, sondern das sagen die renommiertes­ten Wirtschaftsforscher in Österreich, von Badelt bis zu Felbermayr. Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, dass Sie eingreifen und den Mietpreisdeckel einziehen. Jetzt wäre sie gewesen – und Sie haben es nicht gemacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Inflation steigt und steigt. Ich darf Sie darauf hinweisen: Wenn man die Le­bensmittelpreise für die billigsten Lebensmittel – da gibt es einen Korb, der von der Arbeiterkammer jährlich verglichen wird, das sind die Billiglebens­mittel und Billigreinigungsmittel, die die Supermärkte anbieten, ihre Eigen­marken – vergleicht, dann stellt man fest, dass diese von März 2022 bis März 2023 um 29,9 Prozent gestiegen sind. Das heißt, der gleiche Waren­korb, die gleichen Produkte haben vor einem Jahr 58,33 Euro gekostet


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und kosten jetzt 76 Euro. Da zu sagen, wir hätten kein Teuerungsproblem, das ist wirklich unanständig!

Wir haben immer gefordert: Setzen Sie bitte – so wie es Portugal jetzt macht – die Mehrwertsteuer auf die lebensnotwendigen Lebensmittel und Reini­gungsmittel herab, setzen Sie diese aus! Das brauchen die Menschen jetzt. – Nichts haben Sie getan. Wir haben gesagt: Machen Sie eine Preiskom­mission, denn es kann nicht sein, dass sich einige jetzt eine goldene Nase daran verdienen, dass die Menschen jetzt in dem Gesamtsog der Teuerung mit­gerissen werden. – Sie haben nichts gemacht. Die Kommission ist gekommen, aber sie ist zahnlos. Es ist ein Diskutierklub, und das haben die Menschen nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Was mich besonders ärgert: Wir haben im Arbeits- und Sozialausschuss zwei Anträge betreffend die Mogelpackungen eingebracht, weil wir von den Menschen so oft hören, dass renommierte, eingeführte Produkte plötzlich we­niger Füllmenge haben – und das ist eine versteckte Inflation – und dass renommierte, eingeführte Produkte plötzlich andere Rezepturen haben, die für die Industrie billiger sind, und Sie haben gesagt: Nein, also diese Anträge, bitte, die vertagen wir!, Sie haben daraus ein Begräbnis erster Klasse gemacht. All das ist aber ein Teil der Inflation, und Sie waren nicht bereit, zu sagen: Okay, wir fordern die Industrie auf, wir verlangen, dass es gekennzeichnet wird, wenn diese Produkte weniger befüllt werden! In der Begründung, warum dieser Antrag vertagt wird, wurde sogar gesagt: Nein, das können wir nicht ma­chen, nein, das können wir der Industrie nicht zumuten, dass sich die Packungen ständig verändern! – Ja bitte, aber den Konsumentinnen und Konsu­menten, denen können wir es zumuten?! – Also so können wir nicht vorge­hen. Es ist für die Menschen zu schwierig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf hier auch einen Begriff einbringen, weil immer unterschwellig so ein bisschen der Appell mitschwingt, bei den Lohnforderungen zurückhaltend zu sein und dass man jetzt die Lohn-Preis-Spirale nicht anheizen soll: Es wäre wichtiger, über den Begriff der Gierflation zu reden, nämlich darüber,


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dass manche sich unglaubliche – unglaubliche! – Summen aus der Teuerung he­rausholen, und dies auf Kosten der Menschen. Wir müssen schon ganz klar sehen, dass im vierten Quartal 2022 bei der Vermögensteuer im EU-Raum die Gewinnquote noch um 42 Prozent gestiegen ist. Es werden Gewinne gemacht, dass die Tür nicht zugeht! 70 Prozent aller Menschen in Österreich sa­gen: Wir wollen eine Vermögensteuer, eine Millionärsteuer muss her, denn es geht um Gerechtigkeit und es geht um eine gerechte Verteilung! (Beifall bei der SPÖ.) – Was aber machen Sie? – Gar nichts.

Dass Sie keine Mietpreisbremse eingeführt haben, ist ein unglaublicher Schaden, eine unglaubliche Belastung für die Menschen. Mir ist klar, dass die Grü­nen das gerne gehabt hätten, aber auch die Grünen sind Teil einer Regierung, und wir haben jetzt die Situation, dass die Menschen ab April, spätestens ab Mai, und die nächsten mit den Kategoriemieten ab Juni noch mehr dafür zah­len müssen, dass sie ihr Grundrecht, nämlich das des Wohnens, wahrneh­men. Also da kann man sich wirklich, ganz ehrlich, genieren. Das ist ein neuerli­ches Scheitern der Regierung in der Inflationsbekämpfung, und ausbaden müssen es die Leute, und das ist absolut nicht gut. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

10.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Kollegin.


10.58.16

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und liebe Zuhörer! Ja, Frau Korinna Schumann, es geht um Gerechtigkeit. Zu den bereits bereitgestellten 450 Millionen Euro an Wohn- und Heizkostenzuschüssen der Länder soll heute ein Mietkostenzuschuss in Höhe von 225 Millionen Euro beschlossen werden und der bestehende Wohn­schirm im Bundesministerium für Soziales in Höhe von 115 Millionen Euro um weitere 25 Millionen aufgestockt werden.


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In Österreich gibt es etwa vier Millionen Wohneinheiten, davon zwei Millionen im Eigentum, etwa zwei Millionen Mietwohnungen, und von diesen zwei Millionen Mietwohnungen werden etwa 400 000, wie meine Vorrednerin rich­tigerweise schon gesagt hat, von einer Richtwertanpassung betroffen sein – 400 000 und nicht mehr. Wir wollen aber jene unterstützen, die vor allem in Wohnungen mit freien Mietverhältnissen wohnen und viel mehr als den Richtwertmietzins bezahlen und die eben nicht so viel verdienen, auch wenn sie vielleicht dem Mittelstand angehören. Dabei handelt es sich um eine sehr, sehr große Zahl von Mietern, denn wie gesagt – ich wiederhole es noch einmal – es gibt circa zwei Millionen Mietwohnungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auf das Beispiel Wien zurückkommen: In Wien fallen etwa 240 000 Wohnungen unter die Richtwertkategorie. Für diese bedeutet das eine Richtwerterhöhung von 6,15 auf 6,67 Euro. Wenn ich da an die freien Mietverhältnisse denke: Da stehen ganz andere Beträge in den Mietverträgen, und es handelt sich eben um viel mehr Betroffene.

Wir wollen alle unterstützen, die diesen Zuschuss brauchen. Wir wollen alle unterstützen, die um diese Unterstützung ansuchen – ja, ein Ansuchen ist notwendig. Ein Ansuchen ist notwendig – gerade im Hinblick darauf, dass man uns auch immer wieder vorwirft, dass manche Unterstützungen wie mit der Gießkanne ausgegossen würden: Das zeigt eben die Notwendigkeit eines Ansuchens. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Übrigen – ich möchte noch einmal auf Wien zurückkommen – müssen Sie auch in Wien um einen Mietzinszuschuss ansuchen, wenn Sie ihn brauchen, und, das möchte ich auch am Rande erwähnen, niemand hindert die Stadt Wien, die dankenswerterweise der größte Eigentümer von Mietwohnungen ist (Ruf bei der SPÖ: Bravo! – Bundesrätin Schumann: Bravo!), die Mietpreis­erhöhungen auszusetzen. (Bundesrätin Schumann: Geh hör auf! – Bundesrätin Grimling: Na das geht ja nicht! – Bundesrätin Schumann: Aber der Bund nicht! Es geht nicht jeder Schmäh rein!)


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Ich war doch sehr überrascht, als sich kürzlich in der ORF-Sendung „Hohes Haus“ die Mietensprecherin der SPÖ im Nationalrat um eine klare Antwort auf diese Fragen herumgedrückt hat. (Bundesrätin Grimling: Das geht daneben!)

Es ist schwierig, aber gemeinsam findet man Kompromisse. (Bundesrätin Grim­ling: Ach so? – Bundesrätin Schumann: Ja genau! ... Immobilienspekulan­ten ... Kompromisse ...!) Hier im Parlament wurde ja bereits ein ganzes Bündel an Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung beschlossen. Ich bringe nur zur Erinnerung vor: der Klimabonus, der Energiekostenzuschuss, die ökosoziale Steuerreform mit Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, die Abschaf­fung der kalten Progression (Bundesrätin Schumann: Wir lassen das Kapital in Ru­he, da greifen wir nicht hin!), die Stromkostenbremse, und auch die Valori­sierung der Sozialleistungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch. – Bundes­rätin Schumann: Keine Millionärsteuer!) Mit vielen Maßnahmen wurde und wird geholfen, um der Inflation entgegenzutreten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundes­rätin Gerdenitsch: Funktioniert nicht!)

Auch die Gehaltserhöhungen, die die Sozialpartner dankenswerterweise verhandelt und beschlossen haben, haben für viele Menschen, die in unserem Land arbeiten, eine faire Höhe erreicht, was ihnen das Leben erleichtert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

In unserem Land versucht man mit vielen Mitteln, den Menschen über Krisen und Teuerungswellen hinwegzuhelfen, aber es geht um Steuergeld (Bun­desrätin Grimling: Ja!), deswegen ist soziale Treffsicherheit notwendig. (Bundesrä­tin Schumann: Wir wollen nicht das Steuergeld ...!) Bitte stimmen Sie diesem Beschlussantrag zu, der gerecht ist, weil er alle Wohnverhältnisse in Österreich betrifft! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Nein, das stimmt so nicht!)

11.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Kollege.



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11.03.10

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Zu Punkt 3, dem Abänderungsantrag, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden soll, wird es von der freiheitlichen Bundesratsfraktion Zustimmung geben.

Es ist überfällig, diese gesetzliche Schieflage in Österreich, im österreichischen Förderdschungel zu beseitigen. Dass man in Zeiten der sehr hohen Ener­giekosten für die Entscheidung, eine Wärmepumpe in das neu errichtete Einfa­milienhaus einzubauen, keine Unterstützung bekommt, versteht kein Ös­terreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Es kann ja in Zeiten der extremen Teuerung nicht sein, dass wir über das Thema Wärmepumpe diskutieren und darüber entscheiden, ob die Wärmepumpe ein typischer Gebäudebestandteil ist oder nicht. Auch die steuerliche Beurtei­lung eines Heizsystems als Gebäudebestandteil – etwa für Zwecke der
AfA – wird die Neuregelung nicht beeinflussen.

Endlich wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, damit in allen Bundesländern eine Bundesförderung für Wärmepumpen, Wärmetauscher, Wärmeüber­gabestationen beantragt werden kann. Es ist unsererseits nur zu hoffen, dass die Förderabwicklung besser als die Antragstellung für eine PV-Anlage geplant und organisiert wird.

Wir in Oberösterreich sind in der glücklichen Lage, dass seit mehreren Jahren in Wels, liebe Kollegin Platzer, die Energiesparmesse stattfindet. Da sind die verschiedensten Firmen und Aussteller vor Ort. Weiters ist die Landes- und Stadtpolitik quer durch alle Parteien bei der Messeeröffnung vertreten. Vonseiten der Bundesregierung wurde Frau Gewessler eingeladen, die jedoch eine Veranstaltung mit den Klimaklebern gegenüber der Energiespar­messe bevorzugte. (Bundesrat Steiner: Skandal!) Das nenne ich Wertschätzung


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gegenüber den Personen, die wirklich Umwelt- und Klimapolitik betrei­ben und beschleunigen und vorantreiben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Punkt 4, der Änderung des Wohn- und Heizkostenzuschusses: Der Bund ge­währt den Bundesländern im Jahr 2023 einen weiteren Zweckzuschuss von 225 Millionen Euro. Dieser Zuschuss wird im Juni 2023 an die Bundesländer überwiesen. Für das Jahr 2024 werden weitere 25 Millionen Euro bereit­gestellt. Als Begründung, diese 225 Millionen Euro an die Länder zu überweisen, wird von der Bundesregierung die Verbesserung der Wohnsituation ange­führt. Die bereits geltenden Bestimmungen sollen erhalten bleiben.

Ein weiterer Aspekt ist die Teuerungswelle, die auch durch die im Mai 2023 massiv steigenden Mietpreise sicher nicht abflachen wird. Für mich sind die vorgeschlagenen 25 Millionen Euro für 2024 nicht realistisch und nachvollziehbar. Aus diesem Grund scheint eine Mietpreisbremse, wie schon des Öfteren von uns verlangt, sinnvoll. (Beifall bei der FPÖ.)

Da ich als Vertreter des Oberösterreichischen Landtages im Bundesrat bin, werde ich kurz den Zugang Oberösterreichs darstellen. Die Teuerung ist weiter auf Rekordniveau und die steigenden Preise betreffen immer mehr Men­schen. Wir können zwar die Gründe dafür nicht im Bundesland beheben, aber der beschlossene oberösterreichische Wohn- und Energiekostenbonus unterstützt und entlastet die Haushalte. Besonders wurde vonseiten des Fami­lienreferenten Manfred Haimbuchner auf die Kinder und Alleinerziehen­den geachtet.

Wir wollen in Zeiten steigender Preise den Menschen unter die Arme greifen. In Oberösterreich sind rund 45 Prozent der Haushalte antragsberechtigt. Sie erhalten einen Zuschuss von bis zu 400 Euro aus dem oberösterreichischen Wohn- und Energiekostenbonus. (Beifall bei der FPÖ.)

Speziell betroffen sind die unteren Einkommensschichten, und darum gibt es in Oberösterreich die Möglichkeit, eine Unterstützung von bis zu 800 Euro


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zu erhalten, damit das Halten des sozialen Netzes in Oberösterreich sicherge­stellt ist.

Eine eigene Hotline des Landes wurde eingerichtet, um zu informieren, und die Bürgerservicestellen in Gemeinden und Magistraten beantworten Fragen und sind behilflich. Um einen einwandfreien Ablauf zu gewährleisten, hat man in Oberösterreich die Beantragung des Wohn- und Energiekostenbonus begin­nend mit 1. April bis 30. Juni vollständig online realisiert und somit der breiten Mit­telschicht zugänglich gemacht.

Tagesordnungspunkt 4 wird meine Bundesratsfraktion nicht zustimmen, da die soziale Treffsicherheit nicht gegeben ist und wiederum mit der Gieß­kanne gefuhrwerkt wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.


11.09.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich möchte nur eines vorab sagen – ich habe mich nämlich noch nicht ganz von der Aktuellen Stunde erholt, muss ich ganz ehrlich sagen, und ich würde ganz grundsätzlich schon um etwas bitten, wenn es eine Aktuelle Stunde zu einem Thema gibt –: Die Frauen im Sport, die Frauen in der Kultur haben es verdient, dass man zu diesem Thema spricht und nicht andere Diskussionen aufmacht, die dann auch noch in einen Krawall ausarten und nicht in einen politischen Diskurs. Das ist nämlich politische Dis­kurszerstörung, und das hat mich heute zutiefst getroffen, muss ich wirk­lich sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Wir sind jetzt bei der Tagesordnung, und darum geht es ja. Frau Kollegin Schumann hat gezeigt, wie man zu einem Tagesordnungspunkt tatsächlich einen


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politischen Diskurs führt. So macht man das: Man hat ein Thema, das fest­steht, und man sagt, warum man etwas unterstützt, warum man etwas anders sieht, wie man um Lösungen ringt. Das sollte hier im Bundesrat auch passieren.

So werde ich auch zu TOP 3 und 4 Stellung beziehen, möchte dabei aber tatsächlich mit TOP 3 beginnen, weil mir der auch ganz wichtig ist, nämlich mit dem Öko-Investitionsfreibetrag. Was passiert da? – Wir reden von einer steuerlichen Maßnahme, in dem Fall für Unternehmen, und diese hilft und dient zugleich – das ist ganz wichtig – auch dem Klimaschutz. Bei dieser Maß­nahme können Unternehmen, wenn sie in ökologische Bereiche investieren, einen erhöhten Freibetrag in Höhe von 15 Prozent – zusätzlich eben zu üblichen Abschreibungen – in Anspruch nehmen. Das ist eine Win-win-Situation, nämlich für den Klimaschutz und natürlich auch für die Unternehmen, die da hi­neininvestieren.

Im Grunde haben wir das ja schon bei der ökosozialen Steuerreform be­schlossen, aber jetzt gilt dieser Öko-Investitionsfreibetrag auch für Gebäudebestandteile, etwa für Wärmepumpen, für Tauschsysteme, für Kältesysteme, und das ist der große Unterschied. Das ist eine sinn­volle Ergänzung, etwas, das es nämlich bisher so noch nicht gab und das ganz wesentlich zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen wird. Ich hoffe, darin sind wir uns einig, dass das eine sehr, sehr gute Sache ist.

Nun aber zum Wohnkostenzuschuss: In den letzten Wochen und Monaten wurden dieser Wohnkostenzuschuss beziehungsweise unterschiedliche Ideen, wie man der Inflation im Bereich des Wohnens und des Mietens Herr wer­den kann, sehr intensiv diskutiert. Die Mietpreisbremse wäre, das gebe ich zu, für viele eine sehr große Hoffnung gewesen; nicht nur für diejenigen, die die Mieten derzeit wirklich fast nicht mehr stemmen können, sondern es wäre auch für nahezu alle Wirtschaftsexpertinnen und Wirtschaftsexperten – Frau Kollegin Schumann hat das ja auch richtigerweise erwähnt – eine ganz we­sentliche Maßnahme gewesen, um die Inflation zu dämmen.


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Ich möchte hier schon betonen, dass es uns als grüner Fraktion tatsächlich lieber gewesen wäre, dass wir heute eine solche inflationsdämmende Mietpreis­bremse beschließen. Ich glaube, das ist kein Geheimnis. (Beifall der Bundesräte Obrecht und Schachner.) Wohnen als leistbares Gut, die Leistbarkeit von Mieten zu erhalten muss aus unserer Sicht für Politikerinnen und Politiker eine der obersten Prioritäten in solchen schwierigen Inflationszeiten sein. Dafür haben wir in den vergangenen Wochen gekämpft.

8,6 Prozent Mieterhöhung bedeutet für viele Menschen quasi eine Monatsmiete mehr im Jahr, die zu bezahlen ist. Das ist viel und deshalb haben wir mit der ÖVP eben auch über eine von vielen Wirtschaftsforscherinnen und -forschern vorgeschlagene Mietpreisbremse verhandelt. Diese hätte schnell und gut geholfen, keine Frage, es hat aber nicht sollen sein. Wenn man intensiv verhan­delt – es standen ja auch andere Themen im Raum, wie Ausgleichszahlun­gen für Vermieter:innen, Grunderwerbsteueränderungen, Gegenfinanzierungen für Besitzer:innen von Luxusimmobilien, es wurde ja wirklich ganz viel auf den Tisch gelegt, was man verhandeln konnte –, dann kommt man zu einer Lösung. Was wir jetzt haben, würde ich einmal die zweitbeste Lösung nen­nen, und eine zweitbeste Lösung anzubieten, das ist auch Teil eines demokratischen Diskurses; wenn man in einer Koalition ist, dann gehört auch das dazu. Mir ist es lieber, wir haben eine zweitbeste Lösung als gar kei­ne. Somit kann ich hier stehen und mit Fug und Recht sagen: Ich bitte um eine Zustimmung für diese zweitbeste Lösung. (Ruf bei der SPÖ: ... schönreden!)

Was wir anbieten, ist, dass wir die Wohn- und Heizkostenzuschüsse der Län­der – und das entscheiden übrigens die Länder, was dann damit pas­siert; das möchte ich meinem Vorredner schon auch noch deutlich sagen – um 225 Millionen Euro erhöhen. Den Wohnschirm erhöhen wir um 25 Millio­nen Euro. Das ist jetzt wirklich nicht nichts, das ist wirklich, wirklich viel Geld! Leute, das ist echt viel Geld, das wir da investieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Das kommt allen Mieter:innen zugute, egal ob im privaten oder gemeinnützigen Wohnbau. Wir unterstützen damit gezielt jene Menschen mit wenig Ein­kommen – dazu zählen junge Menschen, Familien, Alleinerzieher:innen ebenso wie ältere Menschen oder Menschen mit einer geringen Pension –, und dazu werden auch die Länder einen Beitrag leisten müssen. Da nicht zuzustim­men finde ich auch fatal (Bundesrätin Schumann: Na geh! Na! weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), wenn ich ganz ehrlich bin.

Frau Kollegin Schumann, eines möchte ich der Wiener SPÖ schon auch noch sagen (Bundesrätin Schumann: Ja! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ): Die Chuzpe muss man schon haben (Bundesrätin Schumann: Na geh! 200 Mil­lionen! – Ruf bei der SPÖ: Hallo!), finde ich, hier zu fordern, man müsse einen Mietpreisdeckel machen – was ich übrigens ja auch so sehe (Bundesrätin Schumann: Na dann! Was reden wir dann?), das ist ja kein Geheimnis (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) –, aber dann im eigenen, im ureigenen Wir­kungsbereich auch einen Zuschuss statt einen Deckel zu machen (Bundesrätin Schumann: Ist eh klar ...! Geh hör auf!), das finde ich paradox. Das finde ich wirklich paradox. (Beifall bei Grünen und ÖVP.  Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Innsbruck und Graz machen das. Und Wiener Wohnen: Was macht Wien? – Wien regt sich auf, dass es keinen Mietpreisdeckel auf Bundesebene gibt (Bundesrätin Schumann: 200 Millionen haben wir für die Leute ...! Das darf doch nicht wahr sein!), aber bei den eigenen Gemeindebauten wird er auch nicht gemacht. (Bundesrätin Schumann: Na freilich ...!) Die Mieten in den Gemeindebau­ten sollen sogar um den maximal möglichen Wert erhöht werden. (Bun­desrat Kornhäusl: Ein Wahnsinn! – Bundesrätin Schumann: Geh komm ...!) Das ist die Wahrheit und das ist, finde ich, schon ein Trauerspiel für sozialdemo­kratische Politik. Das möchte ich hier auch sagen.

Die ÖVP und die Grünen haben wirklich gerungen, wir sind zwei unter­schiedliche Parteien, daher haben wir auch unterschiedliche Meinungen, bei­spielsweise auch in Fragen der Vermögensteuer. Wir haben da konträre


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Ansichten, aber das Wichtigste ist, dass dabei eine Lösung herauskommt, die am Ende den Menschen dient. Deswegen, finde ich, kann man hier mit Fug und Recht sagen: Stimmt dieser Lösung zu! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

11.16


11.16.21

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, welche getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­mensteuergesetz 1988 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Aus­gleichs-Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 102

Ich darf zur Debatte der nächsten Tagesordnungspunkte sehr herzlich Herrn Staatssekretär Tursky begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundes­rät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrätin Schumann: Der war schon vorher da! ... nicht sichtbar! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.17.505. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verord­nung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungs­vorgänge (Interbankenentgeltevollzugsgesetz – IEVG) erlassen und das
E-Geldgesetz 2010, das Wettbewerbsgesetz und das Zahlungs­dienstegesetz 2018 geändert werden (1957 d.B. und 1991 d.B. sowie 11218/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend eine Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (1847 d.B. und 1990 d.B. sowie 11219/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 5 und 6, über welche die Debatten ebenfalls unter einem durch­geführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Franz Ebner. – Ich bitte um die Berichterstattung.


11.18.42

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz


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über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenent­gelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (Interbankenentgeltevoll­zugsgesetz – IEVG) erlassen und das E-Geldgesetz 2010, das Wettbewerbsge­setz und das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf gleich mit dem Bericht zu TOP 6 fortsetzen: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend eine Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkür­zung und Gewinnverlagerung.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch gleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Bitte, Herr Kollege.



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11.20.52

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Bei Tagesordnungspunkt 5 geht es um die Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge.

Lassen Sie mich kurz erklären, worum es sich dabei handelt: Wenn Sie als Kundin oder als Kunde in einem Geschäft mit Karte bezahlen, egal ob mit Bankkarte oder mit Kreditkarte, dann fällt eine Gebühr an, die das Geschäft an die Bank zur Abgeltung der technischen Infrastruktur abgeben muss. In dieser Gebühr ist auch das sogenannte Interbankenentgelt enthalten. Dieses Entgelt wird von der Bank des Geschäfts an die Bank des Kreditkarteninhabers, also der Kundin, des Kunden, weitergereicht.

Die neue EU-Verordnung ist dazu da, das Interbankenentgelt zu begrenzen, sodass erhöhte Gebühren für die Kundinnen und Kunden vermieden werden. Das ist insofern wichtig, als auch in Österreich immer mehr mit Karte bezahlt wird und mit dieser Verordnung eine sinnvolle Begrenzung im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten erreicht wird.

Die Kontrolle darüber liegt bei der BWB, der Bundeswettbewerbsbehörde. Das ist gut so, das ist eine unabhängige Institution. Wichtig dabei ist, dass dafür auch genügend Personal, genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfü­gung stehen, und das wird durch drei weitere Mitarbeiter auch sicherge­stellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich nochmals eines betonen: Wir fassen heute einen wichtigen Beschluss, um die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken, und die Bundeswettbewerbsbehörde wird aufpassen, dass die Spielregeln eingehalten werden.

Bei Tagesordnungspunkt 6 geht es um die Anpassung von bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen. Im Kern geht es darum, dass Unternehmenssteuern auch dort bezahlt werden, wo die Wertschöpfung


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passiert. Steuern sind Angelegenheit und demnach unter der Hoheit des jeweiligen Staates. Durch unterschiedliche Steuersysteme ergibt sich unweigerlich ein Markt, der Staaten für Unternehmen entweder attraktiver oder weniger attraktiv erscheinen lässt.

Weniger Körperschaftsteuer ist zum Beispiel sehr attraktiv für Unternehmen. Wir kennen das in Europa: Es gibt die Situation in Irland, es gibt die Situa­tion in den Niederlanden oder in Luxemburg. Insbesondere bei digi­talen Geschäftsmodellen ist es Praxis, sich als Unternehmen dort anzusiedeln, wo Körperschaftsteuern vergleichsweise gering ausfallen.

Das ist selbstverständlich kein wünschenswerter Umstand. Das Ziel der Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen ist, dem entgegenzuwirken, sodass, kurzum gesagt, Gewinne auch dort besteuert werden, wo die Wertschöpfung passiert. Die Anpassung ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Durch diese Rechtsnovelle werden österreichische Doppelbesteuerungs­abkommen an den neuesten Stand des internationalen Steuerrechts angepasst, und der Geltungsbereich wird neben den bereits bestehenden 38 Ab­kommen um weitere 34 österreichische Doppelbesteuerungsabkommen er­weitert. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Kollege.


11.24.12

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Da mein Vorredner diese beiden Tagesordnungspunkte ja sehr ausführlich erläutert hat und das auch eine Gesetzesmaterie ist, die wir, so hoffe ich, einstimmig beschließen werden, darf ich mich sehr, sehr kurz


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halten und auch vorwegschicken, dass die SPÖ-Fraktion beiden Tagesordnungs­punkten zustimmen wird. (Bundesrat Kornhäusl: Bravo!)

Zwei Gedanken – es sind ja etwas sperrig formulierte Tagesordnungspunkte, aber man kann sie ganz einfach erklären –:

Zu Tagesordnungspunkt 5: Beim Interbankenentgeltevollzugsgesetz geht es, wie der Name schon sagt, um die Regelung von internen Bankentgelten und zum Beispiel auch um Abschläge vom Nennwert bei Kreditkartenzahlungen. Uns als SPÖ war es neben der Einführung dieser Regelungen wichtig, dass die­se Regelungen auch kontrolliert werden. Der Experte im Finanzausschuss hat da­zu erklärt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde mit der Kontrolle beauf­tragt wurde und dass für diese zusätzlichen Aufgaben auch zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wird. Das ist gut so und das befürworten wir auch.

Bei Tagesordnungspunkt 6 geht es im Wesentlichen auch um internationale Ab­kommen, die internationale Standards bei Doppelbesteuerungsabkommen regeln sollen.

Beide sind absolut sinnvolle Maßnahmen, wir werden beiden die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Kollege.


11.25.54

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Die Vorredner, Kollege Stillebacher und Kollege Reisinger, haben bereits sehr viel vorweggenommen. Im Grunde ge­nommen geht es wieder um eine Umsetzung einer EU-Verordnung. Bei die­ser EU-Verordnung geht es einerseits um den Wettbewerb, um den Marktzugang für elektronische Zahlungsdienstleister. Man will damit den elek-


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tronischen Zugang zu Zahlungsvorgängen im Sinne der Händler und Ver­braucher fördern. Es sollen auch die Kosten für Transaktionen vereinheitlicht werden und damit das Ziel, die Kosten auch für die Verbraucher zu sen­ken, erreicht werden. Kontrollieren und für einen fairen Wettbewerb sorgen soll die unabhängige Bundeswettbewerbsbehörde.

Geschätzte Damen und Herren! Auch wir werden diesen zwei Punkten zustim­men, aber es ist mir besonders wichtig, zu erwähnen, dass die EU aktuell be­reits einen weiteren Vorstoß plant, nämlich insofern, als eine Bargeldobergrenze von 7 000 Euro eingeführt werden soll. Das kann nur als weiterer Schritt zur kompletten Bargeldabschaffung verstanden werden.

Dieses Ziel verfolgt die EU schon seit mehreren Jahren, um die totale Kontrolle über den Zahlungsverkehr zu erlangen, einen noch gläserneren Menschen und wieder weniger Freiheit zu erreichen und zur Realität werden zu lassen. Al­les, was wir konsumieren, wird verfolgt, verwertet, und damit verbunden sind auch massive Einschränkungen der Privatsphäre. Wir, die FPÖ, bleiben bei der Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Bar­geldzahlung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen kämpfen schon seit Jahren als einzige Partei für die Veran­kerung der Bargeldzahlung in der Verfassung. Aktuell hat jetzt auch ei­ne Bürgerinitiative beherzter Idealisten ein entsprechendes Volksbegehren gestartet, um eine uneingeschränkte Bargeldzahlung in Österreich bun­desverfassungsrechtlich abzusichern.

Neben der Verankerung in der Verfassung gäbe es noch einen zweiten wichtigen Schritt: Unternehmen dürfen die Bargeldzahlung nicht mehr verweigern. Je­dem Österreicher muss auch in Zukunft das Recht gegeben werden, mit Bargeld bezahlen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzah­lung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU“

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert sich auf österreichischer und europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass

- die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben,

- ein uneingeschränkter Bargeldzahlungsverkehr in Österreich verfas­sungsrechtlich verankert wird und in der EU uneingeschränkt getätigt werden kann

- ein verfassungsrechtlicher Schutz des Bargeldes als Zahlungsmittel und Ver­mögensform ohne Obergrenzen normiert und in EU uneingeschränkt an­erkannt wird sowie

- einen verfassungsrechtlich festgelegten Kontrahierungszwang für den Waren- und Dienstleistungsverkehr im Zusammenhang mit der grundsätzlichen An­nahme von Bargeld als Zahlungsmittel in der österreichischen Rechts­ordnung festgeschrieben wird“.

*****

Geschätzte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden auch da zum Schutz unserer Bürger sicherlich nicht lockerlassen. Wir wollen einen freien Bür­ger – und Bargeld ist gedruckte Freiheit. Das, vor allem liebe Salzburger und Salzburgerinnen, ist ein weiterer Grund, am 23. April ein Zeichen zu set­zen, die FPÖ und damit die Freiheit zu wählen! – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

11.29



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.


11.30.24

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher:innen hier! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Meine Vorredner:innen haben schon al­les zum Interbankenentgeltevollzugsgesetz und auch zum mehrseitigen Übereinkommen gesagt. Daher konzentriere ich mich jetzt ein bisschen auf das Wesentliche.

Fast alle von uns zahlen heute mit Kredit- und Bankomatkarte, und ich muss ehrlich sagen: Vor allem, wenn man sich auch außerhalb Österreichs be­wegt, liegt die Freiheit eigentlich in diesen Karten. Die Zahlungsdienstleister:in­nen haben dadurch natürlich eine ziemlich große Marktmacht. Man darf nicht vergessen: Es gibt etwa doppelt so viele Bankomatkarten und Kreditkarten wie Menschen in Österreich.

Die EU-Verordnung aus dem Jahr 2015 über Interbankenentgelte begrenzt Wettbewerbsverzerrungen nach oben mit einer Deckelung. Die Folge davon waren und sind gesunkene Disagiogebühren, und das ist sehr gut. Auch die Ausstattung der Bundeswettbewerbsbehörde mit mehr Ressourcen ist sehr zu begrüßen, denn wir stärken diese damit als unabhängige Kraft für einen fairen Wettbewerb in Österreich.

Wie gesagt: Elektronische Zahlungen lösen immer mehr die Bargeldzahlungen ab, und das ist von den meisten Menschen auch erwünscht. – Ich möchte in diesem Zusammenhang wirklich gerne dazu aufrufen, vor allem auch inhaltlich


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bei den Tagesordnungspunkten zu bleiben. Das heißt nämlich nicht, dass Bargeldzahlungen eingeschränkt werden sollen oder dass es sie nicht mehr gibt. Davon war heute nicht die Rede. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.32


11.32.21

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Interbanken­entgeltevollzugsgesetz erlassen und das E-Geldgesetz 2010, das Wettbewerbsgesetz und das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldab­schaffung in Österreich und der EU“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend eine Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der


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Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkür­zung und Gewinnverlagerung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wir­kungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bun­desrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Bundesrat Steiner: Seid ihr jetzt dafür oder dage­gen?) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist so­mit angenommen.

11.34.577. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung des Flä­chenrecyclings, der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt im Ausland sowie über das österreichische JI/CDM-Programm für den Klimaschutz (Um­weltförderungsgesetz – UFG geändert wird (3255/A und 1963 d.B. so­wie 11192/BR d.B. und 11212/BR d.B.)



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Maria Huber. Ich bitte um die Berichterstattung.


11.35.12

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Herr Vorsitzender! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung des Flächenrecyclings, der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt im Ausland sowie über das österreichische
JI/CDM-Programm für den Klimaschutz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte. Herr Kollege.


11.36.09

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Wir behandeln nun einen An­trag, zu dem es am Anfang nur eine kleine, nicht wesentliche Änderung gegeben hat. Diese betraf nämlich nur einen Strichpunkt. Aber es wäre nicht die
schwarz-grüne Bundesregierung made by chaos, wenn nicht – wie es anschei­nend mittlerweile Sitte ist – in letzter Minute ein Abänderungsantrag im Nationalrat eingebracht worden wäre.


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Ziel des Antrages sollte es sein, nachvollziehbar eine Verbesserung zu erreichen, sprich einen positiven Effekt aus den resultierenden Umweltrichtlinien und aus dem Umweltförderungsgesetz zu erzielen. Hätte man es wirklich ernst genommen, dann wäre man darauf bedacht gewesen, sich die Vergabe­richtlinien und vor allem auch die Dienstleistungsrichtlinien und die Bestimmun­gen betreffend die freihändige Vergabe anzuschauen. Dann hätte man sehr schnell gesehen, dass bis zu einem Betrag von 100 000 Euro eine freie Vergabe­möglichkeit besteht.

Investitionen betreffend Transformation liegen in den von dieser Förderung be­troffenen Bereichen aber meist weit über 100 000 Euro, und daher ist es im Grund genommen nur halbherzig, dass dieses Gesetz jetzt so abge­ändert wird, dass man zwar in diesem Bereich des Umweltförderungsgesetzes von den Vergaben absieht, während man aber die Schwellenwerte von 100 000 Euro tatsächlich nicht bedacht hat und diese daher nicht ausgesetzt hat. – Wir Freiheitliche sind der Meinung: Was Wirtschaft und Industrie, also die wesentlichen betroffenen Gruppen, brauchen, sind Planbarkeit, klare Aussagen und klare Rahmenbedingungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Stattdessen gibt es im Anhang nicht mehr als eine taxative Aufzählung von Branchen beziehungsweise Industrien, die jetzt in der Umweltförde­rung inkludiert sind. Wahrscheinlich wird der Appell der nachfolgenden Redner kommen: Wir sollen doch alle an einem Strang ziehen! – Das könnte nach unserer freiheitlichen Meinung nur dann funktionieren, wenn man mit dem Begehr dieses Gesetzes nach China, nach Indien und in die USA geht und dort mitteilt, dass wir jetzt alle an einem Strang ziehen sollen. Denn all die Ge­nannten machen bei dieser Klimapolitik nicht mit! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Europäer, die einen Anteil von ganzen 8 Prozent des weltweit emittierten CO2-Ausstoßes haben, und wir Österreicher, die wir 0,2 Prozent des welt­weiten CO2-Ausstoßes emittieren, sollen zu einem ganz hohen Preis, der unseres Erachtens viel zu hoch ist, für Länder bezahlen, die 30 Prozent und mehr des CO2-Ausstoßes emittieren. Im Endeffekt haben dann österreichische


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Produktionsbetriebe im Hinblick auf unter teilweise fragwürdigen Arbeitsbedin­gungen billig produzierte Waren aller Art einen massiven Wettbewerbs­nachteil und sind viele österreichische Arbeitsplätze dadurch in Gefahr. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche sehen uns als Anwalt der österreichischen Bevölkerung, um deren Interessen zu vertreten. Wir halten die verfehlte Politik dieser Bundesregierung und dieses zum Beschluss vorliegende Gesetz weder für ausgewogen noch für vernünftig. Wir Freiheitliche stehen für Umweltpolitik mit Hausverstand an der Seite der österreichischen Bevölkerung. Das werden wir auch mit unserem Abstimmungsverhalten zeigen und gegen den Beschluss des Nationalrates stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kol­legin Alexandra Platzer. – Bitte.


11.40.04

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es geht um das Umweltförderungsgesetz und somit um einen wich­tigen Schritt in Sachen Klimawandel in Österreich. Seit am 12. Dezem­ber 2015 in Paris von 192 Staaten der UN-Klimavertrag unterschrieben wurde, hat sich vieles verändert. Der Vertrag wurde ja anfänglich noch etwas skep­tisch oder auch als zu ambitioniert betrachtet, aber mittlerweile springen immer mehr Menschen und auch immer mehr Unternehmen auf den Zug auf und tragen freiwillig einen wichtigen Teil dazu bei.

Gerade die Herausforderung, mit Energie versorgt zu werden, hat sich in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Auch wir, die wir die klimatischen Veränderungen, wie die Trockenphasen, die Stürme, die Überflutungen, immer wieder beobachten, müssen klar sehen, dass wir einen Klimaschutz mit Hausverstand brauchen. Genau in diesem Umweltförderungsgesetz gehen wir


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jetzt einen weiteren Schritt in die richtige Richtung, nämlich Schritt für Schritt von den fossilen Energieträgern auf nachwachsende Energieträger der verschiedensten Arten zu.

Man darf von den Menschen nicht nur fordern, sondern die Politik muss auch die richtigen und wichtigen Veränderungen und Anreize schaffen und genau diese fördern. Nur so kann man partnerschaftlich mit der Wirtschaft und Hand in Hand mit der Industrie diesen Weg der Veränderung beschreiten. Es ist nämlich nicht nur die klimafreundliche Investition, sondern jede Investition in diesen Bereich ist auch eine Investition in die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes Österreich, denn nur eine klimaneutrale Wirtschaft und eine kli­maneutrale Industrie, die bereit sind, zu investieren und zu innovieren, wer­den in Österreich und auch international tatsächlich Zukunft haben.

Das hat auch die Voest in meinem Heimatbundesland Oberösterreich verstan­den und stellt auf neue Elektrolichtbogenöfen um. Die Voest wird somit ab 2027 jährlich 4 Millionen Tonnen CO2 einsparen können. Vergleichbar ist das übrigens mit dem Ausstoß von zwei Millionen Autos in Österreich, also 5 Prozent der österreichischen Treibhausgasemissionen. Somit zeigt die Voest da klar eine Vorbildwirkung. Die Produktionsweise, die Ressourcen schont, die Energie spart, die kein CO2 mehr ausstößt und die auch einen entscheiden­den Wettbewerbsvorteil, wie klimafreundliche Arbeitsplätze, schafft, ist ein schönes Beispiel dafür, wie Transformation funktionieren kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Letztendlich zeigt dies auch, dass viele Unternehmen großen Willen haben, diese Transformation auch tatsächlich durchzuführen, zu investieren und auf klimaneutrale Produktion umzustellen. Das Problem ist, dass natürlich oftmals auch massive Transformationskosten beziehungsweise massive Investi­tionen damit einhergehen, die sich aber oft betriebswirtschaftlich noch nicht rechnen. Genau da kommt diese Transformationsoffensive ins Spiel. Nur wenn wir mit Weitblick eine klimapolitische und eine betriebswirtschaftliche


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Logik zusammenhängen, werden wir in Österreich weiterhin markt- und wettbewerbsfähig bleiben und somit auch Arbeitsplätze sichern.

Mein letzter Punkt bringt mich noch zum Thema Fotovoltaik. Diese bereits großartige Möglichkeit, um aus Sonnenlicht Energie zu produzieren, nutzen wir in Österreich noch viel zu wenig. Nur 10 Prozent unserer Dächer haben wir bereits mit Fotovoltaik ausgestattet. Das ist also noch ein attraktiver Game­changer, der durchaus viel Potenzial für private Haushalte und auch Unter­nehmen bietet.

Geschätzte Frau Bundesminister, wenn wir es auch da noch schaffen, dass wir die Förderabwicklungen unbürokratischer und einfacher hinbekommen und Projekte schneller umsetzen können, dann bin ich zuversichtlich, dass Österreich auch weiterhin auf einem guten Weg ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Mit ein wenig Verspätung darf ich die be­reits seit einiger Zeit im Saal befindliche Frau Bundesminister Gewessler sehr herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.45.11

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Vorab: Meine Fraktion, die SPÖ-Fraktion, wird diesem Gesetzesvorschlag zustimmen.

Ich möchte aber zu Beginn etwas ausholen; ich möchte auch von meiner Gemeinde sprechen: Wir kämpfen mit nachlassenden Quellschüttungen auf­grund von Trockenperioden, brandgefährdeten, staubtrockenen Wald-


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böden, aber auch sintflutartigem Schüttregen mit Überflutungen im Siedlungs­raum sowie orkanartigen Windböen, die Bäume entwurzeln und Dächer abdecken. Ja, extreme Wetterereignisse gab es schon immer, aber die Häufigkeit war eine andere. Heute sind wir in den Gemeinden aufgefordert, zum Schutz des Lebensraumes Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu treffen.

In meiner Gemeinde war es notwendig, die Trinkwasserversorgungsanlage um eine Notversorgungseinrichtung zu erweitern, Retentionsbecken bei Feuerwehrzentrale, Volksschule und Gemeindeamt einzubauen, und die Planung für ein Geschiebemanagementprojekt, damit das lose Geröll – verursacht durch Windwürfe in Höhenlagen – geordnet abtransportiert werden kann, ist in Arbeit. Zusätzlich sollten wir natürlich auch die Feuerwehren aufrüsten, damit sie im Ernstfall Waldbrand helfen und uns Sicherheit bieten können. Im­merhin gibt es in meiner Heimatgemeinde 65 Prozent Waldanteil.

All diese Maßnahmen verschlingen Geld und viel Zeit, sind aber eben zur Absicherung des Lebensraumes schon jetzt notwendig, um sich den nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels anzupassen. Doch wie lange schafft man es mit dem Anpassen? Wann kippt das Ganze und wird zu viel? – Als Optimistin bin ich davon überzeugt, dass Erfolge im Klimaschutz die Tempe­raturzunahme einbremsen werden. Die hier vorliegende Novellierung des Umweltförderungsgesetzes könnte, wie wir bereits von den Kolleginnen und Kollegen gehört haben, ein Beitrag zu den dringend notwendigen Erfolgen sein. Es ist ein richtiger Schritt, Förderungen zur Transformation der Industrie in Ländern mit hohen Standards leichter zugänglich zu machen. Es ist auch ein Werkzeug, um die Abwanderung von Industriebetrieben in Regionen der Welt mit geringeren Standards einzubremsen, denn es ist klar: Nur ein internationaler Klimaschutz führt zu Erfolgen.

Um den Sektor Industrie zu dekarbonisieren, braucht es die grundlegende Umstellung vieler Verfahren, und dies ist mit hohen Investitionskos­ten verbunden. Ein positives Beispiel aus meinem Bundesland wurde ja schon


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genannt: die Voestalpine. Sie plant eine weitgehende Dekarbonisierung der Stahlproduktion. Dabei sollen, wie schon gesagt, drei der fünf koksbasierten Hochöfen auf Elektroöfen unter Einsatz von Eisenschwamm umgestellt und dabei circa 30 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Bis 2050 soll die Stahlerzeugung komplett auf Basis erneuerbaren Wasserstoffes umge­stellt werden.

Die Millionen an Förderungen müssen aber treffsicher sein und tatsächlich messbare Ergebnisse bei der CO2-Einsparung bringen. Als Sozialdemokratin ist es mir besonders wichtig, dass Soziales, Klimaschutz und Industrieförde­rung Hand in Hand gehen. (Beifall bei der SPÖ.) Staatliche Investitionen in die In­dustrie müssen für die vielen Nutzen stiften, insbesondere für die Arbeit­nehmer und Arbeitnehmerinnen in den geförderten Betrieben. Dazu gehört un­abdingbar Arbeitsplatzsicherheit, und ein besonderes Augenmerk sollte auch auf die Qualifizierung von Fachkräften gelegt werden.

Grundsätzlich ist es jetzt aber auch noch wichtig, auf den Novellierungsprozess in formaler Hinsicht einzugehen: An und für sich steht hinter dem Proze­dere ein bedenkliches Demokratieverständnis der Regierungsparteien. Es wird jetzt nicht einmal mehr den im Parlament vertretenen Fraktionen die Zeit zugestanden, sich ordentlich mit dieser für unsere Zukunft so wichtigen Gesetzesmaterie auseinanderzusetzen. Dieser Zustand ist nicht haltbar und zeigt, dass die Definition von Zusammenarbeit bei den Regierungsparteien ein sehr dehnbarer Begriff ist. Bei einfachen Mehrheiten fährt man drüber, und bei notwendiger Zweidrittelmehrheit beschwört man das konstruktive Ge­meinsame oder verunglimpft jene, die nicht mitkönnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Inhaltliche Auseinandersetzungen, um das Beste herauszuholen, sind nicht euer Ziel. Ich bin schon gespannt, wie viele Novellierungen diese Novellierung braucht, bis sie treffsicher wird. Außerdem – das zum Schluss –: Das Klimaschutzgesetz fehlt noch immer. Welches Prozedere planen Sie da? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.51



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 119

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Adi Gross. – Bitte, Herr Kollege.


11.51.17

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Vor ziemlich genau drei Wo­chen wurde im Rahmen des Sechsten Sachstandsberichtes des IPCC, des Welt­klimarates, der neueste Synthesis Report vorgestellt. Der fasst kurz und prägnant den aktuellen Stand der weltweiten Klimawissenschaft zusammen und lässt an Deutlichkeit wenig vermissen.

Wir steuern derzeit im globalen Mittel auf eine Plus-3-Grad-Celsius-Welt zu. Das unterschätzt aber die tatsächlichen Auswirkungen und Folgen, weil über den Meeresflächen die Temperaturen ja weniger stark steigen. Das würde bei uns einen Temperaturanstieg um 5 bis 6 Grad im Jahresdurchschnitt bedeuten. Das wäre katastrophal und gilt es unbedingt zu vermeiden. Kollegin Lan­caster hat ja einige Beispiele genannt, wie sich das lokal bereits auswirkt. Die gu­te Nachricht ist, dass es möglich ist, das zu vermeiden. Die Technologien da­für sind da. Allerdings ist dafür entschiedenes und schnelles Handeln notwendig (Ruf bei der SPÖ: Klimaschutzbericht! Klimaschutzbericht!), vor allem in den Industriestaaten, die nun einmal mit Abstand die größten Emittenten sind und vor allem auch pro Kopf mit Abstand die größten Emittenten sind.

Das Handlungserfordernis betrifft alle Bereiche. Gerade in den letzten Jahren ist ja einiges gelungen, um die Wende einzuleiten. Wir müssen aber – das muss man ja auch zugeben – im Bereich des Verkehrs, der Gebäude und auch im Bereich der Industrie tatsächlich noch einiges an Tempo zulegen, um die not­wendigen Ziele zu erreichen, also Klimaneutralität bis 2040 zu schaffen.

Nach dem Verkehr – das ist der größte Emittent – ist die Industrie der zweitgrößte Emittent in Österreich. Ich finde auch, dass man bisher etwas zu wenig Augenmerk auf die Transformation derselbigen gelegt hat, denn


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auch da geht es darum, in kürzester Zeit – und 17 Jahre bis 2040: das ist wahr­lich sehr kurz (Ruf bei der SPÖ: Tempo 100!) – einen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu schaffen.

Das bedingt ja nicht nur einen bloßen Wechsel von Energieträgern, sondern in vielen Fällen gerade in der Industrie auch einen Umbau von Produktions­prozessen. Es geht dabei – das ist ja angeschnitten worden – nicht – unter An­führungszeichen – „nur“ um die technischen Aspekte des Klimaschutzes, sondern gleichzeitig um die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in Österreich ins­gesamt. Da darf es kein Zögern geben, denn wir sind ja nicht die Einzigen auf diesem Planeten, die vor diesen Herausforderungen stehen und das wissen.

Wer in der Transformation die Nase vorne hat, sichert den Bestand der Industrie und damit auch Arbeitsplätze, die wir ja nicht verlieren wollen. Die ökologi­sche und – das betone ich immer wieder – sozial abgesicherte Transformation der Wirtschaft ist also ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung. (Bun­desrätin Schumann: Die Fördermittel für die Transformation in der Industrie wurden nicht an Arbeitsplatzsicherheit gebunden!). Die Transformation bietet auch ein sehr, sehr großes Beschäftigungspotenzial. Gerade in den letzten Jahren ist ja mit der Energiepreiskrise, die vorrangig durch den Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ausgelöst wurde, die Einsicht gestiegen, dass diese Transfor­mation auch aus Gründen der Unabhängigkeit und der Versorgungssicher­heit notwendig ist.

Das Erfreuliche ist: Viele Unternehmen sind da auch weiter als so mancher prominente Kopf in den Interessenvertretungen. In vielen Unter­nehmen herrscht ein großer Wille vor, die Transformation auch tatsächlich durchzuführen, zu investieren und die Produktion klimaneutral zu gestalten. Da gibt es viele schöne Beispiele.

Ich möchte eine Initiative aus Vorarlberg kurz erwähnen: Vor rund einem Jahr hat sich eine ganze Reihe von namhaften Industriebetrieben unter dem Motto Tun – von: tu etwas! –, Tun – Green Deal Vorarlberg zusam­mengeschlossen. Die haben sich nichts weniger als das Ziel gesetzt, bis 2030


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klimaneutral zu werden: 2030, in sieben Jahren! Darunter finden sich Unternehmen wie Alpla, Blum, Getzner, Rauch, Pfanner, Gebrüder Weiss, Rondo und so weiter, also keine Kleinbetriebe, sondern eine ganze Reihe inter­nationaler Konzerne.

Von einem anderen Beispiel der Eigeninitiative haben wir schon gehört. Das ist die Voest, die ihr konkretes Konzept, die Stahlproduktion weg von Kohle hin zu Wasserstoff umzustellen, seit Jahren entwickelt. Auch die Voest weiß na­türlich, dass sie nur mit solchen Strategien der ambitionierten Transforma­tion in Zukunft auf dem Markt bestehen kann, denn die anderen, wie etwa Krupp zum Beispiel – man kann das auch nachlesen –, schlafen nicht, son­dern sind auch sehr intensiv dran.

Die dazu nötigen Investitionen erfordern natürlich viel Geld. Da ist es vor allem – ich betone das – die Aufgabe des Staates, die rechtlichen Rahmenbedin­gungen klar zu setzen, um langfristige Planbarkeit zu sichern. Das Geld will ja auch aufgenommen werden – auch bei den Banken – und investiert werden, und dafür braucht es auch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen. (Bundesrätin Schumann: Ohne staatliche Bedingungen!) Da ist noch etwas zu tun – klar! –, und es ist natürlich auch unsere Aufgabe, die nötige Unterstützung respektive Förderungen bereitzustellen.

Das Umweltförderungsgesetz stellt für die Transformation der Industrie die stolze Summe von immerhin 2 975 Millionen Euro gesetzlich gesichert zur Verfügung. Das ist schon eine völlig neue Dimension, wiewohl wir inzwi­schen an hohe Zahlen gewöhnt sind. Dass das aber wirklich eine völlig neue Dimension ist, erkennt man daran, wenn man ein bisschen zurückschaut, wie die Umweltförderung im Inland in den vergangenen Jahren dotiert war.

In der vorliegenden Novelle wird nun quasi der Zugriff auf diese Mittel wesentlich erleichtert. Wie? – Im Unterschied zu den üblichen Prozessen in der Umweltförderung können Anträge zur Transformation in der Industrie laufend gestellt werden und sind nicht an Ausschreibungen gebunden. Das


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schafft natürlich höhere Planbarkeit, höhere Geschwindigkeit, mehr Sicherheit, und das gerade jetzt, da wir auch sehen, dass es in Lieferketten teils Pro­bleme gibt und dass das die Planbarkeit natürlich erschwert und das Hinarbeiten auf Ausschreibungen nicht leichter macht.

Zudem werden die förderbaren Branchen ausgeweitet, und zwar vor allem in Richtung der energieintensiven Zementindustrie und auch der Ziegel­industrie. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Auch die sind natürlich sehr stark gefordert, ihre Energieversorgung, ihre Produktion auf erneuerbare Energieträger umzustellen, auch im stofflichen Verbrauch.

Ein wichtiges Detail noch, das nicht erwähnt wurde: Es werden ja auch im Rahmen des UFG Fördermittel der EU im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplanes gewährt, und da wird jetzt dafür gesorgt, dass all die Mittel für die Abwicklung dieser Förderung nicht aus diesen Mitteln finanziert werden, sondern aus dem Budget, sodass dann wirklich jeder Euro bei den Betrieben landet.

Einen Satz möchte ich noch kurz an Kollegin Platzer richten, weil sie es im Zusammenhang mit der Fotovoltaik angesprochen hat. Sie kennt die Sorgen. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass es da Probleme gegeben hat. Ich möchte aber ein bisschen eine Lanze für das System brechen. Es ist schon erstaunlich, was das System leistet. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß das, ich habe mich nämlich beim letzten Call vor zwei Wochen selber bei einem Unternehmer an einen Rechner gesetzt und – wie sagt man zur ersten Phase? – die Tickets geholt. Genau! Das ist absolut problemlos ge­gangen. In einer Stunde hat es über 100 000 Anträge gegeben. Es hat dann Pro­bleme in der Vervollständigung gegeben, das stimmt. Man hat die Frist so­fort verlängert, binnen Tagen die Frist auf das Doppelte erstreckt.

Für die, die dransitzen, ist es trotzdem mühsam, das stimmt, aber es ist schon eine Leistung. Ich möchte betonen, alleine in diesem Call sind es min­destens 250 Millionen Euro – 250 Millionen Euro in einem Call! (Zwischenruf des


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Bundesrates Reisinger.) Das wird jedenfalls für 120 000 Anträge reichen. Alleine das ist mehr als in der Vergangenheit für mehrere Jahre zusammenge­rechnet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wir hoffen auf viel Schwung bei der Transformation der Industrie in die Klimaneutralität. Wir sind sicher, dass viele Unternehmen vorbereitet und in den Startlöchern sind. Hausverstände gibt es viele, wie wir hier herinnen immer wieder feststellen. Ich freue mich jedenfalls, dass die meisten Hausver­stände dieser Verbesserung im UFG zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.00.54

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Bundes­rät:innen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist richtig, wir sprechen heute über eine Novelle, denn das große Transformationsvehikel, das wir letz­tes Jahr erstmals in der Geschichte dieser Republik auf den Weg gebracht ha­ben, steht in den Grundzügen.

Ich möchte kurz die zwei wesentlichen Änderungen der Novelle, die Sie heute hier vor sich haben, erläutern. Mit dieser Änderung im UFG wollen wir einerseits die Abwicklung leichter machen. Die Förderung von Investitionen zur Transformation der Industrie soll im Rahmen der üblichen etablierten Strukturen im Rahmen der Umweltförderung im Inland vergeben werden kön­nen, eben auch außerhalb von Ausschreibungen, wie Bundesrat Gross bereits gesagt hat.

Bei der Förderung von Investitionen ist somit ab dem Start der Förderaktion eine kontinuierliche Einreichung möglich. Diese Regelung ist aber auf zwei Jah­re befristet, ist jetzt also ein Startprogramm, damit wir ja keine Zeit liegen lassen,


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sondern eben rasch ins Tun kommen – um die Initiative aus Vorarlberg gleich aufzugreifen.

Die Förderung ist natürlich an strenge Voraussetzungen geknüpft, die teilweise schon im Gesetz angelegt sind. Das ist ein jahrzehntelang erprobter Pro­zess in der Umweltförderung. Da gibt es ein offenes, klares, transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren, das von einer Experten- und Expertin­nenjury begleitet wird. Die Zusammensetzung dieser Jury ist in dem Sinne, wel­che Disziplinen man darin braucht, sogar schon im Gesetz festgelegt. Das Ganze ist in einem beihilfenrechtlichen Rahmen eingebettet. Das darf man bei dieser Diskussion vielleicht auch nicht vergessen. Das heißt, das muss na­türlich auf EU-Ebene notifiziert werden. Wir erarbeiten die Detailrichtlinien für die Förderungen wie bei jeder anderen Förderung im guten Einvernehmen mit allen Stakeholdern der Arbeitnehmer- wie der Arbeitgeberseite und allen, die dazugehören.

Die zweite Änderung betrifft § 6, darauf hat Kollege Gross auch schon kurz Be­zug genommen. Dabei geht es darum, dass die Kosten der Abwicklung der Förderungen und Anträge, die im Rahmen des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans, also der RRF, die über Instrumente des Umweltförderungs­gesetzes abgewickelt werden, auch aus den nationalen Budgets bedeckt werden. Da ist wirklich die Zielsetzung: Wir wollen keinen Euro aus den europäi­schen Budgets liegen lassen und können damit die Mittel aus der RRF vollständig für die Projektumsetzungen einsetzen.

Weil die Kommission ja aktuell gerade im Beihilfenrecht sehr aktiv ist und die Frage, welche Sektoren miteinbezogen werden können, ständig weiter­entwickelt, haben wir die Liste der förderungsfähigen Sektoren auf EU-Ebene ausgeweitet. Deswegen soll jetzt auch national nachgezogen und das auf das UFG ausgeweitet werden. Unverändert bleibt aber die Grundsatzfestlegung, dass es über diese Förderschiene des UFG um die Anlagen im Emissions­handel geht.


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Wir haben parallel dazu sämtliche Förderbudgets für Klein- und Mittelbetriebe, Effizienzprojekte et cetera, et cetera, die in Anlagen oder in Betrieben um­gesetzt werden, die nicht den Emissionshandel betreffen, ausgeweitet. Da bleibt es aber auf die Emissionshandelsbetriebe beschränkt, denn da haben wir ganz besonders komplexe Umstellungen. Es sind schon einige gute und viel dis­kutierte Beispiele genannt worden. Die Voest mit ihrem Großprojekt ist uns allen mittlerweile ein Begriff. Ich finde, das zeigt auch sehr schön, wie breit das Verständnis schon ist. Österreich ist ein starker Wirtschaftsstandort. Damit das aber so bleiben kann, müssen wir uns in Richtung Klimaneutralität verändern.

Wenn ich mit Unternehmerinnen und Unternehmern rede: Was denen gerade Sorgen macht, ist nicht der Klimaschutz. Die haben verstanden: Das ist die Zukunft, und dort müssen sie hin. Was ihnen Sorgen macht, ist, dass die USA gerade mit dem Inflation Reduction Act vorpreschen und dort einen Sog in Richtung Klimaschutz entwickeln, dass vielen die Ohren schlackern. Es ist wichtig, dass wir auf europäischer Ebene klare Rahmen setzen und in diesem Transformationsprozess unterstützen, damit wir diesen Wettbewerb um die Technologien und die Produktionsprozesse der Zukunft gewinnen kön­nen und nicht abgehängt werden. Ich darf daher wirklich um breite Unterstüt­zung für diese Novelle bitten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich wollte auch noch ganz kurz auf die Fotovoltaikförderung eingehen. Es sind die besten Nachrichten: Wir haben in den letzten beiden Jahren so viel Fotovoltaikleistung wie in den 20 Jahren davor produziert. Wir haben ein un­glaubliches Wachstum bei der Fotovoltaik. Deswegen auch von dieser Stelle ein Danke an alle Unternehmen, an alle Privatpersonen, die da dabei sind und die mitmachen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben deswegen die Fördersummen, das Budget noch einmal aufgestockt. Wir haben jetzt in Summe 600 Millionen Euro Budget nur für die Fotovol­taikförderung. Als ich mein Amt angetreten habe, waren es 53 Millionen Euro. Jetzt haben wir 600 Millionen Euro für die Fotovoltaikförderung im Topf.


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Wir haben gemeinsam mit Ihnen – danke auch dafür – die gesetzlichen Grundla­gen vereinfacht, damit die Antragstellung leichter wird, damit wir manche bürokratischen Hürden aus dem Weg räumen, zum Beispiel dass eine Anlage von einem Privaten schon in Betrieb genommen werden kann, wenn der För­derantrag schon gestellt ist, aber die Förderung noch nicht abgerechnet wurde und so weiter, und so fort.

Wir sind für dieses Jahr gut aufgestellt, aber ich bin die Erste, die sagt, man muss auch in die Zukunft blicken. Deswegen habe ich ja auch schon einen Vor­schlag übermittelt, wie wir es komplett unbürokratisch machen können, nämlich über eine Mehrwertsteuerbefreiung für die Fotovoltaik. Der Vorschlag liegt im Finanzministerium. Ich hoffe, da kommen wir auch perspektivisch weiter, denn dann haben wir das Ganze wirklich sehr gut und sehr breit aufgestellt. Für heuer haben wir ein Rekordbudget. Die Abwicklungsstelle ist am intensiven Abarbeiten all der Anträge, die hereingekommen sind. Wie gesagt, die Nachfrage ist enorm, und das sind in schwierigen Zeiten einer Energiekrise wirklich großartige Nachrichten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.07


12.07.38

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Stellungnahme.

Ich darf an dieser Stelle eine weitere Gästegruppe sehr herzlich bei uns im Bun­desrat begrüßen, nämlich eine Gruppe des Pensionistenverbandes Rohr­bach. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch


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zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.08.228. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (41. KFG-Novelle) (1954 d.B. und 1974 d.B. sowie 11197/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um den Bericht.


12.08.43

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben. – Danke vielmals.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte.



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12.09.27

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Rohrbacherinnen und Rohrbacher! Lie­ber Karl Bader – der ist auch dort hinten, er tratscht gerade, jetzt geht er hi­naus –, alles Gute!

Ich darf jetzt etwas zur Novelle des Kraftfahrgesetzes sagen (Unruhe im Saal) – warten wir, bis es ruhiger wird –, und zwar: Es kommt an 90 Stellen des Kraftfahrgesetzes zu Änderungen, was nichts Großartiges ist. Die Frau Ministerin hat es im Nationalrat selber gesagt: Das ist nicht glamourös. Es gibt da viele Änderungen, bei denen wir mitkönnten – fast überall –, aber es gibt zwei Änderungen, bei denen wir absolut dagegen sind, und diese wer­de ich jetzt kurz ansprechen.

Das ist – ich habe es auch schon im Ausschuss angesprochen – zuerst einmal eine betreffend die Asfinag. Wenn Leute von der Asfinag die Exekutive übernehmen – die sagen dann: Okay, ich bin Polizist und fange bei der Asfinag an, dort bin ich dann auch Polizist, weil ich die Agenden der Polizei über­nehmen muss! –, dann ist das nicht in Ordnung. Ich glaube, man muss einfach mehr Exekutivbeamte einstellen, denn ansonsten wird das so weit gehen, dass die Asfinag-Bediensteten auch Autos anhalten, ausleiten, von der Autobahn runterholen – wir sehen das wirklich problematisch (Beifall bei der SPÖ) –, und dann heben sie vielleicht noch Geld ein und können die Fortsetzung der Fahrt verhindern.

Ich sage euch ganz ehrlich, dass das ohne Exekutive nicht gehen wird. Deswegen muss man einfach sagen: Nehmt mehr Polizeibeamte, mehr Exekutivbeamte auf, dann hätten wir dieses Problem nicht! Im Ausschuss wurde uns erzählt, dass manchmal Kontrollen durchgeführt werden, die Polizei sich währenddessen aber zusammenpackt und fortfährt, weil es irgendwo einen dringenden Fall gibt. Die Asfinag-Bediensteten stehen dann allein dort und der Fahrer des Lkw kann dann natürlich weiterfahren. Ich glaube, das ist nicht Sinn und Zweck, des­halb brauchen wir mehr Exekutive.


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Das Zweite, wo wir strikt dagegen sind, ist die Erhöhung der Strafen. Ich glaube, da spreche ich jedem hier aus dem Herzen, denn wenn man jetzt, in einer Zeit, in der die Menschen eh Probleme mit den Energie- und Mietpreisen ha­ben – was wir heute alles schon gehört haben –, auch noch anfängt, die Strafen zu erhöhen, ist das, ganz ehrlich, der denkbar schlechteste Zeitpunkt. (Bundesrat Gfrerer: Gibt es einen besseren Zeitpunkt?)

Wir sind dagegen, denn – noch einmal – man kann die Strafen nicht um 100 Prozent erhöhen. Wir haben nichts dagegen, wenn die Exekutive öfter draußen steht und die Leute aufhält. Ihr aber wollt in dieser Zeit die Strafe für den Verstoß gegen das Handyverbot einfach von 50 Euro auf 100 Euro und die Strafe für die Missachtung der Gurten- und Sturzhelmpflicht auf 50 Euro erhöhen. (Bundesrat Spanring: Das ist grüne Politik! Grüne Poli­tik!) Ich sage auch nochmal dazu: Wir sind nicht gegen verkehrspolitische Maß­nahmen, die die Sicherheit in diesem Bereich erhöhen. Das Geplante wird mit uns aber nicht gehen, da werden wir dagegenstimmen.

Vielleicht kann ich euch und auch Ihnen, Frau Ministerin, eines mitgeben: Wir haben ein riesengroßes Problem mit Kleintransportern, mit 3,5-Tonnern, die herumfahren und 200, 300 Packerl am Tag ausliefern. (Bundes­rätin Schumann: Genau!) Wir haben in Kalsdorf in der Steiermark so ein Problem gehabt: Freunde, die sind manchmal 17 bis 20 Stunden unterwegs (Bundes­rätin Schumann: Wahnsinn!), ohne dass sie kontrolliert werden können! Da gehört längst ein digitaler Tacho rein, es braucht eine Fahrerkarte für diese Leute. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sie nur mehr maximal 8, 9 oder bis zu 10 Stunden – die ein Kraftfahrer auch fahren kann – unterwegs sein dürfen, so trägt das auch für diese Leute zu ordentlichen Arbeitsbedingungen bei. Ich glaube, da könnten wir die Verkehrssicherheit massiv erhöhen. In diesem Sinne werden wir dieser Novelle nicht zustimmen. – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.13



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Ich bitte um Ihren Redebeitrag.


12.13.34

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Die vorliegende KFG-Novelle setzt mehrere Schwerpunkte und bringt eine Reihe von Verbesserungen mit sich. Wenn man Überschriften machen wollte, könnte man diese benennen mit: Verkehrssicherheit, Klima- und Umweltschutz und Fahrschulen.

Vielleicht gleich zu Beginn zum meistdiskutierten Thema, der Verkehrssicherheit: Da ist es erstaunlicherweise so, dass die gesellschaftliche Bereitschaft, einen hohen Blutzoll in Kauf zu nehmen, nach wie vor sehr hoch ist. Es gibt eigentlich keinen anderen Bereich, in dem das ohne Megaaufschrei und ohne Ruf nach scharfen Maßnahmen möglich wäre. Letztes Jahr starben 369 Menschen auf Österreichs Straßen, die Hälfte davon waren Pkw-In­sass:innen, die andere Hälfte Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und so weiter. Über 40 000 Menschen wurden auch letztes Jahr wieder im Straßenver­kehr verletzt. Laut Bericht des Innenministeriums ist die häufigste Unfallursache bei tödlichen Verkehrsunfällen Unachtsamkeit beziehungsweise Ablenkung. Das betrifft ein Viertel aller Fälle und kommt bei den Unfallursachen noch vor zu hoher Geschwindigkeit mit 23 Prozent.

Eine der Ablenkungen ist nun einmal das Telefonieren mit dem Handy respek­tive – noch gefährlicher – das Schreiben von Mitteilungen. Und man glaubt es kaum, aber bei fast einem Drittel der tödlichen Unfälle waren die Opfer nicht angeschnallt. Dass diese Delikte nicht selten sind, zeigt ein Blick in die Statistik: Allein letztes Jahr wurde 130 000-mal wegen Handytelefonierens ge­straft und 88 000-mal wegen Missachtung der Gurtenpflicht.

Ich gehöre ganz bestimmt nicht zu den Straffetischisten (Bundesrat Steiner: Nein, nein!) – ganz sicher nicht –, man muss aber auch ein bisschen am Boden blei­ben. Eine Anhebung des Strafmandats bei Missachtung der Gurtenpflicht von 35


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auf 50 Euro ist durchaus moderat. Nach vielen Jahren das Strafausmaß beim Handytelefonieren von 50 auf 100 Euro anzuheben ist keine Eskalation, das muss man schon dazusagen. Im Übrigen ist es wirklich ganz leicht, nicht gestraft zu werden. Man wird etwa durch die Installation einer Freisprech­einrichtung, die man – ich habe extra noch im Internet nachgeschaut, ich wusste das ja nicht, weil ich kein Auto habe – um 30, 40 Euro bekommt, oder durch einfaches Anschnallen nicht gestraft. Beides sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Was ich vonseiten der SPÖ nicht verstehe, ist, dass sie deswegen die ganze Novelle ablehnt. Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Anpassung des Strafausmaßes war übrigens ein Wunsch der Länder, der Verkehrsreferent:in­nenkonferenz, die wohlgemerkt auch parteiübergreifend tagt.

Zum Thema Verkehrssicherheit lässt sich auch die Klärung, was ein Fahrrad ist und was kein Fahrrad mehr und dann also ein Motorfahrzeug ist, zählen. Da wird im Wesentlichen eine europäische Richtlinie umgesetzt. Das entschei­dende Kriterium bei E-Bikes ist künftig die Dauerleistung und nicht mehr die Spitzenleistung. Natürlich kann man stärkere E-Bikes nach wie vor kaufen und fahren, nur sind sie eben anmeldepflichtig und dürfen nicht mehr auf Radwegen benützt werden. Das halte ich auch für eine durchaus wichtige Maß­nahme, um auf den Radwegen die Geschwindigkeits- und Leistungsunter­schiede nicht zu groß werden zu lassen, denn auch das ist eine gefähr­liche Sache.

Relativ umfangreich – das macht eigentlich den größten Teil in der Novelle aus – sind die Verbesserungen und Klärungen im Sinne der Qualitätssicherung für Fahrschulen beziehungsweise in der Fahrlehrer:innenausbildung. In Zukunft wird es eine raschere und vor allem auch praxisnähere Ausbildung geben, bis hin zu einem persönlichen Ausweis für Fahrerlehrer:innen, den es vorher noch nicht gegeben hat.


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In die Kategorie Umwelt und Umweltschutz fällt zum Beispiel die Anpassung betreffend Chiptuning. Was heißt das? – Das ist das Manipulieren der Steuerungselektronik des Motors. Bei leistungsverändernden Eingriffen darf es jedenfalls zu keiner Zunahme der CO2-Emissionen kommen und auch nicht zu einem Mehr an Schadstoffemissionen. Und – neu aufgenommen – es sind auch unnötiger Energieverbrauch sowie unnötige Emissionen zu ver­meiden, etwa – das kennen alle, die gelegentlich am Straßenrand stehen oder an einer befahrenen Straße wohnen müssen, vor allem die trifft es – durch unnötiges Beschleunigen zwischen Ampeln verbunden mit entsprechendem Lärm und der Belästigung der Anwohner:innen. Auch das kann in Zu­kunft grundsätzlich geahndet werden.

Natürlich ist auch eine Aufstockung der Exekutive wünschenswert, da gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Es ist aber trotzdem gescheit, dass die Asfinag in Hinkunft Kontrollen von Sondertransporten – es geht da nicht um den üblichen Schwerverkehr, sondern um Sondertransporte – selber durchfüh­ren kann. Das soll die Exekutive entlasten. Es braucht gerade dafür sehr speziel­les Equipment, eine teure Ausrüstung, die die Asfinag auch hat. Jetzt soll sie diese auch – um die Exekutiv zu entlasten – einsetzen können.

So ist das aus unserer Sicht zwar nicht spektakulär, es ist aber gelungen, innerhalb einer durchaus emotional diskutierten Gesetzesmaterie eine vernünftige, ausgewogene, nachvollziehbare und auch zeitgemäße Novelle zustande zu kriegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:in­nen der ÖVP.)

12.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Inzwischen im Bundesrat eingetroffen ist Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten­schutz Johannes Rauch. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.



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12.20.14

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Bevor ich zu der Änderung des Kraftfahrgesetzes komme, möchte ich mich bei allen
Lkw-Chauffeuren, aber auch bei den vielen Unternehmern auf das Herzlichste bedanken, nämlich für ihren Einsatz dafür, dass in unserem Land Waren aller Art – seien es Lebensmittel, Waren des täglichen Bedarfs, Betriebsmittel oder Müll, man denke etwa an die Müllentsorgung – pünktlich, ordnungs­gemäß, sicher und unter Einhaltung der technischen Voraussetzungen transportiert werden.

Wie wir alle wissen, macht die Verkehrsministerin keinen Unterschied, ob das die Letzte Generation ist oder das Letzte, und stellt sich mit denen auf die gleiche Ebene.

Anstatt sich von diesen Personen zu distanzieren, hat sie es wieder einmal unter dem Deckmantel der angeblichen Sicherheitssteigerung auf die Geldbörsen der braven, anständigen Menschen abgesehen, die tagtäglich mit dem Lkw oder dem Pkw unterwegs sind. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.)

Anstatt sich dafür einzusetzen, dass diese Personen – laut deren eigenen Angaben sind es etwa 100 Personen – gebührend behandelt werden, aus dem Verkehr gezogen werden, hinter schwedischen Gardinen sitzen, anstatt sich dafür einzusetzen, dass diese Strafen erhöht werden, machen Sie als Ver­kehrsministerin was? – Sie bestrafen jene Personengruppe, die durch die von Ihnen unterstützten Klebeterroristen länger im Stau steht, mit einer Verdoppelung der Strafen.

Egal ob es der brave Familienvater ist, der zur Arbeit fährt, oder der Lkw-Fahrer, der die Tachoscheibe statt wie früher 28 Tage jetzt 56 Tage mitführen muss, wenn er jetzt wegen Ihrer Klebeterroristen 5 Minuten länger im Stau


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steht, dann kann er dafür jetzt das Doppelte bezahlen. (Beifall bei der FPÖ.) Bei diesem Thema sieht man wieder, wie diese Sesselkleber-Bundesre­gierung beziehungsweise ihre Minister mit der österreichischen Bevöl­kerung umgehen.

Kurz erwähnen möchte ich, damit ich nicht immer nur Negatives sage (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein!), auch etwas Positives (Bundesrat Kornhäusl: Du bist ja so frohgemut!), nämlich dass die Unterlagen, die ich bereits seit über einem Jahr in mehreren Ausschusssitzungen eingefordert habe (Bundesrat Kornhäusl: Er ist ja so eine Frohnatur!), der sogenannte Strafkatalog, jetzt gekommen ist. Es hat, wie schon gesagt, ein ganzes Jahr gedauert, aber es ist doch ein bisschen halbherzig, weil der Strafrahmen nicht eindeutig zuor­denbar ist. Aber ich will das Positive herausstreichen.

Untragbar ist aber, wenn durch von oben angeordnete schikanöse Kontrollen und Regelungen immer mehr Mitarbeiter ihren ausgeübten Beruf sozu­sagen an den Nagel hängen.

Jetzt auch noch kurz zu Kollegen Adi Gross: Er hat ja vorhin gesagt, dass es lobenswert ist, dass jetzt zum Beispiel zusätzlicher Energieverbrauch be­straft wird. Es ist so – die Frau Bundesminister hat es ja selbst in der Beantwortung meiner Anfrage gesagt –, dass es zum Beispiel keine einzige La­destation für elektrische Schwerlastkraftwagen gibt und dass auch die Möglichkeiten, Kühltransporter elektrisch aufzuladen, natürlich äußerst gering sind, sodass sich die Frage stellt, wie man dieses Gesetz umsetzen möchte.

Ich möchte auch noch einmal betonen, dass nicht die vor Ort tätigen Beamten in der Strafabteilung schuld sind oder die handelnden Personen, denn die han­deln ja nur im Auftrag von Personen, die weltfremd sind und aus ideologischen Gründen ein Problem mit dem gesamten Transportsektor haben – so wie Sie, Frau Verkehrsminister.


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Wir Freiheitlichen stellen uns unter zukunftsweisender, sicherheitssteigender Verkehrspolitik Folgendes vor: Sie sollte mit eingeschaltetem Verstand er­folgen, sie sollte praxistauglich sein, sie sollte wirtschaftlich vertretbar sein, sprich leistbar für die österreichische Bevölkerung. Sie sollte zusätzliche Sicherheit gewährleisten, zum Beispiel durch Ausbau des Straßennetzes, durch Ausbau der Schieneninfrastruktur, durch Verbesserung der Taktzeiten im öffentlichen Verkehr. Sie sollte auch für die ländliche Bevölkerung Ange­bote schaffen und ihr den Umstieg ermöglichen.

Nun, Frau Verkehrsminister, zu Ihrer Verkehrspolitik: Beginnen wir mit dem Ausbau der Schieneninfrastruktur! Obwohl Sie zu Beginn Ihrer Amts­zeit angekündigt hatten, zum Beispiel die Laaer Ostbahn zweigleisig ausbauen zu lassen, lassen Sie neue Brücken, den neuen Unterbau eingleisig erneuern.

Zum Thema, dass durch Ausbau des Straßennetzes zusätzliche Sicherheit gewährleistet werden soll: Sie probieren mit allen Mitteln, ob gesetzmäßig oder auch nicht, fixe, bereits genehmigte, beschlossene Projekte zu blockieren, zum Beispiel den Lobautunnel. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie gefährden damit massiv die österreichische Bevölkerung. Sie produzieren durch Ihre Staupolitik zusätzliche Schadstoffe. Sie reduzieren massiv die Freizeit der österreichischen Bevölkerung in den betroffenen Regionen, Zeit, die diese Menschen, anstatt mit ihrer Familie zu verbringen, im Auto im Stau verbringen müssen.

Zum Thema der wirtschaftlichen Vertretbarkeit, sprich der Leistbarkeit für die österreichische Bevölkerung: Mit Ihrem Verhalten, mit den von Ihnen vorgelegten Gesetzen – in rufe in Erinnerung: die Einführung der CO2-Steuer, die Erhöhung der NoVA und so weiter – machen Sie der österreichischen Bevölkerung das Leben teurer.

Zum Punkt, dass die Verkehrspolitik praxistauglich sein und mit eingeschaltetem Verstand erfolgen sollte: Dazu möchte ich nur erwähnen, Frau Minister,


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dass Sie von Bratislava nach Schwechat mit dem Flugzeug fliegen. (Bundesminis­terin Gewessler: Das stimmt nicht, das ist eine Lüge!) Das gehört meiner Mei­nung nach in die gleiche Kategorie wie die Tatsache, dass das sogenannte Ober­haupt Österreichs, das aus der gleichen ideologischen, auch farblichen Rich­tung kommt wie Sie, um die Wähler, die österreichische Bevölkerung mit grünem heißen Tee anzuschütten, medienwirksam mit dem Zug nach Graz fährt, aber den Autokonvoi parallel auf der Autobahn fahren lässt. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit beantwortet sich die Frage, ob der eingeschaltete Verstand erkennbar ist, von selbst, denke ich.

Wir Freiheitlichen können dieser Verkehrspolitik nur das Misstrauen aussprechen und somit auch Ihnen als Person, die Sie mit Ihren schwarzen Kollegen dafür verantwortlich sind. (Beifall bei der FPÖ.)

12.27


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.27.36

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Geschätzter Herr und geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Geschätzte Besucher! Verehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bild­schirmen! Wenn wir über den Verkehr diskutieren und wenn wir heute in der Novelle des Kraftfahrgesetzes notwendige Maßnahmen beschließen, dann ist in erster Linie auch das Bewusstsein und das eigenverantwortliche Ver­halten auf der Straße aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer einzufor­dern und zu fördern. Das erhöht die Verkehrssicherheit und senkt die Unfallzahlen, und das muss ja unser aller Ziel sein.

Wenn notwendig, müssen wir, und das tun wir heute, die rechtlichen Grund­lagen immer wieder an die Veränderungen der Zeit anpassen. Ein wesent­licher Schwerpunkt bei dieser Novelle des Kraftfahrgesetzes ist es, dass Maß-


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nahmen gesetzt werden, um gegen Ablenkung und zu wenig Aufmerk­samkeit am Steuer vorzugehen. Genau das ist immer wieder eine Unfallursache, passiert auf Straßen immer öfter und führt zu fatalen Folgen, nicht selten mit schwer verletzten Personen und auch mit Todesfällen. Dem müssen wir ent­gegenwirken.

Eine traurige Bilanz aus dem Jahr 2022 ist, dass über 25 Prozent der 369 Verkehrstoten ihr Leben aufgrund von Ablenkung, Unachtsamkeit oder aufgrund nicht rechtmäßiger Verwendung des Handys während der Fahrt verloren haben. Noch mehr, nämlich 35 Prozent der Unfälle in Österreich werden – Studien belegen es – durch Alkohol am Steuer oder durch über­höhte Geschwindigkeit verursacht.

Stellen wir uns vor und seien wir uns ehrlich, man sieht es immer wieder: Es wird während der Fahrt ohne Freisprechanlage telefoniert, es wird mit dem Handy hantiert. Geben wir auch zu, dass jeder von uns schon eine brenzlige Situation erlebt hat und sich hinterher gedacht hat: Das ist noch einmal gut ausgegangen!, oder: Es hätte auch schlimmer ausgehen können!

Geschätzte Damen und Herren, eines ist mir dabei ganz besonders wichtig: dass es unverantwortlich und tragisch ist, wenn durch Ablenkung Unfälle ver­ursacht werden und dadurch sehr oft sogar unschuldige Menschen zu Schaden kommen und die Folgen tragen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Maßnahmen beschließen wir und können wir setzen, damit diese unnötigen Fälle verhindert werden und dadurch auch Leben gerettet werden? – Eine Maßnahme, die wir heute beschlie­ßen, ist, eine Informationskampagne auszuarbeiten und zu starten, um das Be­wusstsein – ich habe es eingangs schon erwähnt – der Fahrzeuglenkerin­nen und Fahrzeuglenker zu schärfen. Die Rücksichtnahme aller besonders auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer ist besonders wichtig – da sind vor allem die Fußgänger gemeint –, und wir müssen das Miteinander auf der Straße fördern. (Beifall bei der ÖVP.)


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Noch ein paar Fakten: Letztes Jahr gab es 130 000 Mal eine Strafe wegen Telefonierens oder Hantierens mit dem Handy. 88 000 Mal wurde die Gurtenpflicht nicht eingehalten – das ist ganz eigenartig, bei der Gurtenpflicht geht es um den Selbstschutz, nicht um den Schutz anderer! – und fast unverständlich.

Eine weitere Maßnahme ist, und das wurde von SPÖ und FPÖ sehr stark kritisiert: Die Strafen für Telefonieren oder Hantieren mit dem Handy am Steuer werden von 50 Euro auf 100 Euro angehoben. Bei Verstoß gegen die
Gurten- oder Sturzhelmpflicht – das ist eigentlich Selbstschutz, ich habe es schon erwähnt – ist es die erste Anhebung seit 1984, mit der der Straf­rahmen von 35 auf 55 Euro erhöht wird.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich stehe dazu: Wenn es um Verkehrssicherheit geht, dürfen wir keine Kompromisse eingehen. Es geht einfach darum, Unfälle zu vermeiden und Menschenleben zu schützen. Diesen Trend müssen wir un­terstützen und das rechtfertigt bei Verstoß auch die höheren Strafen.

Ich verstehe die Argumentation der Opposition nicht ganz. Es liegt in der Eigenverantwortung jedes Fahrzeuglenkers und es steht ihm zu, ob er sich gegen das Gesetz verhält oder nicht. Wenn er einmal zahlt, dann, glaube ich, wird er selten ein zweites Mal zahlen, weil es vielleicht zu viel Geld ist. Das ist schon auch wesentlich, und nur aufgrund Ihrer Argumente dem Punkt nicht zu­zustimmen, dafür habe ich nicht viel Verständnis. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch für die Fahrschulen bedeutet die Novelle eine raschere Ausbildung von Fahrlehrer:innen – es gibt auch Fahrlehrerinnen! – und den Ausweis im Scheckformat. Weiters muss eine schriftliche Ausbildungsvereinbarung zwischen Fahrschule und Auszubildendem abgeschlossen werden. Das ist eine Qua­litätsverbesserung.

Ein weiterer Punkt, der schon angesprochen worden ist: die Entlastung der Exekutive. Ich denke schon, dass es bei Sondertransporten möglich sein


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sollte und es wichtig ist, dass speziell für die Kontrollen, insbesondere bei der komplexen Verwiegung der Sondertransporte, in Zukunft Organe der Asfinag (Bundesrat Schennach: Angestellte!) berechtigt sind und die Exe­kutive entlasten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig, dass wir danach trachten müssen, die Unfallzahlen auf den Straßen so niedrig wie möglich zu hal­ten und dass die Gesundheit der Menschen und der Schutz des Le­bens an oberster Stelle steht. Ich bitte um breite Zustimmung zu den not­wendigen Maßnahmen für mehr Sicherheit auf unseren Straßen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.


12.34.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich möchte tatsächlich berichtigen: Es wurde von Kollegen Bernard, wie auch schon ein paar Mal davor, er­wähnt, dass Frau Bundesministerin Gewessler von Bratislava nach Wien geflo­gen sei. Die Wahrheit ist, Herr Kollege Bernard – und ich möchte, dass Sie sich das jetzt merken –: Die Frau Bundesministerin hat den Bundespräsidenten auf einer Reise nach Košice begleitet.

Košice liegt in der Ostslowakei, an der ukrainischen Grenze. Es ging um Soli­darität mit der Ukraine, mit den Flüchtlingen und um dem Umgang der Slowakei mit diesen Flüchtlingen. Sie ist von Košice mit dem Bundespräsidenten mitgeflogen und niemals von Bratislava nach Wien. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Und das macht es jetzt viel besser! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

12.35


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte schön.



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12.35.34

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte die Debatte jetzt wieder rund um die KFG-Novelle fokussieren, denn wir haben da eine sehr breite Novelle – Sie haben es er­wähnt – mit sehr, sehr vielen Punkten, die die Umsetzung dieses Gesetzes und die Handhabbarkeit dieses Gesetzes deutlich verbessern werden, und zwar quer durch das KFG.

Das betrifft unter anderem Maßnahmen im Bereich des BMI. Wir haben eine Änderung bei der Bewilligung von Überstellungsfahrten bei Anbindung der Zulassungsstellen an das Unternehmensregister. Wir haben Anliegen aus dem BMF umgesetzt, zum Beispiel mit der Übermittlung von Daten aus der Begutachtungsplakettendatenbank an die Abgabenbehörden.

Wir machen die Kontrolle von Sondertransporten praktikabler. Ich darf daran erinnern, es geht wirklich nur um solche Sondertransporte, die wegen der Dimension oder des Gewichts eine Ausnahmegenehmigung der Landes­hauptleute brauchen, also um einen kleinen Bereich. Es geht um beson­ders geschulte Organe der Asfinag (Bundesrat Schennach: Das sind ja keine Or­gane, das sind Angestellte!), und insbesondere geht es um die aufwendi­gen Verwiegungen – Sie haben es selber erwähnt –, die wir durch eine flexiblere Vorgangsweise erleichtern möchten.

Die Anregungen der Landesverkehrsreferenten:innenkonferenz nehmen wir auch ernst. Sie sind in einigen Punkten umgesetzt, unter anderem auch betreffend die Anhebung der Geldstrafen für einen Regelverstoß beim Handy­verbot oder gegen die Gurt- und Helmpflicht. Ich darf daran erinnern: Die Landesverkehrsreferent:innen – da gibt es Referenten und Referentinnen der SPÖ, der Grünen, der ÖVP und der FPÖ –, die auch nur einstimmig Be­schlüsse fassen können, haben uns aufgefordert: Bitte tut etwas im Bereich der Geldstrafen, denn da geht es um Sicherheit, gerade beim Thema Unauf­merksamkeit am Steuer, Ablenkung durch das Handy, durch das Schreiben von


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Nachrichten, Telefonieren et cetera! Bundesrat Gfrerer hat es zuvor in seiner Rede auch erwähnt.

Ein großer Teil der Änderungen betrifft den Fahrschulbereich: exaktere, klarere Regelungen der Rechte und Pflichten der Fahrschulbesitzer und des Fahrschulleiters, Neuregelung der Ausbildung und Prüfung des in den Fahr­schulen eingesetzten Lehrpersonals. Auch da haben wir hingehört, was aus der Praxis kommt. Der Fachverband der Fahrschulen hat Vorschläge übermittelt, die in einigen Runden abgestimmt wurden.

Wir schaffen bei der Beprobung von Treibstoffen – auch das ist ein langjähriges Thema – eine Verwaltungsvereinfachung, insbesondere für die kleinen Unternehmen, für die eigenständigen Tankstellenbetreiber und -betreiberinnen. Darüber hinaus werden wir mit dieser Maßnahme auch eine Zweckwid­mung der Ausgleichsbeiträge aus der KVO für Klimaschutzprojekte im Verkehrsbereich normieren.

Als begleitende Maßnahme zu all dem – das war auch ein Wunsch aus dem Verkehrsausschuss des Nationalrates – werden wir insbesondere bei den Ablenkungsdelikten, also wo es zum Beispiel um das Handyverbot geht, eine Informationskampagne starten. Diese ist auch schon in Arbeit. Dabei geht es wirklich darum, das Bewusstsein für das Problem noch einmal zu schärfen, auch die Regeln noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Wir sind da auch in Abstimmung mit den Bundesländern, dass wir das Thema Verkehrssicherheit – die Ablenkung am Steuer ist einfach eine der gro­ßen Verkehrsunfallursachen – besser in den Griff kriegen. Deswegen darf ich bei dieser nicht extrem glamourösen, aber sehr vielfältigen und damit in der Praxis sehr wirkungsvollen Novelle des KFG um Ihre Zustimmung bitten. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.39


12.39.28

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 142

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

12.40.019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allge­meine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3241/A und 1995 d.B. sowie 11193/BR d.B. und 11198/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. – Ich bitte um den Bericht.


12.40.22

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin, ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 143

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist sogleich Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


12.41.07

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie erinnern sich: Im Ok­tober letzten Jahres haben wir ein umfassendes Paket zu den Pensions­erhöhungen beschlossen. Heute stehen wir vor der Situation, weitere Ände­rungen zu beschließen beziehungsweise eine notwendige Reparatur vorzunehmen.

Es handelt sich um einen Fehler im Zusammenhang mit der Direktzahlung für Pensionist:innen. Im Rahmen der Pensionserhöhung für das Jahr 2023 war auch eine Direktzahlung von bis zu 500 Euro für Bezieher:innen kleiner und mittlerer Pensionen vorgesehen, die im März auch ausbezahlt worden ist. Dabei wurde auch angekündigt, dass für Bezieher:innen einer Ausgleichszulage eine Direktzahlung von 330 Euro erfolgen soll.

Leider – das muss man sagen – ist im Zuge des Gesetzgebungsprozesses eine Regelung beschlossen worden, die so weder beabsichtigt noch angekün­digt war, was bedauerlicherweise aber nicht entdeckt wurde. Die Direktzahlung wurde nämlich von der Eigenpension und nicht auch von der Ausgleichs­zulage berechnet. Wir stehen tatsächlich nicht an, uns bei den Betroffenen, bei denen Unsicherheit geherrscht hat, dafür zu entschuldigen, dass das pas­siert ist. Das ist wirklich sehr bedauerlich – und darum auch die Korrektur dieses Fehlers.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 144

Wir werden heute beschließen, dass die Direktzahlung natürlich auf der Basis der gesamten Pension inklusive Ausgleichszulage berechnet wird, und natürlich wird der Differenzbetrag zwischen dem, was bereits ausgezahlt worden ist, und dem, was noch offen ist, in den nächsten Monaten, und zwar bis Ende Juni 2023, ausbezahlt. Das ist auch mit der Pensionsversicherungsanstalt so vereinbart worden.

Wichtig ist – und das ist der zweite Punkt für heute –, dass wir die Aliquotierung der Erstpension für die nächsten zwei Jahre aussetzen. Warum? – Das geschieht genau deshalb, weil aufgrund der hohen Inflation, die derzeit herrscht, das jetzige System so, wie es verankert ist, nicht tauglich ist. Aufgrund der Aussetzung der Aliquotierung soll sichergestellt werden, dass Menschen, die in diesem Jahr – also 2023 – und 2024 in Pension gehen, auf jeden Fall die volle Inflation abgegolten bekommen, und das eben aus dem Grund, den ich schon erwähnt habe: weil für die nächsten zwei Jahre noch eine über­durchschnittlich hohe Inflation prognostiziert wird. Die aktuellen Zahlen des Wifo sagen eben für 2023 7,1 Prozent und für 2024 immer noch 3,8 Pro­zent voraus.

Aufgrund dieser Regelung, die wir treffen, ist es dann unerheblich, in welchem Monat der oder die Betroffene in Pension geht, und so ist eine entspre­chend volle Wertsicherung enthalten und gewährleistet. Wir beseitigen die Ali­quotierung für die nächsten zwei Jahre, setzen sie aus, weil sie eben in mehrerlei Hinsicht negative Auswirkungen hat. Sie stellt nämlich auch den nega­tiven Anreiz dar, früher in Pension zu gehen, um diesen Auswirkungen eben zu entgehen, und sie benachteiligt tatsächlich insbesondere Frauen – auch genau deshalb, weil wir ja das Frauenpensionsantrittsalter jetzt schritt­weise erhöhen.

Von der Regelung profitieren 200 000 Pensionistinnen und Pensionisten. In Zeiten von hoher Inflation ist es ein Gebot der Stunde, das so zu machen. Es ist eine pragmatische Lösung, aber eine notwendige Lösung.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 145

Vorgestern im Ausschuss – für diejenigen, die dort waren – wurde die Frage gestellt: Warum nur für zwei Jahre, was ist ab 2025? – Ja, wir werden sehen, was 2025 ist. Wir wissen nicht, wie sich die Zahlen der Inflation entwi­ckeln, es wird wahrscheinlich eine andere Regierung sein. Ich denke, es ist wichtig, das heute einmal für zwei Jahre festzulegen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: Sehr gut! Selbsterkenntnis! – Zwischenruf des Bundes­rates Leinfellner.) – Ich danke sehr herzlich für die breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.45


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Bitte.


12.45.19

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, manchmal entstehen durch sich ändernde Umstände Notwendigkeiten für Korrekturen und Verände­rungen. Manchmal passieren leider auch Fehler in der Umsetzung – so auch im Bereich der Pensionen.

Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat ja in der Sache schon sehr ausführlich und sehr gut ausgeführt, worum es bei der Regierungsvorlage, die wir jetzt beschließen, geht: einerseits eben um die Reparatur dieses Fehlers bei der Direktzahlung für Ausgleichszulagenbezieherinnen und Ausgleichszulagen­bezieher, also für Mindestpensionisten. Da ist leider ein Fehler passiert, und das betrifft 200 000 Menschen. Wenn ein Fehler passiert ist, ist es natürlich wichtig, ihn zu korrigieren – und ihn rasch zu korrigieren, sodass die Aus­zahlung der Differenz bis Ende Juni erfolgt.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt, insbesondere in Zeiten hoher Inflationsraten, ist die Aussetzung der Aliquotierung der Pensionsanpassung für Neupen­sionisten. Das bedeutet eben für diese Personen, dass es egal ist, zu welchem


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Zeitpunkt des Jahres 2023 und 2024 man in Pension geht, um bei der nächsten Pensionsanpassung die volle Anpassung zu bekommen. Das ist wegen der aktuell hohen Inflation, auch wegen der hohen Inflationsprognosen wichtig; und auch das betrifft 200 000 Neupensionistinnen und Neupensionis­ten, die die volle erste Pensionsanpassung bekommen, egal zu welchem Zeitpunkt im Jahr sie in Pension gehen. Diese Aussetzung der Aliquotierung jetzt einmal für 2023 und 2024 ist eben eine absolute Notwendigkeit und musste auch rasch passieren.

Es ist in Sachen Wertsicherung der Pensionen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber ich sage auch ganz klar: Weitere Schritte werden folgen müs­sen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.47.59

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Die SPÖ – ich darf es vorwegnehmen – wird diesem Gesetzesantrag zustimmen, aber nicht, weil wir davon begeistert sind oder weil wir glauben, dass dieser Geset­zesvorschlag so gut ist, sondern vielmehr, weil Sie von den Regierungsparteien hier leider keine bessere Lösung zulassen. Diese bessere Lösung gibt es nämlich mit der dauerhaften Abschaffung der Pensionsaliquotierung – und nicht mit der bloßen Aussetzung für zwei Jahre.

Die aktuelle Teuerung wirkt sich absolut negativ auf fast alle Gesellschafts­gruppen, ganz besonders aber auf die Pensionistinnen und Pensionis­ten aus. Damit wird auch die Altersarmut weiter angekurbelt, gerade auch bei den Frauen. Wenn man weiß, dass zwei Drittel der armutsgefährdeten Frauen über 65 sind, dann schmerzt das in besonderer Weise.


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Die Aliquotierung der Pensionen verstärkt diese Tendenzen natürlich weiter, und jetzt gehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und von den Grünen, her und setzen diese Regelung für zwei Jahre aus, weil offen­sichtlich der Druck von außen zu groß wird und weil Sie anscheinend auch selber draufgekommen sind, dass diese Regelung einfach absurd ist. Sie vergessen dabei aber jene Pensionistinnen und Pensionisten, die 2022 in Pension gingen oder – die Kollegin hat es erwähnt – die dann ab 2025 und später in Pension gehen werden. Was ist mit diesen Pensionistinnen und Pensionisten? (Beifall bei der SPÖ.)

Diese bloße Aussetzung ist aus meiner Sicht eine reine Selbstaufgabe. Sie schieben die Verantwortung zwei Jahre hinaus, nach dem Motto: Die anderen werden es dann schon richten.

Bei dieser Thematik sehe ich auch noch zwei negative Folgeerscheinungen auf den Arbeitsmarkt, denn was wird passieren? – Die Menschen werden logi­scherweise genau wegen dieser Regelung früher in Pension gehen. Sie werden dort hineingedrängt, weil sich ja längeres Arbeiten demnach nicht mehr auszahlt. Das verstärkt natürlich auch den Arbeitskräftemangel, und da frage ich schon die ÖVP, wo denn die Anreize für längeres Arbeiten sind, die sie ständig gebetsmühlenartig anspricht. (Beifall bei der SPÖ.) Leistung und Arbeit – das ist die Diktion der ÖVP – sollten sich doch lohnen. Gerade in diesem Fall lohnen sie sich aber leider nicht.

Ich kann auch Sie, sehr geehrter Herr Sozialminister, nicht ganz aus der Pflicht nehmen. Ich habe das Protokoll Ihrer Rede im Nationalrat vor mir. Da ha­ben Sie gesagt – ich zitiere –: „Es ist erläutert worden, was das bedeutet und welche Nachteile das bringt, insbesondere in Zeiten hoher Inflation. Das ist eine massive Benachteiligung, wenn die Pensionsanpassungen aliquotiert werden“. – Zitatende. Das Gute dabei ist, Sie haben mit dieser Analyse völlig recht, das weniger Gute dabei ist, dass Sie da leider zu wenig standhaft gegenüber der ÖVP waren.


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Mein Resümee: Diese Aliquotierung ist absoluter Humbug. Sie ist nicht nur auszusetzen, sie ist dauerhaft abzuschaffen – und das wäre auch ganz leicht gewesen, wenn Sie im Nationalrat unserem Abänderungsantrag zuge­stimmt hätten.

Wir von der SPÖ werden die Pensionistinnen und Pensionisten nicht wie die Regierungsparteien im Stich lassen und werden gegen diese absurde Rege­lung in naher Zukunft auch eine Verfassungsklage einbringen, denn diese ungerechte Regelung muss weg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte.


12.52.11

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Anschluss an diese Debatte wird über einen Antrag der Freiheitlichen abgestimmt. Da können dann alle Par­teien, alle Bundesräte unter Beweis stellen, wie wichtig ihnen die Senioren sind, wie wichtig euch also die ältere Generation ist.

Die Pensionsanpassung im heurigen Jahr beträgt 5,8 Prozent. Bei einer Inflation von mittlerweile schon über 11 Prozent bedeutet das real eine Pensions­kürzung; von einer Anpassung oder vielleicht von einer Erhöhung kann man in dem Zusammenhang ja wohl überhaupt nicht sprechen. Eine Einmalzah­lung, wie sie jetzt auch korrigiert wird, kann und wird aber einen Realverlust bei den Pensionen bei Weitem nicht abfedern können – ganz im Gegenteil! Seit wenigen Tagen werden die Leistungsberechtigten von den Pensionskassen in persönlichen Schreiben über die zu erwartenden Pensionskürzungen informiert. Die Kürzungen betragen so zwischen 16 und 17 Prozent. Rechnet man dann die Inflation auch noch dazu, kommt man in manchen Fällen sogar auf fast 28 Prozent Realverlust bei den Pensionen – und das ist bitter. Das ist bitter und so geht man auch wirklich nicht mit Menschen um, welche ihr


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ganzes Leben lang gearbeitet haben und nun in der Pension für ihren Fleiß vielleicht auch noch bestraft werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben es ja auch bei der Abschaffung der Hacklerpension gesehen. Da werden von euch, von ÖVP und Grünen, die Menschen für 45 Jahre Arbeit bestraft. Das ist schäbig, und die Menschen werden das auch sicherlich nicht vergessen. So geht man mit den Leistungsträgern in unserem Land auch nicht um.

Um unseren Senioren und Pensionsbeziehern aber eine wirkliche Hilfe angedei­hen zu lassen, stellen die Bundesräte Christoph Steiner, Marlies Steiner-Wieser und weitere Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskassen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finan­zen, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes Maßnahmenpaket zum Schutz der Leistungsberechtigten der Pensionskassen zum Inhalt hat:

- Die Wiedereinführung einer Mindestgarantie für die 2. und 3. Säule der Pen­sionsvorsorge.

- Den Ausgleich der Inflationsverluste durch eine staatliche Mindestverzinsung über den Inflationszyklus, um die Pensionskassen-Vermögen zu stabilisieren.

- Die steuerliche Entlastung der Leistungsberechtigten der Pensionskassen.


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- Die gesetzliche Festlegung einer echten Mitbestimmung und der Entsendung von tatsächlichen Interessensvertreter der Leistungsberechtigten der Pen­sionskassen.“

*****

Also wie gesagt, Sie können im Anschluss an diese Debatte unter Beweis stellen, wie wichtig Ihnen die Senioren tatsächlich sind. Und damit wir ganz sicher sind, wer zu den Senioren und zu den Pensionisten in diesem Land steht, werden wir eine namentliche Abstimmung durchführen lassen. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskassen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.55.51

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vorsitzende! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es geht um zwei Punkte, die besprochen wurden beziehungsweise abge­stimmt werden: Das eine ist die Aliquotierungsregelung und der zweite Punkt die Reparatur der Direktzahlung.

Es ist erwähnt worden: Bei der Direktzahlung ist es zu einem Fehler gekommen, für den ich mich auch persönlich entschuldige. Das wird heute repariert. Es ist auch so, dass die Nachzahlung, die aufgrund dieser Beschlussfassung dann ausbezahlt werden wird, mit 30. Juni auf den Weg gebracht wird, dieser Fehler also sehr rasch auch monetär behoben wird.


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Bei der Aliquotierung geht es darum – auch das ist erläutert worden –, in Zeiten hoher Inflation darauf zu achten, dass Ungerechtigkeiten, die durch die Aliquotierung entstehen, ausgesetzt oder ausgehebelt werden. Durch die Sistie­rung dieser Aliquotierung für zwei Jahre wird dem Folge geleistet.

Die Historie des Umgangs mit dieser Thematik zieht sich quer durch alle Regie­rungskonstellationen der letzten zehn, 15 Jahre durch. Es wurde in jed­weder denkbaren Regierungskonstellation immer wieder entweder eine Ausset­zung oder eine Wartefrist vereinbart – es gibt also auch eine ganze Reihe von Vorgängerregierungen, die sich diesem System unterschiedlich genähert ha­ben, allerdings bei wesentlich niedrigeren Inflationsraten. Korrekt ist, bei derzeit hoher Inflation ist es ein Gebot der Stunde, diese Aliquotierung auszuset­zen. Das tun wir.

Wer profitiert davon? – Es sind rund 200 000 Menschen, die davon profitieren, weil es dann eben nicht davon abhängt, in welchem Monat sie in Pension gehen. Es profitieren vor allem auch die Frauen, sie können nämlich aufgrund der schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters ab 2024 erst im zweiten Halbjahr in Pension gehen und hätten durch die Aliquotierung beson­ders große Nachteile. Es werden auch Anreize, früher in Pension zu ge­hen, beseitigt, weil natürlich durch die Aliquotierung ein Anreiz entstehen könn­te, dem dann entgehen zu wollen.

Nach zwei Jahren braucht es eine Evaluierung, und diese wird stattfinden. Es wird dann wohl auch davon abhängen, wie sich die Inflationsraten wei­ter entwickeln. Ich danke für eine möglichst breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.58


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 152

12.58.23

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf noch kurz erklären, wa­rum wir dem Entschließungsantrag der FPÖ nicht zustimmen werden. (Oh-Rufe bei der FPÖ.) – Mit Oh ist da nichts getan.

Uns geht es um die Pensionistinnen und Pensionisten. Uns geht es darum, dass man die Aliquotierung nicht nur für zwei Jahre aussetzt, sondern grundle­gend aufhebt. Uns geht es darum, die erste Säule der Pensionssicherung ganz stark zu stärken; das ist der wichtigste Teil, weil es eine gute Pension für alle garantiert. Ich verstehe den Ärger über das, was es da an Kürzungen gibt, das ist absolut richtig. Es wäre halt (in Richtung FPÖ) klug gewesen, den An­trag vorher abzustimmen, denn es geht schon auch um eine Frage der Kosten­schätzung, wie viel Steuergeld in welche Säule hineingeht. Für uns ist we­sentlich, dass es in die erste und tragende Säule des Pensionssystems geht, und ich glaube, es wäre schon wichtig festzuhalten, wie man mit Steuergeld um­geht, wie man welche Bevölkerungsgruppen entlastet und wie man sicherstellt, dass alle Pensionistinnen und Pensionisten eine gute Pension haben, von der sie leben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns – und das sei noch einmal als ganz wichtig gesagt – muss der Begriff der Leistungsträger:innen gerade im Blick auf ein ganzes Leben von Menschen insgesamt gesehen werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Frauen sind die Leis­tungsträgerinnen in größtem Ausmaß, haben Doppel- und Dreifachbelas­tungen und haben in diesem Land einen Pensionsunterschied von über 40 Prozent.

Fakt ist auch: Wir haben x Vorschläge gemacht, wie man eine bessere Form der Anrechnung von Kindererziehungszeiten macht – Sie haben darob mit keinem Ohr gewackelt. Da ist anzusetzen.

Wir brauchen ordentliche Pensionen für die Frauen, und wir müssen uns endlich einmal mit dem Thema beschäftigen, was passiert, wenn das Pensions­antrittsalter der Frauen angehoben wird. Das wird ein riesiges Problem werden.


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Wir haben Berufsgruppen und Branchen, in denen die Frauen sagen: Wir schaffen es nicht bis 65! – Schauen Sie sich die Frauen in der Produktion an, die am Band stehen, die bei Hitze und Kälte unter hohem Druck arbeiten! Schauen Sie sich die Frauen in der Pflege an – und das ist ein Frauenberuf –, die schon gar nicht mehr können und zu mir sagen: Ich schaffe es nicht bis 65! – Sie haben immer noch nicht umgesetzt, dass es da die Möglichkeit der Schwer­arbeitsregelung gibt.

So schaut es bei den Pensionen aus, und da muss man hinschauen. Das ist für uns wichtig: gute Pensionen für alle und ein gutes Leben im Alter. Das ist unsere Zielsetzung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00


13.01.00

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pen­sionskassen“ vor.

Es ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesrät:innen gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzu­führen. Ich gehe daher so vor.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 154

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. – Ich bitte um deutliche Äußerungen.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Steiner-Wieser geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

13.06.09*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.06 Uhr unterbrochen und um 13.07 Uhr wieder aufgenommen.)

13.07.09*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA|: Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag bei 60 abgegebenen Stimmen zehn „Ja“-Stimmen und 50 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Bernard;

Hübner;


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 155

Kofler;

Leinfellner;

Pröller;

Spanring, Steiner, Steiner-Wieser, Steinmaurer;

Theuermann.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky, Arpa;

Babler, Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler, Egger-Kranzinger;

Fischer;

Gerdenitsch, Gfrerer, Göll, Grimling, Gross, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kornhäusl, Kovacs;

Lancaster, Lassnig;

Mertel, Miesenberger;

Neurauter;

Obrecht;

Platzer;

Reisinger;


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 156

Schachner, Schennach, Schmid, Schreuder, Schumann, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Stillebacher, Stotter;

Tausch, Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck.

*****

13.07.3010. Punkt

Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f
Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-806-BR/2023 d.B. sowie 11199/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


13.07.51

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2023 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvor­schau 2023 zur Kenntnis zu nehmen.



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte.


13.08.30

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Jahresvorschau werden Vorhaben der Europäischen Union für das Jahr 2023 betreffend den Sozial- und Gesundheitsbereich sowie den Tier- und Konsumentenschutz präsentiert.

Bis 30. Juni, das wissen wir ja, wird der Rat von der Triopräsidentschaft aus Frankreich, Tschechien und Schweden geleitet. Das übergeordnete Ziel, das sie sich im Achzehnmonatsprogramm im Dezember 2021 vorgenommen haben, war die Überwindung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der
Covid-Pandemie.

Dieses Ziel ist ja tatsächlich wichtig, weil die Menschen heute noch immer und noch ganz lange in die Zukunft wegen der sinnlosen Coronamaßnahmen leiden müssen. Leider hat sich Österreich – also sprich auch maßgeblich das Gesundheitsministerium – nicht an der Aufarbeitung beziehungsweise der Wiedergutmachung beteiligt – im Gegenteil!

In Österreich wurden die Menschen besonders scharf mit unsinnigen Coronamaßnahmen drangsaliert. Als einziges europäisches Land hat Österreich mit dieser ÖVP-Grünen-Bundesregierung eine Impfpflicht beschlossen, Ungeimpfte vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, sie wie Menschen zweiter Klasse behandelt, zu Hause eingesperrt und viele, viele weitere Unge­heuerlichkeiten gesetzt. (Beifall bei der FPÖ.) Physische, psychische und wirt­schaftliche Schäden werden noch lange zu spüren sein.

Wir Freiheitlichen werden dem vorgelegten Bericht heute nicht zustimmen, weil wir, Punkt eins, die geplante Gentechnik im Lebensmittelbereich absolut,


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strikt ablehnen. Wir wollen keine künstlichen Lebensmittel essen; wir wollen gesunde, natürliche Lebensmittel, aber sicherlich keine genmanipulierten Lebensmittel vorgesetzt bekommen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravo­ruf des Bundesrates Steiner.)

Des Weiteren stehen wir einer europäischen Sozialversicherungskarte skeptisch gegenüber.

Im Bereich Tierschutz ist zu wenig weitergegangen, weil es da noch immer kein komplettes Verbot von Lebendtiertransporten gibt.

Im Behindertenbereich werden die in Behindertenwerkstätten beschäftigten Personen noch immer lediglich mit einem Taschengeld abgespeist. Dies ist weder wertschätzend noch entspricht es einer Abgeltung der dort tatsächlich geleisteten Arbeit. Es sollte ein angemessenes Gehalt und vor allem eine entsprechende Sozialversicherung von diesen Werkstätten bezahlt werden. (Bei­fall bei der FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Daher stellen die Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Christoph Steiner und weitere Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat unverzüglich eine Re­gierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

- Die Einführung eines verpflichtenden Mindestlohns für Beschäftigte in Behin­dertenwerkstätten.


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- Die Einführung einer verpflichtenden Sozialversicherung, neben Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung, insbesondere auch zur Pensions­versicherung, für Beschäftigte in Behindertenwerkstätten“

*****

Ich ersuche um Zustimmung zu diesem Antrag und sage Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


13.12.19

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die zurückliegenden Jahre haben einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit und ein gemeinschaft­liches Vorgehen in Krisenzeiten insbesondere in Europa sind. Der in diesem Tagesordnungspunkt zu behandelnde Bericht nimmt Bezug auf die Vorschau des Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2023, das Acht­zehnmonatsprogramm des Rates für den Zeitraum Jänner 2022 bis Juni 2023 sowie das Programm des schwedischen EU-Ratsvorsitzes.

Ich möchte jetzt auf einige Punkte aus dem Programm, das EU-Vorhaben im Bereich Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsument:innenschutz umfasst, im Detail eingehen. Während der vergangenen drei Jahre war die Gesund-


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heitspolitik vor allem durch die Pandemie und durch das dazugehörige Krisen­management geprägt, nun wird der Fokus stärker auf Qualität und Nachhaltigkeit unserer Gesundheitssysteme gelegt. Ein gerade aktuelles Thema sind da zum Beispiel die Arzneimittel, und ich möchte die Bestrebungen
auf EU-Ebene zur Revision der Gesetzgebung im Bereich der Arzneimittel her­vorheben. Zur Umsetzung der EU-Pharmastrategie wurde von der Euro­päischen Kommission eine Überarbeitung der allgemeinen EU-Rechtsvorschrif­ten über Humanarzneimittel angekündigt.

Aus österreichischer Sicht sind diesbezüglich drei Prioritäten wesentlich: Verfügbarkeit, Zugang und Leistbarkeit für alle Patient:innen in Europa. Aktuell gilt es, insbesondere Arzneimittelengpässe zu verhindern, denn die aktuel­len Lieferengpässe sind ein gesamteuropäisches beziehungsweise globales Pro­blem, das durch eine außergewöhnlich starke Welle an Infektionen im vergangenen Herbst noch verschärft wurde. So wird sowohl in Österreich als auch auf EU-Ebene bereits an der Umsetzung von konkreten Maßnah­men gearbeitet. Die Gründe der Lieferengpässe sind tatsächlich sehr komplex und multifaktoriell: die Knappheit einzelner pharmazeutischer Wirkstoffe und Rohstoffe, die zunehmend ausgelagerte Produktion, die Abhängigkeit der Hersteller von einem oder wenigen Lieferanten außerhalb der EU und Parallelhandel.

Die Regelversorgung mit Arzneimitteln in Österreich ist aber grundsätzlich gut aufgestellt und konnte die jüngsten Bedarfsspitzen beziehungsweise Schwierigkeiten in der Produktion und Logistik bis dato relativ gut abfedern. Darüber hinaus gibt es eine enge Kooperation auf EU-Ebene: Durch die neu geschaffene EU-Behörde Hera werden zusätzliche Maßnahmen für resilien­tere Lieferketten und Produktionskapazitäten gesetzt. Im Rahmen des er­weiterten Mandats der EMA ist auch eine Datenbank für ein europaweites Mo­nitoring von Lieferengpässen im Aufbau. Diese Datenbank soll mit 2025 aktiv werden.


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Die Taskforce Lieferengpässe des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheits­wesen, die alle Akteure der Lieferkette von Arzneimitteln zusammenbringt, hat bereits verschiedene Maßnahmen gesetzt, um die nationale Versorgungssi­tuation zu verbessern. Dazu zählt zum Beispiel auch die Verordnung über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung.

Das ist der eine Punkt, der ganz wichtig ist, und ganz kurz möchte ich noch das Thema Tierschutz anschließen – dieser wird im Programm auch erwähnt. Die EU-Tierschutzvorschriften – das ist jetzt nämlich das Interessante – haben vielleicht mit der Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten nicht Schritt gehalten, und um den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen, hat die Europäische Kommission eine Überarbeitung und eine Ausweitung der Tierschutzgesetzgebung angekündigt. Wir erwarten uns daher in der gesamten Union eine deutliche Anhebung des Schutzniveaus.

In Österreich – das muss man ganz klar sagen – haben wir mit letztem Juli, mit Juli 2022, schon erhebliche Verbesserungen im Tierschutz durchgeführt, weil es ja keinem Land genommen ist, besser zu sein, als die EU sozusagen vor­gibt. Deshalb kann ich jetzt auch nicht ganz verstehen, was Kollegin
Steiner-Wieser sagt. Ich denke, alles, was in Richtung Verbesserung geht, soll uns doch entgegenkommen – es ist gerade ein weiteres Paket betreffend Tierschutz in Ausarbeitung.

Beim Verbraucher:innenschutz werden seitens der EU der grüne Wandel und Nachhaltigkeit die bestimmenden Themen der nächsten Jahre sein. Es ist daher wirklich sehr begrüßenswert, dass die Europäische Kommission da Schwerpunkte setzt und wichtige Legislativvorschläge, etwa zum besseren Schutz vor leeren Greenwashingversprechungen in der Werbung, vorge­legt hat. Diese Vorschläge werden die Position von Verbraucher:innen in Bezug auf nachhaltigen und umweltschonenden Konsum entsprechend stärken.


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Ich habe jetzt nur einige wenige Punkte herausgegriffen, aber ich denke, dass die im Programm beschriebenen Pläne und Ziele uns weiter in Richtung Stär­kung und gemeinsames Vorgehen bringen und dass gerade das in Zeiten wie die­sen sehr wichtig ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


13.18.00

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war“ – ein Zitat des Münchner Wort- und Sprachkünstlers Karl Valentin – nicht Walen­tin, man sagt ja auch nicht Water, sondern Vater.

Beim vorliegenden Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, welcher eine EU-Jahresvorschau 2023 abbildet, trifft das eingangs erwähnte Zitat nicht zu. Warum? – Weil im vorliegenden Be­richt jene positiven, zukunftsorientierten Initiativen vorgestellt werden, die – soweit derzeit auch bekannt – für das Berichtsjahr 2023 im Bereich So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz relevant sind. Die Überwindung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, die Nachwirkungen der Coronapandemie sowie der ökologische und der digi­tale Wandel haben eine maßgebliche Herausforderung für die im umfangreichen, professionell aufbereiteten Bericht erwähnten Bereiche Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz dargestellt.

Meine Vorrednerinnen haben schon einige Dinge skizziert; gestatten Sie mir, dass ich speziell auf ein paar Blitzlichter, vor allem auf die neuen Vor­schläge betreffend behinderte Personen eingehe. Inhaltliche Schwerpunkte sind insbesondere Barrierefreiheit, Freizügigkeit, Partizipation und politische


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Teilhabe, selbstbestimmtes Leben sowie Schutz vor Diskriminierung. Ziel ist es, eine Erhöhung der Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderun­gen zu erreichen und so die bestehende Beschäftigungslücke zwi­schen Menschen mit und ohne Behinderung zu verringern.

Frau Steiner-Wieser, Sie haben vielleicht den Bericht nicht so ganz genau durch­gelesen, denn Sie haben nur ein paar Dinge herausgenommen, die für Sie vielleicht nicht relevant oder nicht wichtig sind. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Schon!) Das aber sind die wesentlichen Elemente, und da ist es, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, dass wir diese Sache unbedingt auch unterstützen.

Zum Thema Gesundheitsdaten: Da haben die bisherigen Verhandlungen gezeigt, dass es unter anderem für Österreich wichtig sei, den Legislativvorschlag, insbesondere hinsichtlich der Primärdatennutzung, auf eine solide Rechtsgrund­lage zu stellen. Bei Gesundheitsdaten handelt es sich ja um besonders schützenswerte Daten. Betroffenen Personen muss jedenfalls die Hoheit über ihre Gesundheitsdaten zukommen. Sie sollten grundsätzlich selbst über die Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten entscheiden können – was in ihrer Elektronischen Gesundheitsakte enthalten ist und wer welche ihrer Gesundheitsdaten einsehen kann. Das ist natürlich ein sehr wesentlicher Punkt.

Der Europäische Sozialversicherungspass ist eine Initiative für die Digitalisierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der sozialen Sicherheitsnetze, wel­che die Arbeitsmobilität unterstützen soll. Es gibt natürlich etliche Bereiche und Punkte, die schon angesprochen wurden; ich möchte noch die Pflegeleis­tungen erwähnen. Darüber hinaus werden ja Regelungen vorgeschlagen, die vor allem auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch auf Klarstellung von in der Praxis auftretenden Problemen abzielen.

Bei einem wichtigen Punkt des Pakets wurden bereits grundsätzliche Einigungen innerhalb des Rates und mit dem Europäischen Parlament erzielt, nämlich bei den Pflegeleistungen. Österreich hat von Anfang an eine Kodifikation und Klarstellung in Bezug auf Pflegeleistungen unterstützt. Dies erfolgt nun


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durch eine Definition und die Verpflichtung der Verwaltungskommission, eine Liste aller Pflegeleistungen aufzustellen. Ebenso wird ausdrücklich eine transparente Möglichkeit geschaffen, Pflegeleistungen auch nach anderen Kapi­teln zu koordinieren, zum Beispiel als Leistungen der Unfallversicherung und nicht als Leistung bei Krankheit. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Regelungen transparenter werden und auch alle Mitgliedstaaten nach denselben Grundsätzen vorgehen.

Ja, viele weitere Punkte wurden angeführt und sind natürlich auch im vorlie­genden Bericht noch vorgesehen. Es gibt ja auch noch einen Redner, der vielleicht das eine oder andere ergänzen wird. Das ist ein Bericht mit weitreichenden Perspektiven und letztlich auch mit vielen sozialen, überschaubaren, transparenten, wichtigen Werten zum Wohl aller Öster­reicherinnen und Österreicher. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.23


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte, Herr Bundesrat. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl. – Bundesrat Schachner – auf dem Weg zum Redner:innen­pult –: Danke!)


13.23.13

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Es ist eigentlich eh schon alles gesagt worden. Ich könnte es jetzt ganz kurz machen und sagen: Wir nehmen den Bericht zur Kenntnis und stimmen dem Antrag der FPÖ zu! – Damit wäre ich normalerweise schon fertig. (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen.) Ich möchte aber vielleicht noch kurz et­was ansprechen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schön, ja!) – Ja, das ma­chen wir aber so. Wie gesagt, ich möchte kurz etwas ansprechen.

Das ist jetzt eigentlich mehr oder weniger der falsche Ort, um darüber zu spre­chen, aber trotzdem muss man das heute sagen, nämlich dass wir in der Europäischen Union eigentlich darüber nachdenken müssten, dass wir nicht die


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Arzneimittel aus China herholen und kaufen, sondern dass es wirklich bei uns die Industrie gibt, die das auch kann, dass wir die gesamte Forschung und Entwicklung bei uns im Land haben, damit wir in Zukunft von niemandem abhängig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat das nämlich jetzt in der Pandemie gesehen. Es hat ja kein Mensch damit gerechnet, dass so etwas auf Österreich oder auf uns in der Europäischen Union zukommt, diese Covid-Geschichte. Ich muss ganz ehrlich sagen, niemand hat gedacht, dass es so kommt. Ich frage mich einfach nur, warum wir dann Masken aus China haben bestellen müssen. Warum hat man nicht gleich selber schnell eine Firma rausgestampft und geschaut, dass man das selber ma­chen kann? (Bundesrat Steiner: Haben wir ja!)

Warum kriegen wir zum Beispiel auch (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) das mit den Impfstoffen, bei denen unsere dabei waren, die den Impfstoff hier gemacht haben, nicht selber in Österreich zusammen? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich glaube schon, dass wir das können und dass wir das mehr oder weniger auch in der Europäischen Union aufstellen können. (Bundesrat Steiner: Made in Austria!)

Was mir im Bericht eigentlich gut gefallen hat, ist die mit der Europäischen Krankenversicherungskarte angedachte Sache; es wird aber noch sehr lang brauchen, bis das kommt. Es sind ja auch viele Dinge angesprochen worden, die weit, weit noch nicht kommen. Deswegen werden wir den Bericht zur Kenntnis nehmen.

Ich glaube auch, es gibt in Österreich noch viel wichtigere Geschichten, viel wichtigere Dinge zu besprechen als das. – Herzlichen Dank. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

13.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rauch gemeldet. – Bitte schön.



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13.25.22

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vorsitzende! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich gehe jetzt kurz auf zwei Dinge ein, die im Zuge der Debatte genannt wor­den sind, und fange beim letzten an, bei der Arzneimittelversorgung.

Sie haben natürlich vollkommen recht, dass es darum geht, die Versorgungssituation in Europa wieder zu verbessern. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Wir beklagen beim Gas eine Abhängigkeit von 80 Prozent von russischem Gas und haben – Europa insgesamt, alle europäischen Staaten – bei Medikamenten bei einzelnen Wirk­stoffen eine Abhängigkeit von nahezu 100 Prozent von zwei Herstellern in China. Da also wieder – und das ist auch eine Strategie der Kommission und der europäischen Gesundheitsminister – erstens einmal zu halten, was wir im Land haben, und zweitens den Standort wieder zu verbessern, attrak­tiv zu machen, ist ein Gebot der Stunde.

Ein zweites Gebot ist schon auch, der Pharmaindustrie Leitlinien, Leitplanken an die Hand zu geben – um es vorsichtig zu formulieren –, damit Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung, Vorratshaltung und Lieferverpflich­tungen eingehalten werden, weil es nicht sein kann, dass bei hochpreisigen Medikamenten – das sind zum Beispiel solche, die für die Krebsbehandlung oder für seltene Erkrankungen eingesetzt werden – die Preissteigerungen der­maßen hoch sind, dass Länder, Spitäler, Nationalstaaten kaum mehr in der Lage sind, das zu bewältigen. Da sind Margen von 90 Prozent und mehr abge­bildet. Das halte ich für frivol, um es jetzt vorsichtig zu sagen.

Zweiter Punkt, Gentechnik – Frau Bundesrätin Steiner-Wieser hat das angesprochen –: Es gibt einen einstimmigen Nationalratsbeschluss zu dieser Frage der Gentechnik und der sogenannten neuen Gentechnik. Die Kom­mission hat angekündigt, im Juni 2023 einen Legislativvorschlag zu neuartigen genomischen Verfahren vorzulegen. Österreich wird sich entsprechend dieser einstimmigen Entschließung im Nationalrat klar für die Aufrechterhaltung


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des Vorsorgeprinzips und der Kennzeichnungspflicht einsetzen. Wir – in diesem Fall Gewessler und Rauch – haben das der zuständigen Kommissarin sowohl mündlich als auch schriftlich mitgeteilt und vorangekündigt. Das ist auf den Weg gebracht worden.

Konsument:innenschutz ist ein wichtiges Thema und ist grenzüberschreitend, weil natürlich zunehmend auch in Europa – wie soll ich es sagen? – Fra­gen des Konsument:innenschutzes nicht mehr nur national abgehandelt werden können. Ich denke an die Bestellmöglichkeiten via Internet, an Rechtsvor­schriften, die schlagend werden. Menschen, die im Internet etwas bestellen, wis­sen mitunter gar nicht, worauf sie sich einlassen, wenn sie anklicken, dass sie mit den Geschäftsbedingungen einverstanden sind. Es geht einfach auch da­rum, Konsumentensicherheit und Konsumentenschutz grenzüberschrei­tend zu gestalten, auch mit Klagsmöglichkeiten, auch mit Sammelklagen über die Grenzen hinweg.

Letztes Thema, die soziale Sicherheit und Absicherung: Das ist ein großes Thema auf europäischer Ebene, auch im Gefolge der Krisenlagen, die es gibt. Es geht schlicht darum, auch da Leistungen grenzüberschreitend sicherstellen zu können, das heißt, Arbeitslosenansprüche oder andere Leistungen mitnehmen zu können. Da sind wir in Europa in der Harmonisierung weit hintennach. Es war im Zuge der Entwicklung der Europäischen Union sehr viel davon die Rede, die Währungsunion voranzutreiben, aber von der Sozialunion sind wir sehr, sehr weit entfernt, was zur Folge hat, dass es in den Nationalstaaten unterschiedliche Bedingungen gibt.

Noch ein letzter Satz zum Tierschutz: Das ist richtig erwähnt worden, da wird die Kommission eine Überarbeitung der Tierschutzgesetzgebung vorlegen. Da gibt es Allianzen, auch auf europäischer Ebene. Wir gehen davon aus, dass es ei­ne deutliche Anhebung des Schutzniveaus geben wird. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.29


13.29.17


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 168

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich warte noch, bis alle ihre Plätze eingenommen haben; so viel Zeit muss sein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzei­chen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Lohn- und Sozial­versicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschlie­ßungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. Außerdem ersuche ich die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit beziehungsweise Minderheit. Auch ich mache von meinem Stimm­recht Gebrauch. (Bundesrat Schreuder: ... nicht! – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

13.30.4511. Punkt

45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021)
(III-783-BR/2022 d.B. sowie 11194/BR d.B.)

12. Punkt

Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grund­rechte“ (III-797-BR/2022 d.B. sowie 11195/BR d.B.)


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13. Punkt

Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. Novem­ber 2020“ (III-800-BR/2022 d.B. sowie 11196/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 11 bis 13, über welche die Debatten unter einem durch­geführt werden.

Berichterstatter zu Tagesordnungspunkt 11 ist Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


13.31.15

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 45. Bericht der Volks­anwaltschaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2021.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den 45. Bericht der Volksanwaltschaft zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger erstattet Bericht zu den Punkten 12 und 13. – Bitte um die Be­richte.


13.32.06

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich darf den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grundrechte“ zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung.


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Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April 2023 den Antrag, den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grundrechte“ zur Kenntnis zu nehmen.

Ich erstatte auch Bericht über Tagesordnungspunkt 13: Ich darf den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. November 2020“ zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April 2023 den Antrag, den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. November 2020“ zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Ich darf an dieser Stelle die Frau Volksanwältin und die beiden Herren Volks­anwälte recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Ich erteile ihr dieses.


13.33.20

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Volksanwältin! Werte Herren Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wie oft haben Sie mit Behörden zu tun? Ich meine natürlich nicht als Politiker oder als Politikerin, sondern im Alltag als Privatperson – etwa als junger Häusl­bauer in der Gemeinde Freinberg im Innviertel, als wohnungsuchende Studentin in der Stadt Linz, als Patientin, als Vater dreier Kinder, als junge werdende


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Mama, als Bewohner eines Altenheimes, als Steuerzahlerin oder als Staatsbürger zur Beantragung eines neuen Reisepasses.

Direkt oder indirekt haben wir in unserem Leben natürlich sehr oft mit Behörden und mit der öffentlichen Verwaltung zu tun. Ein gutes Bürgerservice behan­delt die Menschen wertschätzend, trifft rechtskonforme, nachvollziehbare Ent­scheidungen und führt Verfahren auch zügig durch. Garant für diese hervor­ragende Arbeit sind die zahlreichen öffentlich Bediensteten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, denen ich auf diesem Wege sehr herzlich für die sehr gute und die gewissenhafte Arbeit Danke sagen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Freilich wissen wir: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Gerade deshalb ist es gut, das Kontrollorgan der Volksanwaltschaft zu haben. Eine gewissenhaf­te Kontrolle wie sie die Volksanwaltschaft durchführt, zeigt Probleme, Schwach­stellen und Fehlentwicklungen auf – nicht, um mit dem Zeigefinger in offe­nen Wunden zu bohren, sondern, um aus Fehlern zu lernen, Lösungen zu finden und besser zu werden.

Gerade das Jahr 2021 war wirklich kein einfaches Jahr: die Pandemie und die damit verbundenen laufenden Änderungen, Inflation, Teuerungen, der Krieg in der Ukraine, ein Anstieg des Schlepperwesens, Personalmangel auf allen Ebenen. Die Änderungen forderten die Ämter und Behörden, aber auch die Bürgerinnen und Bürger. Viel Neues kam auf uns zu. Unbekanntes führt natürlich zu Unsicherheit, aber auch zu Verzögerungen in der Umsetzung, daher haben auch sehr viele Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2021 den Weg zur Volksanwaltschaft gesucht, was uns der vorliegende Bericht bestätigt.

Über 23 600 Menschen wandten sich im Jahr 2021 mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft. Das ist wirklich viel, das ist eine massive Steigerung von 32 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor, was die bereits erwähnten Heraus­forderungen widerspiegelt. Bei knapp der Hälfte der Fälle gab es ein for­melles Prüfverfahren. Die meisten jener Beschwerden betrafen die Bereiche


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Soziales, Gesundheit, Inneres und Justiz. Gerade im Gesundheits- und Sozialwesen häufen sich situationsbedingt die Anfragen zur Pandemie, aber auch allgemein zu Krankenkassen und zu den Bereichen, die Menschen mit Behin­derung betreffen.

Auch der Personalmangel im Gesundheitsbereich, bei Kassenärztinnen und Kassenärzten und Fachärzten ist ein wirklich großes Thema. Sehr begrüßen darf ich dabei die Maßnahmen der Sozialversicherung wie Honorarerhöhungen für Kassenärztinnen und Kassenärzte oder die Schaffung von Gruppenpraxen und Primärversorgungszentren. Im Hinblick auf die zahlreichen offenen Hausarztstellen ist da aber wirklich Tempo gefragt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will insbesondere die Pläne unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer hervorheben. In seiner Rede zur Zukunft der Nation ging es um die Sicherung der Gesundheitsversorgung für alle Re­gionen, und zwar durch gezielte Maßnahmen in der Medizinausbildung und bei Kassenarztpraxen. Ein großer Wurf ist der Regierung bereits im Pflegebe­reich gelungen: Das 1-Milliarden-Euro-Pflegepaket ist ein erster wichtiger Schritt zur Sicherung der Altersvorsorge und der Altersversorgung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es sind sehr gute 20 Maßnahmen für den Pflegeberuf, für die Aus­bildung sowie für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige dabei – da tut sich wirklich etwas.

Im Bereich der Volksanwaltschaft fällt auf, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Beschwerden das Bundesministerium für Finanzen betroffen hat. Die Zahl der Beschwerdefälle stieg von 259 im Jahr 2020 auf 357 Beschwerden im Jahr 2021. Was war der Grund dafür? – Frau Volksanwältin Gaby Schwarz hat uns in der Ausschusssitzung die Gründe dazu erläutert und auch be­reits erkennbare Verbesserungen aufzeigen können. Ein Viertel der Anfragen war den Covid-Maßnahmen geschuldet. Anfängliche Probleme, zum Bei­spiel beim Härtefallfonds oder dem Fixkostenzuschuss, konnten mit der Zeit zum Glück gelöst werden.


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Sehr viel Kritik brachte auch die Umorganisierung des Finanzamtes hin zum Fi­nanzamt Österreich: kein Kontakt mehr zum persönlichen Sachbearbeiter, ewig lange Wartezeiten in der Hotline und damit verständlicherweise eine große Unzufriedenheit. Laut Auskunft hat sich die Situation schon deutlich verbes­sert, die Umstrukturierung pendelt sich sukzessive ein.

Die Volksanwaltschaft hat im Jahr 2021 trotz Einschränkungen durch die Pandemie den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern pflegen können: Es gab 112 Sprechtage vor Ort und zahlreiche telefonische Sprechtage, die Servicehotline und das Angebot der Onlineformulare, sodass 60 Prozent die Services der Volksanwaltschaft nutzten. Man kann also sagen: Menschen, die Hilfe gesucht haben, haben auch Hilfe erhalten.

Seit 2012 erfüllt die Volksanwaltschaft eine zusätzliche Aufgabe als Teil des Nationalen Präventionsmechanismus. Sie ist deshalb auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Im Zusammen­hang mit diesem Thema wurden in Österreich Justizanstalten, Polizeiinspek­tionen, psychiatrische Einrichtungen und Pflegeheime besucht und beobachtet.

Es gab 570 Kommissionseinsätze, 13 Round-Table-Gespräche. Ganz viel Engagement und vor allem viel Lösungsbereitschaft fließen in die Arbeit ein.

Meine Damen und Herren, ich könnte noch auf sehr viele Bereiche eingehen, in denen die Volksanwaltschaft als Bürgeranwalt, also quasi als Gratisbürger­servicestelle, tätig ist. Ich möchte vielleicht noch einen grundsätzlichen Gedan­ken zur Volksanwaltschaft und der Bedeutung der internationalen Ombuds­stelle einbringen.

Ja, wir leben in dynamischen, in wirklich sehr bewegten Zeiten. Der Krieg in der Ukraine und die weltweiten Anspannungen führen uns vor Augen, dass es mehr denn je notwendig ist, Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Institutio­nen zu haben, die ihren Beitrag dazu leisten, dass wir ein friedliches und gutes Zusammenleben haben. Durch die Reakkreditierung des A-Status beim


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europäischen Netzwerk Ganhri hat Österreich die Möglichkeit, sich aktiv in die Verbreitung von Wertschätzung und für ein gutes Miteinander einzubringen. – Danke dafür und herzliche Gratulation dazu! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich abschließend ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft und den anwesenden Volksanwälten für den großartigen Einsatz bedanken, für die Verbesserungsvorschläge und die umfassenden Berichte. Damit können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten, denn jedes gelöste Problem, ob klein, ob groß, kann Österreich noch besser machen. – Vielen Dank. (Beifall
bei der ÖVP.)

13.41


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Volksanwältin Gabriela Schwarz. – Bitte, Frau Volksanwältin.


13.41.45

Volksanwältin Gabriela Schwarz: Frau Präsidentin! Werte Bundesrätinnen, werte Bundesräte! Ich möchte mich gleich zu Beginn für die große Wertschätzung bedanken, die von Ihrer Seite für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei all unseren Sitzungen, Diskussionen und in den Ausschüs­sen spürbar ist. Das freut uns sehr. Sie können sicher sein, dass wir drei diesen Dank bei jeder Gelegenheit auch an unsere Kolleginnen und Kollegen weiterleiten, weil wir selbst deren extreme Expertise, die mit sehr viel Empathie gelebt wird, durchaus zu schätzen wissen. Das war gerade in den Zeiten, die von Ihnen angesprochen wurden, extrem wichtig, denn die Umstellung für uns während der Pandemie war auch keine einfache. All diese Dinge, die uns in das digitale Zeitalter katapultiert haben, waren selbstverständlich auch in der Volksanwaltschaft zu spüren.


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Den Anstieg der Zahl der Beschwerden, den Sie angesprochen haben, führen wir nicht darauf zurück, dass Österreich schlecht verwaltet ist. Ganz im Gegen­teil: Wir legen großen Wert auf die Feststellung, dass Österreich ein hervorra­gend verwaltetes Land ist, und das freut uns sehr. Das ist auch bei unse­ren Sprechtagen, bei all denen, die sich an uns wenden, immer spürbar. Wir sind gut verwaltet, aber das heißt nicht, dass die Volksanwaltschaft irgendwann arbeitslos wird.

Ganz im Gegenteil: Sie haben ja schon einige Eckdaten angesprochen, die zeigen, worauf diese große Zahl an Beschwerden, mit der wir konfrontiert wurden, zurückzuführen ist. Was wir in diesem Zeitraum auch bemerkt haben, ist, dass der Ton gegenüber der Verwaltung wesentlich rauer geworden ist. Das ist nicht nur der Pandemie und ihren Auswirkungen geschuldet, sondern das ist et­was, das wir sukzessive bemerkt haben: dass der Ton rauer geworden ist und dass die Aggression schneller zutage tritt als in den Jahren zuvor.

Ich denke, dass wir alle – nicht nur die Volksanwaltschaft, sondern selbstver­ständlich auch Sie – gefordert sind, diesen gesellschaftspolitischen Ent­wicklungen entgegenzuwirken. Wir haben unmittelbar die Möglichkeit dazu bei den Sprechtagen, bei denen wir die Beschwerdeführerinnen und die Be­schwerdeführer durchaus auffordern, nicht nur mit Geduld, sondern auch mit Höflichkeit, Anstand und Respekt miteinander umzugehen, so wie Sie es in diesem Hohen Haus auch tun (Bundesrätin Schumann: Na ja!) – meistens (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) –, denn wir dürfen eines nicht vergessen: Sie und wir, wir leben das vor, und das wird auch sehr deutlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Wie gesagt, das ist auch bei den Sprechtagen spürbar.

In meinem Geschäftsbereich – das wurde bereits angesprochen – ist ein großes Thema das Thema Finanzen, selbstverständlich durch die Pandemie be­dingt: Coronahilfsfonds, Härtefallfonds et cetera. Da kam es am Anfang zu gro­ßen Problemen, langen Wartezeiten, großer Ungeduld, die selbstverständ-


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lich auch nachzuvollziehen ist. Auch die Umwandlung in das Finanzamt Öster­reich war ein großes Thema und ist es nach wie vor. Aufgrund der Tat­sache, dass auf einmal niemand mehr da war, mit dem man persönlich reden kann, seinen Steuerbescheid nachbesprechen kann, dem man Fragen stellen kann, waren vonseiten vieler Menschen, und das ist völlig altersun­abhängig, wirklich großer Unmut, große Unruhe zu spüren. Dazugekommen ist, was Sie völlig richtig angesprochen haben, das endlose Hängen in einer Warteschleife bei der Hotline. Diese Hotline wurde dann personell sehr rasch verstärkt.

Was wir nach wie vor im Auge behalten – und das ist bei all unseren Fällen, die wir bezüglich der öffentlichen Verwaltung haben –, ist die Frage der Kom­munikation. Auffallend ist: Je besser kommuniziert wird, desto rascher ist es  möglich, Einvernehmen zu erzielen. Da liegt der Ball selbstverständlich auch bei der Verwaltung, indem man sagt: Die Dinge, die verändert wer­den, müssen deutlich kommuniziert werden! Das beginnt beim Plakat an der Außenmauer des Finanzamts, auf dem steht: Sie brauchen dafür und dafür einen Termin, bitte wenden Sie sich an den und den! – Menschen aber vor ver­schlossenen Türen stehen zu lassen ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Das sind die Themen, die wir selbstverständlich nach wie vor im Auge behalten und auch dementsprechend kritisieren, im Ministerium deponieren und hoffen – und nachfragen –, dass die Dinge möglichst rasch geändert werden.

Hotspots in meinem Geschäftsbereich sind nach wie vor der Strafvollzug und der Maßnahmenvollzug. Auch in Zeiten der Pandemie war das deutlich zu spü­ren. Die Untergebrachten hatten keine Möglichkeit, ihre sozialen Kontakte in dem Ausmaß zu pflegen, wie sie sie normalerweise pflegen können. Das hat verstärkt zu psychischen Schwierigkeiten geführt, wie auch in Gesamtös­terreich, und war ein Abbild dessen.

Der Personalmangel sowohl bei den Justizwachebeamtinnen und -beamten als auch beim Fachpersonal hat natürlich Auswirkungen, denn wenn die


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Menschen weniger Möglichkeit haben, beschäftigt zu werden, wenn sie psycho­therapeutisch, psychologisch, psychiatrisch nicht gut betreut sind, hat das Auswirkungen auf die Menschen, die untergebracht sind, aber auch auf das Personal. Wenn wir Sprechtage in Justizanstalten abhalten, dann hören wir sowohl das Personal als auch das Fachpersonal als auch die Insassinnen und Insassen, um uns ein komplettes Bild machen zu können.

Unterstützt werden wir dabei Gott sei Dank von der Bundeskommission. Die Erkenntnisse der Bundeskommission und die Erkenntnisse der Volksan­waltschaft fließen dann in die Berichte ein, wie zum Beispiel in den letzten, einen Wahrnehmungsbericht über Jugend in Haft. Auch das wird von uns so gehandhabt, dass wir darauf pochen, dass aus unseren Berichten auch Konse­quenzen erwachsen, das heißt Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Wir warten jetzt zum Beispiel auf den Bericht der Arbeitsgruppe Suizidprävention in den Justizanstalten. Dieser sollte demnächst bei uns am Tisch liegen. Das war die Arbeitsgruppe, die auch während der Pandemie gearbeitet hat.

An dieser Stelle möchte ich auch betonen: Nicht nur die Bundeskommission, sondern alle unsere Kommissionen konnten während der Pandemie, während dieses Zeitraums ihre Besuche fast vollumfänglich durchführen, natür­lich immer unter den gegebenen Schutzmaßnahmen. Das war uns wichtig, das war den Kommissionen wichtig und die Erkenntnisse können Sie im Bericht nachlesen.

Noch kurz zum Internationalen: Ja, Sie haben vollkommen richtig gesagt, wir sind Sitz des International Ombudsman Institute. Ich freue mich sehr, dass wir zum Beispiel in der zweiten Maiwoche 60 Nationen in Österreich zu Gast haben werden, Mitgliedstaaten des IOI. Dieses Institut ist dazu angetan, ein inter­nationales Netzwerk von Bürgerbeauftragten, Ombudsleuten zu schaffen, um sich auszutauschen, aber auch die Möglichkeit zu bieten, sich fortzubilden und auch gezielt zu beobachten. Ein Schwerpunkt ist zum Beispiel jene Arbeit, bei der wir Ombudsman under Threat betreuen, also Ombudsleute, Kolle­ginnen und Kollegen von uns, die aus welchen Gründen auch immer unter Druck


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geraten, dementsprechend begleiten. Der A-Status hilft uns. Wir erfüllen auch die Paris Principles. Das ist für uns wichtig, nicht nur als Sitz, sondern auch aus Selbstverständnis.

Wir bleiben da auch dran, nämlich auch bei den Vereinten Nationen, und ich hoffe sehr, dass all diese Wege, die wir da gehen, nicht nur international, sondern auch national für uns von Vorteil sind. Ich kann Ihnen versichern, dass wir beim Boardmeeting des IOI im Mai versuchen werden, die Republik Österreich, die Volksanwaltschaft und Sie alle dementsprechend zu vertreten und ein Bild abzugeben, das Ihnen und uns und den Menschen, die in Öster­reich leben, würdig ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bun­desrät:innen von SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.49


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesratspräsident Günter Kovacs. – Herr Präsident, bitte schön.


13.49.23

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Wir diskutieren heute drei Berichte. Bevor ich auf mein Thema eingehe, den Sonderbericht zum Terroranschlag vom 2. November 2020, möchte ich mich bei Ihnen bedanken – bedanken bei dir als Volksanwältin, bei Ihnen, liebe Volksanwälte, für die geleistete Arbeit, für die Berichte, die für die Bevölkerung sehr, sehr wichtig sind.

Ich möchte noch anmerken: Wenn man sich die wöchentliche Fernsehsendung „Bürgeranwalt“ ansieht, dann erkennt man, dass man sich für die Bürger ein­setzt und, was ich heute auch betonen möchte, dass man sich überparteilich für diese einsetzt. Dafür ein großes Lob und Dankeschön. Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Ich darf nun zum Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 kommen. Es ist mir aber eingangs wichtig


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zu betonen, dass bei dem schrecklichen Terroranschlag am 2. November in Wien die Einsatzkräfte großartige Arbeit geleistet haben, die Kräfte der Polizei, die Rettungskräfte, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger und auch alle, die damals spontan Hilfe geleistet haben. Es gab sehr viele mu­tige Menschen, die damals, an diesem schrecklichen Abend, unter Einsatz ihres eigenen Lebens – das dürfen wir nicht vergessen – ein sehr starkes Zei­chen der Zivilgesellschaft gesetzt haben.

In Anbetracht der Opfer und im Interesse der Sicherheit ist aber auch wichtig, für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen, zu hinterfragen, ob es im Vor­feld Missstände oder auch Fehler gegeben hat. Zum Sonderbericht der Volksan­waltschaft ist daher zu sagen: Aufklärung ist nicht nur legitim, sondern im Interesse der Sicherheit in Österreich und auch die Voraussetzung dafür, dass die richtigen Schlüsse gezogen werden können und wir für künftige Be­drohungen besser gewappnet sind. Es muss daher in unserem gemeinsamen Interesse liegen, auch in der Verantwortung für die Sicherheit der Bevöl­kerung alle damaligen Vorkommnisse aufzuklären.

Der Bericht der Volksanwaltschaft zeigt viele relevante Punkte auf. Ich habe mir den Bericht ganz genau durchgesehen und möchte zwei Passagen, die doch sehr beeindruckend waren, daraus zitieren:

„Die oben angeführten Tatsachen begründeten [...] bereits im Spätsommer 2020 den Verdacht im Sinne des § 278b Abs. 2 StGB gegen K.F. Daher hätten erfahrene, auf Terrorismusbekämpfung spezialisierte Bedienstete mit jahre- oder gar jahrzehntelanger Erfahrung wie diejenigen, die in die gegenständlichen Ermittlungen involviert waren, schon damals davon ausgehen müssen, dass eine solche Straftat begangen wird.“

Ich möchte noch eine Passage zitieren, die sehr beeindruckend war:

„Die ausschließliche Konzentration auf Maßnahmen zur (sicherheitspolizeilichen) Gefahrenabwehr kann vor diesem Hintergrund nicht als Ausdruck eines


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legitimen Beurteilungsspielraumes angesehen werden. Die Unterlassung der Berichterstattung gemäß § 100 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO bei Kenntnis des o.a. Sachverhalts stellt daher einen – folgenschweren – Verwaltungsmissstand gemäß Art. 148a B-VG dar.“

Ich wollte nur diese zwei Feststellungen aus diesem Bericht herausnehmen. Ich finde ihn sehr wertvoll und möchte mich auch bei Ihnen, Herr Dr. Rosen­kranz, für diesen genauen Bericht bedanken.

Meine Kollegin Mag.a Gruber-Pruner wird noch auf die anderen zwei Berichte eingehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


13.53.47

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Volksanwälte! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Drei Berichte der Volksan­waltschaft, drei Tagesordnungspunkte wurden hier unter einer Debatte zusammengefasst. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

Vorweg darf ich mich im Namen der freiheitlichen Fraktion für die umfangrei­chen, ausführlichen und auch verständlichen Berichte – das ist ja auch sehr wichtig – bedanken. Danke, dass Sie alle drei im Ausschuss wirklich aus­führlich Rede und Antwort gestanden sind. Ich glaube, ich verrate da kein Geheimnis, meine Fraktion wird alle drei Berichte gerne zur Kenntnis nehmen.

Die Volksanwaltschaft leistet Tag und Jahr eine sehr gute und wichtige Arbeit. Diese Arbeit ist so umfangreich und vielfältig, dass wir Bürger oft gar kein Bild davon haben, wie umfangreich sie ist. Man kann es erahnen, wie es Herr


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Kollege Kovacs angesprochen hat, wenn man sich im ORF den „Bürger­anwalt“ ansieht, aber richtig bemerken kann man es erst dann, wenn einem die Volksanwaltschaftsberichte vorgelegt werden und man sieht, was da wirk­lich dahintersteckt. Noch einmal ein ganz großes Dankeschön von unserer Seite für Ihre Arbeit, und bitte richten Sie das auch allen Mitarbeitern in der Volks­anwaltschaft aus! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Weil es eben sehr umfangreiche Berichte sind und die Frau Volksanwältin schon einiges gesagt hat, werde ich mich auch nur mit TOP 13 betreffend den Son­derbericht zum Terroranschlag vom 2. November 2020 befassen.

Wir Menschen vergessen sehr schnell, das ist vielleicht ein Schutzmechanismus von uns. Obwohl ich vor doch einiger Zeit schon einmal zum Thema BVT gesprochen habe, war ich bei der neuerlichen Recherche geschockt, was da alles schiefgelaufen ist, und auch darüber, warum das alles so hat passieren können. Bei den Recherchen hat sich eines sehr schnell herauskristallisiert: Die Fäden des Versagens sind alle an einem Knotenpunkt zusammengelaufen, nämlich bei der ÖVP.

Ich muss in meiner Rede eines ganz klar vorwegschicken: Unsere Polizisten, unsere Sicherheitsbediensteten, Bediensteten im Bereich Terrorabwehr und Staatsschutz tragen eine sehr, sehr hohe Verantwortung, und ein Gutteil von ihnen übt diesen Beruf mit Herzblut aus, weil es eben ein Beruf, eine Berufung ist und nicht nur irgendein Job. Der Terroranschlag und die Vorgänge, wie es dazu kam, haben ein schlechtes Licht auf alle in diesem Bereich tätigen Beamten geworfen, und das soll so nicht sein. Was schon sein soll: dass jene, die da schwere dienstliche Verfehlungen begangen haben, weil es eben nur als ein Job oder als ein Karrieresprungbrett gesehen wurde, und auch jene, die politisch dafür die Verantwortung tragen, entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Bericht der Volksanwaltschaft kommt eines sehr gut zur Geltung, was sich auch mit meiner beruflichen Erfahrung zu 100 Prozent deckt, nämlich,


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dass die Volksanwaltschaft mit Sorge beobachtet, dass Polizeihandeln, bei dem oft binnen Sekundenbruchteilen schwerwiegende Entscheidungen getrof­fen werden müssen, wie zum Beispiel bei einem Schusswaffeneinsatz, im Nach­hinein aus dem bequemen Lehnsessel heraus betrachtet oftmals mit bes­serwisserischer Kritik bedacht wird. Das ist ein schweres Los, mit dem viele Si­cherheitsbedienstete der einzelnen Behörden leben müssen, was sicher­lich oft für die Betroffenen sehr belastend ist. Aber im Fall des Terroranschlags waren es nicht Sekundenbruchteile, es waren Tage, es waren Wochen und es waren sogar Monate des Versagens. Das muss man leider hier so klar zum Ausdruck bringen.

Wenn Sie mich fragen, nachdem ich den Bericht gelesen habe, ob der Ter­roranschlag zu verhindern gewesen wäre, dann gibt es nur eine Antwort: Ja, ein ganz klares Ja. Wie und warum es zu diesem schrecklichen Terroranschlag kam, können wir gerne beleuchten. Beginnen wir ganz am Anfang: Nach den Terroranschlägen in Amerika am 11. September 2001 wollte man in Ös­terreich eine Art CIA installieren. Nach zwei Jahrzehnten ÖVP-Herrschaft im Innenministerium hat sich aus diesem BVT höchstens ein „Kottan ermit­telt“ entwickelt.

Was hier vielleicht komisch anmutet, ist in Wahrheit aber todernst, denn aus einer geplanten Spezialeinheit im Bereich der Terrorbekämpfung wurde nichts anderes als eine ÖVP-Spielwiese der perfidesten Art und Weise: eine Art Polizei in der Polizei, die fast ausschließlich politisch besetzt und danach auch noch politisch missbraucht wurde. Und von wem? – Von der ÖVP. Das ist ein weiteres Mosaiksteinchen der ÖVP-Korruption, die in den letzten Jahrzehnten wie ein Krebsgeschwür in dieser Republik gewuchert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir ist klar, meine Damen und Herren, dieser Vergleich ist sehr hart, dafür entschuldige ich mich, aber ich muss es so drastisch beschreiben, da­mit man auch klar erkennt, welche Schäden diese ÖVP über Jahrzehnte aus


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reinem Eigennutz, reiner Gier und reinem Machterhalt in dieser Re­publik angerichtet hat. (Bundesrat Kornhäusl: Eine Schande ist das, was Sie da sagen! – Bundesrätin Schumann: ...! Und das begründet die Koalition in Niederösterreich?!) Und wer das nicht glaubt, meine Damen und Herren, der soll sich das ORF-Interview des damaligen Innenministers Ernst Strasser anschauen – übrigens auch ein verurteilter ÖVP-Politiker, der eine Haftstrafe verbüßen musste.

Er hat damals im ORF-Interview Folgendes gesagt – Zitat –: Sie wissen ganz genau, wie ich als Innenminister übernommen habe, war das Ministerium bis zur Maus im Dachboden rot eingefärbt. – Zitatende.

Letztendlich ging es genau darum: Es ging der ÖVP um die größte Umfärbe­aktion der Zweiten Republik, nicht um Qualifikation, sondern um das Parteibuch. Genau dieser Umstand trägt Mitschuld am Versagen im BVT und auch am Terroranschlag.

Der BVT-Chef selbst hat damals im BVT-Untersuchungsausschuss gesagt, dass er nie Herr im eigenen Haus war. Er durfte nicht das Personal einstellen, das er wollte, es wurde ihm vom Innenministerium einfach vorgesetzt – noch dazu Personal, das der BVT-Chef für höchst ungeeignet gehalten hat.

Jetzt schauen wir einmal, wie das so abgelaufen ist. Als ein Beispiel von vielen: Die Mitarbeiterin Ria P. hat auf die Frage, wie sie zu ihrem Job im BVT gekommen ist, im U-Ausschuss Folgendes gesagt: „Wie Sie wissen, ist mein Mann Diplomat. Wir sind immer wieder im In- und Ausland“ unterwegs 
„– das wechselt –, und da habe ich mir gedacht, es wäre sehr günstig, wenn ich in einem Ministerium arbeite, weil ich mich dazwischen“ immer „wieder karenzieren lassen kann“.

Der Vater dieser Dame ist damals zufälligerweise Landeshauptmannstellvertre­ter in Niederösterreich gewesen, also von Erwin Pröll, und dass der Grund für die Besetzung keinesfalls die Qualifikation gewesen sein kann, zeigen auch


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folgende Aussagen einer BVT-Mitarbeiterin im U-Ausschuss. Ria P. wur­de „von Mikl-Leitner gefragt“ – diese war damals Innenministerin –, „in welchem Bereich des Inneressorts sie tätig sein wolle,“ und sie „habe sich für den Be­reich Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz entschieden, weil ihr das als spannend erschien und sich das in ihrem Lebenslauf gut mache“.

Im U-Ausschuss wurde sie darauf angesprochen, dass Frau Ria P. keine großarti­gen Coups in ihrer Dienstzeit gelandet hätte, und auch darauf hatte sie eine entsprechende Erklärung – und das klingt jetzt wie Satire, das ist aber ihr voller Ernst gewesen –, Zitat: „Ich war in einem Büro, wo“ ich den gan­zen Tag „von Radio Niederösterreich bedudelt worden bin, und da kann ich mich“ einfach „leider nicht konzentrieren“.

Das, was hier lächerlich klingt, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als ein Riesenskandal, ein schwarzer Sumpf und ein Sinnbild für politische Postenbesetzungen und Postenschacherei (Beifall bei der FPÖ), denn diese Dame ist ja nur ein Beispiel von vielen, was im BVT – also in dieser ÖVP-Spiel­wiese – abgegangen ist.

Seit Bestehen des BVT gab es fast ausschließlich ÖVP-Innenminister – Ernst Strasser, Günther Platter, Liese Prokop, Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka (Bundesrat Kornhäusl: Herbert Kickl!), Karl Nehammer und jetzt aktuell Gerhard Karner –, also hat in den letzten 20 Jahren fast durchgehend die ÖVP über Organisation, Budget, Personal und Aufgabenver­teilung bestimmt. Was aber war das Allererste, das die ÖVP, und zwar in Person von Karl Nehammer, nach dem Terroranschlag versucht hat? – Die Schuld von sich zu weisen und auf andere zu schieben. Das war aber Gott sei Dank ein Bumerang, zumindest war es für jene offensichtlich, die wissen, wie ein Rechtsstaat funktioniert.

Auslöser für die von der Staatsanwaltschaft angeordnete Hausdurchsuchung – und es wird gerne vergessen: auch unter Wolfgang Sobotka gab es be­reits zwei Razzien beim BVT – war eine Anzeige eines BVT-Mitarbeiters. Diese


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Anzeige war eine 39 Seiten lange Auflistung, in der man lesen konnte, dass Daten politischer Gegner an die ÖVP gespielt wurden, dass Journalisten mit Informationen aus dem BVT versorgt wurden, wo angeblich Lösegeld abgezweigt wurde und wo sich Bedienstete für die Beschaffung von Pässen auf Reisen haben einladen lassen – alles ÖVP, meine Damen und Herren.

Der Berner Club, das ist ein informeller Zusammenschluss westlicher Geheim­dienste, hat dem BVT ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Warum? – Unter anderem wurde im BVT ein russisches Virenprogramm verwendet, das an­dere Sicherheitsdienste wegen grober Sicherheitsbedenken schon lange vorher entfernt hatten, es lagen Festplatten mit der Aufschrift „streng geheim“ weder verschlüsselt noch passwortgeschützt auf Schreibtischen herum, private Handys von Mitarbeitern wurden in die innersten Bereiche des BVT mit­genommen, Mitarbeiter waren nicht sicherheitsüberprüft, und auch die Si­cherheit des Gebäudes wurde kritisiert, denn es gab zwar 100 Kameras, aber es gab nur zwei Bedienstete, die das alles auf zwei Monitoren überwacht haben.

Spannend ist: Woher wusste der Berner Club das alles? – Die haben ganz ein­fach im Jahr 2019 Prüfer hingeschickt. Diese wurden einfach so hineinge­lassen, und zwar über eine Fluchttüre, die keinen Öffnungsalarm hatte. Ich muss sagen: In meiner Heimatgemeinde ist sogar unser Kindergarten besser gesi­chert, denn wenn dort ein Kind bei der Fluchttüre hinausgeht, dann geht der Alarm los – im BVT anscheinend nicht. Hinaus gekonnt hätten sie laut eige­nen Aussagen aus einem Konferenzraum, in dem sich ein unbewachtes offenes Fenster befand.

Zusammengefasst: Es waren viele Mitarbeiter im BVT auf der Gehaltsliste, die aber dort aufgrund fehlender Qualifikation überhaupt nichts zu suchen hatten, und das hatte natürlich auch zur Folge, dass die Stimmung zwischen ein­zelnen Mitarbeitern teilweise katastrophal, von Missgunst und Misstrauen getragen war. Die Stimmung war schlecht – na logisch, wenn dort ein guter er­fahrener Beamter sitzt und einfach eine Person vorgesetzt bekommt, die


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von Sicherheit und Geheimdienst keine Ahnung hat, dafür aber vorher im ÖVP-Klub gearbeitet hat. – Das kann es wohl nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurde dann auch behauptet, dass das BVT, Österreich von anderen Geheim­diensten in Europa isoliert war. – Dem Volksanwaltschaftsbericht können wir entnehmen: Das ist falsch. Die Partnerdienste haben unser BVT trotz all die­ser Missstände im BVT gewarnt. Im Juli 2020 wurde das BVT vom Schwei­zer und vom deutschen Geheimdienst darüber informiert, dass ein Islamisten­treffen in Österreich stattfinden wird – dort war übrigens auch der späte­re Attentäter dabei, der kurz davor aus der bedingten Haft entlassen worden war, in die er gekommen ist, weil er sich dem IS anschließen wollte.

Direkt nach diesem Islamistentreffen in Österreich fuhr der spätere Attentäter in die Slowakei, um Munition für eine AK-47, eine Kalaschnikow, zu kaufen – das ist das Gewehr des islamistischen Terrors schlechthin. Das hat nicht geklappt, und wieder wurden wir gewarnt, nämlich von Europol aus der Slowakei. Man hat das BVT darüber informiert, und wieder wurde nicht entsprechend darauf reagiert. Es gab dann lediglich ein Hin und Her zwischen dem LVT Wien und dem BVT, bei dem man sich dann eben nicht ganz sicher war: Ist er das oder ist er das nicht?, ob es sich tatsächlich um den spä­teren Attentäter gehandelt hat.

Am 16. Oktober – der Anschlag war am 2. November; das war also zwei Wochen davor – haben die slowakischen Behörden zweifellos die Identität des späteren Attentäters festgestellt – also das, was unser BVT nicht geschafft hat, haben die Slowaken geschafft –, und das, meine Damen und Herren, ist der allerletzte Zeitpunkt, an dem es keine Ausreden mehr gibt, da hätte das BVT an die StA eine entsprechende Meldung machen müssen und die Staatsan­waltschaft hätte dann entsprechende Schritte eingeleitet, von einer Hausdurchsuchung bis hin zu Festnahmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das BVT ordentlich gearbeitet hätte, dann wäre das Attentat verhindert worden, das ist die harte Realität!


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Aus dem Bericht der Volksanwaltschaft geht auch hervor, dass das BMI selbst nicht plausibel erklären konnte, weshalb nach der Identifizierung des spä­teren Attentäters keine Meldung an die Staatsanwaltschaft erfolgte. Im Zuge des Prüfverfahrens verletzte das BMI laut Bericht im Übrigen zum Teil seine Kooperationspflicht gegenüber der Volksanwaltschaft und lieferte nicht alle Un­terlagen, um die ersucht wurde. Auch während Besprechungen auf Beamtenebene wurden den Bediensteten der Volksanwaltschaft nicht immer alle Unterlagen zur Verfügung gestellt beziehungsweise Informationser­suchen bisweilen abgeblockt.

Was auch bezeichnend war, war eine Frage des Kollegen Bundesrat Arlamovsky im Ausschuss. Dieser hat dort gefragt, ob das BMI inzwischen auf den Be­richt der Volksanwaltschaft reagiert hat und ob es in der Zwischenzeit irgend­welche Konsequenzen gegeben hätte, und die Antwort war: Nein. – Dann muss man Innenminister Karner jetzt aber schon fragen, ob die ÖVP daraus nichts gelernt hat oder ob die ÖVP daraus ganz einfach nichts lernen will. – So geht das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben uns auch sehr stark dafür eingesetzt, dass das BVT reformiert wird. Wir waren nicht mit allem einverstanden, aber im Großen und Ganzen hat das Reformvorhaben sehr gut geklungen. Doch was passierte gleich zu Beginn der DSN, also der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, so wie das BVT jetzt heißt, wer wurde dort Leiter? – Der ehemalige Leiter des LKA Niederösterreich, ohne Erfahrung im Geheimdienst, von dem kurze Zeit später ein Video aufgetaucht ist, in dem er die Politik der ÖVP über alle Maßen lobt, und auch ein Foto, auf dem man sieht, wie er in ÖVP-Montur im Wahlkampf Wahlwerbung gemacht hat. Also es hat sich wenig geändert, Sie haben anscheinend wirklich nichts daraus gelernt.

Wenn wir heute den Medien entnehmen können, dass es in der DSN eine rege Fluktuation von Mitarbeitern, viele Abgänge und Krankenstände gibt, und wenn uns Mitarbeiter erzählen, dass es dort schlimmer zugeht als je zuvor, dann ist das alles wenig vertrauenserweckend, weil die ja für unseren Schutz –


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unseren Schutz! – zuständig sind. Ein Mitarbeiter der DSN, den ich schon privat viele Jahre kenne, hat wortwörtlich zu mir gesagt: Weißt du, Andreas, das da drinnen ist eine schwarze Schlangengrube. – Wortwörtlich hat er das so zu mir gesagt.

Noch etwas: Natürlich ist der damalige Innenminister Nehammer nicht direkt für das Attentat verantwortlich, aber die politische Verantwortung, meine Damen und Herren, für das Versagen dieses ÖVP-Sumpfes hat er sehr wohl zu tragen gehabt. (Beifall bei der FPÖ.) In den meisten westlichen Ländern hätte solch ein Skandal den Rücktritt des Innenministers zur Folge gehabt. Nicht so in Österreich, da wird man parteiintern befördert, da wird man vom Innenminister zum Bundeskanzler gemacht, und das, meine Damen und Herren, ist eine wahre Schande.

In Richtung ÖVP: Ich kenne alle Ihre Bekundungen, ich kenne Ihre Zusiche­rungen, ich kenne Ihre Versprechungen, Ihre vielen schönen und gut klingenden Worte in Bezug auf die DSN, eben diese Nachfolgeorganisation, die hier gemacht wurden, aber dazu fällt mir aus heutiger Sicht nur ein Zitat von Goethe ein: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“.

Was wir uns von der DSN erwartet hätten, das wäre eine entpolitisierte Institution, in der nur die Besten der Besten aufgrund ihrer Qualifikation für die Sicherheit unserer Landsleute arbeiten – und genau das, meine Damen und Herren, hätten sich auch die Österreicher erwartet und vor allem auch verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

14.12


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz. – Bitte, Herr Volksanwalt.


14.13.00

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Die letzten beiden Redebeiträge, jener des


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Herrn Präsidenten und jener von Herrn Bundesrat Spanring, haben sich mit diesem Sonderbericht zum 2. November 2020 auseinandergesetzt. Sie haben den Bericht gelesen, Sie kennen die Details – und es gibt nicht nur unse­ren Bericht, sondern es hat unzählige weitere Formen der Aufarbeitung gegeben, es hat zum Beispiel auch den Bericht der Zerbes-Kommission gegeben –, und dazu auch gleich mein erster Punkt:

Es war am Anfang – und das steht ganz zu Beginn – durchaus befremdlich, dass das Innenministerium aus verschiedensten für uns nicht nachvollziehbaren Gründen die Zusammenarbeit verweigerte. Das Befremdlichste war: Ich war da­mals mit einer führenden Mitarbeiterin der Volksanwaltschaft beim Herrn Innenminister und habe gesagt, wir wollen diesen Vorfall, die ganze Werdung bis zu diesem Terroranschlag aus dem Dienstbetrieb des BVT und LVT über­prüfen und wir wollen auch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen dafür haben, weil man aufgrund der Erfahrungen, die man mit anderen Institutionen auch in Österreich hat, eines weiß, nämlich dass, sobald eine Institution über Aktenmaterial verfügt, dieses dann auf einmal – und das beunruhigt mich als Staatsbürger sehr – ganz unversehens in irgendwelchen Medien auftaucht.

Das heißt, bei der Überprüfung dieses sehr brisanten Materials waren wir einerseits darauf bedacht, nicht einzelne Personen namentlich in ihrer Identität an den Pranger zu stellen, und andererseits auch darauf, dass nicht irgend­welche anderen Inhalte nach außen gelangen. Das hat einmal bedeutet: strenges Vieraugenprinzip in der Volksanwaltschaft, wenn jemand überhaupt ein Aktenpapier dort in die Hand genommen hat, Verwahrung im Tresor und Anony­misierungen – alles, was dort möglich ist; das haben wir besprochen. Es waren drei Mitarbeiter, die – wofür ich hier auch meinen Dank aussprechen möchte – mit der Erstellung dieses Berichtes federführend beauftragt waren, direkt im BVT tätig, sodass möglichst wenige Akten aus dem BVT über­haupt herausgekommen sind, dass man die Akten dort eingesehen hat, dass dort Besprechungen stattgefunden haben. Die mussten sich auch als sehr dienstalte, verdiente Beamtinnen und Beamte aus der Volksanwaltschaft


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dort der Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Es wäre ein Streitpunkt gewesen, ob die das notwendig haben oder nicht, aber wir waren eher am zeitlichen Fortschritt interessiert und nicht daran, dass letztlich der Verfassungsgerichtshof über das Detail entscheidet, ob jetzt die Beamten eine Sicherheitsüberprü­fung brauchen oder nicht.

Befremdlich war allerdings, von einem Spitzenbeamten zu hören: Momentan kann eigentlich die Volksanwaltschaft nicht prüfen, weil ein Strafverfah­ren im Gange ist, und außerdem gibt es ja ohnehin die Zerbes-Kommission. – Da mussten wir schon sehr deutlich auf den Inhalt der Bundesverfassung hin­weisen, und vor allem hat es, was die Frage des anhängigen Strafverfahrens be­trifft, offensichtlich – Sie können es nachlesen – einen Rechtsirrtum im Innenministerium gegeben, etwas, was an sich aber nicht passieren sollte.

Demgegenüber war nämlich die Zusammenarbeit mit der Justiz eine ab­solut problemlose. Als wir gesagt haben, wir bräuchten bitte die Niederschriften, die das BAK als Dienststelle des Innenministeriums gemacht hat, wurde uns vom Innenministerium gesagt: Das kriegt ihr nicht, denn das erfolgte im Auf­trag der Staatsanwaltschaft, und die Volksanwaltschaft darf die Staatsan­waltschaft nicht überprüfen! – Wir hätten auch da streiten und bis zum Verfas­sungsgerichtshof gehen können, aber wir haben einfach im Justizminis­terium angefragt, ob wir das haben dürfen, und haben es vom Justizministerium selbstverständlich bekommen.

Also da muss man schon sagen, so möchte ich an sich in der Volksanwaltschaft nicht von den Dienststellen der öffentlichen Hand bedient werden.

Ein letzter Satz: Es ist auch gelungen, diese Geheimhaltung von Unterlagen in der Volksanwaltschaft durchzuziehen. Während eines zweijährigen Prüfungszeitraumes ist nicht einmal das geringste Fuzel Papier aus der Volks­anwaltschaft hinausgegangen, und das erfüllt mich, was die Beamten betrifft, die da tätig waren, mit einem gewissen Stolz. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bun­desrät:innen Platzer, Schreuder und Tiefnig.)


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Ich möchte – weil es natürlich eine starke Aussage ist, die Herr Bundesrat Spanring gemacht hat, indem er gesagt hat, das Attentat hätte sich zu 100 Prozent vermeiden lassen – noch anmerken: Eine hundertprozentige Si­cherheit wird man dabei wahrscheinlich nie haben, aber – mein Aber dürfen Sie auch noch hören – mit dem Wissen von heute und unter der Vo­raussetzung, dass die Behörden, dass die Institutionen der Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaft bei ordnungsgemäßer Berichtlegung durch das BVT die entsprechenden Schritte gesetzt hätten, wäre es zu verhindern gewe­sen. Ich möchte nie ausschließen, dass in der Staatsanwaltschaft oder in der Justiz vielleicht auch Personen sind, die es nicht ganz zusammenbringen – ich bin guter Hoffnung, dass ich vom Gegenteil ausgehen kann –, aber all diese nachzuschaltenden Institutionen wurden gar nicht in die Lage gebracht, entsprechend handeln zu können, und das nicht einen Tag, zwei Tage oder drei Tage, sondern mehrere Monate hindurch.

Ich habe es im Ausschuss so formuliert: Die Vorgangsweise der Terrorbekämp­fung in Österreich – und das stelle ich mir als Laie so vor, dass dort Men­schen tätig sind, die dafür brennen, die, wenn es Verdachtsmomente gibt, dort sofort alles Menschenmögliche machen – ist mir so vorgekommen: Nach­dem der erste Verdacht da war, nämlich ein Polizist des LVT, der das Foto, ein verschwommenes Foto, gesehen hat, damit zu seiner Kollegin gegangen ist und gesagt hat: Hör, das ist doch der, den wir wegen diesem und jenem ver­haftet haben und der auch verurteilt wurde!, und von ihr darin bestätigt wurde, ist dieser dann zum Vorgesetzten beziehungsweise zum BVT gegangen und hat gesagt: Wir glauben, der ist das! – Das sind nämlich – das wird dabei auch vergessen – geschulte Polizeiorgane, die an sich, was Kriminalistik betrifft, schon einen schärferen Blick haben als ein Waffenhändler in der Slowakei. Da muss man zuerst dort nachfragen mit Kalendierungssystemen?

Also da ist es mir so vorgekommen, wie wenn der interne Betriebsverkehr dort folgendermaßen wäre: Ich habe da jetzt eine Meinung zu etwas, einen kri­minalistischen Sachverhalt – ja, bitte schön, prüfen Sie das noch einmal ab!, am


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besten in vierfacher Ausfertigung und mit Stempelmarke; dann kalendie­ren wir das, dann schicken wir etwas weiter; dann wird die Frist nicht erfüllt, was machen wir? – Wir machen eine Urgenz; wir kalendieren dann wieder weiter. – All das erwarte ich mir als normaler Staatsbürger nicht von einer Ter­rorbekämpfung in Österreich, und das ist das Beklemmende und das Bedrückende dabei.

Österreich war – es wurde schon gesagt – vom deutschen Nachrichtendienst gewarnt, dass ein Islamistentreffen in Wien stattfindet. Wer war dort an vorderster Front dabei? – Der spätere Attentäter K. F. Und es gibt ja sogar ein von Deutschland zur Verfügung gestelltes Gefährlichkeitspotenzialcomputersystem. In dieses füttert man Daten, die man hat, hinein, und da sollte hineinkommen: versuchter Munitionsankauf, der Pkw, mit dem er gefahren ist, wo man schon einen Rückschluss hätte ziehen können, dass eine Kalaschnikowmunition gekauft werden sollte, also all diese Details, Teilnahme bei einem Islamistentreffen und, und, und. – Da wären dort die roten Alarmblinker angegangen.

Was war dort? – Die Betreuerin dieses Systems Radar-iTE hat sogar mehrfach urgiert. Da dürfte also etwas bekannt gewesen sein, denn sie hat gesagt: Bitte schön, wann kriege ich denn endlich alle Informationen von dem, damit ich das in dieses System einspeisen kann?

Das hat alles nicht funktioniert, und das ist wirklich – ich wiederhole mich – das Beklemmende an dieser Vorgangsweise. Nicht ohne Grund, glaube ich – daran hat die Republik sehr gut getan –, wurden den Opfern dieses furchtbaren Terroranschlags auch Entschädigungszahlungen angeboten und ausbezahlt, und man hat durchaus erkannt, dass da sehr wohl eine Verantwortung der Republik Österreich vorhanden war, die wir auch auf­zuzeigen versucht haben.

Es ist ganz klar: Es hat eine Berichtspflicht bestanden, von der das Innenministe­rium zunächst gesagt hat, sie habe zu keiner Zeit bestanden, weil der Ver-


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dacht zu gering war. Im Zuge des Strafverfahrens, erst im November des Vorjah­res, haben alle Beschuldigten, die dort waren, gesagt: Es hat eine Berichts­pflicht gegeben, wir wollten es ja auch berichten, aber da war der An­schlag schon da – zu früh! Die Bediensteten, die zuständigen Beamten, haben sich also sogar selbst letztlich in ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu einer Berichtspflicht gesehen, was das Innenministerium der Volksanwaltschaft gegenüber immer geleugnet hat beziehungsweise gesagt hat, diese liege nicht vor.

Sie haben den Bericht gelesen. Es ist ein tragischer Vorfall gewesen, und die angesprochene Veränderung, dass die DSN jetzt entsprechend anders und besser ausgerüstet werden soll, mit mehr Personal, mit Schulungen, mit was auch immer, wird von der Volksanwaltschaft begrüßt. Wir haben das auch in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf entsprechend positiv bewertet.

Nur: Wenn es auf der menschlichen Seite, bei den konkreten Beamten, so nicht funktioniert, wie es dort der Fall war, hilft die beste Organisationsreform nicht, denn menschliches Versagen, ob das ein Zugsunglück oder sonst etwas ist, lässt sich leider nie ausschließen. Eine reine Organisationsreform ist jeden­falls nicht das Allheilmittel, wiewohl wir sehen, dass da eine deutliche Verbesse­rung passiert ist. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder, Schumann und Tiefnig.)

14.23


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Volksanwalt, Herr Dr. Rosenkranz.

Recht herzlich darf ich bei uns eine Gruppe ehemaliger Bürgermeister aus dem Bezirk Linz-Land, also aus Oberösterreich, begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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14.24.05

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die vorliegenden Berichte der Volksanwaltschaft zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, zur präventiven Menschenrechtskontrolle, zum NGO-Forum Soziale Grundrechte sowie eben zum Terroranschlag vom 2. November 2020 zeigen uns, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir hier alle in Form von Gesetzen mitgestalten, im Leben der Bürgerinnen und Bürger Wirkung entfalten. Sie halten uns quasi den Spiegel der gesellschaftlichen Reali­tät vor Augen.

Im Folgenden greife ich explizit drei Themen aus den Berichten heraus, die die Sozial- und Gesundheitspolitik betreffen, die mir ein besonderes Anliegen
sind.

Zum Zustand in den Alten- und Pflegeheimen und damit im Bereich der Pflege zeichnet der Bericht der präventiven Menschenrechtskontrolle 2021 ein bedrückendes Bild. 2021 war immer noch stark geprägt von der Covid-19-Pan­demie, doch das Grundproblem bestand weiter und besteht auch weiter: zu wenig qualifiziertes Personal in der Pflege.

Folgender Satz aus dem Bericht beschreibt die Dramatik der Situation sehr treffend: „Die Schere zwischen berechtigten Erwartungen an eine men­schenwürdige Betreuung und die Realitäten knapper und überforderter Perso­nalressourcen geht immer weiter auf.“ Die Bewohnerinnen und Bewoh­ner bleiben so zunehmend auf der Strecke, weil für sie die Betreuung zu Hause durch mobile Dienste oder 24-Stunden-Betreuung nicht möglich ist, weil sie sich an die Institution Heim anpassen müssen, indem sie das Haus nicht ver­lassen, abends früh schlafen gehen und morgens nicht vor Ankunft des Tagdienstes aufstehen.


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Weniger Personal bedeutet weniger Zeit für individuelle Betreuung und weniger Zeit für Aktivitäten, die den Alltag gestalten, wie beispielsweise nur ein Spaziergang an der frischen Luft, und die Volksanwaltschaft hat wahrgenommen, dass es insbesondere in den Abendstunden zu einer vermehrten Gabe von sedierenden Psychopharmaka kommt.

Die Situation, so wie wir sie jetzt in der Pflege vorfinden, besteht aber nicht erst seit dieser Regierungsperiode. Sie ist das Ergebnis von strukturellen De­fiziten, die über Jahre entstanden sind und nicht ausreichend beachtet wurden.

In dieser Regierung wird intensiv an der Pflegereform gearbeitet. Wichtige Dinge sind schon passiert und weitere wichtige Dinge werden passieren. Die Pfle­gereform, mit der wir uns auch in diesem Gremium hier schon wiederholt befasst haben, ist in Umsetzung, und es werden weitere Schritte und Maßnahmen folgen. Die Pflegereform wird Perspektiven schaffen, unter anderem bei der Ent­lohnung, Wertschätzung und Verlässlichkeit, den Arbeits- und Erholungs­zeiten und natürlich auch bei der Ausbildung – da sind wir eben beim Fehlen von qualifiziertem Fachpersonal.

Das betrifft leider nicht nur die Alten- und Pflegeheime, sondern alle Einrichtungen, welche von der Volksanwaltschaft im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle aufgesucht wurden. Auch in der Betreuung von Menschen mit Behinderung, was ich als Nächstes thematisiere, wird hän­deringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesucht.

Das Thema eines selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderung ist ein wesentlicher Knackpunkt. Durch persönliche Assistenz wird es für Menschen mit Behinderung möglich, ein solches, nämlich selbstbestimmtes Leben, zu führen und dadurch vielleicht sogar auf ein Leben in einer Ein­richtung verzichten zu können. Daher sollte ein Ausbau dieses Angebotes das erklärte Ziel sein, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der UN-Behin­dertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat.


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Seitens des Sozialministeriums wurde bereits eine neue Förderrichtlinie zur per­sönlichen Assistenz erlassen, um die unterschiedlichen Systeme der Bun­desländer und des Bundes zu vereinheitlichen, den Kreis der Anspruchsberech­tigten zu erweitern und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Assistentinnen und Assistenten sicherzustellen. Insgesamt stehen dazu mittlerweile 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Sozialhilfe und in diesem Zusammenhang das Thema Armut ist schließlich das dritte Thema, das ich aufgreifen möchte. In Österreich liegt die Armutsgefährdungsschwelle bei einem Einkommen von monatlich 1 371 Euro. Die Sozialhilfe beträgt im heurigen Jahr 1 054 Euro. Das heißt, die Sozial­hilfe ist nicht mehr dazu geeignet, Armut zu verhindern. Mit dazu beigetragen hat der viel kritisierte Wechsel von verbindlichen Mindeststandards, welche das Lebensnotwendigste absichern sollten, zu festgesetzten Höchstsät­zen, welche sich gerade in Krisenzeiten, nämlich der Pandemie und des Ukrainekrieges, als untauglich erwiesen haben, um Menschen in Notsituationen umfassend zu unterstützen.

Im Rahmen des NGO-Forums gab es viel Kritik an der aktuellen gesetzlichen Regelung zur Sozialhilfe. Sozialhilfe soll als Unterstützungsleistung für Menschen in Notlagen gesehen werden, um eine soziale Teilhabe zu ermöglichen. Es handle sich nicht um eine Charityaktion oder um Almosen. Durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat eine Nivellierung nach unten stattgefunden, eben durch die Einführung dieser schon mehrmals genannten Höchstsätze.

Die Berechnungsgrundlage der Haushaltsgemeinschaften – und da bin ich wie­der beim Bericht der Volksanwaltschaft – führt oft zu massiven Proble­men für die Betroffenen, indem sich nämlich auch die gegenseitigen Abhängig­keiten erhöhen, und die Armutsgefährdung für Kinder ist enorm gestiegen. Die Verfahren dauern zu lange, die Mitwirkungspflicht wird oft überspannt und die erstellten Bescheide sind teilweise unverständlich. Ich glaube, ich könn­te an dieser Stelle etliche Beispiele aus Oberösterreich nennen, die sehr negativ auffallen.


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Die Forderung der Volksanwaltschaft im Zuge des NGO-Forums ist die Ver­ankerung von sozialen Grundrechten in der Verfassung, denn: Wer Grundrechte sichert, sichert auch Persönlichkeits- und Freiheitsrechte. Und das möchte ich jetzt schon an dieser Stelle noch persönlich bemerken: Für mich ist ganz son­nenklar, wir brauchen eine Reform der Sozialhilfe, damit sie ihrer Funktion der Armutsprävention wieder gerecht wird.

Zum Schluss möchte auch ich der Volksanwaltschaft, Ihnen und Ihren Mitar­beiter:innen Dank für Ihre wichtige Tätigkeit, für die umfassenden Berichte Ihrer Kontrolltätigkeit, für die Besuche in den Einrichtungen und das Ernstneh­men der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger aussprechen. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

14.31


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz. – Bitte, Herr Volksanwalt.


14.31.25

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich über den Dank und möchte ihn gerne zurückgeben. Ich möchte mich bedanken, dass sich die gesetzgebenden Körperschaften in Österreich so intensiv und so produktiv mit unseren Berichten auseinandersetzen. Das ist nämlich für die Institution Volksanwaltschaft und für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sehr, sehr wichtig.

Viele Probleme können wir zwar auf kurzem Wege in Kommunikation, in Kooperation mit den Behörden lösen, indem wir sie auf Fehler, Unterlassungen, falsche Einschätzungen hinweisen, indem wir sie ersuchen, im Rahmen der Gesetze eine bürgerfreundlichere, bürgerinnenfreundlichere Auslegung zu wählen, aber in anderen Fällen, bei anderen Problemen kann die Behörde


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bei bestem Willen nicht ein bürger:innenfreundliches Ergebnis erzie­len, weil schlicht und einfach die Rechtslage dagegensteht oder entsprechende gesetzliche Bestimmungen fehlen. In diesem Fall müssen unsere Kritik­punkte, unsere Anregungen dann in den gesetzgebenden Körperschaften dis­kutiert und hoffentlich weiterverfolgt und beachtet werden. Insofern ist es ganz, ganz wichtig, dass wir diese Berichte hier sehr offen und umfassend diskutieren können.

Ich möchte aus meinem Geschäftsbereich drei Beispiele herausnehmen, bei denen ich der Meinung bin, dass die Gesetzgebung da auch ihren Bei­trag zur Verbesserung der Situation leisten muss.

Frau Bundesrätin Buschberger hat schon das Problem in der Pflege angespro­chen. Im Bericht haben wir besonders intensiv die psychiatrischen Ein­richtungen beleuchtet, weil wir dort in der präventiven Menschenrechtskontrolle im Jahr 2021 einen Schwerpunkt gesetzt haben. Wir haben in den Psychia­trien geschaut, ob mit Gewalt, die in solchen Einrichtungen unvermeid­lich ist, professionell umgegangen wird, ob es Gewaltschutzkonzepte gibt, ob im Zuge von Fixierungen die entsprechenden gesetzlichen und menschen­rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, ob die Räumlichkeiten so ge­staltet sind, dass Gewalt möglichst selten vorkommt, und dergleichen.

Wir haben das sehr genau analysiert. Wir waren in nahezu allen psychiatrischen Einrichtungen in Österreich, haben das verglichen und haben festgestellt, dass noch viel zu tun ist. Gewaltschutzkonzepte gibt es in nahezu allen Einrich­tungen, es sind allerdings nicht in allen Einrichtungen alle Mitarbeiter:innen darin geschult. Darauf haben wir die Träger der Einrichtungen aufmerk­sam gemacht.

Wir haben aber auch festgestellt, dass die Räumlichkeiten in vielen psychiatri­schen Einrichtungen veraltet sind und nicht dazu beitragen, ein Klima zu schaffen, in dem Gewalt möglichst hintangehalten wird. Und da ist schon die Politik gefordert, da auch Geld zur Verfügung zu stellen und die sowieso geplanten Modernisierungen dieser Einrichtungen entsprechend voranzutreiben.


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Nicht zuletzt haben wir festgestellt, dass es – wie Sie es im Bereich der Pflege angesprochen haben – auch in der Psychiatrie zu wenig Personal gibt. Das kann ich im Übrigen auch für Jugendhilfeeinrichtungen, für Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und für viele, viele Einrichtungen im Sozialbereich insgesamt sagen.

Ich freue mich, dass Sie gesagt haben, dass schon viele Maßnahmen geplant sind, vor allem in der Pflege. Mein Optimismus ist aber nicht sehr groß, denn wir diskutieren hier den Bericht 2021. Wir werden in Kürze den Bericht 2022 über­mitteln – die Situation hat sich von 2021 auf 2022 in allen genannten Einrichtungen nicht verbessert, sondern eher verschärft –, und wir sind jetzt nahezu in den letzten Tagen des ersten Drittels des Jahres 2023 und noch immer ist die Situation nicht besser, sondern schlechter geworden.

Es gibt Pflegeeinrichtungen, in denen Abteilungen zugesperrt werden müssen, weil nicht genug Personal vorhanden ist. Es gibt Pflegeeinrichtungen, in denen trotz wenig Personal versucht wird, die Bewohnerinnen und Bewohner zu betreuen, was leider dann in manchen Fällen nicht gelingt und dort dann schwere Pflegemissstände festzustellen sind. Wir haben die Situation, dass es lange Wartelisten für Plätze in der Psychiatrie, vor allem in der Kinder­psychiatrie, aber auch in Pflegeheimen und in Jugendeinrichtungen gibt. Dort ist viel zu tun, und ich richte meinen Appell an Sie, dort die nötigen Schritte zu setzen.

Aus dem Bereich der nachprüfenden Kontrolle möchte ich hier im Bundesrat auf ein paar Dinge eingehen, die sich bei unserer Beratung durchziehen und die die Menschen, die in unserem Land leben, fürchterlich aufregen. Es geht um Dinge, bei denen es einheitliche Regelungen des Bundes gibt und die als einheitliche Regelungen kommuniziert werden, die Umsetzung aber bei den Ländern liegt und die Umsetzung dann durchaus verschieden gestaltet wird.

Ein Beispiel aus dem Ihnen vorliegenden Bericht: die Impfungen. Das ist natürlich Schnee von gestern, weil das jetzt alles kein Problem mehr ist, ist aber


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symptomatisch für andere Dinge, die ähnlich gelagert sind: Es gibt eine einheitliche Bundesrichtlinie, die auch kommuniziert wird, und jedes Land macht die Umsetzung dann ein bisschen anders, priorisiert andere Gruppen und erzeugt damit riesigen Unmut.

Weiteres Beispiel: die Covid-Prämien, die für die Pflege bezahlt wurden. Es wurde kommuniziert: Alle, die in der Pflege tätig waren, bekommen eine Covid-Prämie. – Jedes Land macht einen anderen Stichtag, macht die Modalitäten bei der Auszahlung ein bissel anders. Die Beschäftigten verstehen nicht, warum sie anders behandelt werden, wenn sie in Wien gearbeitet haben, als wenn sie in Niederösterreich gearbeitet haben, und noch weniger verstehen sie es, wenn sie die ganze Zeit in der Pflege gearbeitet haben, aber von einem Bundesland in ein anderes gewechselt sind und dann gar nichts kriegen.

Wie wichtig die Berichte sind, zeigt sich daran, dass, wenn man aus den Fehlern lernt, so etwas vermieden werden kann, wenn man aber nicht aus den Fehlern lernt, dasselbe noch einmal passiert. Es gibt jetzt eine Pflegeprämie für Menschen, die in der Pflege arbeiten, und wieder ist es so, dass kommu­niziert wurde, jeder, der in der Pflege tätig ist und dort einsteigt, bekommt einen gewissen Geldbetrag, und wieder ist es so, dass die Umsetzung in den Bundesländern durchaus unterschiedlich ist und etliche, die in der Pflege arbei­ten, durch die Finger schauen und nicht wissen, warum.

So etwas sollte man tunlichst vermeiden. Die Volksanwaltschaft kann da nur bedingt helfen. Wir können das Problem nur aufzeigen, denn die Be­hörden, an die wir uns wenden, berufen sich auf die Rechtslage – die teilweise in den Ländern selbst geschaffen wurde, muss man natürlich dazusagen – und sagen: Na ja, leider kein Rechtsanspruch.

Als letzten Punkt möchte ich auf den Sonderbericht zu den sozialen Grundrechten hinweisen. Wie kommen wir als Volksanwaltschaft dazu, so etwas zu machen? – Es wurde schon angesprochen: Wir sind auch nationale Menschenrechtsinstitution, A-wertig inzwischen, und als solche aufgerufen,


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zusammen mit der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft auch auf die Einhaltung und Verbesserung und stetige Weiterentwicklung der Grundrechte und der Menschenrechte in Österreich zu schauen.

Wir tun das unter anderem, indem wir der Zivilgesellschaft auch eine Plattform bieten, Themen zu diskutieren und an die Politik heranzutragen. Das war im Vorjahr eben zum Thema soziale Grundrechte. Wir haben mit der Zivil­gesellschaft diskutiert, in welchen Bereichen man meint, soziale Grund­rechte zu brauchen und warum man das meint, und wir haben gedacht, da im Regierungsprogramm ja eh die Absichtserklärung geäußert ist, soziale Grundrechte in der Verfassung zu verankern, tragen wir diese Anregungen auch an die Gesetzgebung heran. Ich hoffe, sie fallen auf fruchtbaren Boden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.40


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Volksanwalt, für Ihre Aus­führungen.

Nun ist Frau Mag.a Daniela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.40.58

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksan­wälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, auch ich schließe mich selbstverständlich dem Dank an: einerseits für diese wirklich jedes Mal sehr informativen und umfangreichen Berichte, aber natürlich noch mehr für die Arbeit, die Sie und Ihr ganzes Team leisten, indem Sie nämlich zweierlei Dinge tun, die miteinander verzahnt sind: Sie ver­suchen, und Sie tun das auch tagtäglich, individuelle Problemlagen zu lö­sen, aber mit dieser Konfrontation dieser vielen individuellen Problemlagen entdecken Sie natürlich, wo das System seine Schwächen hat und wo


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man sozusagen systematisch in der Struktur auch hinschauen muss. Dieser Blick darauf und die Rückmeldung an uns, wo politisch hingeschaut werden muss, sind sehr, sehr wertvoll.

Dass die Themen sehr vielfältig sind, hat, glaube ich, schon die aktuelle Debatte dazu hier gezeigt. Wir haben bereits einen ganzen Strauß, einen vielen The­men umspannenden Bogen bearbeitet, und noch dazu ist in diesen Berichtszeit­raum, den wir ja jetzt anschauen, eine Pandemie dazugekommen, die noch einmal alles sozusagen verschärft hat, möchte ich sagen. Diese Pandemie hat doch wie ein Brennglas bei manchen Themen aufgezeigt, wo die Schwachstellen und die Lücken sind, und die sind durchaus in eben all diesen Bereichen zutage getreten: im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, in der Pflege, aber auch in der Freizeit, im Alltag der Menschen, im Konsum, im Tourismus und so weiter. Das hat also wahrscheinlich noch einmal einen Turbo in die Debatte und in die Forderungen gebracht.

Ein Thema, das glaube ich, heute noch nicht zur Sprache gekommen ist, mit dem ich aber immer wieder konfrontiert werde – und das jetzt auch schon mehr­fach in Ihren Berichten vorgekommen ist –, ist eines, das vor allem jun­ge Familien in Österreich betrifft, nämlich das Thema der Auszahlung des Kin­derbetreuungsgeldes durch das Familienministerium.

Da scheint es so zu sein, dass es quasi eine Normfamilie gibt, bei der die Anträge funktionieren, sobald es aber eine Abweichung gibt, im Sinne von: im Ansuchenszeitraum siedelt die Familie oder Elternteile, oder ein Elternteil hat einen Bezug ins Ausland und, und, und, dann scheint es zu stocken und zu Schwierigkeiten zu kommen. Das kann teilweise aber tatsächlich existenziell sein, weil dann die Bearbeitungszeit und quasi das Zugestehen der För­derung durch das Kinderbetreuungsgeld mitunter über Monate verzögert ist, und das kann für eine junge Familie existenzbedrohend sein.

Manchmal kommt es sogar zu Rückzahlungsforderungen, weil ein Formular, ein Nachweis nicht rechtzeitig erbracht werden kann. Auch das scheint häufi­ger vorzukommen, dass es dann zu Rückzahlungsforderungen kommt, die für die


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Familien natürlich erschreckend sind; die sich später wieder in Luft auflösen, aber in jenem Moment große Probleme machen. Und es scheint mir auch so zu sein, dass dabei oft ein bisschen überzogen reagiert wird, da auch im
EU-Vergleich sehr restriktiv eingefordert wird. Es wäre zum Beispiel eine Lö­sungsidee – die haben wir auch im Ausschuss schon diskutiert –, ob Ös­terreich in solchen Fällen, in denen voraussehbar ist, dass sich dieses Problem lösen lässt, nicht in Vorleistung gehen könnte, dass man da sozusagen ent­lang des EU-Rechtes diesen Familien tatsächlich diese Vorleistung gewährleisten könnte, um eben die Existenz abzusichern.

Es kommt auch vor, dass dann einzelne Familienmitglieder nicht versichert sind. – Also das sind lauter Dinge, die man ja nicht wollen kann, auch das Familienministerium natürlich nicht, und deshalb wären da Zwischenlösun­gen sehr angebracht. Ich glaube, da das Thema jetzt schon so oft in Be­richten war, dass es an der Zeit wäre, das im Familienministerium auch zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte noch auf den zweiten Bericht eingehen, jenen, in dem es um die präventive Menschenrechtskontrolle geht. Auch ich begrüße natürlich, dass Sie mittlerweile den A-Status im Rahmen dieser internationalen Menschen­rechtsorganisationen erlangt haben. Ich denke, das ist gut, da gut ver­netzt zu sein und dieses Renommee auch sozusagen mitnehmen zu können.

Diese Opcat-Besuche und -Kontrollen, genau in den Einrichtungen, in denen die Freiheit in Gefahr ist oder in denen es ein Risiko gibt, dass mit der Freiheit möglicherweise nicht ganz korrekt umgegangen wird, sind sehr, sehr wertvoll. Auch da habe ich das Gefühl, dass in den letzten Jahren und Monaten, auch ver­schärft durch die Pandemie angesichts von Personalmangel, von erschwer­ten Rahmenbedingungen in der Arbeit mit den Menschen in den Einrichtungen, durchaus auch die Qualität der Betreuung der Menschen in Gefahr ist beziehungsweise man darauf sehr genau schauen muss. Weniger Ressourcen,


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weniger Personal birgt ein hohes Risiko, dass Menschen schneller ange­halten, angegurtet werden, schneller einer gewissen Form von struktureller Ge­walt ausgesetzt sind, und das gilt es natürlich zu vermeiden.

Ich möchte auch noch auf die Kinder- und Jugendhilfe im Speziellen hinweisen: auf die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, auf die WGs, ein Bereich, in dem es zurzeit einen eklatanten Personalmangel gibt, einen großen Aufschrei, dass man die Qualität nicht halten könne, vor allem auch hinsichtlich des Schutzes der Kinder. Sie haben vorhin den Kinderschutz erwähnt: Wenn der Kinderschutz nicht mehr gewährleistet werden kann, dann ist es, denke ich, notwendig, verstärkt hinzuschauen, Kinderschutz präventiv zu sehen, auch Kontrollmöglichkeiten zu verstärken.

All das hat auch mit den sozialen Grundrechten zu tun. Darum finde ich auch diesen speziellen Bericht über dieses NGO-Forum sehr interessant. So­ziale Grundrechte auch in der Verfassung zu verankern wäre höchst an der Zeit. Wir sind eines der wenigen Länder in der Europäischen Union, die diese sozialen Grundrechte noch nicht im Verfassungsrang verankert haben. Es gab immer wieder Versuche und Anläufe dahin gehend, es wurde auch im Regierungsübereinkommen zumindest angekündigt, dass soziale Grundrechte verankert werden.

Ich weiß nicht, ob das passiert, es liegen hierzu keine Informationen vor. Ich den­ke aber, es wäre notwendig. Auch da hat die Pandemie gezeigt, wie schnell Grundrechte, von denen wir ausgehen, dass sie Basis in unserer Gesell­schaft sind, ins Wanken geraten und auch eingeschränkt werden, weil Situa­tionen es möglicherweise verlangen. Umso mehr spricht alles dafür, die­se sozialen Grundrechte jetzt auch endlich in der Verfassung zu verankern! Das wäre ein wichtiges Ziel. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Das zweite Ziel – meine Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es schon angesprochen – aus diesem NGO-Forum war ja das Thema Armutsbekämpfung


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im umfassenden Sinn. Wir wissen, Armut spielt in die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Bildung, soziale Ausgrenzung, Daseinsvorsorge, also alles Themen, die jetzt gerade wieder an Brisanz zunehmen.

Ich teile Ihre Einschätzung, da verschärfen sich gerade auch Dinge. Wir wissen, dass immer mehr und mehr Familien jetzt wieder von Armut betroffen sind.

Speziell der Bereich Kinderarmut ist mir immer ein großes Anliegen. Ich weiß (in Richtung Volksanwält:innen), das ist nichts, das Sie lösen, aber in Richtung der beiden Regierungsfraktionen: Die EU hat Bestrebungen, mit einer sogenann­ten EU-Kindergarantie in Europa die Kinderarmut zu reduzieren. Jeder Staat soll einen Nationalen Aktionsplan mit Maßnahmen, um die Kinderarmut einzuschränken, vorlegen. Diese Maßnahmen liegen am Tisch, wir wüssten, was es zu tun gibt, aber dieser Aktionsplan ist mittlerweile seit einem Jahr ausständig. Wir erhalten auch schon Mahnungen aus der EU, sie fragt nach: Wo bleibt der Maßnahmenkatalog aus Österreich?

Angesichts der jetzigen Situation, angesichts der Situation, dass Kinder in Armut aufwachsen – wir wissen, was das für die Zukunft unserer Gesellschaft be­deutet, auch volkswirtschaftlich; das später einzufangen ist immer teu­rer, als wenn wir dieses Thema jetzt angehen würden –, diese EU-Kindergarantie liegen zu lassen und der Aufforderung der EU nicht nachzukommen, das empfinde ich ehrlicherweise als einen Skandal, den wir uns als Österreich nicht leisten sollten. Darum mein dringender Appell an die Regierungsfraktionen, endlich diese Pflicht sozusagen zu erfüllen.

(In Richtung Volksanwält:innen:) Ihnen noch einmal Danke für das Sensibel­machen, auch immer wieder hier bei uns, und dafür, an den Themen dranzublei­ben. Hoffentlich gibt es nächstes Mal über noch mehr Fortschritt zu be­richten und hoffentlich konnten manche Themen aus den Berichten verschwin­den, weil sie gelöst sind, das wäre mein Anliegen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.51


14.51.45


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Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesord­nungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie alle Ihre Plätze ein. Herzlichen Dank.

Wir gelangen zur Abstimmung über den 45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „NGO-Forum Soziale Grundrechte“.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Hand­zeichen. – Herzlichen Dank. Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend „Terroranschlag 2. November 2020“.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Herzlichen Dank, meine Herren und meine Dame Volksanwälte. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)


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14.53.2414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG geändert werden (1956 d.B. und 1964 d.B. sowie 11211/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um den Bericht.

Ich darf davor noch Herrn Bundesminister Polaschek bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)


14.53.54

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Herr Präsident! Herr Minister! Ich brin­ge den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schul­unterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG geändert werden. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Kollegin.



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14.54.41

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Gäste, die Sie unsere Sitzung heute hier live oder auch zu Hause via Livestream mitverfolgen! Geschätzter Herr Minister! Ja, wie wir gerade vom Berichterstatter gehört haben: Es geht wie so oft, muss man sagen, um die unterschiedlichsten Materien; die unterschied­lichsten Gesetze sind von dieser Änderung betroffen. Es ist alles Mögliche und Unmögliche, möchte ich fast sagen, in einem Konvolut zusammengefasst.

Man muss dazusagen, das sind unterschiedliche Materien, die man auch entspre­chend unterschiedlich bewerten und beurteilen muss. Daher – das kann ich auch vorweg schon so sagen – können wir in Summe diesem Gesamtpaket unse­re Zustimmung nicht erteilen, auch wenn diese zu einzelnen Punkten für uns durchaus möglich gewesen wäre. Bei den Änderungen des häuslichen Unter­richts zum Beispiel hätten wir durchaus mitgehen können, aber leider ist eben für uns im Bundesrat eine getrennte Abstimmung in der Form nicht möglich.

Aus unserer Sicht muss man sagen: Ja, wo es nur möglich ist, ist natürlich dem Lernen in einer Bildungsinstitution, in einer Schule der Vorrang zu geben, ganz klar. Das aber nicht, weil wir es den Eltern womöglich nicht zutrau­en würden, fachlich, inhaltlich kompetent genug zu sein, um ihren Kindern das entsprechende Kompetenzvolumen mitzugeben, sondern weil das Lernen so viel mehr ist – und ich glaube, da sind wir uns einig – als dieses reine Fakten­wissen, Fachwissen, rein das Vermitteln von Fachkompetenzen. Da geht es auch ganz besonders um das Voneinanderlernen, um das Miteinander­lernen, nämlich um diese soziale Komponente von Lernen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht unter Umständen auch um das Umgehenlernen mit verschiedenen Persönlichkeiten. Das muss auch erst gelernt werden, und das kann man eben nur miteinander. Und dafür, muss man auch sagen – und das sage ich jetzt natürlich als Lehrerin –, gibt es Lehrkräfte, die auch die entsprechende fachdi­daktische Expertise mitbringen, und diese ist mindestens genauso wichtig.


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Dazu aber nur in aller Kürze, meine Kollegin Daniela Gruber-Pruner wird diesen Bereich des Gesetzes dann noch näher ausführen.

Womit ich mich ganz konkret näher beschäftigt habe, no na net, weil es mich auch ganz persönlich in meiner Praxis betrifft, sind die Mika-D-Testungen. Für alle, die es nicht wissen: Es handelt sich dabei um das sogenannte Messins­trument zur Kompetenzanalyse – Deutsch. Das klingt sperrig, ist es aus meiner Sicht auch. Da gibt es Kritik seitens der Forschung, der Wissenschaft zur Sprachförderung, aber auch aus der Schulpraxis ganz konkret. Man muss wirklich ganz ehrlich sein – und ich hoffe, dessen sind Sie sich auch bewusst –: Das Urteil ist teils wirklich vernichtend und stellt diesem Konzept, also der Deutschförderklasse, den Mika-D-Tests, allem, was damit zusammenhängt – diese beiden Bereiche sind ja in Wahrheit untrennbar miteinander
verbunden –, ein vernichtendes Urteil und alles andere als ein gutes Zeugnis aus.

Wie lernt man denn eine Sprache am allerbesten und am allerleichtesten? – Na natürlich in einem Umfeld, in dem diese Sprache auch tatsächlich gespro­chen wird! So logisch und so einfach wäre das in Wahrheit.

Was aber passiert in Österreich? – Da passiert in Wahrheit genau das Gegenteil, man trennt Kinder, man trennt Jugendliche, nämlich von ihrer Regelklasse, und setzt sie in eigene Deutschförderklassen, in denen aber niemand ist, der Deutsch als Erstsprache spricht. Man trennt die Kinder also nicht nur von der Sprache, die sie eigentlich lernen sollen, man trennt sie auch von der Möglichkeit, sich in eine Klassengemeinschaft einzufinden, dort hineinzuwach­sen. Und dazu kommt noch: Es geht ja auch darum, den Fächern Mathe­matik, Geometrie, Biologie und vielem anderen mehr – Sie kennen den Fächer­kanon genauso gut wie ich – folgen zu können. Wie soll das gehen, wenn die Kinder aus diesen regulären Fächern jedes Mal herausgenommen werden?

Man separiert also, man trennt. Ich glaube einfach – und das traue ich mich jetzt, einfach so zu interpretieren –, man will gar keine Integration, und das sage ich jetzt ganz bewusst in Richtung ÖVP.


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In Wahrheit ist die Mika-D-Testung aus meiner Sicht ja die Spitze des Eisbergs, wenn man das sagen möchte. Die Kritik aus der Praxis geht ganz klar in die Richtung, dass man sagt: Da geht es eigentlich um ein reines Abfragen von grammatikalischem Wissen; also da geht es darum, dass ein Kind unter­scheiden kann, ob es sich um ein Objekt im dritten Fall oder um ein Objekt im vierten Fall handelt, oder dass man zwischen einer Orts- und einer Zeit­ergänzung unterscheiden kann.

Gut, ich frage mich jetzt als Lehrerin halt schon, ob das ein Urteil darüber abgeben kann, ob eine Schülerin, ein Schüler dem Regelunterricht dann auch wirklich folgen kann oder nicht. Ich persönlich halte es für realitätsfern, denn ich glaube, dass das Multiplizieren schon auch ohne das Wissen, was eine Zeitergänzung ist, möglich ist. Das ist aber meine persönliche Sicht der Dinge.

Ich muss aber auch Folgendes dazusagen: Das sehen nicht nur wir als Sozial­demokratie so, sondern uns geben eigentlich alle Fachexpertinnen und Fachexperten, alle Wissenschafterinnen und Wissenschafter recht. Mir per­sönlich ist keine Befragung, keine Studie bekannt, die diesem Konzept ein positives Zeugnis ausstellt – keine einzige!

Es gibt zum Beispiel – und diese ist Ihnen sicher bekannt – eine Aussage der Bildungspsychologin Christiane Spiel zu genau diesem Konzept, zu den Deutschförderklassen und den Mika-D-Tests. Man höre und staune bitte und muss das dick und fett unterstreichen, sie sagt nämlich in einem Interview mit dem „Standard“ im Zusammenhang mit Deutschförderklassen: „In Österreich haben wir dauernd Blindflug.“ – Wenn ich es in Noten formulieren möchte, wäre das wahrscheinlich ein Nicht genügend.

Es gibt zum Beispiel auch noch eine Befragung von Lehrer:innen, die mit den Mika-D-Tests befasst sind, durchgeführt von der Universität Wien. Ich habe (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend) die Zusammenfassung mitgebracht. Da wurden eben jene befragt, die tagtäglich mit diesem Ins­trument zu tun haben, nämlich die Lehrkräfte selber. Ich muss gestehen, eine


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Aussage ist vernichtender als die andere, ich kann da wirklich nur einzelne herausgreifen: Über 40 Prozent meinen, dass ein standardisiertes Screening von Schüler:innen in diesem Ausmaß nicht sinnvoll ist. 46 Prozent sagen, dass mittels Mika-D eher nicht möglich ist, Entscheidungen über Ressour­cen eindeutig zu treffen. Die Hälfte der betroffenen Lehrkräfte sagt, es ist kein gutes Instrument. Über 50 Prozent – nämlich fast 54 – finden es eher nicht gut, dass alle Schüler:innen mit geringen Deutschkenntnissen damit getestet werden.

Weiters ist auch davon die Rede, dass Lehrer:innen und Schulleitungen aufgrund dieses Konzepts vor enorme Herausforderungen gestellt werden: dass die Räumlichkeiten fehlen, dass die personellen Ressourcen fehlen. Einen Satz möchte ich wirklich wortwörtlich zitieren, weil er aus meiner Sicht sehr vielsagend ist: „Es sollte nicht sein, dass Schüler*innen mit mangelnden bzw. unzureichenden Deutschkenntnissen als Belastung erlebt werden“. – Ich glaube, das sagt vieles aus.

Es wird auch festgestellt, „dass Schüler*innen mit einer anderen Erstsprache als der Unterrichtssprache am besten durch sogenannte Sprachvorbilder lernen. Diese Möglichkeit wird ihnen durch die (teilweise) Segregation von ihren Mitschüler*innen genommen“. Weiters heißt es: „Eine bestmögliche Sprachför­derung bei gleichzeitiger Inklusion aller Kinder in den Unterricht sollte im Bildungssystem oberste Priorität haben.“ – Ich glaube, dem ist nichts hinzuzu­fügen. Allerdings passiert in Österreich eben genau das Gegenteil.

Kommen wir aber noch zum dritten Teil, der wie gesagt in diesem Konvolut auch Thema ist, nämlich zur Pflegelehre, die da auch einige Veränderungen er­fahren soll. Ja, wir wissen das alle – und ich glaube, da sind wir uns einig –: Wir stehen vor einem veritablen Pflegenotstand, in einer Pflegekrise oder sind in Wahrheit schon mittendrin. Es fehlen in nahezu allen Regionen Öster­reichs Pflegekräfte. Gleichzeitig steigt auch der Bedarf an der entspre­chend qualitativ hochwertigen Pflege kontinuierlich an. Wir werden zwar alle älter, aber nicht immer gesünder. Wir brauchen also vielfach mehr Pflege


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und schon früher Pflege, als wir uns das wünschen würden. Es braucht also Maßnahmen – das ist ganz klar, da sind wir uns einig.

Aus unserer Sicht ist die Pflegelehre da aber nicht der richtige Weg, denn jemanden zu pflegen ist eine hochsensible Tätigkeit, eine körperlich wie psychisch immens anstrengende Tätigkeit, die, glaube ich, ein immens hohes Maß an Resilienz erfordert. Das kann man in Wahrheit einem so jungen Menschen, mit 15, 16 Jahren, gar nicht zumuten. Das heißt, aus unserer Sicht ist die Pflegelehre an sich schon sehr zu hinterfragen (Bundesrat Schennach: Zumindest mit 15, 16!), auch wenn – und das möchte ich schon positiv anmer­ken – die Intention dahinter womöglich auch eine gute gewesen ist.

Die Ausbildung – dessen müssen wir uns auch bewusst sein – im Rahmen so einer Lehre braucht aber auch entsprechendes Personal, eben für die Ausbildung selbst, aber natürlich auch für die Qualitätssicherung und den Patienten­schutz. So steht es ja auch im Gesetzentwurf, den wir nun zu beschließen haben. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen: Wir brauchen die Pflege­kräfte draußen am Pflegebett, und zwar ganz, ganz dringend. Das heißt, diese beiden Dinge passen in Wahrheit nicht zusammen, wenn uns auf der ei­nen Seite das Personal sowieso schon fehlt und wir es dann sozusagen auch noch in die Pflegelehre wegnehmen. Das kann uns unterm Strich also nicht nachhaltig helfen.

Kurz zusammengefasst – das gilt für alle drei Bereiche, die ich gerade angespro­chen habe –: Gut gemeint ist halt leider nicht immer gut gemacht und gut umgesetzt.

Herr Minister, ich möchte Ihnen vielleicht noch mitgeben, dass wir als Sozialde­mokratie die letzten Monate, Jahre laufend Ideen, Konzepte, wie es gehen könnte, liefern. Ich glaube, Sie müssten nur einmal einen Blick hinein riskieren, denn gerade in den Bereichen, die ich gerade angesprochen habe, in der Bildung, in der Pflege, muss es um Lösungen und nicht um Ideologien oder um


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Parteipolitik gehen. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist euch völlig fremd!) Ich glau­be, da könnten Sie durchaus einmal ein Auge drauf werfen und einen Blick riskieren. Es würde nicht schaden, ganz im Gegenteil. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Bernhard Hirczy. – Bitte, Herr Kollege.


15.06.07

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: So, Herr Hirczy, jetzt werden wir sehr neugierig sein!) Diesen breit gefä­cherten Worten meiner Vorrednerin darf ich mich eigentlich gleich einmal mit einem Dank anschließen, denn es ist schon erwähnt worden, wie vielseitig diese Novelle ist. – Ich möchte also dir, Herr Bundesminister, und deinem Team einen Dank dafür aussprechen, da es immer wieder notwendig ist, an den richtigen Schrauben zu drehen, nachzujustieren und eben entsprechende Anpassungen an die gegebenen Umstände zu tätigen. Dafür sage ich ein herzli­ches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wir wissen, dass die Grundlage des Zusammenwirkens von Lehrern, Schülern und Erziehungsberechtigten als Schulgemeinschaft im SchUG geregelt ist. Ich darf an dieser Stelle auch erwähnen, dass ich persönlich grundsätzlich dafür bin, dass Schülerinnen und Schüler in Bildungseinrichtungen unterrichtet werden. Eltern nehmen manchmal ihre Kinder aus dem staatlichen System he­raus. Dies birgt leider Gottes auch Gefahren. Wir wissen einerseits natür­lich von der Möglichkeit, im Privatunterricht, wenn die finanziellen Mittel gege­ben sind, einen guten Unterricht zu gewährleisten. Dieses Vorgehen birgt aber auch die Gefahr, dass dann, wenn dieser Unterricht nicht Qualitätskriterien entspricht, Defizite, Langzeitfolgen entstehen und eben die Fähigkeiten im Lesen und Schreiben auf der Strecke bleiben, und das kann man dann


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sehr schwer aufholen. Es geht um klare Richtlinien für den häuslichen Unterricht, um die bestmögliche Förderung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten.

Seit 1774 gibt es in Österreich die allgemeine Schulpflicht. Diese ist für Kinder und Jugendliche wichtig, aber auch für alle Generationen. Ich möchte hier das Stichwort lebenslanges Lernen nennen. Der Fokus muss aber immer ganz klar auf dem Thema Kindeswohl bleiben. Schulen tragen Verantwortung für die Qualität ihrer Arbeit und auch die Qualität ihrer Ergebnisse. Dies gilt auch für den häuslichen Unterricht. Konkret geht es darum, dass dieser Unterricht Rechtsklarheit erhält und auch nachvollziehbar wird. Diese Novelle dient daher aus meiner Sicht in erster Linie dafür, Klarheit zu schaffen und das Verständ­nis der Eltern beziehungsweise der Erziehungsberechtigten zu schärfen.

Kinder sollen aus meiner Sicht – aus meiner persönlichen Sicht – in Bildungsein­richtungen unterrichtet werden, da wir einerseits sehr gutes Fachpersonal an unseren Schulen haben. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass Sie (in Richtung Bundesminister Polaschek) Initiativen setzen, um weitere Pädago­ginnen und Pädagogen in unsere Schulen zu bekommen.

Ich darf darauf verweisen, dass es andererseits aber auch um das Erlernen so­zialer Kompetenzen, um die Klassengemeinschaft geht. Es geht da auch um einen klaren, strukturierten Unterricht, es geht um einen hohen Anteil echter Lernzeit. Diesbezüglich verweise ich auch auf ideale Lernformen in Grup­pen oder in Teams. Es geht um sinnstiftendes Kommunizieren und es geht um eine Methodenvielfalt. Das ist in unseren Schulen gegeben.

Ich darf auch auf die zehn Merkmale des guten Unterrichts nach Hilbert Meyer verweisen. Davon kann man lernen, darauf baut der Unterricht in Öster­reich zum Großteil auf und sie werden auch an unseren Hochschulen gelehrt – das alles macht mich auch sehr stolz.

Es gibt viele weitere Punkte und Aspekte, die notwendig sind – das gilt es zu unterstreichen. Ich möchte aber auch festhalten, dass individuelles För­dern heißt, jeder Schülerin und jedem Schüler die Chancen zu geben, ihr oder


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sein motorisches, intellektuelles, emotionales und soziales Potenzial um­fassend zu entwickeln und sie beziehungsweise ihn dabei durch geeignete Maß­nahmen zu unterstützen. Dies ist eben durch den Unterricht an unseren Schulen gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Gruber-Pru­ner und Schreuder.)

Ich möchte auch festhalten, und das ist mir wichtig, dass viele Eltern, fast alle Eltern, unserem Bildungssystem vertrauen. Sie haben großes Vertrauen in unsere vielen Pädagoginnen und Pädagogen. Und wir haben auch viele Schul­leiterinnen und Schulleiter, die sich entsprechend einbringen, sich Gedan­ken machen und bei der Schulentwicklung maßgeblich mit dabei sind. Ich möch­te auf Pilotprojekte und tolle Schulformen verweisen: Es gibt Naturpark­schulen, es gibt Schulen mit Schwerpunkt Sport, Informatik, aber auch moderne I-Pad-Schulen. Der Bogen wird also sehr weit gespannt; das reicht von der Volksschule bis hin zu den Universitäten. Wir haben sehr viele Erfolgsbeispiele und sehr viele Persönlichkeiten, die sich federführend einbringen.

Wir können stolz auf unser differenziertes Schulsystem sein, und ich bin auch stolz auf die duale Ausbildung in Österreich. Da ich selbst an einer Berufs­schule unterrichte, ist es mir wichtig, einerseits auf das differenzierte Schulsys­tem zu verweisen, aber auch zu betonen, dass wir in Österreich eine duale Ausbildung haben. Die Schnittmenge ist wichtig und wir profitieren beidseitig, da es darum geht, jungen Menschen das nötige Rüstzeug zu geben und ihnen gleichzeitig über den Beruf eine persönliche Lebensentfaltung – an einem Arbeitsplatz irgendwo in der Wirtschaft – zu ermöglichen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es bedingt durch die Coronapandemie sehr viele Anträge bezüglich des häuslichen Unterrichts gegeben hat. Daher sind die Schritte und Maßnahmen notwendig gewesen, die mit dieser Novelle gesetzt worden sind.

Ich möchte auch die Gelegenheit nützen, um auf eine neue Situation aufmerksam zu machen, die wir als Pädagoginnen und Pädagogen an unseren


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Schulen bemerken: Ich möchte die künstliche Intelligenz Chat-GPT erwäh­nen. Da stehen wir vor neuen Herausforderungen. Ich sage lapidar: Wer jetzt wirklich die Hausübung geschrieben hat, wer das Referat in 30 Sekun­den mit dieser Software gemacht hat, ist derzeit nur sehr schwer nachzuprüfen.

Es gibt dazu aber sehr viele gute Informationsmöglichkeiten. Ich möchte zwei Beispiele anführen: Einerseits habe ich in meiner Heimatgemeinde Jen­nersdorf in der I-Pad-Schule einen Vortrag miterleben dürfen, in dem Szenarien aufgezeigt worden sind, was möglich ist, welchen Einfluss das Ganze hat und wie wir als Pädagoginnen und Pädagogen dem begegnen können. Es gab auch an der Pädagogischen Hochschule Steiermark in Graz eine interes­sante Podiumsdiskussion, und im Rahmen dieser Diskussion ist eindeutig festge­halten worden, dass es immer zwei Seiten gibt.

Die Veranstaltung hieß: KI im Schulsystem: Fluch oder Segen? – Die Experten kamen zur Auffassung, dass es beide Seiten gibt. Eine Expertin am Podium hielt fest: „Chat-GPT gibt auch schon den Schülern die Möglichkeit, sich indivi­duell auf einen Leistungstest vorzubereiten. Das gibt den Schülern schon auch die Chance, auch Jugendlichen aus bildungsfernen Haushalten, an Wissen zu kommen, auch wenn Eltern nicht die Möglichkeit haben, um Nachhilfe­unterricht zu finanzieren.“ – Es ist also einerseits eine Gefahrenquelle, es birgt aber auch die Chance in sich, gezielt Informationen so zu verarbeiten, dass man sie auch entsprechend verwerten kann.

Ich möchte abschließend festhalten – die Themenbereiche wurden von meiner Vorrednerin bereits erwähnt –: Maßnahmen sind notwendig, Novellierun­gen sind immer gefragt. Am Ende des Tages kommt es auf die Lehrperson im Klassenzimmer an. Diese kann einen hervorragenden Beitrag leisten, und wenn diese Person die Schülerinnen und Schüler abholt, so wird es uns gelingen, das gute System in Österreich auch nachhaltig zu bewahren.

Ich bedanke mich bei dir, Herr Minister, und ich sage, dass wir dieser Novelle die Zustimmung erteilen werden. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

15.13



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 217

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Bundesrat Günter Pröller zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.


15.13.39

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem vorlie­genden Entwurf werden aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre Anpassun­gen der Regelungen für den häuslichen Unterricht vorgenommen. Es sind Anpassungen, die einerseits für Rechtsklarheit und somit für mehr Nachvoll­ziehbarkeit sorgen sollen, andererseits sollen sie einem besseren Ver­ständnis dienen.

Geschätzte Damen und Herren, bereits in der Vergangenheit haben zahlreiche Eltern ihre Kinder immer wieder vom Schulunterricht abgemeldet und zum häuslichen Unterricht angemeldet. Das war vor Corona so und es ist heute immer noch so. Doch während der Coronamaßnahmen dieser Regierung ist der Anteil jener Kinder, die zu Hause unterrichtet wurden, sprunghaft ange­stiegen. Ursache waren die Zwangsmaßnahmen dieser Bundesregierung, es war das Coronaregime, das an unseren Schulen geherrscht hat. Es war die Maskenpflicht, die man sogar den jüngsten Kindern mit sieben oder acht Jahren zugemutet hat. Es war das tägliche Bohren in der Nase beim Nasen­bohrertest. Das alles hat dazu geführt, dass Kinder verschreckt wurden, Angst hatten und teilweise sogar traumatisiert wurden.

Für Sie von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS ist die Pandemie abgehakt, sie den­ken, die Menschen werden das vergessen. Eines aber kann ich Ihnen ver­sprechen: Die Eltern, die Kinder, die Jugendlichen und vor allem wir von der FPÖ vergessen nicht, vor allem das nicht, was Sie unseren Kindern und Jugend­lichen angetan haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Höhepunkt der psychologischen Folgen für unsere jungen Menschen steht leider erst bevor. Viele Kinder und Jugendliche sind komplett leer, ihre psychischen Abwehrkräfte sind aufgebraucht. Vieles ist da noch nicht aufgear­beitet worden, und trotzdem erwarten Sie von den jungen Menschen jetzt,


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dass sie wieder funktionieren, als wäre nichts gewesen. Wir sehen leider, wohin das geführt hat: zu einer Zunahme von Ängsten, Depressionen, Essstörun­gen und vielem mehr. Ich habe aber das Gefühl, Ihnen ist das egal.

Daher ist es notwendig, einen Coronafonds wie in Niederösterreich in ganz Österreich rasch umzusetzen. Da hoffe ich auf die ÖVP, denn es geht da einerseits um die Rückzahlung der Strafen, die vorgesehen waren, vor allem aber auch darum, dass damit die Kosten der Behandlungen für unsere Kin­der und Jugendlichen abgedeckt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, man will jetzt die Gründe erheben, warum Kin­der zum häuslichen Unterricht angemeldet werden. Anstatt dass Sie, Herr Minister, sich bei den Kindern, den Jugendlichen und den Eltern entschuldigen, erlassen Sie eine Verordnung betreffend den häuslichen Unterricht und verschärfen sogar teilweise die Regelungen. Es wäre notwendig oder gerecht gewesen, dass wir Verbesserungen hineinschreiben, zum Beispiel die Gleichstellung mit jenen Schülern, die sich in der Tagesschule befinden, dass man auch im häuslichen Unterricht Stoffbegrenzungen umsetzen kann oder auch unterjährig Prüfungsmöglichkeiten schafft. Das wäre sinnvoll.

Anstatt aber Verbesserungen hineinzuschreiben, gibt es wie gesagt Verschär­fungen. Da frage ich mich schon: Was wollen Sie damit erreichen? Wol­len Sie den Eltern, den Kindern tatsächlich nachspionieren? Wollen Sie nach­schauen, ob die Kinder wirklich brav im Wohnzimmer sitzen oder richtig unterrichtet werden? – Das glaube ich nicht.

Insgesamt sind die Verschärfungen in dem Paket, wie sie jetzt vorliegen, für uns nicht notwendig. Das ist wieder ein Zeichen der Regierung, dass sie die Frei­heit des einzelnen Menschen eingrenzen will. – Nicht mit uns! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, wir haben andere Probleme im Bildungsbereich. Viele Experten kritisieren den Gesamtzustand des Bildungssystems und for­dern nachhaltige und mutige Reformen. Das Schulsystem ist teilweise veraltet,


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es gibt immer noch keinen flächendeckenden Internetzugang. Der Lehrer­mangel ist eine große Herausforderung, Lehrergewerkschaften läuten bereits seit Langem die Alarmglocken. Für Sie ist das vermutlich eine Überra­schung, Herr Minister, aber den Lehrermangel hat man schon vor zehn Jahren vorhersehen können, die demografische Entwicklung ist bekannt. Sie aber setzen leider keine oder die falschen Maßnahmen. In dieser Zeit wurde die Aus­bildung sogar noch verlängert, was auch dazu geführt hat, dass dieser Be­ruf weniger attraktiv geworden ist. Und dann noch dazu die Coronamaßnahmen: Diese haben auch viele junge Studenten vertrieben, die den Beruf vielleicht ergreifen wollten.

Die Pädagogen leisten aber sehr gute Arbeit, wertvolle Arbeit vor allem für die Kinder, und das auch in der Coronazeit. Ich möchte mich hier auch wirklich für diese Leistung bedanken, die sie tagtäglich für unsere Kinder erbringen. Ich schätze das. Leider gibt es aber gerade in letzter Zeit einige Aktionen, die ich und auch wir alle nicht akzeptieren sollten.

Einerseits durfte in oberösterreichischen Schulen aus Rücksicht auf Nichtchris­ten keine Ostertradition stattfinden. Weder das Schmücken mit Palm­zweigen noch den Besuch eines Ostermarktes durfte es geben. Das ist für mich ein weiterer Ausdruck einer falsch verstandenen Toleranz zulasten unserer Tradition, unserer Werte und unserer Kultur. Dazu fällt mir wieder ein: Das ist vorauseilender Gehorsam. Immer mehr Werte und Traditionen in unserem Land werden leider aufgegeben. Wer zu uns kommt und hier leben will, muss auch unsere Kultur akzeptieren.

Weiters: Die Klimakundgebungen werden mancherorts zu schulbezogenen Veranstaltungen erklärt und finden während der Unterrichtszeit statt. Kundgebungen mit parteipolitischen Inhalten sind sicher kein Bildungsauftrag, Parteipolitik hat in den Schulen nichts verloren. Neutrale, sachpolitische Darstellungen im Unterricht zu lehren, zu diskutieren, ja; aber nein zu einer ideologisch einseitigen Beeinflussung der Schüler. (Bundesrätin Hahn: Da redet der Richtige!) Das Demonstrationsrecht ist für unsere Demokratie sicher ein


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hohes Gut – es hat auch einen Wert –, aber die Teilnahme an Demonstra­tionen muss freiwillig und vor allem in der Freizeit erfolgen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher: Schauen wir genau hin! Es sind immer nur wenige Lehrerinnen und Leh­rer. Diese sollen sich wieder auf den Unterricht konzentrieren und keine Parteipolitik machen. Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister: Schauen Sie auf die Vorfälle! Setzen Sie Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungssystems! (Beifall bei der FPÖ.)

15.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Für den nächsten Tagesordnungspunkt gekommen, aber bereits jetzt auf der Regierungsbank befindlich ist unser Herr Außenminister, den ich sehr herzlich begrüßen darf. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Frau Kollegin.


15.21.00

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn ich mir meinen Vorredner von der FPÖ so anhöre, wie er von Aktionen spricht, die die FPÖ kritisieren, kann ich nur betonen: Da halte ich es wie meine Kollegin Sibylle Hamann aus dem Na­tionalrat und kann nur sagen, ich bin froh, dass ich nicht im Niederöster­reichischen Landtag sitze und wir nicht allen Ernstes über Unsinnigkeiten wie eine Deutschpflicht am Pausenhof diskutieren müssen. Da bin ich schon recht froh, dass wir im Bundesrat sind. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Ja, die vorliegenden Regierungsvorlagen umfassen viele Bereiche, und es geht um einige sehr sinnvolle Änderungen im Schulrecht. Ich möchte im Speziel­len auf zwei eingehen, die mir besonders wichtig erscheinen.


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Das sind einerseits die Deutschförderklassen und sonstige Deutschfördermaß­nahmen. Ich denke, es wird nicht verwundern, wenn ich sage, dass weder die Deutschförderklassen noch die genannten Mika-D-Tests unser Ansatz wären.

Wir arbeiten in diesem Bereich, wie Marco Schreuder bei einem anderen Bereich schon erwähnt hat, mit dem, was möglich ist. Insofern kann ich sagen, dass wir da schon einige Verbesserungen vorgesehen haben. Ich glaube, uns allen sollte es das wesentlichste Anliegen sein, dass alle Kinder in Österreich die gleichen Bildungschancen haben. Dafür ist nun einmal die Basis, dass Kinder und Jugendliche dem Unterricht folgen können – und das so früh und so schnell wie möglich – und dafür die bestmögliche Förderung erhalten.

Wie gesagt, es sind uns da einige Verbesserungen gelungen. Wir haben vorgese­hen, dass die Förderung nicht nach dem Ende des außerordentlichen Sta­tus endet, sondern weitergeht. Um diese bestmögliche Förderung der Kinder zu ermöglichen, haben wir 4,5 Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt.

Gewisse Anpassungen in der Deutschförderung sind immer wieder notwendig. Die Lehrerinnen und Lehrer beziehungsweise die Schulen sollen die Deutschförderung flexibler gestalten können, wofür wir zusätzlich 10 Millionen Euro bereitstellen. Da geht es zum Beispiel um die Möglichkeit des Team­teachings, wenn es notwendig ist, um individuelle Förderung, um die Verringe­rung der Gruppengrößen.

Wir haben auch Änderungen und zumindest eine Flexibilisierung in der Sprach­standsfeststellung, bei den sogenannten Mika-D-Tests, vorgenommen. Eine Testung und damit ein Übertritt in die Regelklassen ist jetzt auch unter­jährig möglich. Das ist besonders sinnvoll im Hinblick darauf, dass wir Laufbahnverluste möglichst vermeiden müssen. Wie gesagt, auch da haben wir versucht, wirklich Verbesserungen vorzunehmen.


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Der zweite Bereich, der mir auch ganz wichtig ist, ist der auch schon genannte häusliche Unterricht. Wir wissen, dass sich zu Zeiten der Coronapande­mie die Zahl der zum häuslichen Unterricht gemeldeten Kinder verdoppelt hat. Dieser Trend ist zwar wieder rückläufig, dennoch war die Entwicklung relativ alarmierend.

Auch wenn es gute Gründe dafür gibt, dass Kinder in Bildungseinrichtungen un­terrichtet werden – dazu zählen natürlich das Erlernen sozialer Kompe­tenzen durch den Umgang in der sozialen Gruppe und auch der Umstand, dass die Kinder von ausgebildetem Fachpersonal unterrichtet werden –, sollen diese Änderungen nicht dazu führen, dass es den Eltern möglichst schwer ge­macht wird, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, wenn sie das möchten, und dass die Kinder quasi in die Schulen gezwungen werden, sondern es geht einfach darum, dass wir kein Kind zurücklassen dürfen.

Lassen Sie mich das vielleicht ein bisschen genauer ausführen! Durch meine Ar­beit als Pädagogin und auch als Mutter, die aus dem alternativpädagogi­schen Bereich kommt, habe ich gerade in den letzten Jahren vermehrt mit Eltern, mit Familien zu tun gehabt, die ihre Kinder tatsächlich zum häuslichen Unter­richt angemeldet haben. Da ist meine Wahrnehmung eine ganz andere gewesen, als sie oft von FPÖ-Seite gezeichnet wird.

Die Eltern, die ich kennengelernt habe, haben ihre Kinder einfach deswegen zu Hause unterrichten wollen, weil sie die Kinder vor Ansteckung schützen wollten, und nicht, weil ihnen der Gedanke von Masken vor dem Mund die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hat – nur so viel dazu, am Rande. (Beifall bei den Grünen.)

Ich konnte jedenfalls bei den Eltern, mit denen ich zu tun habe, beobachten, dass viele dieser Eltern die Herausforderungen des häuslichen Unterrichts gravie­rend unterschätzt haben und einige nach kurzer Zeit wirklich massiv überfordert waren.


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Mit den Änderungen, die wir vornehmen, sichern wir in erster Linie die Eltern ab und schützen damit auch die Kinder. Eltern müssen in Zukunft genauer be­kannt geben, wo und von wem die Kinder unterrichtet werden, sie müssen ein pädagogisches Konzept vorlegen, sie müssen bekannt geben, nach wel­chem Lehrplan sie unterrichten wollen. Allein diese Überlegungen im Vorfeld anzustellen gibt den Eltern schon eine Vorstellung davon, was es heißt, die Kinder zu Hause zu unterrichten, und es hilft ihnen auch, hoffe ich, sich selbst und ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen.

Bei der letzten Novellierung des Schulpflichtgesetzes haben wir mit den Reflexionsgesprächen zu Beginn des Sommersemesters schon ein Sicherheitsnetz eingezogen. Es ist nur eine logische Konsequenz oder eine logische Folge, dass wir das jetzt auch auf die Vorschulstufen ausweiten.

Eine weitere wichtige Änderung ist, finde ich, auch, dass die Möglichkeit besteht, die Externistenprüfung nachzuholen. Da geht es wieder um diesen Lern­bahnverlauf, darum, dass die Lernbahnunterbrechung möglichst vermieden wird.

Wie ich schon erwähnt habe: Alle Kinder in Österreich sollten die gleichen Bildungschancen haben – alle Kinder in Österreich sind gleich viel wert –, und dafür haben wir, glaube ich, einige wichtige Schritte gesetzt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

15.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Kollegin.


15.28.19

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich darum zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet, weil mir der häusliche Unterricht und die Vorstellung


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davon tatsächlich starkes Bauchweh verursachen. Ich möchte auch erklären, warum.

Ich bin da offenbar diametral anderer Meinung als einer meiner Vorredner von der FPÖ und auch skeptischer als meine Vorrednerin von den Grünen. Ich befürworte, dass nach Maßnahmen gesucht wird und Maßnahmen eingeleitet werden, ich glaube ehrlich gesagt nur, dass es noch zu wenige sind.

Meine Vorstellung vom Bildungssystem, nach dem wir streben sollten – unsere ganze Energie sollte in die Verwirklichung eines solches Bildungssystem
gehen –: Es sollte ein Ort sein, an dem alle Kinder gut aufgehoben sind (Beifall bei der SPÖ), egal welche Voraussetzungen sie mitbringen, egal welches Bedürfnis spezieller Art sie möglicherweise haben. Sie sollen bestmöglich in ihrer Entwicklung begleitet werden und in ihren Talenten gefördert werden. Im Idealfall fühlen sich Kinder dort sicher, fühlen sich Eltern sicher, dass es ihren Kindern dort gut geht, und fühlen sich natürlich auch alle Mitarbeiter:in­nen dort wohl.

Wie wir heute schon gehört haben, ist es ein Ort, an dem nicht nur Wissen ver­mittelt wird, sondern es ist ein sozialer Ort, an dem Kinder und Jugendli­che unter Gleichaltrigen lernen, sozial lernen. Es sind dort pädagogisch geschulte Fachleute im Einsatz, die möglicherweise nicht nur erkennen, wo es fachli­che Defizite gibt, sondern auch, wo es möglicherweise einem Kind nicht gut geht. Es passiert sozusagen eine Erweiterung der Familie und es wird darauf geschaut: Was braucht dieses Kind? Geht es diesem Kind möglicher­weise nicht gut?

Beides wird einem Kind verwehrt, wenn man es aus diesem System herausnimmt und zu sich nach Hause holt. Es hat weder diese soziale Bezugsgruppe unter mehreren Kindern noch hat es externe professionelle Fachleute um sich, die einen Blick auf dieses einzelne Kind richten können.

Warum nehmen Eltern Kinder trotzdem aus dem System? – Es gibt die eine Gruppe, die Kinder hat, die einen speziellen Bedarf mit sich bringen, die vielleicht


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traumatisiert sind, die eine Behinderung haben, deren Begleitung nicht ganz so einfach ist. Selbst dann muss unser Ziel aber sein, dass das Bildungssys­tem auch für diese Kinder ein guter Ort sein kann, sprich, Ressourcen dorthin zu bringen, damit diese Kinder mit anderen Kindern gemeinsam Teil des Bildungssystems sein können und dort nach allen Möglichkeiten gut gedeihen können. Das heißt, das Bildungssystem muss noch inklusiver werden.

Dann gibt es Eltern, die finden, sie können es offensichtlich besser als das offi­zielle Bildungssystem, sie können ihre Kinder besser begleiten. Auch da bin ich relativ skeptisch. Na gut, wir haben gute Pädagog:innen, die das vielleicht mit ihren eigenen Kindern machen, aber auch die verwehren den Kindern diesen Zugang zu anderen Erwachsenen und den Zugang zu einer Breite an an­deren Kindern. Sich so einzuschätzen, dass man all das als ein Elternteil besser als andere Professionalist:innen und als andere Kinder, Peers sozusagen, kann – da bin ich auch skeptisch. Bei diesem Verwehren läuten bei mir ein bisschen die Alarmglocken.

Ich will den Eltern in beiden Fällen nichts Schlechtes unterstellen, aber warum ich besonders alarmiert bin, ist: Bei mir war eine mittlerweile erwachsene Frau, die zu mir gesagt hat, sie hat häuslichen Unterricht erlebt. Sie ist in einer österreichischen Familie mit sieben Kindern großgeworden, der Vater war religiös fanatisch und hat die Kinder über viele Jahre zu Hause im häuslichen Umfeld unterrichtet. Alle sieben Kinder wurden häuslich unterrichtet und sie waren tagtäglich der Tyrannei dieses fanatischen Vaters ausgesetzt.

Sie hätte sich gewünscht, dass zwischendurch jemand an der Haustüre anklopft und schaut, wie es ihnen geht. Natürlich war bei den Externistenprüfungen ein Elternteil anwesend, und die Kinder haben sich nie im Leben getraut, dort zu sagen, wie es ihnen geht. Sie haben auch die geforderte Leistung erbracht, aber wie sie das dazu nötige Wissen haben erlernen müssen, hat nie­mand hinterfragt. Sie sagt, sie hat über Jahre Psychotherapie gebraucht, um dieses Eingesperrtsein zu Hause mit diesem Vater aufarbeiten zu können.


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Das kann trotzdem passieren, selbst wenn wir jetzt diese Reflexionsgespräche – die ich gut finde – einführen. Jeder weitere Termin aber kann hilfreich sein. Diese Reflexionsgespräche und die Externistenprüfungen sind quasi die zwei Punkte, an denen solche Kinder mit anderen Menschen in Kontakt kommen. Ich glaube aber nach wie vor, dass das zu wenig ist, um solche Fälle zu verhindern. Wir können nicht garantieren, dass für solche Kinder und Fami­lien der Kinderschutz greift und dass das Wohl dieser Kinder ausrei­chend geschützt ist. Ich denke mir, das muss nach wie vor das Ziel sein.

Ich glaube, es braucht sogar noch mehr Maßnahmen, möglicherweise gemein­same Hausbesuche mit der Kinder- und Jugendhilfe, um nachzuschauen. Das mag sich in manchen Fällen in Wohlgefallen auflösen, in manchen Fällen aber wird man Kinder davor retten, Gewalt ausgesetzt zu sein – etwas, das man sonst nicht entdecken würde.

Das heißt, noch einmal zusammengefasst: Das Ziel muss ein Bildungssystem sein, in dem wir alle Kinder gut begleiten können, wo auch alle Eltern das Gefühl haben, dass das Kind gut aufgehoben ist, wo Lehrer und Lehrerinnen und alle, die dort arbeiten, gerne arbeiten. Es braucht die Ressourcen, damit das ge­lingen kann. Diese fehlen zurzeit an jeder Ecke und an jedem Ende.

Es ist viel Luft nach oben. Es kann nicht der Weg sein, mehr und mehr Kinder aus dem System zu nehmen, sondern wir müssen alles tun, damit alle Kin­der in ein gutes, qualitativ hochwertiges Bildungssystem kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Polaschek. – Bitte, Herr Minister.


15.35.28

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Gäste, die uns jetzt zuhören! Ich darf noch einmal kurz auf die zwei aus meiner Sicht


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wichtigsten Punkte dieser Gesetzesvorlage verweisen, zum einen auf die bereits mehrfach angesprochenen Regelungen zum häuslichen Unterricht.

Ich darf es noch einmal wiederholen: Die Neuformulierungen sollen vor allem der Rechtsklarheit dienen. Es geht darum, dass diese Regelungen nach­vollziehbar sind, dass sie insbesondere für die Erziehungsberechtigten entspre­chend verständlich sind. Es geht auch um die Verpflichtung der Vorlage eines pädagogischen Konzepts, das den Schulbehörden eine bessere Prognose­entscheidung ermöglicht. Diese Maßnahme dient vor allem einer Quali­tätssicherung, um dadurch sicherzustellen, dass niemand in den individuellen Bildungsmöglichkeiten zurückbleibt, damit wirklich auch die Kinder im häuslichen Unterricht die bestmögliche Förderung erhalten.

Auf einen weiteren Punkt darf ich auch noch einmal kurz zurückkommen, nämlich auf die Flexibilisierung der Mika-D-Regelung. Es ist über die Studie zu den Deutschförderklassen einiges gesagt worden. Man kann diese Stu­die durchaus auch anders interpretieren. Ich habe mich auch mit Prof.in Spiel ausführlich dazu unterhalten. Ich und auch sie sehen diese Studie nicht als eine klare Absage, sondern wir haben gerade durch die heute bereits ange­sprochenen Begleitmaßnahmen einiges dazu beigetragen, um diese Deutschförderklassen noch effizienter zu gestalten.

Was wir jetzt noch tun, ist, dass wir ermöglichen, dass die Feststellung der er­forderlichen Sprachkompetenz öfter stattfinden kann. Das heißt, wir sind flexibler geworden, um dadurch den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, rascher wieder in den Regelunterricht zurückzukehren. Das ist also etwas, das durchaus im Interesse der Kinder und Jugendlichen ist. Deshalb danke ich sehr für die Unterstützung dieser Novelle. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.37


15.37.30

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 228

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, kei­nen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

15.38.0715. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmen­abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits (1904 d.B. und 1983 d.B. sowie 11205/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkom­men über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits (1905 d.B. und 1984 d.B. sowie 11206/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 15 und 16 ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um die Berichterstattung.


15.38.53

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rah­menabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 229

Bei diesem Rahmenabkommen handelt es sich um das erste bilaterale Abkommen zwischen der EU und Malaysia. Es tritt an die Stelle des bisher geltenden Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirt­schaftsgemeinschaft und den Mitgliedsländern des Verbandes Südostasiatischer Nationen von 1980.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2
Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe ebenso den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50
Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Danke.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. – Bitte, Herr Kollege.


15.40.38

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es kurz zu machen: Wir werden


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 230

beiden Rahmenverträgen nicht zustimmen. Nicht, weil diese Verträge so böse sind oder besonders schlimme Sachen enthalten, sondern weil sie nichts­sagend und meiner Ansicht nach vergeudete Energie sind. (Bundesrat Schreuder: Das stimmt überhaupt nicht!) Es ist nichts Konkretes drinnen. Es wird über alles Mögliche geredet, angefangen von der UN-Agenda 2030 über Menschen­rechte, Kooperationen bis hin zur Rücknahme - - (Bundesrat Schreuder: Ja, was sind schon Menschenrechte?) – Ja, Menschenrechte, darüber wird geredet, aber Menschenrechte sind universelles Gut und beide Staaten sind Signa­tare der internationalen Menschenrechtskonvention. Also Dinge zu wiederholen, die international abgesichert sind, ist nicht das Wichtigste, was es gibt.

Auch Bestimmungen über die Rücknahme der Staatsbürger sind enthalten – das sind Dinge, die die EU seit Jahren oder Jahrzehnten auszuverhandeln säumig ist –, mit zwei Ländern, die – klein a) – nicht die Quelle der Asylwerber in Europa und in Österreich sind. Also ich kenne keine Asylwerber aus Malaysia und Thailand, ich habe auch keine Hinweise auf laufende Verfahren gefunden. Und das sind Verhandlungen, für die die Europäische Kommission nicht einmal ein Mandat hat, denn die Mitgliedstaaten haben weder für Malaysia noch für Thailand ein Mandat, solche Verhandlungen zu führen, erteilt. Deswe­gen ist auch nur allgemeines – sagen wir einmal – Gerede drinnen, dass es gut wäre, solche Abkommen abzuschließen.

Aus diesen Gründen halten wir beide Abkommen für entbehrlich und werden nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Bundesrätin Isabella Kaltenegger zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.


15.42.30

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, wir haben es gehört, wir behandeln heute zwei Rahmenabkommen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 231

Das erste davon betrifft die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Malaysia. Es ist das erste bilaterale Abkommen, das es zwischen der EU und Malaysia gibt. Ziel dieses Abkommens ist eine engere Zusammenarbeit bei gewissen Themen wie Terrorismusbekämpfung sowie wirtschaftliche und sektorbezogene Zusammenarbeit im Bereich Forschung, Innovation, Kultur, Wissenschaft. Malaysia ist für die österreichische Wirtschaft ja ein wichti­ger Exportmarkt, und wenn man bedenkt, dass jeder zweite Job in Österreich di­rekt oder indirekt vom Außenhandel abhängig ist, ist das umso wichtiger.

Im zweiten Rahmenabkommen geht es um die Zusammenarbeit mit dem Königreich Thailand, und da geht es in erster Linie um die Themen Gesundheit, Umwelt, Klimawandel, Energie, Bildung, Kultur, Verkehr, aber auch um Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie organisierte Kriminalität und Kor­ruption. Mit diesem vorliegenden Abkommen wird ein Kooperationsab­kommen von 1980 ersetzt.

Wir haben mit diesen Ländern sehr gute bilaterale Beziehungen. Es gibt schon einigen guten technologischen Transfer, speziell im Bereich der Umwelt­technologien oder auch in der Infrastruktur. Unser Anspruch ist natürlich auch das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der EU-Stan­dards im Bereich des Klimaschutzes.

Die südostasiatischen Länder sind ein sehr starker und wichtiger wirtschaftlicher Raum und es ist mehr als sinnvoll, mit diesen Ländern zu kooperieren. Thai­land ist überhaupt der drittgrößte Exportmarkt für Österreich in Südostasien und wir haben dort 100 Niederlassungen von heimischen Unternehmen. Thai­land ist auch ein guter Partner und Investor und hat sehr starkes Interesse an der biologischen Landwirtschaft von Österreich gezeigt. Man kann also von­einander lernen.

Durch solche Abkommen ergeben sich immer Win-win-Situationen und deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.44



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 232

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.


15.45.02

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Die beiden gegenständlichen Tagesordnungspunkte beinhalten Rah­menabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten und der Regierung Malaysias be­ziehungsweise dem Königreich Thailands.

Ziel ist die Schaffung der Möglichkeit für einen intensiveren Dialog zwischen der EU und diesen beiden Ländern. Sie enthalten rechtlich bindende Verpflich­tungen, die zentrale Elemente der Außenpolitik der EU bilden. Hierzu zählen zum Beispiel die Themen – das wurde schon erwähnt, ich darf es noch einmal wiederholen – Menschenrechte, Umweltschutz, Zusammenarbeit in den Berei­chen Justiz und Sicherheit, Handel und Investitionen, Wissenschaft, Tech­nologie und Innovation.

Da derartige Rahmenabkommen über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und ande­ren Staaten gesetzesändernden Inhalt haben, bedürfen sie der Genehmigung des Nationalrates. Da aber auch Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungs­bereiches der Länder geregelt werden, bedarf es auch der Zustimmung des Bundesrates. Beide Abkommen wurden sowohl im Außenpolitischen Aus­schuss als auch im Nationalrat mehrheitlich beschlossen.

Meine Fraktion im Bundesrat wird ihre Zustimmung erteilen. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass schöne Formulierungen von derartigen Abkommen allein nicht genügen, um die Zielsetzung zu erreichen, auch in anderen Teilen der Welt Menschenrechte im Sinne unserer Wertevorstellungen verbindlich durchzusetzen. Als Aufgabe unserer Außenpolitik bleibt Wachsamkeit gebo­ten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 233

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.


15.47.42

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin in der Präsidiale besprochen, dass es bei Punkten wie diesen beiden meistens keine Re­debeiträge gibt, weil eh immer alle dafür sind und das eine gewisse diplo­matische Selbstverständlichkeit hat.

Dann habe ich erfahren, dass Herr Hübner und die FPÖ dagegen sind, und habe mir gedacht: What? Die sind dagegen? Wieso denn das? Und ich frage mich jetzt schon, was das soll.

Herr Kollege Hübner, Sie tun so, als wäre das eine Kleinigkeit und sei nicht so wichtig. (Bundesrat Schennach: Weil es ein EU-Rahmenabkommen ist! –Bun­desrat Egger-Kranzinger: ... auf Kriegsfuß mit der EU! – Bundesrat Schennach: FPÖ und EU!) Ja eh, als ob das so wichtig wäre! Wer braucht denn das schon? Menschenrechte in Südostasien, das ist ja eh eine Kleinigkeit.

Solche Rahmenabkommen zu machen ist ein ganz wichtiger diplomatischer Bestandteil internationaler Politik, davon lebt man geradezu! Nein, man wird damit nicht jegliche außenpolitische Änderung bewirken, aber es sind viele Mosaiksteine, und solche Abkommen sind für die Außenpolitik ganz wesent­liche Mosaiksteine. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Ich glaube ja vielmehr, dass Sie einfach kein Interesse daran haben, dass die Europäische Union geopolitische Strategien hat, sich als wichtiger Player positioniert und Partner und Partnerinnen findet, weil Sie der Euro­päischen Union und somit auch den Österreicherinnen und Österrei­chern schaden wollen.

Was wird da gemacht? – Malaysia und Thailand sind ganz wesentliche Schwellenländer im südostasiatischen Raum. Wir brauchen gerade jetzt, in


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 234

außenpolitisch so schwierigen Zeiten und gerade auch in dieser Re­gion im Südchinesischen Meer, Partner.

Was tun wir? – Wir vereinbaren Kooperation auf kultureller Ebene, auf wirtschaftlicher Ebene, auf wissenschaftlicher Ebene, also zum Bei­spiel bilaterale, regionale und internationale Zusammenarbeit. – Die FPÖ ist dagegen.

Zusammenarbeit für Frieden, Sicherheit und Stabilität auf internationaler Ebene: Die FPÖ ist dagegen. Zusammenarbeit bei Handel und Investitionen: Die FPÖ ist dagegen. Zusammenarbeit im Bereich Justiz: Die FPÖ ist dagegen. Zu­sammenarbeit in Fragen der internationalen Sicherheit: Die FPÖ ist dage­gen. Kooperation in weiteren Bereichen wie Menschenrechte: Die FPÖ ist dage­gen. Zusammenarbeit bei Finanzdienstleistungen: Kollege Hübner und die FPÖ sind dagegen. Den wirtschaftspolitischen Dialog fördern: Die FPÖ ist dage­gen. Verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich: Die FPÖ ist dagegen. Kooperation bei der Industriepolitik und der Zusammenarbeit kleiner und mittle­rer Betriebe: Die FPÖ ist dagegen. Kooperation beim Tourismus: Die FPÖ ist dagegen – die Tourismusbetriebe in Österreich können sich ger­ne bei der FPÖ bedanken. Intensive Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Informationsgesellschaft, bei der Cybersicherheit, bei Audiovisuellem und Medien sowie Kultur: Die FPÖ ist dagegen. Zusammenarbeit in den Berei­chen Wissenschaft, Technologie und Innovation: Die FPÖ ist dagegen.

Das ist die Interessenpolitik der Freiheitlichen Partei. Man kann es nicht besser demonstrieren als bei so einem eigentlich selbstverständlichen Akt der Diplo­matie. Es ist wirklich unfassbar! – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.50


15.51.03

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 235

Wir gelangen zur Abstimmung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, die getrennt erfolgen wird.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustim­mung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Allgemeine Heiterkeit über das schnelle Lesen des Vor­sitzenden. – Bundesrat Schreuder: Atmen!)

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 236

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wir­kungsbereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bun­desrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.53.0617. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1800 d.B. und 1985 d.B. sowie 11207/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Überein­kommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubi­gung (1902 d.B. und 1986 d.B. sowie 11208/BR d.B.)


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19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1951 d.B. und 1987 d.B. sowie 11209/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 17 bis 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 17 bis 19 ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um die Berichterstattung.


15.54.04

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Be­schluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.


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Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenhei­ten über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ei­ne Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Überein­kommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johannes Hübner. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Hübner eilt im Laufschritt zum Redner:innenpult. – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Hast du es eilig? – Bundesrat Kornhäusl: Die richtigen Schuhe! – Bundesrat Hübner: Ich muss mich beeilen, es geht so schnell alles!)


15.55.34

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Vorsitzender! Liebe Kollegen! Also diesmal können wir zweimal Ja und einmal Nein sagen. Bei den ersten zwei dieser drei Tagesordnungspunkte geht es um den Beitritt von


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Senegal und Pakistan zum sogenannten Haager Beglaubigungsübereinkommen. Da beabsichtigt Österreich zu Recht, einen Einspruch zu erheben, und das ist auch entsprechend begründet: ganz klar, weil diese Länder aufgrund der Korruption, der nicht funktionierenden Verwaltung, der Käuflichkeit der Beamten, der Richter und so weiter nicht ausreichend glaubwürdig öffentliche Urkunden ausstellen können. Das ist auch in der Regierungsvorlage sehr schön begründet. Der Einspruch wirkt ja nicht generell gegen den Beitritt, sondern nur für Österreich, also im Verhältnis des Beitrittswerbers zu Österreich.

Bei den Philippinen haben wir ja ein bisschen ein Problem. Da geht es ja nicht um den Beitritt – dieser ist längst erfolgt –, sondern um die Rücknahme des österreichischen Einspruches gegen den Beitritt und damit die unmittelbare, unbeglaubigte Wirksamkeit philippinischer Urkunden in Österreich.

Damit haben wir ein Problem, und zwar erstens weil philippinische Urkunden für Österreich nicht unbedeutend sind. Ich verweise da nur auf die diversen Pflegschaftsverfahren, Kindschaftsverfahren und dergleichen aufgrund einer recht regen Einwanderungstätigkeit von Filipinos in Österreich, vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahren, und den daraus resultierenden Nachkommen.

Das Zweite ist: Die Rücknahme ist völlig unberechtigt, denn die Philippinen sind nicht weniger korrupt als die genannten Staaten. In der letzten Statistik von Transparency International liegt Senegal immerhin auf Platz 72, und die Philippinen liegen auf Platz 122, sofern ich mich richtig erinnere – also das ist schon ein Kunststück, in Korruption fast 40 Plätze hinter Senegal zu liegen!

Nur aus Gründen, die vielleicht außenpolitische oder übergeordnete europäische Interessen betreffen könnten, und nur mit dem Argument: Die haben ihr Urkundenwesen ja digitalisiert!, jetzt den Einspruch zurückzuziehen, ist unver-


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antwortlich und für uns unvertretbar, denn die Digitalisierung des Urkun­denwesens schützt bekanntlich nicht vor Korruption. Vor Korruption schützt nur der Beamte, der die digitalen Eingaben macht, verwaltet oder ausdruckt. Eine Verwaltung, auch eine digitale Verwaltung, die von Korruption zerfressen ist, bietet uns nicht mehr Sicherheit, nur weil die Dokumente aus der EDV kommen.

Die Behauptung, dass künstliche Intelligenz das Urkundenwesen auf den Philippinen übernommen hätte und die dort eingesetzte künstliche Intelligenz einen Unbestechlichkeitsfaktor im Algorithmus hat, hat nicht einmal das Ministerium in der Begründung aufgestellt. Daher bitte um Verständnis: Es ist nicht im Interesse Österreichs, diesen Einspruch zurückzuziehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf Frau Staatssekretärin Plakolm sehr herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich unterbreche nun die Verhandlungen zur Tagesordnung.

15.59.01Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten – Herr Bundeskanzler, machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar!“ (4096/J-BR/2023)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zuge­gangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat David Egger-Kranzinger als erstem Antragsteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Kollege.



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15.59.37

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekre­tärin! Vor allem aber liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream, falls Sie dabei sind! Vorweg einmal: Schade, dass der Bundeskanzler es nicht für wert befunden hat, in Zeiten der größten Teuerungswelle, die Österreich je erlebt hat, die Fragen zu beantworten. (Bundesrätin Schumann: Wieder einmal! – Bundesrätin Grimling: Das ist nicht neu!) Ich kenne ihn gar nicht mehr, wenn ich ganz ehrlich bin (Bundesrat Buchmann: Er dich auch nicht! – Heiterkeit bei der ÖVP), habe ihn schon lange nicht mehr hier herinnen gesehen.

Das ist keine Wertschätzung jenen gegenüber, die mit der Teuerung kämpfen. Wenn man mit Pensionistinnen und Pensionisten spricht, hört man, dass sie sich mittlerweile nicht einmal mehr die Lebensmittel leisten können. Das ist keine Wertschätzung jenen gegenüber, die jeden Tag arbeiten gehen und sich die Miete nicht mehr leisten können. – Als ob das so lustig wäre, liebe ÖVP!

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ich schätze es aber, dass Sie heute hier sind, weil Sie so oft vom leistbaren Wohnen und vom vielleicht wieder leistba­ren Eigentum reden. Schauen wir uns einmal genau an, was Sie dafür tun und wie das in Wahrheit ausschaut! (Bundesrat Kornhäusl: Kannst noch was
lernen!)

Österreich ist, bleibt und wird immer mehr zu einem Hochpreisland, insbeson­dere in Salzburg, überhaupt im Westen. Jeder, der dort zu Hause ist, viel­leicht eine Familie gründen möchte, kennt die Situation. Egal ob in Tirol oder auch in Vorarlberg, man kämpft besonders mit den explodierenden Wohnkosten. Gerade die Menschen, die dort zu Hause sind, leiden unter dieser extremen Teuerung, mehr als Menschen in vielen anderen Regionen.

Seit einem Jahr explodieren die Kosten in diesem Land, und die Bundesregierung hat es nicht geschafft, einen einzigen Preis zu senken! (Beifall bei der SPÖ.)


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Im Gegenteil, mit der Erhöhung der Richtwertmieten treibt die Bundesregierung auch noch selbst die Preise in die Höhe, sie gießt Öl ins lodernde Feuer. Diese Bundesregierung wirft den Menschen, die jetzt schon hohe Mieten zahlen, die jetzt schon zu kämpfen haben, um die täglichen Lebenskosten zu stem­men, noch mehr Prügel zwischen die Füße. Sie treibt sehenden Auges die Infla­tion nach oben.

Die ÖVP hat einmal mehr gezeigt, dass sie nicht auf der Seite der ganz normalen Leute in diesem Land steht, sondern aufseiten der Immobilienlobby, die Pro­fite machen will; und nicht aufseiten jener, die Wohnen als Grundbe­dürfnis sehen. Die Grünen – ich weiß es zu schätzen! – wollten es anders ma­chen, haben es aber nicht geschafft, das nötige Gegengewicht in der Bun­desregierung zu bilden. Sie sind mitverantwortlich, gemeinsam mit der ÖVP, dass unzählige Mieterinnen und Mieter über den Tisch gezogen worden sind und seit diesem Monat 8,6 Prozent mehr fürs Wohnen zahlen müssen.

Die Bundesregierung erhöht mitten in Zeiten der Megateuerung die Mieten für alle Ewigkeit, und als Trostpreis gibt es einen Einmalzuschuss. (Bundesrat Kornhäusl: So wie Wien!) Einen Ein-Mal-Zuschuss – jetzt einmal ehrlich, Einmalzu­schuss ist für mich der Kandidat für das Unwort des Jahres, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen haben genug von dieser Rabattmarkerlregierung. Einmalzahlun­gen heizen die Inflation an, das weiß jeder. Mietpreissteigerungen picken und die gehen dann auch noch weiter. Und zu diesen Millionen – wir werden heute sicher noch von diesen Millionen Einmalzahlungen hören –: Was aber passiert dann weiter, nächstes Jahr, übernächstes Jahr? Was passiert denn dann? (Bundesrat Reisinger: Die nächsten Millionen!) Die Einmalgeschenke sind ein Witz, sehr geehrte Damen und Herren, und das Nichtstun der Regierung ist ein Skandal.

Ich sage es kurz und knapp: Was wir brauchen, ist zum Beispiel eine effektive Leerstandsabgabe. Da rede ich, ganz ehrlich, nicht von einer Häuslbauer-


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abgabe, weil man vielleicht das Haus der Eltern oder die Wohnung der Großel­tern erbt, die sie sich damals noch haben erarbeiten können (Bundesrat Kornhäusl: Die anderen haben es ja gestohlen!), sondern ich rede von denen, die es sich leisten können, zig Quadratmeter, ein Chalet nach dem anderen, einen Zweitwohnsitz nach dem anderen, ganze Zinshäuser leer stehen zu lassen. Die, die mit Leerstand spekulieren, muss eine Leerstandsabgabe treffen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl. Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Salzburg hat das!)

Wir sind einer Meinung, wir haben zwar in Salzburg eine Abgabe eingeführt, das ist der erste Schritt, aber diesen Leerstand zu verharmlosen, das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Zu sagen, der Leerstand sei jetzt nicht mehr so das Problem Nummer eins, es sei vielleicht nur ein Mosaiksteinchen: Also ernsthaft! Leerstand zu verharmlosen ist nicht mein Stil, dafür habe ich kein Verständnis. Leerstand darf sich einfach nicht auszahlen.

Je nach Berechnung haben wir 6 000, das sagen die einen, 7 000 oder 10 000, das sagen die anderen, Leerstände in Salzburg, und die gehören weg. Dazu kommen im ganzen Bundesland Salzburg insgesamt auch noch angeb­lich 40 000 illegale Zweitwohnsitze. Das sind Investmentobjekte! Das ist so­genanntes Betongold, mit dem sich die Anlegerinnen und Anleger eine goldene Nase verdienen, während sich Junge in unserem Bundes­land das Eigenheim schon überhaupt nicht mehr leisten können, geschweige denn die Miete.

Es geht sogar so weit – ich kenne viele in meinem persönlichen Bekannten- und Freundeskreis, die auch mit mir maturiert haben, die das betrifft –, dass die Menschen nach Oberösterreich ziehen müssen, weil sie sich das Familien­gründen in Salzburg nicht mehr leisten können. Das sind gut ausgebilde­te, gut verdienende Menschen, die sich allerdings das Wohnen in Salzburg nicht mehr leisten können, und das ist traurig. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur Tirol, nicht nur Vorarlberg: Salzburg gehört zum teuersten Pflaster und liegt beim Einkommen im Österreichvergleich tragischerweise immer noch


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im letzten Drittel. Wenn man einmal auf das Konto einer Salzburgerin, eines Salzburgers schaut, wenn man einmal deren Kontostand anschaut, dann sieht man, dass bei den meisten die Wohnkosten die Hälfte des Gehalts ausmachen. (Ruf bei der FPÖ: Oder mehr!) – Oder sogar mehr, da gebe ich Ihnen recht.

Für eine Garçonnière zahlt man in der Stadt Salzburg im Schnitt über 17 Euro Miete pro Quadratmeter, das sind fast 600 Euro im Monat. Für eine Drei­zimmerwohnung, das habe ich jetzt gerade noch auf einer Immobilienonlineplatt­form gegoogelt, fängt die Miete bei 1 000 Euro an, geht weiter bis 1 200, 1 400 Euro, Kaltmiete, ohne Betriebskosten.

Zählt man diese dazu, geht bei einem Durchschnittslohn von 1 700 Euro eine Person von zwei allein für die Wohnkosten in Salzburg arbeiten. Da hat man aber noch kein Auto, um in die Arbeit zu kommen. Da hat man noch kein Klimaticket gekauft, da hat man noch nichts beim Lebensmittelhandel ge­kauft, da hat man sich noch nicht einmal eine Unterhose zum Anziehen gekauft.

Sie (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) reden oft von Eigentum und darüber, was Sie machen wollen. Wir lassen die Daten sprechen, wir schauen uns das genau an. Ich möchte es kurz einmal vorrechnen: Die meisten, die ganz normal arbeiten, ganz normal fleißig sind, die das Rad am Laufen halten – die Pflegerin, der O-Busfahrer, die Lehrerin –, können sich Eigentum aus eigener Arbeit schon gar nicht mehr leisten.

Eine Dreizimmerwohnung in der Stadt Salzburg: 400 000, 500 000, 600 000, 700 000 Euro. Ich frage Sie: Wie soll man sich das erarbeiten, 700 000 Euro erarbeiten? Da kann man schon einmal die Kaufnebenkosten senken, da muss man schon erben, sonst geht das nicht.

Wenn ich das noch einmal vorrechnen darf – und ich habe von meiner Großmut­ter gelernt, vor der eigenen Haustür zu kehren –, wir machen ein kleines Rechenbeispiel: 400 Euro pro Quadratmeter, „Baulandsicherungsmodell“ – bitte


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unter Anführungszeichen. Für 600 Quadratmeter – 400 Euro der Quadrat­meter! – macht das 240 000 für das Grundstück. Wenn man ehrlich ist, hat man dann einmal ein Grundstück, sofern man es überhaupt kaufen kann, zum Rasenmähen oder um ein Zelt draufzustellen. Leider!

Die ÖVP – deswegen sage ich, vor der eigenen Haustüre kehren – in Neumarkt am Wallersee hat es geschafft, für 100 Euro mit öffentlichen Geldern, mit Steuergeldern von der sogenannten Land-Invest diesen Grund zu kaufen und aufzuschließen, spekuliert damit – gekauft für 100 Euro, sagen wir Auf­schließungskosten 80 Euro, dann ist man bei 180 Euro – und verkauft an Einhei­mische – ein Baulandsicherungsmodell – für über 400 Euro den Quadrat­meter. Die treiben durch die Spekulation die Preise weiter in die Höhe, und das gehört genauso verboten! (Beifall bei der SPÖ.)

Während die Wohnpreise weiter explodieren, sprießen an den unmöglichsten Stellen – nicht nur in Tirol, nicht nur in Vorarlberg, auch in Salzburg – die Chaletdörfer wie Schwammerln aus dem Boden, und wir schauen zu.

Mein Anspruch ist klar: Wohnen ist ein Grundrecht, Wohnen ist ein Menschen­recht. Wohnen darf bei einem durchschnittlichen Lohn nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens auffressen. Das muss unser An­spruch, das muss unser Ziel sein.

Wie erreichen wir das? – (In Richtung Bundesrat Kornhäusl:) Herr Fraktionschef, vielleicht ein bissel zuhören! Wie könnten wir das erreichen? (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Vielleicht mit aktivem Wohnbau auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit einer Leerstandsabgabe, die den Spekulanten auch weh­tut! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Liebe ÖVP! Warum sich weigern gegen eine Leerstandsabgabe, die den Spe­kulanten auch wirklich wehtut? Ich weiß, die Grünen wären auch dabei, NEOS vielleicht sogar auch. Ich weiß, dass Markus Wallner das auch schon ge­sagt hat, dass der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Günther Platter


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das auch schon gesagt hat und auch erkannt hat, dass sich wahrscheinlich die Tirolerinnen und Tiroler in Zukunft bald nichts mehr leisten können – aber die Investoren aus dem Ausland schon. Man hat auch schon aus der mäch­tigen ÖVP Niederösterreich gehört, dass man da endlich einmal einen Rie­gel vorschieben muss. Und ich gebe jetzt einen Gratistipp mit: Jetzt wäre der richtige Moment, um zum Beispiel solch eine Leerstandsabgabe, die den Spekulanten wehtut, endlich einzuführen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Der Status quo aber, also das, was wir jetzt haben, ist, liebe ÖVP, nicht mehr tragbar. Ich glaube, wenn man mit allen Funktionären in den Gemeinden redet, wenn man mit allen Mitgliedern in den Gemeinden redet – ich komme ja selber aus der Gemeindepolitik, bin immer noch Vizebürgermeister –, dann hört man, die können sich das auch nicht mehr leisten, die können sich diese Grundstücke und diese Wohnungen auch nicht mehr leisten und ziehen aus ihrer Heimat weg: weg von der Musikkapelle, weg von der Feuer­wehr, weg von ihren Familien, weil sie sich das Leben zu Hause nicht mehr leisten können. Eure Kinder, Enkelkinder, Geschwister, Neffen, Tanten trifft das genauso.

Vielleicht fangen wir einmal an, zu überlegen! Es ist schade und es ist schon bemerkenswert, dass der Kanzler, obwohl er gern in den Lungau fährt – vielleicht auf einen Skiurlaub, das ist ja gut, das ist richtig, das ist schön, das passt –, erstens in seiner Wirtschaftsansprache betreffend ein touris­musgeprägtes Bundesland oder überhaupt das ganze Land Österreich nicht einmal ein Wort, glaube ich, über den Tourismus verloren hat. Und zwei­tens, wenn er schon einmal nach Salzburg kommt – nicht nur zum Skifahren, vielleicht auch für einen Wahlendspurt –, soll er sich einmal diese Chalet­dörfer anschauen! Da reden wir nämlich teilweise von Geisterdörfern. Die sind leer, sind Betonstädte – teilweise mitten im Grünen errichtet (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig), und das dient nur einem: Es dient nur der Profitgier der Investoren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ja, Gott sei Dank, das Grundverkehrsgesetz ist erneuert worden. Ich habe gesagt, wenn man das alte ordentlich umgesetzt hätte, wären diese Chaletdörfer wahrscheinlich nicht entstanden, weil es nur einer geholfen hat: der schwar­zen Seilschaft, die alles im Recht verbogen hat, was nur gegangen ist, damit viel­leicht irgendein Pferdebauer aus Norddeutschland an Grund und Boden kommt. Ich weiß sogar, dass viele Landwirte nicht begeistert davon waren, wer sich da den Grund und Boden, das Grünland von uns Salzburgerinnen und Salzburgern unter den Nagel gerissen hat. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist traurig, das darf nicht passieren. Gott sei Dank haben wir das aufgezeigt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einen Aufruf für die Demokratie machen. Sie wissen, am 23.4. ist Landtagswahl in Salzburg. Wenn Sie jetzt gerade zu­schauen: Bitte gehen Sie hin! Machen Sie von Ihrem Stimmrecht Gebrauch! Entscheiden Sie darüber, wer in Zukunft die Weichen stellen soll und in der Verantwortung sein soll, denn ich glaube an ein modernes und vor allem leistbares Salzburg! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Tiefnig: Wahlkampf
ist!)

Sehr geehrte Damen und Herren, worauf es ankommt: Salzburg kann mehr, Ös­terreich kann mehr. – Danke vielmals. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

16.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich die Frau Staatssekretärin zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.14.38

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! In Vertretung unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer darf ich die von Ihnen gestellten Fragen, die Dringliche Anfrage, heute beantworten. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Erlauben Sie mir zu Beginn, bevor ich auf die Fragen eingehe und diese beantworte, ein paar einleitende Worte von meiner Seite, insbeson­dere als Jugendstaatssekretärin!


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Sie widmen sich in der Dringlichen Anfrage einem insbesondere für junge Men­schen, für junge Familien sehr wichtigen Thema. Das Thema leistbares Wohnen, leistbares Eigentum ist drängender und aktueller denn je und eine der Hauptherausforderungen, mit denen wir nicht nur in Zeiten einer immen­sen Teuerung zu kämpfen haben. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Wie Sie wissen, verteilen sich die Kompetenzen insbesondere im Wohnbereich zwischen Bund und Ländern. Zum einen ist das deswegen gut, weil die Bundesländer sehr, sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Es gibt auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen in den Bundesländern.

In den Kompetenzbereichen, für die der Bund zuständig ist, ist in dieser Legislaturperiode bereits einiges passiert. Exemplarisch möchte ich da ganz kurz auf das Bestellerprinzip bei Maklergebühren eingehen: Ab 1. Juli des heu­rigen Jahres zahlt nur mehr jener Vertragspartner, der auch tatsäch­lich diese Dienstleistung beansprucht und angefragt hat. In den meisten Fällen ist dies der Vermieter, die Vermieterin, und das wird unglaublich viele Mieterinnen und Mieter entlasten. Das ist ein riesengroßer Sprung von mehre­ren Tausend Euro, die in Wahrheit ab 1. Juli an Entlastung passieren.

Als Jugendstaatssekretärin ist es mir auch sehr, sehr wichtig, dass wir jun­gen Menschen wieder eine Perspektive für leistbares Wohnen und insbesondere für leistbares Eigentum, für die eigenen vier Wände, geben können. Junge Menschen möchten sich etwas aufbauen, gleichzeitig auch Eigentum erwerben, weil es auch einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, dass man im Alter abgesichert ist und Vorsorge treffen kann. Genau deswegen muss es auch wie­der möglich werden, dass man sich mit Fleiß und harter Arbeit eigene vier Wände, Eigentum schafft.

Ich halte das für eine der zentralen Fragen, wenn wir gerade in Wochen wie diesen auch diskutieren, wie wir wieder Menschen motivieren können, ar­beiten zu gehen: dass es einen Unterschied macht, ob ich Vollzeit oder Teilzeit arbeite. Die Aussicht darauf, dass man sich mit harter Arbeit und Fleiß


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etwas aufbauen kann, ist in meinen Augen in Zeiten wie diesen ein ganz zentraler Motivator. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieser Traum vom Eigenheim – und wir haben es von Ihnen, Herr Anfragesteller, gehört – ist für unglaublich viele Menschen in weite Ferne gerückt und für viele ist es auch nur der Traum geblieben. Die Gründe hierfür sind sehr, sehr viel­fältig. Zum einen sind es die gestiegenen Zinsen, die gestiegenen Baukosten, insbesondere aber auch sehr, sehr streng umgesetzte Kreditrichtlinien der Finanzmarktaufsicht. Ich halte auch die letzte Nachbesserung dieser stren­gen Wohnbaukreditrichtlinien für weiterhin realitätsfremd. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Deswegen ist es wichtiger denn je, dass wir insbeson­dere jungen Menschen wieder eine Perspektive geben können, für die Zukunft vorzusorgen und etwas in diesem Land zu leisten.

Ganz konkret brauchen wir deswegen Erleichterungen beim Kauf des ersten Eigentums, beim Kauf der eigenen vier Wände. Ich möchte aber auch einen Wettbewerb der besten Ideen, wenn es darum geht, beispielsweise Mietkaufmodelle zu attraktivieren oder auch nachhaltiges Sanieren leichter zu ermöglichen. Da gibt es viele Bundesländer, die bereits Spitzenreiter sind. Ich denke, da kann man auch sehr, sehr viel voneinander lernen, nach­dem sehr, sehr vieles in diesem Bereich in Länderkompetenz liegt.

Unser Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich vor ziemlich genau einem Monat in seiner Rede zur Zukunft der Nation auch zum Thema Wohnen zu Wort gemeldet und ein klares Bekenntnis abgegeben: ein klares Bekenntnis für junge Menschen in diesem Land, ein klares Bekenntnis für Familien und auch für Leistungsbereitschaft. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundes­rätin Grimling.)

Er hat neben Erleichterungen beim Kauf des ersten Eigenheims, die eine zentrale Motivation für junge Menschen wären, eine weitere wichtige Maßnahme – auch eine Maßnahme, die Wohnraum wieder erschwinglich machen könnte – vorgeschlagen, nämlich die Wiedereinführung der Zweckwidmung bei den


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Wohnbaufördermitteln. Das kann in meinen Augen nur in einem Schulterschluss mit den Bundesländern gelingen, weil nur damit wirklich viel am Woh­nungsmarkt positiv verändert werden kann.

In diesem Sinne darf ich jetzt zur konkreten Beantwortung Ihrer Anfrage kom­men. Sie wissen, glaube ich, selbst auch sehr, sehr gut, dass viele dieser genannten Bereiche nicht in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes fallen; ich freue mich dennoch, Ihnen hier die Antworten darauf zu geben.

Zu den Fragen 1 bis 4 sowie zur Frage 6:

Im Regierungsprogramm ist keine explizite Einführung einer Leerstandsabgabe festgehalten. Eine solche ist daher auch nicht geplant.

Die Feststellung eines Leerstandes führt in der Praxis jedenfalls regelmäßig zu Beweisproblemen, da etwa der Stromverbrauch oder die Einsichtnahme in das Melderegister lediglich Indizienwirkung haben. Deshalb liegen auch keine exakten Daten vor und auch anerkannte Steuerrechts- und Wohnbau­experten bezweifeln den Lenkungseffekt der Abgabe. Zudem kann eine Leer­standsabgabe durchaus negative Auswirkungen auf die Mieterinnen und Mieter haben.

Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Regierungsprogramm darauf geeinigt, Wohnraum leistbarer zu machen und die Bildung von Eigentum zu fördern. Derzeit finden sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene Verhand­lungen statt, bei denen auf unterschiedlichste Vorschläge eingegangen wird, diese geprüft und diskutiert werden.

Zur Förderung von Eigentumsbildung zu Wohnzwecken und um die Abhängig­keit von Vermietern zu reduzieren, wurde mit der ökosozialen Steuerre­form 2022 beispielsweise auch eine Verkürzung des Vorsteuerberichtigungs­zeitraumes von 20 auf zehn Jahre beim Erwerb von Mietwohnungen mit Kaufoption umgesetzt.


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Zur Frage 5:

Die einzelnen Mitglieder der Bundesregierung sind in ständigem Kontakt mit den Bundesländern. Ich darf hierfür an den fachlich zuständigen Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft verweisen.

Die Frage der Leerstandsabgabe habe ich bereits gemeinsam mit den vorigen Fragen beantwortet.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Diese Thematik ressortiert nicht im Bundeskanzleramt und deswegen liegen uns zu diesen drei Fragen auch keine Daten vor. Ich verweise in dieser Frage an die einzelnen Bundesländer beziehungsweise auch an die zuständigen Fach­ministerien.

Zur Frage 10:

Dem Bundeskanzleramt liegen derzeit vier Resolutionen zu diesem Thema vor: eine der Stadt Graz vom 5. Oktober 2021, zwei der Stadt Sankt Pölten vom 14. Dezember 2021 und vom 30. Mai 2022 und eine der Stadtgemeinde Bad Ischl vom 24. Mai 2022 an die oberösterreichische Landesregierung.

Zur Frage 11:

Dem Bundeskanzleramt liegen zu diesem Thema keine Resolutionen vor.

Zur Frage 12:

Die Bundesregierung pflegt sowohl mit dem Städte- als auch mit dem Gemeindebund einen guten Dialog. Wir sind insofern selbstverständlich in regelmäßigem Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Gebietskörperschaften zu aktuellen Themen, auch zum Thema Wohnbau.

Zu den Fragen 13 und 14 sowie zur Frage 20:

Es gibt Lösungen, wo die Zuständigkeiten ressortieren, am Beispiel des Landes Salzburg, wo unter Landeshauptmann Wilfried Haslauer bereits Maßnah-


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men getroffen wurden, wodurch die Gemeinden in der Verzahnung von Grund­verkehr und Raumordnung in diesem Bereich sehr enge Grenzen ziehen können. Die örtliche Raumordnung liegt aus gutem Grund im Wirkungsbereich der Gemeinden, da diese die örtlichen Umstände am besten kennen.

Das gilt auch, was den leistbaren Wohnraum in den jeweiligen Bundesländern betrifft. Ein erwähntes Gesetz auf Bundesebene oder eine Verschiebung der Kompetenzen sind derzeit nicht in Planung.

Dazu möchte ich auch festhalten, dass die Zuständigkeit nicht beim Bund liegt.

Zur Frage 15:

Im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes wurden durch die Novelle im Juni 2022 die bereits verankerten Antispekulationsregeln auch auf den Bereich der sofortigen Wohnungseigentumsübertragung ausgeweitet.

Zur Frage 16:

Die Punkte, die im Regierungsprogramm festgehalten sind, werden gemeinsam mit dem Koalitionspartner Schritt für Schritt abgearbeitet. Wir sind dazu in laufenden Verhandlungen. Deren Ergebnisse kann ich nicht vorwegnehmen.

Zur Frage 17:

In dieser Sache gibt es unterschiedliche Zugänge. Uns ist wichtig, sowohl den Mieterinnen und Mietern als auch den Vermieterinnen und Vermietern gerecht zu werden. Den dazu stattfindenden Gesprächen auf parlamentarischer Ebene kann und möchte ich nicht vorgreifen.

Zu den Fragen 18 und 24:

Gemäß Finanz-Verfassungsgesetz regelt die Bundesgesetzgebung die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen Bund und Ländern beziehungsweise Gemeinden und kann diesen Gebietskörperschaften aus allge­meinen Bundesmitteln Finanzzuweisungen für ihren Verwaltungsaufwand


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und auch Zuschüsse für bestimmte Zwecke gewähren. Damit ist der verfassungsrechtliche Rahmen für Regelungen und Strukturierungen der Finan­zierungsströme vorgegeben.

Seit Jänner 2023 finden sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene Verhandlungen statt, bei denen unterschiedlichste Vorschläge geprüft und diskutiert werden. Vor Abschluss der Verhandlungen können natürlich keine Aussagen über deren Ergebnisse getroffen werden.

Zur Frage 19 sowie zu den Fragen 25 bis 28:

In Österreich halten sich bezogen auf die Hauptwohnsitze die Mietverhältnisse mit dem Haus- und Wohnungseigentum die Waage. Sowohl die Mieterin­nen und Mieter als auch jene, die in Eigentum wohnen, sind von der Teuerung betroffen, und deswegen haben wir mit dem Zweckzuschuss für Wohn- und Heizkosten eine Lösung geschaffen, die wirklich alle entlastet. Konkret wur­den die bereits beschlossenen 450 Millionen Euro um weitere 250 Millio­nen Euro aufgestockt. Dieses Geld wird den Ländern zur Verfügung gestellt, da­mit auf die unterschiedlichen Bedürfnisse, auf die unterschiedlichen Miet­verhältnisse und auf die unterschiedlichen Mehrkosten Rücksicht ge­nommen werden kann.

Zur Verhinderung von Delogierungen wurde der bereits bestehende Wohn­schirm um weitere 25 Millionen Euro aufgestockt.

Die besondere Herausforderung in der Wohnungspolitik ist, eine Ausgewo­genheit in den Bedingungen sowohl für jene herzustellen, die den Wohn­raum schaffen, als auch für jene, die ihn nutzen. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen schaffen nicht nur diese Ausgewogenheit, sondern sind auch eine zielgerichtete und gerechte Förderung mit einer treff­sicheren sozialen Ausgestaltung.


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Zur Frage 21:

Sowohl Raum- als auch Bauordnung liegen in Österreich aus vorhin bereits erwähntem guten Grund bei den einzelnen Bundesländern. Ent­sprechende Maßnahmen müssen deshalb auch vor Ort getroffen werden.

Zur Frage 22:

Diese Fragestellung ist insofern nicht klar zu beantworten, da nicht ausgeführt wird, was genau die Definition eines Bundesgrundstücks ist. Eine entspre­chende Maßnahme ist derzeit jedenfalls nicht in Planung.

Zur Frage 23:

Soziale Rechte sind in Österreich auf einfachgesetzlicher Ebene weitgehend gesichert und damit vor nationalen Gerichten durchsetzbar. Wir setzen laufend einfachgesetzliche Maßnahmen, um leistbares Wohnen sicherzustellen. Ein Beispiel dafür, das ich vorhin bereits genannt habe, ist die geltende Reform der Maklergebühren, die ab 1. Juli 2023 in Kraft tritt.

Zur Frage 29:

Hierzu darf ich anmerken, dass die Anhebung der Richtwertmieten im Zweijahresrhythmus erfolgt, weshalb es 2024 auch keine solche Anhebung geben wird.

Zur Frage 30:

Beim Prinzip der Kategoriemiete handelt es sich bereits um eine privilegierte Mietform und ein für die Mieterinnen und Mieter sehr faires Modell. Wie bereits erwähnt ist es uns wichtig, einen Ausgleich zwischen Mietern und Vermietern sicherzustellen. Die ebenfalls bereits erwähnten Maßnahmen zur Entlastung der Menschen wirken zielgerichtet und sozial treffsicher und schaffen dabei ge­nau diesen Ausgleich.


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Zur Frage 31:

Es obliegt den jeweiligen Städten und Gemeinden, angesprochene Maßnahmen zu treffen. Eine Kostenübernahme durch den Bund ist nicht vorgesehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für die Beantwortung.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Daniel Schmid zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, Sie sind am Wort.


16.27.26

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:in­nen! Zunächst einmal einleitend: In diesen und allen anderen Zeiten, in denen die Preise horrend steigen, die Inflation unerträglich ist, den vielen immer weni­ger zum Leben bleibt, in all diesen Zeiten ist die Sozialdemokratie für nachhaltige Entlastung der Menschen in diesem Land eingetreten (Beifall bei der SPÖ), so wie in den letzten Wochen und Monaten und auch heute wieder.

All unsere Anträge wurden aber von der Bundesregierung ins Gegenteil ver­kehrt: keine verdiente nachhaltige Entlastung, nein, nur Einmalzahlun­gen, die sich die Menschen am Ende des Tages selbst zahlen müssen. Wie oft wiederholen wir das noch?

Ganz ehrlich: Die letzten Wochen, auch heute wieder, habe ich mich gefragt: Woher kommt diese ablehnende Haltung vor allem vonseiten der
Bundes-ÖVP, wenn es beispielsweise um die von uns geforderte Mietpreis­bremse geht?! Der Genosse hat vorhin das Richtige gesagt: Es gibt vor allem in den Gemeinden viele, viele Menschen, die sich der ÖVP angehörig fühlen, die es am eigenen Leib schon spüren. Und Sie machen nicht Politik für Ihre eigenen Leute! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber um zurückzukommen: Ich stelle mir diese Frage und ich habe ganz ehrlich, glaube ich, eine Antwort darauf. Diese Antwort ist einfach, aber zugleich beschämend, nämlich: Wenn in Wahlkampfjahren zum Beispiel über 20 Groß­spender allein aus der Immobilienbranche über eine halbe Million Euro an die türkise Partei unter Kurz gespendet haben, dann erwarten sich diese noblen Spender auch, dass geliefert wird. Und geliefert wird den Spendern eine Gegenleistung, denn nichts anderes sind die mit Steuergeld finanzierten Einmalzahlungen, die die Menschen bei diesen Mieten nicht lange über Wasser halten werden, inzwischen aber in die Taschen der Betuchten fließen, der betuchten Immobilienklientel im türkisen Dunstkreis.

Ja, fast wäre Thomas Schmid dafür zu danken, dass uns die veröffentlichten Chats die türkisen Hinterzimmermauscheleien gezeigt und uns klar vor Augen geführt haben, für wen die türkise Partei im Bund Politik macht. Ich könnte jetzt aus diesen Chats zitieren, doch ich sehe davon ab, um die Würde dieses ehrenwerten Hauses zu wahren.

Sehr geehrte Staatssekretärin, was ich Ihnen hingegen – und das bei al­lem Respekt – sagen muss: Sie und Ihr Kanzler arbeiten nicht für die Menschen in diesem Land, auch nicht für die Jungen, nicht für den Mittelstand, nicht für die Menschen da draußen. Sie und Ihre Partei arbeiten nur für jene, die es Ih­nen mit Geld zu danken wissen. Sie zahlen es ja zurück, Frau Staatssekre­tärin, Sie zahlen es ihnen zurück: über die armen Menschen und längst eben auch schon über die breite Mittelschicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Politik, Ihr Handeln vergrößert die Kluft zwischen den Menschen, zwischen Arm und Reich, und das nicht nur im Bereich des Wohnens. Bleiben wir aber beim Thema Immobilien, sehr geehrte Damen und Herren! Sie alle wissen es wie ich: Das Dach über dem Kopf ist einer der wesentlichen Preistreiber. Man braucht uns nicht glauben zu machen, dass die Wohnkosten einfach nur so ir­gendwie durch die Krise derartig drastisch steigen. Die Wohnkosten steigen derart drastisch wegen der Spekulanten, ihrer Gier und des Hortens von dem, was die Menschen dringend brauchen. Es sind Wohnungen, die die


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Menschen dringend brauchen und teuer anmieten müssen. Den Spekulanten beschert das ein fette Rendite, ohne auch nur einen Finger krümmen zu müssen.

Ich möchte Ihnen ja glauben, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich möchte Ihnen glauben, dass Sie diese Probleme der Menschen zumindest erkennen und wirklich und ehrlich angehen wollen. Wenn es ums Wohnen geht, stehen immerhin 34 Forderungen in Ihrem Regie­rungsprogramm. Was ich aber vor allem vermisse, sind Taten – die Umsetzung dieses Programms.

Wo sind die angekündigten Maßnahmen gegen den Leerstand? Gerade in Tirol braucht es dringend Maßnahmen dagegen. Zum Beispiel in Innsbruck: In Innsbruck stehen fast 10 Prozent aller Wohnungen leer. Weitere 6 Prozent der Wohnungen in Innsbruck sind als Nebenwohnsitze deklariert. Das sind in etwa 15 Prozent aller Wohnungen in der Landeshauptstadt, fast 12 000 Wohnungen, in denen kein Mensch seinen Lebensmittelpunkt hat, kein Mensch jeden Tag von der Arbeit kommt und dorthin geht, kein Mensch seine Kinder großzieht.

Diese Zahlen hat die Beantwortung einer Anfrage der Innsbrucker Sozialdemo­kratie an den grünen Bürgermeister Georg Willi offenbart. Da verwun­dert es nicht, dass in Innsbruck eine 55-Quadratmeter-Wohnung um die 1 400 Euro kostet – ohne Betriebskosten. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Wahnsinn! Das ist Wahnsinn! Ich kann mich nur Ge­nossen (Bundesrätin Schumann: Egger!) David Egger anschließen: Ihr müsst endlich in die Gänge kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Land Tirol steuert nun mit Zutun der Sozialdemokratie endlich auch dagegen an. Mit Anfang 2023 ist das Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabga­bengesetz in Kraft getreten. Die Dringlichkeit haben auch Salzburg und das Land Steiermark erkannt und ähnliche Gesetze beschlossen. Tirol, Salzburg und die Steiermark, das sind drei Bundesländer, die von ÖVP-Landeshauptleuten an­geführt werden und – das müssen wir jetzt wirklich so sagen – aufgrund


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des völligen Versagens auf Bundesebene aktiv werden mussten. (Beifall bei der SPÖ.)

Übrigens: In Wien gab es ja schon eine derartige Leerstandsabgabe – bis 1985, bis sie vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde, der sie damals als zu hoch beurteilt hat (Bundesrat Tiefnig: Hoch sozial!), denn für die Gesetzgebung im sogenannten Volkswohnwesen ist der Bund verantwortlich. (Bundesrätin Schumann: Genau! – Bundesrat Schennach: Da schau her!) Den Ländern fehlt so die echte Steuerkompetenz (Bundesrat Schennach: Das ist der Aha-Effekt für die Frau Staatssekretärin!), was eben dazu führt, dass sie nur bedingt regulie­rend eingreifen können. – Werte Staatssekretärin, da brauchen wir den Bund, den Ländern sind die Hände gebunden. Da sind Sie am Zug! (Beifall bei der SPÖ.)

Um einen tatsächlichen Lenkungseffekt zu erzielen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen, braucht es eine Änderung des Verfassungsartikels zum Volks­wohnungswesen sowie eine verfassungsrechtliche Absicherung der Flächenwid­mung sozialer Wohnbau.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass wir in Tirol eine Leerstands­abgabe haben, ebenso wie die Menschen in Salzburg und auch in der Steier­mark. (Bundesrat Leinfellner: Da sind sie auch froh darüber, ja!) Doch we­gen der Tatenlosigkeit auf Bundesebene sind wie zuvor erwähnt unsere Leer­standsabgaben, beispielsweise in Tirol, zu niedrig, ja beinahe schon zahn­los, sie schrecken die Spekulanten nicht ab. (Zwischenruf des Bundes­rates Spanring.) Die Spekulanten können sich unsere Leerstandsabgaben leisten, ebenso die Neben- und Freizeitwohnsitze, die die Menschen in Tirol wie die Leerstände längst als Problem erkannt haben.

Nicht das einzige, aber ein sichtbares Symptom dieser Problematik ist der Wildwuchs von Apartmenthäusern und Chaletdörfern, wie wir ihn in den letzten Jahren mitansehen mussten. Gekauft werden diese Apartmenthäuser und Chalets von betuchten, meist ausländischen Investoren. Deshalb – Genosse


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David Egger hat das schon erwähnt – schießen sie auch wie die Schwammerl aus dem Boden. (Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig.) – Das ist so. Fahren Sie ein­mal zu mir nach Tirol, dann werden Sie es sehen!

Das ist aber jener Boden, von dem wir in Tirol nur 12 Prozent haben. Wir in Tirol haben 12 Prozent dauerhaften Siedlungsraum, nicht mehr! Das macht diese Häuser und Dörfer, deren Namen ihr eigentliches Wesen verschleiert, zu – ich zitiere den Genossen (in Richtung Bundesrat Egger-Kranzinger weisend) – „Betongold“. Es sind sogenannte Investorenmodelle und somit Einfallstüren für Freizeitwohnsitze, die den Tirolerinnen und Tirolern buchstäblich ihr Land rauben. Sehr geehrte Staatssekretärin, da braucht es dringend ein Handeln, ein Regulativ auf Bundesebene! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die Menschen vor Problemen stehen, steht die Politik vor Herausforde­rungen. Wir alle müssen sie annehmen, Lösungen suchen und finden, aber eines nach dem anderen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und deshalb zurück zur Leerstandsabgabe: Es ist höchst an der Zeit, dass die Bundes­länder endlich die Kompetenz vom Bund zugesprochen bekommen, um im Sinne der Menschen gegen den Leerstand vorgehen zu können.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bundesländern schaffen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfas­sung im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert dem Nationalrat sowie


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dem Bundesrat ehestmöglich ein Gesetzespaket vorzulegen, mit dem die Bun­desländer verfassungsrechtlich ermächtigt werden Leerstandsabgaben mit ausreichendem Lenkungseffekt einzuführen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bun­desländern schaffen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.42.53

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns zuhören und zusehen! Zuerst einmal, liebe Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Be­antwortung der Anfrage – kompetent, umfassend. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich denke, das ist im Sinne von: Du stellst dich immer diesen Dingen. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Zweites: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, was für eine trübsinnige Stimmung heute hier herinnen ist (Oh-Rufe bei der SPÖ), zum Beispiel sagt Kollege Egger (Bundesrat Egger-Kranzinger: Realismus!) über unser schönes Bundesland, wie schlimm und wie fürchterlich alles ist und dass nichts passiert ist. – Dann erkundige dich bitte! Salzburg gehört zu den 20 bes­ten Regionen in Europa. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir haben die niedrigste Arbeitslosenzahl, wir haben ein


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Wirtschaftswachstum, wir haben einen tollen Tourismus. Da geht es nicht an, dass du hier heraußen Salzburgbashing betreibst, nur weil wir am 23.4. Landtagswahlen haben. (Beifall bei der ÖVP. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Alles ist gut! Alles ist gut!) Ich verstehe das natürlich, du musst dich jetzt zeigen, du musst dich profilieren, aber nicht auf Kosten des Bundeslan­des! Da bin ich zu sehr Salzburgerin (Bundesrätin Schumann: Ah geh, haben wir Landtagswahl?) und überzeugt davon, dass gegen unser Bundesland nichts zu sagen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frau Staatssekretärin hat es heute schon ausgeführt: Wir stocken heute den Wohn- und Heizkostenzuschuss für die Bundesländer um weitere 225 Millio­nen Euro auf. (Ruf bei der SPÖ: Die Spekulanten lasst ihr in Ruhe!) Und der Wohnschirm, der sehr wichtig ist – ich kann sagen, ich bin auch Vorsitzende in einem Sozialverein (Bundesrätin Grimling: Aha!), da gibt es immer wieder Anfragen, und das funktioniert wirklich hervorragend –, wird von 115 Millionen Euro um weitere 25 Millionen Euro aufgestockt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben immer von einem Gesamtpaket gesprochen, als es um die Mietpreisbremse gegangen ist. Unsere Vor­schläge liegen seit Wochen auf dem Tisch: Erleichterungen beim Kauf des ersten Eigenheims und das Sanierungspaket für die Vermieter, Anreiz für ther­mische Sanierungen. Die Frau Staatssekretärin hat es schon gesagt: Wir wollen junge Familien beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses entlasten. (Bundesrätin Grimling: Ja ihr mit dem Eigenheim, wer kann sich denn das leisten?) – Das ist halt jetzt herausgekommen.

Ich bin mir sicher, liebe Frau Staatssekretärin, du wirst schauen, dass auch dieser KIM-V die Giftzähne gezogen werden. Davon höre ich auch sehr oft von den jungen Damen und Herren, die sich das Eigenheim nicht leisten können. Da passiert schon etwas und ich weiß, ihr seid da wirklich dran. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)


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Es gibt zur Abfederung der Teuerung für die stark Betroffenen eben den Energiekosten- und Heizkostenzuschuss, Entlastungen durch die Steuerpakete – kalte Progression.

Und, lieber Kollege Egger: Wir in Salzburg haben bereits eine Mietpreisbremse, wie du vielleicht weißt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreu­der.) Im geförderten Mietbau seit 2016 darf pro - - (Bundesrätin Grimling: Hat er eh gesagt!) – Das hat er nicht, habe ich nicht gehört (Bundesrätin Grimling: Zuhören!), aber man kann es auch wiederholen: 2 Prozent, nicht so, wie du sagst, dass die Mieten da in exorbitante Höhen steigen. Wir haben das bereits umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Aber warum macht ihr es nicht im Bund? Warum macht ihr es nicht im Bund?)

Liebe Kollegin Schumann, du brauchst dich nicht zu echauffieren (Bundesrätin Schumann: Ich echauffiere mich wirklich! Warum macht ihr es nicht im Bund, wenn  es so super ist? Unglaublich!), denn gerade Wien ist ein sehr gutes Beispiel dafür: Von österreichweit 483 000 Wohnungen mit Richtwertmieten sind 370 000 in Wien. Da hätte Wien schon längst etwas tun können – auch nichts passiert! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh! 60 Prozent sozialer Wohnbau in Wien!)

Man sagt ja auch, dass es in Wien Einmalzahlungen gegeben hat – sehr gut für die Menschen. Aber da ist es super und toll, nur im Bund ist es nicht zuläs­sig, dass Einmalzahlungen gegeben werden? Auf der einen Seite hui, auf der an­deren Seite pfui – das passt nicht zusammen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt aber ein bisschen zu Salzburg kommen, denn wir haben wirklich sehr, sehr viel in der jetzt noch bestehenden Legislaturperiode gemacht. Die Landesregierung hat den konsequenten Weg für leistbares Wohnen be­schritten – die Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe wurde im Juli 2022 einge­führt. Das würde ich jetzt nicht kleinreden, Kollege Egger, das ist ein ers­ter Schritt, wir wissen es. Es war sehr wichtig, dass wir das zustande gebracht


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haben. Es ist ein weiterer Meilenstein der bereits umgesetzten Schritte im Kampf gegen die steigenden Wohnkosten et cetera.

Wir haben auch immer einen konsequenten Kampf gegen die touristische Kurzzeitvermietung via Airbnb und Co geführt und diesen mit dem Nächtigungsabgabengesetz auch gewonnen sowie ein faktisches Verbot der künftigen Neuausweisung von Zweitwohnsitzen und eine umfassende Baurechtsreform umgesetzt.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Oktober letzten Jahres ist ein umfassen­des Gesetzespaket zur Neuregelung des Grundverkehrs im Bundesland Salz­burg vorgelegt und beschlossen worden. (Beifall bei der ÖVP.) Das hast du (in Richtung Bundesrat Egger-Kranzinger) auch kleingeredet. Das war ein wich­tiger Meilenstein und da hat unser Landesrat Sepp Schwaiger wirklich ganz Entscheidendes auf den Weg gebracht. Übrigens ist er der erste Ressort­chef, der eine negative Zweitwohnsitzbilanz vorweisen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist so viel, was wir gemacht haben. Damit haben wir nun ein rechtliches Rüstzeug, um gegen diese unerwünschten Fehlentwicklungen im Zusammen­hang mit den Baugrundstücken im land- und forstwirtschaftlichen Bereich auch wirklich wirksam vorgehen zu können (Bundesrätin Schumann: Unpackbar!) und um das räumliche Entwicklungskonzept in Salzburg gedeihlich voran­zubringen.

Das ist es: Wir handeln! Wir setzen Maßnahmen! (Bundesrätin Schumann: Der soziale Wohnbau in Wien ist ein Schmarrn dagegen!) Wir machen wirklich etwas gegen dieses Betongold und für den Stopp des Flächenfraßes sowie die Sicherstellung von leistbarem Bauen und Wohnen in Salzburg: kein Aus­verkauf der Heimat und Stopp der Spekulationen mit wertvollem Baugrund und Wohnraum!

Und: Für uns ist wichtig – Kollege Gfrerer weiß das –: Bauernland in Bauern­hand! – Auch das ist mit diesem Grundverkehrsgesetz nun umgesetzt


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worden, denn für uns als Salzburger Volkspartei war und ist Wohnen immer ein zentrales Thema, sei es im Bereich Wohnen, sei es im Bereich Eigenheim. Wir wollen, dass sich die Salzburgerinnen und Salzburger auch wieder ein leistbares Eigenheim schaffen können. (Zwischenruf des Bundesrates Egger-Kranzinger.)

Liebe Frau Staatssekretärin, du warst ja bei uns. Du hast dich mit unserem Jugendsprecher Sebastian Wallner zusammengesetzt, ihr habt auch Maßnahmen erarbeitet. Das ist gut so, denn wir wollen ja, dass die Jungen dableiben, im Land bleiben, und auch die entsprechenden Rahmenbedingungen weiterführen.

Es war auch die Salzburger Volkspartei, liebe Kolleginnen und Kollegen, die das Koppelungsverbot auf die Agenda der letzten Landeshauptleutekonferenz gesetzt hat und das Vertrauen erhalten hat, österreichweit einen Vorschlag zu erarbeiten und abzustimmen, denn für uns ist eine Vertragsraumordnung ein wesentliches Instrument für die Mobilisierung von erschwinglichen Baugrün­den. Derzeit gibt es ja die Möglichkeit der Gemeinden für diese freiwillige Raumordnung. Wir wollen aber diese Vertragsraumordnung für die Gemeinden auf rechtlich sichere Basis stellen und das Verbot des Junktimierens des hoheitlichen Aktes der Widmung mit einem zivilrechtlichen Vertrag im Verfas­sungsrang aufheben. (Bundesrätin Schumann: Das versteht man jetzt lei­der nicht mehr, wenn man nicht intern gebildet ist! Das versteht kein Mensch mehr!)

Schauen Sie sich unser Wahlprogramm an – „Unser Plan für Salzburg“ –: Wir haben, ab Seite 26, dem Thema leistbares Wohnen wirklich ein ganzes Ka­pitel gewidmet. Das ist uns wichtig.

Viele Maßnahmen rund um das Thema leistbares Wohnen sind in der aktuellen Legislaturperiode des Salzburger Landtages größtenteils auf Initiative der Salzburger ÖVP umgesetzt worden und, wie ich schon gesagt habe, das neue Grundverkehrsgesetz leider eben gegen euren Widerstand. Das hat uns nicht so gefreut, aber wir haben es umgesetzt – da bin ich natürlich sehr, sehr stolz drauf. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Und wir


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haben im Salzburger Landtag jetzt auch noch das Raumordnungsgesetz novel­liert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Natürlich fallen unter leistbares Wohnen auch die umfassenden Maßnahmen von Bund und Land (Bundesrat Egger-Kranzinger: Sie reden aber nicht über den Bund!) im Bereich Strompreisbremse, die sich natürlich auch direkt und indirekt auf die Kosten auswirken.

Es gibt zum Beispiel auch die Entlastung von hilfsbedürftigen Familien mit Kin­dern sowie die Bekämpfung von Kinderarmut, indem wir den Richtsatz für Kinder in der Sozialunterstützung von 21 auf 25 Prozent angehoben haben. Wir haben den Heizkostenzuschuss entsprechend auf 600 Euro erhöht. Dann gibt es im Sozialunterstützungsgesetz die Nichtanrechnung des 13. und 14. Monatsbezugs als Einkommen sowie die Nichtanrechnung vom Pflege­geld als Einkommen.

Wir haben einen Notfallfonds für Salzburgerinnen und Salzburger mit 1,5 Mil­lionen Euro gegründet, und weiters: Zuschuss zu Wohn- und Betriebs­kosten für alle, die Sozialunterstützung bekommen, mit 2,5 Millionen Euro; Er­höhung der Sozialunterstützung für Kinder um 39 Euro pro Kind, davon sind ungefähr 2 000 Kinder betroffen; ein Heizkostenzuschuss; eine zusätzliche Wohnbeihilfe für Erhöhung des Zuschusses um 15 Prozent, da haben wir 3,7 Millionen Euro ausgegeben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es wurden auch in Sachen Strompreisbremsen Meilensteine gemacht. Ich denke nur an die 100 Freistromtage für jeden Betrieb, für die landwirtschaftlichen Betriebe (Ruf bei der SPÖ: Wer redet denn von den Wohnungen?), an den Strom­kostenzuschuss der Salzburg AG für Wärmepumpenkundinnen und -kunden und den Stromkostenzuschuss der Salzburg AG für die Speicherheizungen. Der Gaspreis wurde nicht erhöht, und ab 1.6. wird auch der Strompreis wieder ge­senkt. Das ist also eine Bilanz, mit der sich die Salzburger Landesregierung sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)


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Ich bin sehr stolz auf mein Bundesland, ich bin eine überzeugte Salzburgerin. Ich lebe im schönsten Bundesland – die anderen werden es mir verzeihen, ich bin einfach davon überzeugt. Damit das gut weitergeht, liebe Zuseherinnen und Zuseher, können Sie dann am 23.4. Ihr Kreuzerl dort machen: bei der Salz­burger Volkspartei. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

16.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie gelangen zu Wort. (Bundesrat Steiner: Vorzugsstimme Gitschthaler? – Bundesrätin Eder-Gitsch­thaler: Ja natürlich! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)


16.54.47

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Lieber – ich glaube, Kollege Schmid legt auf Genosse Wert – Genosse Schmid; ja, genau! Also: Liebe Kollegen und Genossen! (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Schmid: Ich glaube, Sie sind kein Genosse!) – Kollegin Gitschtha­ler, ich glaube, jetzt wissen es auch die letzten Zuschauer, dass am 23. April Landtagswahlen in Salzburg sind. Sie haben eine wunderschöne Wahlkampfrede gehalten. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Allgemeine Heiterkeit.)

Ich will aber den Frieden im Wahlkampf nicht stören und will auf diese Rede und ihren Wahrheitsgehalt nicht eingehen. Ich darf nur auf eines hinweisen: Mag ja alles sein, dass schöne Papiere gemacht worden sind und Vorhaben, Gesetze und Landesverordnungen beschlossen worden sind, aber trotzdem zählt Salzburg zu den Bundesländern mit dem teuersten und am schwersten leistbaren Wohnraum. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Jetzt kriegst sogar von der Seite Applaus! – Zwischenruf bei der FPÖ.) So ist es halt. Nicht jede Maßnahme und jedes Papier, das man macht, sind von Erfolg gekrönt. (Bundesrat Schreuder: Denk drüber nach!)

Jetzt komme ich aber gleich zur Dringlichen Anfrage und zu den Genossen. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Risiko! – Bundesrat Schreuder:


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Denk drüber nach!) Also der 23. April hat einen großen Vorteil, dass nämlich diese Dringliche Anfrage nicht von der SPÖ Wien und ihren Mandataren einge­bracht wurde, wie das sonst üblich ist, sondern von den Salzburger Kolle­gen oder Genossen. (Bundesrat Schreuder: Warum könnte das sein? Was könnte der Grund sein? Komisch!) Das ist natürlich hochinteressant, weil ich, wenn die Wiener das gemacht hätten (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen), gesagt hätte: Also das ist ja kühn, das ist ja kühn! (Bundesrat Schreuder: Was könnte denn da der Grund sein? Keine Ahnung!) Aber: Der 23. hat diese Kühnheit verhindert, deswegen muss ich mich nicht ganz genau mit der Situation in Wien auseinandersetzen.

Zu allen Vorrednern, zu den Antragstellern und auch zur Frau Staatssekretär: Das wichtigste und zentrale Element dieser enormen Steigerung der Wohnkosten und der Wohnungsknappheit hat keiner erwähnt, auch die Frau Minister nicht, weil es natürlich politisch unkorrekt ist. Alle wundern sich: Die Kosten steigen. – Wer ist schuld? – Die Spekulanten, die Leerstände, was weiß ich (Bundesrat Schennach: Das sind die Russen!), der liebe Gott oder die FPÖ, würde Kollege Schennach sagen (Bundesrat Schennach: Seine Russen!), ja, weil sie noch nicht der SPÖ beigetreten ist. (Bundesrat Schennach: Ihre Mandanten! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Ich darf einmal auf eine kleine Sache hinweisen, nämlich darauf, dass der Wohnungsmarkt auch ein Markt ist – das ist ja vor allem in der ÖVP bekannt, bei den Kollegen und Genossen vielleicht nicht so ganz –, das heißt, von Nach­frage und Anbot geregelt ist. Jetzt darf ich weiters daran erinnern, dass die österreichische Wohnbevölkerung in den letzten Jahrzehnten von 7 Millionen auf 9 Millionen gestiegen ist. Ich darf darauf hinweisen (Bundesrat Schennach: Ist ja gut, oder?), dass allein im Jahr 2022 108 000 Asyl­werber nach Österreich gekommen sind, 76 000 Ukrainer, die keine Asyl­werber sind, sondern Vertriebene, die also durchaus in den Wohnungsmarkt geströmt sind, und 30 000 Sonstige. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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In Wien beispielsweise, derzeitiger Stand: Jänner 2023, gibt es – ich schaue lieber, dass ich die Zahlen ganz korrekt zitiere (eine Unterlage in die Höhe haltend) – eine Wohnbevölkerung von ungefähr 1,95 Millionen. Von diesen 1,95 Millionen sind 1,1 Millionen nicht Wiener, sondern österreichi­scher Herkunft – das beinhaltet alle unsere Freunde aus dem Burgenland, aus Salzburg, Tirol, alle Freunde, Kollegen und Genossen aus dem Land – und 822 000 ausländischer Herkunft – das hat jetzt nichts mit dem Pass zu tun –, das sind immerhin 42,6 Prozent.

Selbst wenn man sagt, ja, die Asylwerber, die da gekommen sind, belasten den Wohnungsmarkt eh nicht (Bundesrat Schennach: Sind da die Deutschen dabei?), weil die in Traiskirchen und Co wohnen, dann wird man sich doch zu­gestehen - - (Bundesrat Schennach: Sind die Deutschen eingerechnet?) – Die  Deutschen sind eingerechnet, natürlich, Zuwanderer (Ruf bei der ÖVP: Sind ja Ausländer!), ich glaube nicht, dass Deutsche keine Wohnraumbeansprucher sind (Zwischenruf bei der SPÖ), dass die alle in Zelten und Wohnwägen wohnen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Alle diese Leute, die hereinkommen, beantragen, beanspruchen und benutzen Wohnraum. Wenn man eine Diskussion, eine einigermaßen ehrliche Dis­kussion über das Thema Wohnen – Flächenfraß, weil Kollegin Eder-Gitschthaler das so schön gesagt hat – anstimmt, dann muss man das als Erstes in die Diskussion einbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss fragen: Wollen wir das?, und wenn man sagt: Ja, das wollen wir, wir wollen nicht sieben, wir wollen acht, neun, zehn, elf, zwölf Millionen in Österreich!, dann muss man aber sagen: Natürlich werden diese wohnen wollen, natürlich werden sie Bauland wollen, vielleicht auch Grünland zu Erholungs­zwecken. (Ruf bei der ÖVP: Einkaufszentren!)

Daher: Man muss mehr Land versiegeln, man muss mehr Grünland in Bauland umwandeln und man muss akzeptieren, dass ein hoher Druck auf den Woh­nungsmarkt besteht, der dazu führt, dass – Spekulation hin oder her – die Mieten tendenziell steigen.


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Diese Frage stellt sich aber niemand, und dadurch entstehen solche Diskussionen wie die heutige hier (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl), dass man meint, die Errichtung von Chalets irgendwo in den Bergen störe den Wohnungsmarkt. – Ja, glaubst du, lieber Antragsteller (in Richtung Bundesrat Egger-Kranzinger) – Entschuldigung, das muss ich dich fragen (Zwischen­ruf des Bundesrates Egger-Kranzinger) –, ernsthaft, dass in die Chalets – also Hüttendörfer, die auf der Turracher Höhe, am Klippitztörl, in Gerlos er­richtet werden (Egger-Kranzinger: Was passiert mit ...?), Wohnungssuchende hinziehen würden, wenn das nicht kapitalistische Auswanderer sind? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Die werden den Markt nicht kaputt machen. (Egger-Kranzinger: Wie war das mit dem Markt? Marktverständnis: fünf!) Dass diese Hüttendörfer und Chalets am Ortsrand von Klagenfurt oder Wien errichtet würden, habe ich noch nicht gehört. (Ruf bei der SPÖ: Der redet so einen Schas zusammen!) Ich weiß, die gibt es nur irgendwo von 1 400 bis 2 000 Meter Höhe, mindestens 100 Kilome­ter von der nächsten größeren Stadt entfernt. (Ruf bei der SPÖ: Sie haben keine einzige ...!)

Nur weil wir uns den Dingen nicht stellen und weil wir Scheindiskussionen führen, weil wir die politisch unkorrekten Fakten ausblenden, machen wir solche Dinge. (Ruf bei der SPÖ: Was sagt Kollegin Svazek zu den Chaletdörfern?) Da kommen dann die Chalets am Klippitztörl dran.

Das Nächste ist die Leerstandsabgabe: Ja, mag sein, dass man dadurch ein paar Wohnungen zurückbekommt, aber die Leerstände in Wien – dazu gibt es keine genauen Statistiken; 30 000, 35 000 hört man (Bundesrat Obrecht: Blöd­sinn!) – sind ja nicht alle im Besitz von Spekulanten, die sind teilweise so­gar im Besitz von Wiener Wohnen – teilweise. (Bundesrat Obrecht: 6 000 von 220 000, das sind nicht einmal 3 Prozent!) – Was? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, ja, aber ich sage ja: teilweise. Habe ich das richtig gesagt: „teilweise sogar in Besitz von Wiener Wohnen“? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Obrecht.)


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Glauben Sie, dass eine Zuwanderung von 2 oder 2,5 Millionen Leuten mit einer Leerstandsabgabe auch nur einigermaßen in den Griff zu bekommen ist? Glauben Sie wirklich, dass die klassischen Wohnungsinvestoren und -spekulan­ten die Wohnungen jahrelang leer stehen lassen? – Die lassen sie viel­leicht einmal ein Jahr leer stehen. (Bundesrätin Kittl: Ja, sie steigen von selbst! Überlegen Sie!) Es gibt Einzelfälle – ja, die gibt es, das macht auch Tau­sende Wohnungen aus –, da stehen die Wohnungen aus spekulativen Gründen zwei, drei Jahre leer. Es gibt Insolvenzen von Bauträgern, im Zuge de­rer die Wohnungen dann fünf Jahre leer stehen, weil sie fast fertig, aber nicht bewohnbar sind, weil es dann unendliche Rechtsstreitigkeiten gibt. Das gibt es, aber das ist ja nicht das Problem.

Was ich deshalb von allen Diskutanten, Anfragestellern und auch Anfragebeant­wortern einmahnen würde, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Problem, das wir haben. Natürlich ist die allgemeine Inflation auch an der Wohn­inflation schuld oder mit schuld. Natürlich wird gegen diese Inflation nichts gemacht. Das haben wir heute sowohl von Regierungsseite, von Kollegin Gitschthaler, als auch von der SPÖ gehört. Natürlich gibt es eine Flut von einzelnen Geschenken, Zuschüssen und Unterstützungen, wie auch immer man das nennt. Das kennen wir ja seit fast drei Jahren. Das sind lauter Dinge, die, modern ausgedrückt, Painkiller für die leidende und betroffene Bevölkerung sind, aber nicht in Ansätzen den Kern der Sache treffen.

Da brauche ich ja nur über die Energiekosten zu reden: Es ist in einem Jahr unmöglich gewesen, irgendeine Initiative seitens der hier Herrschen­den zu starten, um die Energieversorger dazu zu zwingen, die exorbitanten Gewinne, die da gemacht werden, herauszugeben oder durch Senkung der Tarife an die Kunden weiterzugeben.

Und das Letzte – noch einmal zur Regierung gesagt –: Dann werden solche Dinge gemacht wie die letzte Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, durch die ermöglicht wird, dass gemeinnützige Wohnbauträger bis zu drei


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Objekte in von ihnen errichteten gemeinnützigen Anlagen an sogenannte Anle­ger verkaufen. Das steht zwar im Gesetz so nicht ausdrücklich drinnen, ist aber die Folge dieser Regelung – das wird von keinem Juristen bestritten. Das ist auch nicht unbedingt ein Beitrag zur Erhaltung eines sozial leistbaren Wohn­niveaus, wenn man ermöglicht, dass sogar soziale Wohnbauträger bis zu drei Objekte an sogenannte Anleger verkaufen.

Aus diesem Grund: Ich danke für die Aufmerksamkeit, denn das Thema ist sehr groß, und wenn wir nicht bereit sind, uns der zentralen Frage auch nur zu stellen, dann, glaube ich, verdienen wir es nicht, dass uns die Bevölkerung sehr viel Aufmerksamkeit bei unseren Diskussionen schenkt. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

17.04


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


17.05.11

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir jetzt bei den Worten von Herrn Hübner ein bisschen die Gänsehaut heruntergeronnen (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring), denn sie klingen zwar lieb und nett, der Duk­tus erinnert aber an die Dreißigerjahre (Bundesrätin Steiner-Wieser: He he!), wo irgendein Schuldiger oder jemand gesucht wird, von dem man Wohnungen oder Arbeit nehmen kann, um sie – unter Anführungszeichen – den „eige­nen“ Leuten zu geben. Das ist eigentlich sehr erschreckend. (Bundesrat Spanring: Angebot und Nachfrage ist rassistisch? Sehr interessant! Das ist die grüne ...!) –Ja. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber: Es ist immens wichtig – da gebe ich den Anfragesteller:innen recht –, leistbares Wohnen immer im Auge zu behalten. Ja, Wohnen ist ein Grundrecht, denn wir müssen alle irgendwo wohnen, und das sage ich hier nicht zum


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ersten Mal. Daher ist es so wichtig, darauf zu schauen, dass der An­teil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen nicht zu hoch wird, damit den Familien für andere existenziell, aber auch sozial notwendige Ausgaben noch genügend Geld zur Verfügung steht.

Menschen mit wenig Einkommen, die einen großen Anteil ihres Haushalts­einkommens für Wohnen ausgeben müssen, bleibt zu wenig Geld, um ihre Kinder ausreichend zu unterstützen, sei das ein Skikurs, seien das aber auch nur ein Kindergeburtstag oder Nachhilfe, Musikstunden oder andere Kul­tur- und Freizeitaktivitäten. Da fehlt es an den Förderungen für die Kinder, an der Freude, die man ihnen machen kann, und an der sozialen Einbettung. Das sind alles Faktoren, die es braucht, um sozial mobil zu sein, also aufsteigen zu können.

Daher treten wir Grüne lautstark für leistbares Wohnen ein (Ruf bei der FPÖ: Wo?), Sie wissen das und Sie wissen das auch aus Wien. Ich gehe sehr gern auf Wien ein, ich bin ja auch aus Wien entsendet. Eine Stellschraube für günstigere Mietwohnungen ist, genügend Mietwohnungen auf den Markt zu bringen, damit das Angebot höher als oder zumindest gleich hoch wie die Nachfrage ist und die Mieten aufgrund des Wettbewerbs – weil die Nachfrage das Angebot übersteigt – nicht so enorm steigen wie bisher. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wohnraummobilisierung ist der Fachausdruck, und dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, von denen ich ein paar nennen möchte, bevor ich auf die Leerstandsabgabe eingehe. Mein Fokus – ich habe es schon gesagt – liegt auf Wien, während der die Anfrage einbringende Bundesrat seinen Fokus auf Salzburg legt – wie wir schon gehört haben nicht verwunderlich, wir haben heute, glaube ich, recht viele Wahlkampfreden hier gehört.

In der Anfrage geht es unter anderem um touristische Vermietung. Sie sprechen eben von Chaletdörfern – wir haben es jetzt oft gehört –, die Boden und Wohnraum für die Menschen vor Ort extrem verteuern. Das stimmt, aber es


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muss nicht so sein, wenn sie nicht so gewidmet werden. Ähnliches gibt es auch in Wien. Wien ist als Ganzes ein touristischer Hotspot. Da geht es natürlich nicht um die Chaletdörfer, aber eben um die touristische Vermietung. Es geht um die touristische Vermietung von bestehendem Wohnraum wie zum Beispiel über Airbnb, und genau das entzieht dem Markt wieder Woh­nungen und ist zusätzlich eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Wien braucht aber, weil die Bevölkerung Wiens jedes Jahr um 10 000 bis 20 000 Menschen wächst, mehr Mietwohnungen. Daher braucht es ein wienweites Verbot – die Wiener SPÖ: bitte die Ohren spitzen! – von touristischen Kurzzeitvermietungen von Wohnungen, und es braucht genügend Daten und effektive Sanktionsmöglichkeiten, um gegen verbotene Kurz­zeitvermietung vorzugehen. Wenn man ganz konsequent sein möchte, wäre ein allgemeines Zweckentfremdungsgebot für Wohnraum am zielführendsten.

Einen grünen Antrag in Wien zur Abschaffung von Ausnahmeregelun­gen in Wohnzonen hat die SPÖ leider – für mich unverständlicherweise – ab­gelehnt; wahrscheinlich auch die NEOS, weil mich Kollege Arlamovsky so anschaut. (Bundesrat Arlamovsky schüttelt den Kopf.)

Eine weitere sehr große Stellschraube ist die Flächenwidmung. Die Raumord­nung ist Ländersache, die Flächenwidmung ist Gemeindesache. Ich wage zu behaupten, dass die Fraktion der Anfragesteller:innen genügend Macht in den Ländern hat, etwas weiterzubringen. Sie sitzen in genügend Landtagen und sind mit genügend Macht ausgestattet, um mittels der Flächenwidmung zu mehr leistbarem Wohnen zu kommen.

Da kann ich Wien als gutes Beispiel nennen. In der Zeit der Koalition mit den Grünen und auch auf Betreiben der Grünen ist Wien im Bereich der Flä­chenwidmung mit gutem Beispiel vorangegangen. Es hat in der Bauordnung, die in Wien eben auch die Raumordnungsbestimmungen enthält, die neue Widmungskategorie geförderter Wohnbau eingeführt, die auf neu gewidmete Bauflächen zu zwei Dritteln umgesetzt werden muss. Das ist ein riesen-


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großer Schritt, der hin zu leistbaren Wohnungen geht und weg von den frei ver­mieteten und teuren Privatwohnungen. Da ist Wien, genauso was die Ge­meindewohnungen und den Bau von Gemeindewohnungen betrifft, den man im 20. Jahrhundert so stark vorangetrieben hat, ein gutes Beispiel, ein großes Vorbild, und wir zehren immer noch davon, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Wiener Bevölkerung, eine halbe Million Menschen, in circa 220 000 Ge­meindewohnungen wohnt.

Das bringt mich zur nächsten Maßnahme, die noch weitere, vor allem leistbare Wohnungen auf den Markt bringen soll. Die öffentliche Hand ist Eigentü­merin von Gemeindebauten und kann überprüfen, wer denn in Gemeindewoh­nungen wohnt und ob sie überhaupt bewohnt werden, denn viele, wirklich sehr viele Wohnungen, eben auch in Wien, sind Zweitwohnsitzwohnungen oder sind gar nicht als Wohnsitz gemeldet. Das heißt, sie stehen leer und sie dienen keinem dringenden Wohnbedürfnis. Das betrifft auch Gemeindewohnungen.

Wenn ich die leider immer nur geschätzten Leerstandszahlen in Wien mit circa 10 Prozent ansetze – eine Studie der Arbeiterkammer geht von 15 Prozent aus ‑, ergibt das, es könnten mehr als 20 000 Wohnungen für etwa 50 000 Men­schen den einkommensschwächsten Bewohner:innen von Wien zur Verfü­gung gestellt werden. Hier könnte die Stadt Wien sofort handeln, genauso wie sie die Indexanpassung in Gemeindewohnungen schon länger aussetzen könnte, wie zum Beispiel Traiskirchen das gemacht hat. Auch vermietet Traiskir­chen Gemeindewohnungen weitaus günstiger, nämlich nach dem Kate­goriemietzins.

Noch etwas zur Flächenwidmung: Was mir und uns Grünen ein sehr großes Anliegen ist: Hören Sie auf, Ortsränder mit Gewerbeparks zu verbauen! Sie werden gleich hören, warum ich darauf eingehe: Das versiegelt wertvolle Böden, es schadet der Versickerung, es fördert den Verkehr, es verur­sacht Unmengen an CO2, darüber hinaus lässt es die Ortskerne völlig verwaisen.


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Derweilen sollten gerade die Ortskerne aus ökologischer und sozialer Sicht gefördert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Da komme ich gleich zu der Maßnahme, die gerade in Wien sehr unterstüt­zenswert wäre, nämlich, mehr Wohnungen zu bauen, ohne Boden versiegeln zu müssen, und mehr Wohnungen damit auf den Markt zu bringen, und zwar mittels Nachverdichtung. Das ist bei bestehenden Häusern und auch wieder bei Gemeindebauten möglich, wo man zum Beispiel Parkplätze überbauen könn­te oder Dachböden ausbauen könnte, aber auch bei den Tausenden Su­permärkten und Gewerbeparks, die überbaut werden könnten.

Wenn wir von diesen ungenutzten Brachen und bereits versiegelten Flächen sprechen, komme ich auch zum Grund und Boden der öffentlichen Hand: Ja, diese Flächen sollten, wenn sie nicht mehr genutzt und verkauft werden, jedenfalls für gemeinwohlorientierten Wohnbau verwendet werden. Grundsätzlich aber sollte, weil man damit politisch besser lenken kann, gar kein öffentlicher Grund verkauft werden, sondern maximal im Baurecht ver­geben werden, was zunehmend von den ÖBB und glücklicherweise auch von Wien gemacht wird. – Gut so.

Nun zur Leerstandsabgabe: Diese betrifft Vermieter:innen oder Eigentümer:in­nen von Wohnungen, die nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohn­bedürfnisses dienen. Sie sagen es selbst, die Länder können hier selbst aktiv werden, und sie wurden es auch schon; wir haben es heute schon öfters gehört. Allerdings wurden sie es mit einer Abgabe in einer recht geringen Höhe, nämlich von circa 1 Euro pro Quadratmeter, und das wird nicht sehr viele davon überzeugen – wenn man 100 Quadratmeter nimmt, sind das 100 Euro im Monat –, dass sie diese Wohnungen vermieten werden. Aber es ist ein erster Schritt.

Daher haben die Grünen in Wien, unser grüner Sprecher für Wohnen Georg Prack, einen Antrag auf Einführung einer entsprechend höheren Leer­standsabgabe in Wien eingebracht, einer moderaten Leerstandsabgabe, die nicht


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der Ansicht des VfGH widerspricht. Die SPÖ-NEOS-Regierung aber hat ihn abgelehnt. Auch das ist nicht nachvollziehbar.

Eine von den Ländern eingeführte Leerstandsabgabe muss nämlich nicht zahnlos sein, sie muss nicht 1 Euro pro Quadratmeter betragen, die potenzielle Vermieter:innen, die neue Mietwohnungen auf den Markt bringen könnten, nicht kratzt. In diesem Modell haben wir eine moderate Leerstandsab­gabe gefordert, die zwei Drittel des Richtwertes beträgt, das sind etwa 4 Euro pro Quadratmeter. Damit würden monatlich zusätzlich zu den anfallen­den Betriebskosten bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung, das ist am ein­fachsten zu rechnen, 400 Euro zu bezahlen sein. Das wäre eine monat­liche Belastung, inklusive Betriebskosten, Instandhaltung, von circa 700 bis 1 000 Euro. Das schmerzt sehr wohl, aber es zwingt nicht zur Vermie­tung, wie der Verfassungsgerichtshof sagt, und es würde mehr Wohnungen auf den Markt bringen, denn es rechnet sich dann nicht mehr, diese leer stehen zu lassen.

Ein weiterer Benefit der Einführung einer Leerstandsabgabe, sogar, wenn sie sozusagen keine Zähne hat, ist die Erhebung des Leerstands. Das ist für uns politisch wichtig, um entsprechend handeln zu können.

Das Argument also, dass der Bund handeln muss, greift meiner Ansicht nach nicht. Das ist meines Erachtens eine Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln.

Die SPÖ beklagt sich ständig und weist immer darauf hin, was der Bund nicht alles tun sollte und was er falsch macht, aber genau dort, wo der Bund nachhaltige strukturelle Maßnahmen setzt, wie etwa die Anpassung der Sozial­leistungen an die Inflation und die Abschaffung der kalten Progression, genau dort, wo es um nachhaltige Maßnahmen geht, hat das von der SPÖ ge­führte Wien nur Einmalzahlungen beschlossen, und sie tut es weiterhin. Zudem werden Gemeindegebühren für Müll, Kanal und Wasser pünktlich zu


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Neujahr an die Inflation angepasst, egal, wie hoch die Inflation ist. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Buchmann: Ja, da schau her!)

So manche Sozialleistungen der Stadt Wien aber werden nicht an die Inflation angepasst, wie zum Beispiel die Wohnbeihilfe durch die nicht indexierten Einkommensgrenzen. Das führt dazu, dass Tausende Menschen ihren Anspruch auf Wohnbeihilfe verlieren, weil sie mit ihrem Einkommen über diesen Grenzen liegen. Die Stadt Wien hat diese Einkommensgrenzen das letzte Mal vor mehr als 20 Jahren angehoben. Obwohl die Wiener Bevölkerung in den letzten Jahren um mehr als 200 000 Personen gewachsen ist, ist die Zahl der Wohnbeihilfebezieher:innen gesunken – aber nicht, weil die Men­schen reicher oder die Mieten günstiger geworden sind, ganz im Gegenteil. Mehr Menschen bräuchten eigentlich die Wohnbeihilfe, bekommen sie aber nicht. Das ist nichts anderes als kalte Progression bei der so wichtigen Wohnbeihilfe, in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen Wohnen nicht mehr leisten können. Wo bleibt da Verantwortung und Ihr Aufschrei, liebe SPÖ? (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.18.03

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elisabeth, du hast bei deiner Rede richtigerweise gesagt, man fühlt sich bei vielen Reden heute an Wahlkampfreden erinnert. Deine Rede ließe vermuten, dass eine Wienwahl kurz bevorsteht. (Beifall bei der SPÖ.) Sie hätte besser in das Rathaus gepasst als hier in den Bundesrat. (Beifall eines Bundesrates der FPÖ.)

Zum Thema Wohnkosten, Senkung von Wohnkosten oder Probleme der stei­genden Wohnkosten möchte ich einmal ein bisschen ausholen und den Kontext der Wohnkosten darstellen.


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Wie setzen sich die Wohnkosten zusammen? – Einerseits aus den Kosten für den Wohnraum per se, andererseits aus den Betriebskosten – verbrauchs­abhängigen Betriebskosten, verbrauchsunabhängigen Betriebskosten, Kosten für Heizen, Kosten für Strom. Die Kosten für den Wohnraum per se splitten sich dann auch wieder auf, je nachdem, ob es sich um Wohnen im Eigentum, in einer Genossenschaftswohnung oder in Miete handelt; auf der einen Seite haben wir Mietwohnungen, die einem Mietendeckel unterliegen – Richt­wertsystem, Kategoriemieten –, und andererseits Mietwohnungen, die keinem Mietendeckel unterliegen. Darüber hinaus kann man auch noch die Diffe­renzierung vornehmen: Wohnungen, die der öffentlichen Hand gehören, und Wohnungen, die nicht der öffentlichen Hand gehören.

Bei vielen Problemen, die heute hier angesprochen werden oder die in der öffentlichen Diskussion angesprochen werden, wird halt immer nur ein kleiner Teil beleuchtet, nicht, um welche Wohnungen es eigentlich geht und um welchen Teil der Kosten es eigentlich geht.

Wenn Schwerpunkte in dieser Debatte die Themen Leerstand und Leerstandabgabe sind, beginnt das Problem ja bereits damit, sich zu überlegen, was Leerstand ist. Liegt Leerstand nur dann vor, wenn eine Wohnung, die vermietbar ist, nicht vermietet ist, oder ist auch das Leerstand, wenn eine Wohnung zwar nicht vermietet ist, aber der Eigentümer dort einen Wohnsitz gemeldet hat oder keinen Wohnsitz gemeldet hat und sie nutzt oder nicht nutzt, vielleicht Teile der Familie sie nutzen oder es ein Zweitwohn­sitz ist? Genauso ist Folgendes zu bedenken: Wenn eine Wohnung vermietet ist, kann das ja trotzdem ein Leerstand sein, wenn sie nicht zur Deckung eines dringenden Wohnbedürfnisses genutzt wird, entweder ohne Kenntnis oder Ein­willigung des Vermieters oder mit Kenntnis oder Einwilligung des Vermieters.

Im Sinne einer effizienten Nutzung von Wohnraum wäre es natürlich günstig, wenn der Leerstand so niedrig wie möglich oder so niedrig wie erforder­lich gehalten wird, weil Grund und Boden ein begrenztes Gut ist. Sagen wir es aber einmal so: Ein gewisses Minimum an Leerstand ist auch notwendig,


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weil es ja sonst nicht möglich wäre, dass irgendjemand übersiedelt. Bei einem Mieterwechsel – es muss ja nicht einmal ein Mieterwechsel sein, es kann ja auch ein Eigentümerwechsel sein – ist es auf jeden Fall für einen bestimmten Zeitraum notwendig, dass die Wohnung leer steht.

Wenn es jetzt darum geht, dass eine Leerstandsabgabe eine Lenkungs­maßnahme sein soll, muss man sich überlegen, welcher Einfluss denn eigentlich auf den Markt genommen werden soll, den das Wohnungswesen ja nach wie vor darstellt, und zwar welche Lenkungsmaßnahme, die nicht bereits durch Marktmechanismen erledigt werden kann.

Jetzt geht es da um eine Wohnung, die der Eigentümerin Einkünfte bringen könnte. Da fallen ja nicht nur für den Leerstand Kosten an, und zwar tatsächliche Kosten, Ausgaben – sagen wir einmal 2 Euro pro Quadratmeter im Monat verbrauchsunabhängige Kosten, wenn man Strom und Heizung ab­stellt, was auch nicht immer möglich ist –, aber dazu kommen, wenn man in Volkswirtschaft – oder vielleicht ist es Betriebswirtschaft – ein biss­chen aufgepasst hat, auch Opportunitätskosten, weil jede Wohnung, die man nicht vermietet, einen Einnahmenausfall mit sich bringt.

Je nachdem, welche Art von Wohnung das ist – ob die Wohnung einem Mie­tendeckel unterliegt oder nicht –, sind das vielleicht 6 Euro pro Quadrat­meter, 8 Euro pro Quadratmeter, 15 Euro pro Quadratmeter Opportunitätskos­ten, die durch diese leere Wohnung entstehen. Dann darüber zu reden, zu den 6 bis 17 Euro, wenn man jetzt die tatsächlichen Ausgaben dazurechnet, auch noch eine sogenannte Leerstandsabgabe von 1 bis – ich weiß nicht – 4 Euro draufzuschlagen, um den Leerstand um vielleicht noch einmal 20 Prozent zu den schon vorhandenen Kosten zu verteuern: Ich weiß nicht, ob das irgend­welche Lenkungseffekte erzielen könnte. Das wäre im Wesentlichen eine schwer administrierbare Einnahmenbeschaffungsaktion, die keine Lenkungseffekte hat.

Wenn man also, um das Argument einmal weiterzuspinnen, solch eine Leer­standsabgabe einführen wollte, dann müsste man eine ganze Menge


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von Ausnahmen schaffen, denn treffen möchte man ja eigentlich nur die Objekte der bösen Spekulanten, der Immohaie, nicht aber diejenigen leer stehenden Wohnungen, für die es einen guten Grund gibt, bei denen es einen nachvollzieh­baren Grund gibt, warum sie leer stehen – beispielsweise weil eine Wohnung frei geworden und in Zukunft eine Nutzung für einen anderen Mieter geplant ist, eine Eigennutzung, eine Nutzung für einen Familienangehörigen, die aber erst in der Zukunft geplant ist und nicht in zwei Monaten.

Das Problem mit den Befristungsregelungen ist: Wenn eine Nutzung in einem Zeitraum, der weniger als drei Jahre in der Zukunft liegt, geplant ist, muss man sie in der Zwischenzeit leer stehen lassen, oder man findet einen Tatbestand, der nicht unter die Befristungsregelung fällt, also irgendjemand braucht die Wohnung für einen beruflichen Zweitwohnsitz oder so etwas. Dann gibt es die Fälle, bei denen die Wohnung saniert werden muss, im Moment aber die Liquidität der Eigentümerin nicht gegeben ist, um die Wohnung sanie­ren zu können, weswegen die Sanierung länger dauert. Dann steht die Wohnung auch länger leer, als selbst die Vermieterin das gerne haben würde – da noch mit irgendwelchen Strafsteuern draufzugehen, bringt auch keinen Lenkungseffekt.

Daher stelle ich mir folgende Frage: Wenn man, abgesehen von Überschriften und Wahlkampfreden, einen Lenkungseffekt erzielen möchte, um das An­gebot an Wohnraum zu erhöhen, indem man vermeidbare Leerstände verrin­gert – was ja eigentlich etwas Gutes wäre, weil die Senkung der Kosten durch Steigerung des Angebotes ein Marktmechanismus ist, wobei ich mich ge­freut habe, dass so etwas angesprochen wird –, muss man sich überlegen, wie man das im Detail legistisch umsetzen kann, damit man auch nur die trifft, die es treffen soll, und nicht überwiegend diejenigen trifft, die man gar nicht treffen will. Ich stelle mir das sehr schwer vor. Ich habe noch keinen Vor­schlag gesehen, der über Überschriften und Wahlkampfreden hinausgeht. (Zwischenruf des Bundesrates Egger-Kranzinger.)


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Jetzt zu konstruktiven Vorschlägen, wie unserer Meinung nach das Angebot an leistbarem Wohnraum vergrößert werden kann: Punkt eins wäre, dass man tatsächlich die Bauordnung und die Raumplanung als Instrument der Wohnraumschaffung nutzt. In den letzten Jahren war ja in Österreich zu beob­achten, dass bei den Wohnbauträgern und Projektentwickler:innen der Trend anteilsmäßig eher zum frei finanzierten Wohnbau geht, also weniger mit öffentlichen Fördermitteln gearbeitet wird, was zu einer Verteuerung von Wohnraum führt und außerdem die Schaffung von Eigentumswohnungen, von Wohneigentum erschwert.

Diese Entwicklungen könnte man abfedern und man könnte diesbezüglich ausgleichend wirken, wenn auf Landesebene die Bauordnungen innovativ ge­staltet werden und vor allem die Gemeinden eine vorausschauende Raumplanung machen. Ein Beispiel könnte etwa sein, dass im Flächenwid­mungsplan gezielt Bauland ausgewiesen wird, auf dem ein Mindestan­teil an gefördertem Wohnraum errichtet werden muss (Beifall des Bundesrates Egger-Kranzinger), um ein besser durchmischtes Angebot sicherzustellen.

Weiters gibt es bekanntlich das Problem, dass die stark gestiegenen Grundstückspreise, die einen großen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, für das Steigen der Wohnkosten verantwortlich sind. Da könnte, da Grund­stücke ein knappes Gut sind, ein verbindliches und aktives Flächenmonitoring und ‑management der Gemeinden dafür sorgen, dass bereits ausgewie­senes beziehungsweise brachliegendes Bauland besser genutzt wird und keine neuen Flächen, die dann oft in Randlagen liegen – was, wie wir heute auch schon gehört haben, ein Problem ist –, in Anspruch genommen werden.

Zusätzlich könnte durch eine gezielte Erhöhung der zulässigen Bebauungsdichte dort, wo es möglich ist, mehr Wohnraum auf den bereits vorhandenen Grundflächen errichtet werden.

Beide Maßnahmen reduzieren außerdem den Bodenverbrauch, damit auch die Gesamtkosten von Wohnbauprojekten und in direkter Konsequenz den Kaufpreis der Wohneinheiten.


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Die zweite Möglichkeit, die ich heute ansprechen möchte, wäre die Förderung innovativer Wohnmodelle, zum Beispiel wenn in der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet die Möglichkeit geschaffen wird, dass Betriebsgebäude neu genutzt werden, indem die Umwidmung zu Wohnzwecken erleichtert wird. Da gibt es etwa in den Niederlanden ein Beispiel, das wir uns angeschaut haben, bei dem frühere Betriebsgebäude bereits erfolgreich umgerüstet werden, um Wohnbedarf zu decken. Das hat wiederum den Vorteil, dass in oft günstiger Lage neuer Wohnraum entsteht und wiederum keine zusätzliche Bodenversiegelung erforderlich ist.

Was uns NEOS auch vorschwebt und wo man etwas machen könnte, ist, dass für jüngere erstmalige Käufer beziehungsweise Käuferinnen von Eigen­tumswohnungen mehr Grundstücksflächen für leistbaren Wohnraum im Rahmen des geförderten Wohnbaus zur Verfügung gestellt werden, weil sich auch da zumindest mittelfristig enorme Chancen für günstigeren Wohnraum ergeben würden. – Vielen Dank.

17.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie sind am Wort.


17.29.13

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich persönlich freut es ja, dass die Staatssekretärin ihren Sinn für Humor behalten hat. Ganz ehrlich, ich habe ein bisschen schmunzeln müssen: Im Kompetenzbereich des Bun­des sei bereits sehr viel passiert, was leistbares Wohnen betroffen hat. – Das finde ich schon eine mutige Ansage. Von 34 Vorhaben, die sich die Bun­desregierung schon damals, 2019, vorgenommen hat, sind bislang drei in Um­setzung, 31 stehen noch aus.

Auch eine weitere Antwort hat ganz gut dazu gepasst. Wir wollten nämlich wissen, wie es denn mit den anderen 31 ausschaut, und die Antwort darauf war:


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Die Abarbeitung kann nicht vorweggenommen werden! – Na ja, vorweg­genommen werden: Wir sind jetzt im Jahr 2023. Diese Bundesregierung wird vielleicht kürzer, aber längstens bis 2024 im Amt sein. Wann kann man denn damit rechnen, dass man die Projekte oder die Ergebnisse der Projekte erfährt oder irgendwann bekommt? Bei der Angelobung einer neuen Regierung wird es dann zu spät sein, und von 2019 bis jetzt, da könnte schon etwas passiert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch ein paar andere Sachen von Ihren Antworten mitschreiben können, will aber zuerst noch auf Kollegin Eder-Gitschthaler replizieren, die völ­lig zu Recht gesagt hat, Salzburg sei ein wunderschönes Bundesland. (Bun­desrätin Eder-Gitschthaler: Ja, sehr schön!) – Das finde ich auch, ich bin gern in Salzburg, man kann gleichzeitig aber auch sagen, dass vielleicht der Wohnungsmarkt in Salzburg nicht so gut läuft und dass das auch ein Versagen der Landesregierung ist. Man kann nämlich das eine sagen und das ande­re auch. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine ganz besondere Chuzpe, die immer wieder vonseiten der ÖVP kommt, ist: Erleichterungen beim Kauf des ersten Eigentums, das soll es sein, Erleich­terungen beim ersten Eigenheim statt einer Mietpreisbremse! – Ich frage mich da immer – tatsächlich, das ist wirklich eine Frage für mich –, ob wir in unterschiedlichen Universen leben, denn ich kenne niemanden, der sich das leisten kann, wirklich niemanden, und wir sagen das immer wieder. Viel­leicht aber kennen Sie die jungen Leute, die 500 000 Euro auf der hohen Kante haben. Ich kenne sie nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich klingt das tatsächlich immer nach dem Ausspruch von Marie Antoinette: Wenn sie sich kein Brot leisten können, dann sollen sie eben Kuchen essen! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das ist zynisch!) – Ja, tatsächlich ist es zynisch. Es ist zynisch, Leuten, die sich sicher kein Eigentum leisten können, zu sagen: Na ja, macht es doch einfach! Wir machen nichts bei der Miet­preisbremse, denn: Kauft euch einfach ein Eigentum! Es ist uns egal, ob ihr kein Geld dafür habt! – Das ist zynisch. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


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Es ist wirklich schön, wenn Sie beim geförderten Mietbereich etwas machen, das ist tatsächlich eine gute Sache. Was Sie nicht dazugesagt haben, ist, dass das in Salzburg nicht einmal eine von fünf Wohnungen betrifft, so gering ist der Anteil an geförderten Wohnungen. Das sollte man der Vollständigkeit hal­ber dazusagen. Der Vergleich macht sicher: In Wien sind über 60 Prozent aller Wohnungen im geförderten Bereich oder im Eigentum der Stadt. Das ist tatsächliche Politik zugunsten von Mieterinnen und Mietern! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben zusätzlich auch noch erwähnt, dass man in Salzburg auf den Stopp der Spekulation mit Grund und Boden setzt. – Super, das ist eine Parole, die, glaube ich, alle hier unterschreiben. Wie läuft es denn damit? (Heiterkeit bei der SPÖ.)  Also ich habe das Gefühl, es läuft nicht gut. Kollegin Kittl hat völ­lig zu Recht gesagt, dass man sich da von Wien etwas abschauen kann – das ist auch richtig, das haben wir damals gemeinsam mit den Grünen gemacht –, nämlich die Widmungskategorie sozialer Wohnbau.

Worum geht es konkret? – Sie kennen das Beispiel vermutlich alle: Es gibt Grünland, das steht einfach da, irgendein Spekulant kauft sich dieses Grünland und hofft darauf, dass es in Bauland umgewidmet wird, und dann kann er es um ein Vielfaches des Preises verkaufen.

Das wollten wir in Wien nicht, deswegen haben wir gesagt: Wenn das in Bauland umgewidmet wird, dann muss das in die Kategorie geförderter Wohnbau umgewidmet werden. Zwei Drittel der Wohnungen, die dort errichtet werden, sollen dann geförderte sein, damit wir der Spekulation mit Grund und Bo­den auch wirklich Herr werden, weil das tatsächlich ein Problem ist. Ich verstehe auch nicht, warum man sich das zum Beispiel nicht abschauen würde. Ich glaube, dass das eine extrem sinnvolle Maßnahme – quer durch Österreich – ist; deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Flächenwidmung ,Sozialer Wohnbau‘ zur Schaffung von leistbarem Wohn­raum in den Bundesländern“

Worum geht es dabei konkret?

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfas­sung im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert die Flächenwidmungskate­gorie ,Sozialer Wohnbau‘ zu fördern und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein Gesetzespaket vorzulegen, das die verfassungsrechtliche Absicherung der Flächenwidmung ,Sozialer Wohnbau‘ (in Artikel 11 Abs. 1 Z 3 B-VG) imple­mentiert.“

*****

Dies deshalb, damit das auf fixen Beinen steht, noch mehr, als es das jetzt schon tut, und damit es noch einen positiven Anreiz für die anderen Bundesländer gibt, da nachzuziehen, weil es ein Erfolgskonzept ist und weil es eine Nachahmung verdient.

Neben all dem komme ich auch noch zu einer anderen Sache, die Kollegin Kittl vorgebracht hat. Da waren einige richtige Sachen dabei, ein paar Sachen sehe ich anders. Vielleicht fangen wir mit jenen an, die ich genauso sehe: Eine der wichtigsten Aufgaben von uns Politikern ist es, genügend Wohnraum zu schaffen oder zumindest Maßnahmen zu setzen, damit das ermöglicht wird. Wien ist da tatsächlich ein Vorreiter, es kommen regelmäßig Delegationen aus dem Ausland hierher, um sich den sozialen Wohnbau in Wien anzuschauen.

500 000 Menschen wohnen in einem Gemeindebau, in 220 000 Gemeindewoh­nungen. Ich selbst bin in einer solchen aufgewachsen und bin sehr glücklich


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darüber. 4 000 neue werden jetzt auf den Weg gebracht, damit wir an diesem Modell ansetzen und auch weiterbauen. Der geförderte Wohnbau wird in Wien forciert. Warum? – Weil wir wissen: Wenn wir ein Angebot schaf­fen, wenn wir schauen, dass möglichst viele Wohnungen gebaut werden, können wir auch gleichzeitig den Preis drücken, und zwar nicht nur bei den Woh­nungen, die der Stadt selbst gehören, die von der Stadt gefördert werden, son­dern zusätzlich erreichen wir einen preisdämpfenden Effekt bei den pri­vaten Wohnungen, denn deren Vermieter können dann nicht irgendeinen Preis verlangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil Sie den Leerstand angesprochen haben und gemeint haben, es gibt bei Wiener Wohnen durchaus Leute, die illegalerweise einen Zweitwohn­sitz in einer Gemeindewohnung haben: Natürlich, deswegen geht ja Wien teilweise auch mit Privatdetektiven vor, wenn sich ein Verdacht erhärtet. Wenn Sie also konkret eine Verdachtslage haben, bitte diese einfach Wiener Wohnen zu melden! Die gehen dem gerne nach. Es ist ja auch in unser aller In­teresse, dass leistbares Wohnen jenen Leuten zugutekommt, die es wirk­lich brauchen.

Ich glaube, da reden wir eigentlich nicht gegeneinander, deswegen habe ich das Argument nicht verstanden, warum Sie das jetzt genauso aufgreifen. Ich glaube, die Stadt macht da fast alles, was sie kann. Ich wüsste nicht, wie es viel besser geht, aber wenn Sie da Ideen haben, greifen wir diese gerne auf.

Die einzige Idee, die dann immer kommt und die wir auch unterstützen, die wir auch schon öfters eingebracht haben, aber halt auf Bundesebene, nicht auf Landesebene – warum, erkläre ich gleich –, ist die Leerstandsabgabe. Ich war erstaunt, dass die Staatssekretärin gemeint hat, die Leerstandsabgabe sei nicht im Regierungsprogramm enthalten – das war eine offizielle Antwort. Ich zi­tiere aus dem Regierungsprogramm – offiziell –: „Die Bundesregierung möch­te das Angebot an Wohnungen vergrößern und wird zu diesem Zweck gemein­sam mit den Ländern den Leerstand mobilisieren.“


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Okay, da steht nicht die Abgabe drinnen, aber was bedeutet es denn sonst? Was bedeutet es denn sonst, wenn es nicht die Abgabe ist? (Bundesrat Buch­mann: ...  teleologisch das nachzuvollziehen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, Sie haben absolut recht, wörtlich steht es da nicht drinnen, aber ich kann das nicht anders deuten als im Sinne einer Leerstandsabgabe. Das ist ein bisschen eine Mogelpackung, zu sagen, es stehe nicht drin.

Dann haben Sie auch noch gesagt: Der Lenkungseffekt von so einer Abgabe wird von Experten bezweifelt. – Was stimmt, ist: Wenn es niemandem wehtut, gibt es tatsächlich keinen Lenkungseffekt. Und jetzt haben wir genau das Pro­blem, das wir bei diesem Thema immer haben. Wien hatte ja schon so eine Leerstandsabgabe mit einem starken Lenkungseffekt. Das hat die Leute wirklich etwas gekostet. Deswegen hat es der Verfassungsgerichtshof aufgehoben, weil er gesagt hat: Liebe Stadt Wien, das dürft ihr nicht, da muss der Bund ran, der Bund muss so eine Abgabe schaffen! – Das ist auch der Grund, warum wir es immer vom Bund fordern: Weil die einzige Leerstandsabgabe, die wir im Land umsetzen dürfen, eine ist, die keinen mobilisierenden Effekt haben darf. – Na super! Was fangen wir mit so einer Leerstandsabgabe an?

Ganz im Gegenteil, die Bundesländer, die das aus hehren Motiven – das wird so sein – machen, nehmen den Druck vom Bund ein bisschen raus, weil es dann heißt: Es gibt ja ohnehin schon eine Leerstandsabgabe! – Das ist aber eine Mogelpackung, auch da. Die Leerstandsabgabe, die einen mobilisierenden Effekt hat, durch die also wirklich Wohnraum geschaffen wird, ist eine, die nur vom Bund eingeführt werden kann. Sie wird regelmäßig von der ÖVP ver­hindert, und kein Mensch versteht, warum. Es gibt auch ÖVP-Landeshauptleute, die sie fordern, und trotzdem machen Sie sie auf Bundesebene nicht. Das geht mir nicht ein. Deswegen glaube ich, dass es auch eine Notwendigkeit gibt, über den Entschließungsantrag des Kollegen Schmid eine namentliche Abstimmung durchzuführen, um zu sehen, wie es die Bundesrätinnen und Bun­desräte in diesem Haus tatsächlich mit einer Leerstandsabgabe halten,


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und zwar nicht mit einer Leestandsabgabe der Länder, die keinen mobilisie­renden Effekt hat, sondern mit einer echten Leerstandsabgabe, die nur der Bund umsetzen kann und die er endlich umsetzen muss. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

17.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Flächenwidmung ,Sozialer Wohnbau‘ zur Schaffung von leistbarem Wohnraum in den Bundesländern“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Herzlich willkommen an die weitere Gästegruppe in unserem Haus: Willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Silvester Gfrerer. – Bitte, Sie sind am Wort.


17.39.03

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Werte Frau Vizepräsidentin! Liebe Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher hier im Sitzungssaal des Bundesrates! Liebe Damen und Herren, die zu Hause unserer Sitzung noch beiwohnen! Herr Kollege Egger – er ist leider nicht im Raum –, es ist richtig und es ist korrekt: Eine Dringliche Anfrage ist ein gutes demokrati­sches Recht, und das Thema ist wichtig. Ob es für einen Wahlkampf für Salz­burg in Wien geeignet ist, wage ich zu bezweifeln. (Befall bei der ÖVP.)

Aber trotzdem: Wir leben in herausfordernden Zeiten. Wir haben drei ganz schwierige Jahre hinter uns: Pandemie, Krieg, Abhängigkeit, Inflation, Teuerung – alle sind irgendwie betroffen, mehr oder weniger.

Ich möchte die Jugend besonders hervorheben, unsere Jugend, die stark betrof­fen war, die sehr eingeschränkt war. Und – ihr wisst es alle – im jugendli­chen Alter hat man andere Pläne und andere Absichten, als zu Hause zu sitzen.


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Das, glaube ich, ist eine ganz wesentliche Lebenserfahrung: wieder Rich­tung Normalität zurückzudenken oder in die Zukunft zu denken; und Gott sei Dank geht es zurzeit auch in Richtung Normalität.

Wir haben – im Land, auch im Bund – viele Maßnahmen beschlossen, die not­wendig waren, um zu helfen und besonders den Schwächeren in der Ge­sellschaft zu helfen. Einige Maßnahmen, nur als Aufzählung: Abschaffung der kalten Progression, ökosoziale Steuerreform (Bundesrätin Schumann: Ha­ben wir schon alles gehört!), Familienpakete, Wohnkostenzuschüsse – Bund und Land –, Heizkostenzuschüsse – Bund und Land – (Bundesrat Schennach: Es hört nicht auf!), Klimabonus, Stromkostenzuschüsse – Bund und Land –, und vieles, vieles mehr. (Bundesrätin Schumann: Und 9,1 Prozent Inflation!)

Was in der Diskussion eigentlich fast nie erwähnt wird (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach), worüber selten gesprochen wird, sind die Lohnver­handlungen, die Lohnerhöhungen, die die Sozialpartner für das heurige Jahr ausverhandelt haben, und diese sind in allen Sparten so zwischen 8 und 10 Prozent. Das ist mir deshalb so wichtig, weil den Menschen, die arbeiten und Leistung erbringen, auch ein gutes Einkommen zusteht und weil das einfach wichtig ist und eine Grundvoraussetzung ist. (Beifall bei der ÖVP sowie demonstra­tiver Beifall und Bravoruf bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Zurück zur Jugend: Ich möchte es absolut nicht kleinreden, ich denke aber, dass wir für unsere jungen Menschen, die hoffentlich lange leben können, die solche Phasen und Krisenzeiten durchmachen müssen, wie wir sie gerade gehabt haben, dabei auch alle glücklich und dankbar sein können. Wenn wir ein bis­sel in die Geschichte zurückschauen, welche Krisen und welche Schwierigkeiten unsere Vorfahren – Eltern, Großeltern – mitgemacht haben, wenn wir mit Menschen sprechen, die 70 Jahre und älter sind, dann sind diese drei Jahre, wenn es die einzige Schwierigkeit ist, die unsere Jugend in ihrem Leben zu bewerkstelligen hat, im Prinzip eine Kleinigkeit dagegen.


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Interessant ist, und das ist meine politische Erfahrung im Rückblick: Mir fällt auf – und ich glaube, ihr teilt diese Meinung –, dass, auch wenn es noch so schwierig ist, wenn man ein gewisses Alter hat, in den Erinnerungen immer die positiven Erinnerungen stärker leben als die negativen, die Schwierig­keiten, die Schicksalsschläge wie auch immer. (Unruhe bei der SPÖ. – Bundesrat Tiefnig – in Richtung SPÖ –: Aufpassen!) Gott sei Dank ist es so, und das auch deshalb, weil die positiven Erinnerungen, die positiven Erlebnisse wesent­lich mehr als die negativen sind. (Beifall bei der ÖVP.) Das, glaube ich, ist eine Grundeinstellung, und das müssen wir in den Vordergrund stellen, damit wir das Positive und das Schöne auch mehr in den Vordergrund stellen.

Der Jugend gehört die Zukunft. Deshalb auch unser Auftrag: Wir haben die Verantwortung und wir werden Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen in Österreich und auch in Salzburg ein gutes Leben haben und auch die Zukunft zum großen Teil selber gestalten können.

Was hilft uns und was braucht es? Was ist für uns in der Politik besonders wichtig? – Ich glaube, in der Politik braucht es Menschen und Politiker, die die Menschen gern haben. Man braucht Gestaltungswillen für eine gute Zukunft, Optimismus – und nicht Krankjammern. Den Menschen Perspektiven zu geben, Gestaltungsspielraum, Sicherheit und Stabilität, das sind die wesentlichen Grundsteine für eine gute Zukunft. (Beifall bei der ÖVP sowie Bra­voruf des Bundesrates Kornhäusl. – Bundesrat Schennach: Ohne Liebe geht gar nichts! – Bundesrätin Schumann: Das ist wahr!)

Kurz zu Salzburg: Es gibt hier im Bundesrat in drei Fraktionen Politiker:innen, die bei der Landtagswahl in Salzburg um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler werben. Nur zwei Sätze dazu: Herr Kollege Egger, so groß die Unter­schiede zur SPÖ auch sind (Bundesrat Schennach: Ja!), ich verstehe es nicht und ich vermisse deinen Patriotismus zu Salzburg. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Hallo!) Nur Krankjam­mern ist wirklich keine Zukunft. (Bundesrätin Schumann: Jetzt werden wir ja fast wie die FPÖ untergriffig!) Wo ist dein Stolz auf die Heimat, auf Salzburg?


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(Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Kornhäusl. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schennach und Gerdenitsch.)

Ich und wir lassen uns Salzburg nicht schlechtreden. Das lassen wir nicht zu. Den Optimisten gehört die Zukunft und nicht den Pessimisten. (Beifall bei der
ÖVP. –Bundesrätin Schumann: ... es schaut schlecht aus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Hahn gibt das Glockenzeichen.)

Was unterscheidet uns von der FPÖ? (Bundesrat Spanring: Korruption! – Rufe bei der SPÖ: Wenig! Wenig! – Heiterkeit und Zwischenrufe bei Bundesrät:innen von SPÖ  und FPÖ.) – Ihr wisst noch gar nicht, was ich sage. Bitte zuhören! (Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das sagt einmal in Nieder­österreich!)

Die Strategie der FPÖ ist nicht unsere. Ihr macht Politik in der Vergangenheit mit Themen, die wir fast überwunden haben (Bundesrat Schennach: Aha!), und nicht Politik für die Zukunft. Ihr arbeitet mit Angst (Ruf bei der FPÖ: Ja genau!) und spaltet die Menschen, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Ruf bei der SPÖ: Die Niederösterreicher brauchen jetzt nicht klatschen! – Bundesrätin Grimling: Ja, Niederösterreich braucht nicht klatschen!)

Was tun wir? – Im Bund sowie auch im Land Salzburg wirbt die ÖVP um das Vertrauen der Menschen, diesmal in Salzburg, für die Wahl. Und was ist dabei das Wichtigste für uns? (Bundesrat Arlamovsky: Schwarz-Blau!) Das Wich­tigste dabei ist, dass wir Politiker haben, die die Menschen gern haben
(Ah-Rufe bei der SPÖ), die auf die Menschen zugehen. (Rufe bei der SPÖ: ... die Liebe! Empathie!) Wir brauchen in der Politik Menschen mit Erfahrung. Wir brauchen in der Politik Menschen – und die haben wir Gott sei Dank – mit Kompetenz. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Gerdenitsch: Ja, bei der SPÖ!)

Wir brauchen für die Zukunft auch Menschen mit Mut, mit Visionen und mit Vertrauen – ein ganz wesentlicher Punkt –, und es braucht auch Men­schen mit Stabilität und Sicherheit für die Zukunft (Rufe bei der SPÖ: Bitte schön,


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Herr Egger! David Egger!), all dies gemeinsam. (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Martina Berthold!) – Ich habe gar nicht geglaubt, dass ihr bei meiner Rede zu klatschen anfangt. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Um alle Menschen, die gemeinsam mit uns in Salzburg gestalten wollen, werben wir. Gemeinsam für Salzburg: unser Motto. Ich bin stolz, Salzburger zu sein. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deshalb bitten wir wieder um den Auftrag, in Salzburg weiterhin führen zu können, für eine gute Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.48


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.48.51

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin, ich begrüße dich! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Gfrerer, als der Zwischenruf „Korruption“ gekom­men ist, da haben Sie ja mit dem Kopf genickt: Ja, na stimmt! (Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Also das ist ja sehr verdächtig.

Der große Unterschied ist auch: Wenn wir, die Freiheitlichen, regieren, so wie in Oberösterreich oder in Niederösterreich und in Zukunft auch in Salzburg (Bundesrat Kornhäusl: Oder in Graz seinerzeit! – Oh-Rufe bei der SPÖ – Beifall bei der FPÖ), sind wir für die Bürger da, und ihr glaubt, das Land gehört euch.

Bei dem Verhalten, das ihr jeden Tag abliefert – gerade Herr Haslauer in Salz­burg –, braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn die Umfragen bundes­weit bei 20 Prozent und in Salzburg bei 30 Prozent sind. Ihr habt die Glaubwür­digkeit schon lange verloren, die Vertrauenswerte sind schon ganz unten. (Bundesrätin Schumann: Wieder eine Koalition in Salzburg jetzt auch!) Da sage ich –


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ich komme dann noch genauer hin –: Nur dort, wo die Freiheitlichen mitre­gieren, weiß die ÖVP wenigstens, in welche Richtung sie geht. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann, Grossmann und Gerdenitsch.) Jetzt in der Bun­desregierung geht sie, was weiß ich, irgendwohin nach links. Ich hoffe, ihr wer­det alle wieder vernünftig und kommt wieder in die Mitte – nicht da links draußen. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, eines ist auf jeden Fall klar: Österreich ist in einer Situation gelandet, in der sich jeder Fünfte in diesem Land die monatli­chen Fixkosten nicht mehr leisten kann. Das hat die SPÖ auch schon er­kannt. Das sind Männer und - - (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) – Ja (erheitert), so ist es! Ich meine, welche SPÖ, weiß ich jetzt nicht, ihr habt ja mehrere in dem Bereich, aber, okay, lass es so sein (Bundesrätin Schumann: Wir haben nur eine, und da ...! – neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), und das sind Männer und Frauen, die fleißig arbeiten gehen und nicht über ihre Verhältnissen leben. (Bundes­rätin Schumann: Ihr unterschätzt das ...!) Und obwohl Österreich Gott sei Dank immer noch eines der reichsten Länder der Welt ist, hat sich das in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Leute können sich den täglichen Le­bensunterhalt nicht mehr leisten, und viele Menschen machen sich je­den Tag Sorgen und haben sogar Angst, dass sie sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

Das liegt aber nicht nur an den Krisen, sondern hauptsächlich daran, wie die Regierung mit den Krisen umgeht, also an Ihrer (in Richtung Regierungs­bank) Politik. Die Krisen der Gegenwart werden für uns alle immer spürbarer, sei es beim täglichen Einkauf, beim Tanken, bei der Stromrechnung und auch bei den Mietkosten. Die Gründe für die Belastung – das haben wir schon oft ge­hört – sind unterschiedlich, aber die Argumentation betreffend die Teue­rungen, wie es die Regierung immer sagt? Während der Coronazeit war es China, von wo wir alles gekriegt haben, und alles ist teurer geworden, weil alles aus China kommt. Dann kam der Ukrainekrieg. – Nein, jetzt wird alles teurer!


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Warum? – Weil alles aus der Ukraine kommt! – Also ich höre da keine richtigen Lösungsvorschläge, diese Bundesregierung schafft schon längst keine Entlastungen mehr, sondern sorgt lediglich für noch mehr Belastung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Anstatt die Österreicher sowie auch die Wirtschaft nachhaltig zu entlasten – das kann ich nicht oft genug sagen –, bringt die Bundesregierung mit den Grü­nen – ‑ninnen, Grüninnen, Grünen außen – (Bundesrat Ebner: ... gendern ...!) uns alle mit der CO2-Bepreisung noch weiter in die Krise. Zeitgleich – das wis­sen wir auch schon und haben wir auch schon oft gesagt, aber es ist einfach Fakt – erhalten die Gefängnisinsassen und Asylwerber den Teuerungs­ausgleich. Das verstehen die Leute einfach nicht mehr und die Regierung ist schon lange rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt zeigen wir es, und gerade im Bereich Wohnbau wird es klar sichtbar, dass es nicht egal ist, wer regiert, denn nirgendwo wurden in den letzten zehn Jahren so viele Wohnungen errichtet wie in Oberösterreich, und verantwortlich ist ein FPÖ-Wohnbaureferent, der Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man: Die haben schon seit 2012 – da habe ich mir das hergeholt (auf ein Blatt Papier deutend) – immer, regelmäßig über 10 000 geförderte Wohnungen gebaut.

Wenn ich mir Wien anschaue, dann sehe ich: Ihr habt 2012 mit 4 800 ange­fangen. (Bundesrätin Schumann: Geh bitte!) – Die Zahlen sind da (das Blatt Papier in die Höhe haltend), schwarz auf weiß! Jetzt, in den letzten Jahren, seid ihr auch draufgekommen, und ihr baut - - (Bundesrätin Schumann: Ihr könnt nicht einmal aufholen, was wir machen!) – Ja, es ist halt Fakt, es ist so, das kannst du googeln. (Bundesrätin Schumann: Das könnt ihr nicht einmal aufholen! – Bundesrätin Grimling: Gurgeln! – Bundesrätin Schumann nimmt ihr Smartphone zur Hand.) Frag deine Leute, das zeigt, dass das so ist, oder frag irgendeinen von deinen neuen Chefs, die du nicht hast. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: ... gurgeln ...!)


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Faktum aber ist: Dadurch, dass regelmäßig die 10 000 Wohneinheiten geschaffen wurden, ist auch der Mietpreis in Oberösterreich im Vergleich relativ stabil geblieben. (Ruf bei der SPÖ: Ja, da ... wir nach Oberösterreich! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) – Na ja, komm, zieh nach Ober­österreich, dann geht es dir besser! (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Besonders mit der Kinderbetreuung!) – Ja, es ist so! (Beifall bei der FPÖ.) Zieh zu uns, dann kriegst du auch eine billige Wohnung! Da schauen wir schon, dass es so ist, oder? (Bundesrätin Schumann: Aber keinen Kindergartenplatz! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) Babler war eh schon in Steyr, der hat das schon gesehen. (Bundesrätin Schumann: Kein Kindergarten­platz! – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Daher noch einmal: Besonders wichtig in den Krisenzeiten muss unser sozialer Auftrag sein, dass weiter gebaut wird, dass sich die Kräne drehen und da­durch leistbares Wohnen entsteht sowie Tausende Arbeitsplätze gesichert wer­den – das ist ganz notwendig. Jeder Euro, der investiert wird, ist ein Ge­winn für unsere Landsleute und den Wirtschaftsstandort.

Zum Leerstandsantrag der SPÖ: Ja, in Oberösterreich ist Gott sei Dank durch gute freiheitliche Arbeit der Leerstand bei den gemeinnützigen Wohnungen kein Thema. Beim privaten Leerstand, ja, ist es schwieriger, da sind wir ei­ner Meinung, aber einerseits ist das durch das unattraktive Mietrecht so, die Problematik liegt auch bei den Mietern: Viele Eigentümer wollen gar keine Wohnungen vermieten, weil sie damit einfach auch die Probleme haben. Entscheidend aber dafür, dass nicht vermietet wird, ist der potenzielle, absehbare Eigenbedarf für die Kinder, oder dass man dann dorthin zieht, wenn man einmal älter wird. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Oj!)

Das ist auch ein Stück Freiheit! Wenn ich mir Eigentum schaffe, dann will ich nicht, dass auf einmal die Grüninnen und auch die SPÖ kommen und mich enteignen und mir das wegnehmen (Bundesrätin Schumann: Enteignet? – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: So ein Blödsinn!), weil es jetzt lustig ist, weil ich das Haus habe. Also mit uns wird eine Zwangsvermietung oder eine


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Enteignung nicht funktionieren, da ist eine klare Linie bei uns, das geht nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Was aber macht das Wohnen eigentlich teuer? – Die Miete an sich ist nur relativ wenig gestiegen, um 0,36 Prozent, die Betriebskosten um 8,42. – Das nur zum Vergleich. Die Teuerungswelle machen hauptsächlich die Energiekosten aus, und da ist auch wieder die Regierung, teilweise sind auf jeden Fall einmal die Sanktionen verantwortlich. Also überlegt euch, welche Maßnahmen ihr setzt, damit in Zukunft die Energiepreise auch wieder runterkommen und der Lebensunterhalt automatisch billiger wird!

Daher: Die ganze Bundesregierung hat wie gesagt ein Glaubwürdigkeitsproblem, die Vertrauenswerte sind im Keller. Die Menschen brauchen wieder Zu­versicht und Hoffnung. Mein Wunsch bleibt aufrecht: Rücktritt der Regierung, Neuwahlen (Bundesrätin Gerdenitsch: ... SPÖ ...!), je früher, desto besser! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

17.55


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.56.14

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Weil mein Name so oft genannt worden ist, habe ich mir gedacht, ich schaue in aller Kürze noch einmal heraus.

Kollege Pröller redet vom Regieren in Salzburg, Kollege Gfrerer hinter mir redet vom Regieren in Salzburg. Das ist eine Neuauflage und da sind Flirtat­tacken im Raum. Da wird es wohl wieder ÖVP und FPÖ geben! (Beifall bei der SPÖ.) – Eine Neuauflage.

Nur zu zwei Punkten: Kollege Hübner, ganz kurz zum unterschiedlichen Marktverständnis von uns beiden. Der freie Markt, der freie Wohnungsmarkt,


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wird es wahrscheinlich richten. – Richtig, der funktioniert nämlich in Salz­burg (Bundesrat Kornhäusl: Was?), bei diesen Immobilienpreisen, nicht mehr. Und das ist unser unterschiedlicher Zugang: Wenn der freie Markt das nicht mehr regelt, sagen wir in der SPÖ: Dann muss die Politik eingreifen. Da ist es in der Verantwortung der Politik, einzugreifen, wenn die Wohnpreise explodie­ren, sehr geehrte Damen und Herren! – Punkt eins. (Beifall bei der SPÖ.)

Punkt zwei: Sie haben von irgendwelchen Chaletdörfern in über 2 000 Metern oder so irgendetwas gesprochen. (Bundesrat Kornhäusl: Er will mit der KPÖ zusammen ...!) Bestes Beispiel: Pass Thurn in der Nähe des schönen Mittersill – Kollegin Eder-Gitschthaler kennt das (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, ich habe es ja nicht gekannt!) –, ein Chaletprojekt mit 13 Chalets und 45 Appartements zwischen 5,5 und 8,5 Millionen Euro. Man bekommt
einen E-Porsche obendrauf; jeder, der das kauft, weiß, was er kriegt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, das gibt’s nimmer, E-Porsche gibt’s nimmer!) – Das ist dann wieder zurückgezogen worden, ich weiß schon. Und da muss man sich schon vergegenwärtigen – Marktverständnis –: Wenn einer so viel Geld hinlegt, na was passiert ein paar Kilometer weiter mit dem Grundstück der ein­heimischen Familie? – Die kann es sich nicht mehr leisten, denn da gehen die Preise dann auch durch die Decke. – So viel zum freien Markt, Kollege Hüb­ner. (Bundesrätin Schumann: Sozialdemokratie! ... sehen das ganz genau!)

Frau Eder-Gitschthaler, liebe Kollegin, ich schätze dich sehr (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Sehr nett!), aber wir sind uns auch einig: Probleme dürfen und müssen angesprochen werden, das ist auch die Aufgabe der Opposition.

In Salzburg ist vieles gut gemacht worden, ja (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke!), der Heizkostenzuschuss ist erhöht worden (Bundesrätin
Eder-Gitschthaler: Ja, genau!),
richtig – um das noch einmal als lobenswert zu erwähnen; ein bissel spät, aber doch. Den einen Tag hat es nicht funktio­niert mit dem Senken der Strompreise, da haben es die Gerichte klären müssen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die Gerichte haben es nicht geklärt!), am nächsten Tag ist es plötzlich doch gegangen. Und das unterscheidet uns beide,


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denn ich nehme die Sorgen und Ängste ernst. Du kannst mich morgen gerne begleiten (Beifall und Zwischenruf bei der SPÖ), wenn mir die Menschen vor dem Supermarkt erzählen, dass sie sich am Ende des Monats nichts mehr leisten können.

Eine Studie ist genau vor einem Monat veröffentlicht worden, exakt am 14.3.2023: Die Hälfte fühlt sich von den Wohnkosten in Österreich sehr belas­tet, und ein Fünftel fühlt sich außerordentlich belastet. – Das unterschei­det uns, das sollten wir ernst nehmen, das sollten wir anpacken, und die Salzbur­gerinnen und Salzburger haben die Wahl. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Im Bundesratssitzungssaal ist Herr Außenminister Mag. Alexander Schallenberg eingelangt. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Erneut eingelangt!)

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Tiefnig: Endlich! – Bundesrat Schreuder: Damit wir alle Salzburger durchhaben!)


17.59.36

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal gibt es eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Nehammer, und wer fehlt wieder einmal? – Herr Bundeskanzler Nehammer.

Immer dann, wenn es haarig wird, immer dann, wenn es happig wird, schickt er eine von seinen drei Frauen als Stellvertreter her. Wenn heute das Fern­sehen da wäre, es Rampenlicht geben würde und Sonnenschein wäre, wäre si­cherlich der Herr Kanzler da, aber weil es heute vielleicht einmal ein bis­serl ruppiger zugeht, schickt er wieder einmal eine von seinen drei Damen zu uns in den Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrät:innen Grossmann und Obrecht.)


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Dabei ist die Dringliche Anfrage betreffend Wohnen kein unwichtiges Thema, das brennt den Österreichern ganz ordentlich unter den Nägeln. Eigenar­tig oder mutig – oder schon fast ein bissl ein Treppenwitz – ist, dass dieses Thema ja heute die Sozialisten aufgegriffen haben, denn genau im roten Wien, wo wir uns jetzt gerade befinden, genau hier sind ja die Roten ressortver­antwortlich dafür. Und da passiert das, was eben nicht passieren sollte, und da sehen wir tagtäglich, wie es nicht geht: nämlich dass im sozialen Wohn­bau die Preise steigen und steigen und steigen, und die Menschen weder ein noch aus wissen und nicht mehr wissen, wie sie sich das Wohnen noch leisten können.

Das Wohnen ist ja tatsächlich schon fast unleistbar geworden. Zwischen 40 und 50 Prozent des Familieneinkommens gehen bereits jetzt schon fürs Woh­nen drauf. Zusätzlich zu den Wohnkosten – das haben wir heute schon gehört – kommen dann noch horrend hohe Energiekosten – Heizen, Strom, Gas – und die Kosten für Lebensmittel dazu. Was ich aber überhaupt nicht verstehe, ist Folgendes: Der Gaspreisindex ist ja bereits wieder gesunken und befindet sich mittlerweile auf Vorkriegsniveau. Warum wird diese Preissenkung von der schwarz-grünen Bundesregierung nicht endlich an die Bürger weiterge­geben? (Bundesrat Schennach: Weil das Gas eingekauft wurde ...!) Wir befinden uns schon unter dem Vorkriegsniveau! (Bundesrat Schreuder: Sollen wir ver­staatlichen?) Anscheinend wird lieber eine Inflation von mittlerweile über 11 Pro­zent produziert. Es passiert nichts. Es passiert nichts aus den Reihen der schwarz-grünen Bundesregierung.

Es passiert auch zu wenig im sozialistisch regierten Wien, beide hätten es aber in der Hand. (Bundesrätin Schumann: Was? ...!) Beide hätten es in der Hand, die Situation zu entschärfen: Einerseits müsste die Mietpreisbremse sofort gestartet werden (Bundesrat Schreuder: Wer macht die Gaspreise, Frau Kollegin?), und andererseits könnte in Wien die Erhöhung des Richtwertmietzinses im Gemein­debau sofort eingefroren werden. Stattdessen werden aber die Menschen


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von der schwarz-grünen Bundesregierung mit einer 200-Euro-Einmalzahlung ab­gespeist. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein! Das hat ja keine Nachhaltigkeit! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und hat überhaupt keine Nachhaltig­keit. Es ist aber eine der wichtigsten Aufgaben eines Staates, von der Politik, für leistbaren Wohnraum zu sorgen. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) Dies betrifft unserer Meinung nach sowohl Miete als auch Eigentum. Gerade für junge Menschen ist Eigentum zu schaffen ja heute überhaupt nicht mehr erschwinglich. Der soziale Wohnbau sollte ja ein wichtiger Garant für Sicherheit sein, aber wenn die Preise steigen und steigen, dann ist das schön langsam kein Garant mehr dafür. Des Weiteren sollte der soziale Wohnbau auch vorrangig für die einheimische Bevölkerung zur Ver­fügung gestellt werden, und gute Deutschkenntnisse sollten für die Ver­gabe beim sozialen Wohnbau Voraussetzung sein. (Bundesrat Schennach: Damit man ... aufsperren kann?)

Da heute Frau Kollegin Kittl schon einen sehr ungustiösen Vergleich gezo­gen hat, als Kollege Hübner gesprochen hat: Da kann man Kollegen Hübner bei dem, was er gesagt hat, nur recht geben. Solange ihr es zulasst, dass ein ungezügelter Zuzug nach Österreich erfolgt (Zwischenruf bei der SPÖ), der auch wohnversorgt werden muss, so lange wird es keine Entlastung geben (Bei­fall bei der FPÖ), so lange wird es zu keiner tatsächlichen Entspannung kommen.

Ihr habt, glaube ich, die Zahlen wieder nicht im Kopf: 108 000 Asylwerber im Jahr 2022 (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) und rund 80 000 Vertriebene aus der Ukraine. Die werden wir nicht in Traiskirchen im Zelt oder irgendwo schlafen lassen können. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Also bitte, macht da nicht die Augen zu, seid nicht blind am linken Auge, nicht taub am linken Ohr, sondern schaut den Tatsachen ins Auge und schaut, dass ihr für die österreichische Bevölkerung endlich in die Gänge kommt, damit sich die Situation entspannt! Für uns Freiheitliche gehört es sich halt einmal, dass man zuerst die eigene Bevölkerung mit günstigen, leistbaren Wohnungen


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versorgt (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling, Hahn und Schumann), und dann, wenn das eigene Volk versorgt ist, kann man gerne helfen; und da sind wir ja sehr hilfsbereit.

In Salzburg wollen wir gerne eine Reform der Wohnbauförderung machen, damit sie wirklich wieder auf soziale Beine gestellt ist, denn momentan erinnert das eher an ein Lotteriespiel. Es wird in Salzburg auch viel zu wenig gefördert. Wir Freiheitliche möchten gerne die Wohnbauförderung komplett re­formieren, somit also geförderten, günstigen Wohnraum schaffen. (Bundesrat Schennach: Mit der ÖVP!) Gerade beim Thema Wohnen könnte man im Land Salzburg schon noch viel machen (Bundesrat Schennach: Das macht ihr dann mit der ÖVP, oder!?), wie zum Beispiel Baulandsicherungsmodelle oder auch Altbausanierung oder Nachverdichtungen, dass man also auf Einkaufs­zentren draufbaut, was teilweise schon gemacht wird. Da ist also wirk­lich noch viel Luft nach oben.

Wir werden mit der Leerstandsabgabe nicht so viel Erfolg haben und die Leerstandsabgabe bringt auch nichts außer Probleme. (Bundesrätin Schumann: Na, na ...!) Also wir sind gegen eine Leerstandsabgabe (Bundesrätin Schu­mann: Na dann! Jetzt kennen wir uns aus! weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), denn – wir haben es heute eh auch schon gehört – Chaletdörfer in 2 000 Metern Höhe bringen für die Schaffung von Wohnraum genau gar nichts. (Neuerli­che Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was mich heute verwundert hat, war das, was Frau Kittl von den Grünen gesagt hat: Sie hat doch allen Ernstes von einem Verbot von Airbnb gesprochen, und ein Antrag von uns Freiheitlichen betreffend das Verbot von Airbnb im Be­reich des MRG ist genau von den Grünen im Ausschuss auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt worden. Das ist doppelbödig! Da wird ein freiheitlicher Antrag versenkt, und auf der anderen Seite steht man da und redet gscheit und fordert dasselbe. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir Freiheitliche kritisieren auch – wenn man jetzt Salzburg vor Augen hat –, dass die Strompreise so hoch sind. Wir haben einen Landeshauptmann, der Aufsichtsratsvorsitzender ist, und seit Monaten stellen wir Anträge, trom­meln es – ich habe auch hier im Plenum das letzte Mal darüber
gesprochen –, dass der Herr Aufsichtsratsvorsitzende Haslauer, der Landes­hauptmann, die Strompreise senken sollte. Da wurde ich vom Kollegen Gfrerer noch milde belächelt, der behauptet hat, das kann er ja gar nicht ma­chen. – Na, siehe da, ich war kaum in Salzburg zurück, da hat der Herr Landeshauptmann doch tatsächlich gesagt, er hat es geschafft, die Strompreise werden von der Salzburg AG von 27 Cent auf 19,90 Cent gesenkt. Die Krux daran ist nur, man muss einen neuen Vertrag abschließen, also den alten Vertrag mit der Salzburg AG kündigen und einen neuen Vertrag abschlie­ßen. Nachtigall, ich hör dir trapsen! Ich möchte nicht wissen – also ein Schelm, der Schlechtes denkt –, was da schon wieder im Kleingedruckten drinnen steht; etwas, das wir wahrscheinlich Monate nach der Landtagswahl in Erfahrung bringen können und werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Eder-Gitschthaler.)

Man muss endlich einmal den Mut haben, Dinge anzugehen, anstatt immer nur davon zu reden. Hoffentlich ändert sich nach der Landtagswahl am 23. April etwas in Salzburg (Bundesrat Schennach: Gute Voraussetzung für eine Koalition!), denn mit uns Freiheitlichen und einer Marlene Svazek in der Landesregierung (Rufe bei der SPÖ: Ja, ja!), in einer zukünftigen Salzburger Landesregierung, wäre dieser Mut für positive Veränderung definitiv gegeben. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. Ruf bei der SPÖ: Mit der ÖVP, genau!)

18.08


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundes­rat. (Bundesrat Steiner: ... bei der eigenen Dringlichen ...!)



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18.08.35

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Geschätzte Zuseher und Zuhörer! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Also etwas verwundert war ich schon, als ich mir die Dringliche Anfrage von der SPÖ heute durchgelesen habe – gerade in Wahlkampfzeiten. Ich sage, wir sind ja wirklich für alle sinnvollen Maß­nahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber da habt ihr wirklich ein bissl Pech beim Formulieren, Pech beim Denken gehabt. Also anders kann ich mir das jetzt wirklich nicht erklären. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Oh! Schau! Na so was!)

Wenn man sich das mit dieser Leerstandsabgabe durchliest, dann kann man mit Fug und Recht sagen: Sozialistisch ist da sicher nicht mehr sozial. (Bundes­rätin Schumann: Was? Was heißt das? ...!) Liebe SPÖ, wisst ihr eigentlich, wen ihr mit dieser Leerstandsabgabe wirklich trefft? (Ruf bei der SPÖ: Hast es nicht verstanden?) Ja, glaubt ihr, dass ihr den großen Immobilienhai damit trefft, der sich eine 100-Quadratmeter-Penthousewohnung im 1. Bezirk um 1,5 Mil­lionen Euro kauft und sich erhofft, dass diese Wohnung 500 000, 1 Million Euro mehr wert wird? (Rufe bei der SPÖ: Durchlesen! Durchlesen!)

Glaubt ihr, dass ihr den trefft, wenn ihr ihm 1 000 Euro im Jahr an Leerstandsab­gabe wegnehmt? Glaubt ihr das wirklich? Glaubt ihr das wirklich? Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, das ist ja Humbug, was ihr da glaubt, das könnt ihr ja selber nicht mehr glauben. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Bitte durchlesen! Durchlesen! Wie wäre es mit Text lesen?!)

Wie schaut es denn in den Kommunen draußen aus? Wer sind denn da die großen Immobilienhaie, wie ihr sie bezeichnet? – Na eure gemeinnüt­zigen Genossenschaften, eure Siedlungsgenossenschaften, wie ihr sie alle habt. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Es wird nicht wahrer, wenn Sie schreien!) Von den Umgehungskonstruktionen haben wir ja heute schon gehört. Da schiebt man einen Riegel vor, die sind genau bei dieser Leerstandsabgabe nämlich


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ausgenommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Kann man bitte das Mikro leiser drehen?)

Wisst ihr, was das Traurige ist? Wisst ihr, was das Traurige ist? – Ihr wisst näm­lich ganz genau, welche Menschen ihr mit dieser Leerstandsabgabe trefft. Das wisst ihr ganz genau, und das ist meiner Meinung das Traurige. Bei den Sonntagsreden draußen beim Spar-Markt oder wo auch immer gebt ihr vor, die großen Sozialisten zu sein, in Wirklichkeit wollt ihr genau diesen Menschen tief in die Tasche greifen, und das ist das Traurige dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Jenen Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten sollen, jenen Menschen, die aus Erbschaften eine kleine Wohnung vererbt be­kommen haben, ein kleines Häusl, in dem vielleicht nicht einmal eine Heizung drinnen ist, kein Warmwasser, sanierungsbedürftige Wohnungen, denen wollen wir jetzt in die Tasche greifen und 10 Euro pro Quadratmeter wegneh­men? – Das ist der Nadelstreifsozialismus von heute, den wir in dieser Anfrage wieder sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wisst ihr, wen ihr damit auch trefft? Wisst ihr, wen ihr auch trefft? Ich kann nur sagen: jahrzehntelange SPÖ-Regierung in vielen Kommunen mit Ab­wanderungszahlen, wie man sie noch nicht gesehen hat (Bundesrätin Grimling: Wir sind nicht derrisch! – Bundesrätin Schumann: Was?), leer stehende Woh­nungen in Innenstädten, allein in meinem Heimatbezirk mehr als 100, leer ste­hende Wohnungen in SPÖ-regierten Gemeinden, wo die Leute gerne ver­mieten wollen, aber nicht können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bundesrätin Schumann: Was?) Sie können nicht vermieten, weil es keine Mieter mehr gibt. (Bundesrätin Grimling: Warum schreit der so?) Und diesen Menschen wollen Sie jetzt in die Tasche greifen. Das ist der Nadelstreifsozialis­mus (Bundesrätin Schumann: Jawohl! FPÖ schützt das Kapital! Das ist die Ver­bindung zur ÖVP!), wie Sie ihn heute hier herinnen wieder vorleben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann:


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Das ist die Verbindung!) Zuerst werden die Städte zerstört, es gibt leere Innen­städte, es gibt leere Verkaufsräumlichkeiten, verursacht durch diese SPÖ mit Masse in den Gemeinden, und jetzt wollen wir ihnen das Geld mit zwei Händen noch aus dem Taschl herausziehen.

Wisst ihr was? Ich mache euch einen Vorschlag: In der Steiermark gibt es die Leerstandsabgabe, die Möglichkeit der Leerstandsabgabe. Redet einmal mit den Leuten, wie viel sie davon halten! Eingeführt hat man sie ja für irgend­welche kleinen Gemeinden. (Bundesrätin Schumann: Da muss man viel schreien, damit man ja nicht ins Kapital eingreift!) In vielen Kleingemeinden hat man sie dann eingeführt, in touristischen Hochburgen wie etwa in Schlad­ming nicht. Dort hat es fünf Anläufe gebraucht, bis man sich dazu durchringen konnte, das einzuführen.

Die SPÖ-Gemeinden haben sie eingeführt, das ist Ihre soziale Politik. Ich mache euch einen Vorschlag: Schafft dort, wo ihr sie eingeführt habt, auch die Möglichkeit, dass es Mieter gibt! Wenn ihr sie einführt, dann mietet die Woh­nungen von den Vermietern zu den ortsüblichen Preisen in der Gemein­de, und ich bin mir sicher, dass 99 Prozent vermieten wollen, und dieses 1 Pro­zent, das Sie damit treffen, macht, glaube ich, das Kraut nicht fett. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.13


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist noch Herr Bundesrat Prof. Schennach. – Bitte sehr. (Bundesrat Schreuder: Das brauchen wir jetzt noch! Der erklärt uns jetzt noch die Welt! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Schumann: Gemach, Kollege Steiner, irgendwann reicht’s!)


18.14.05

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Wir werden jetzt ein bisschen von der Kasernenhoflautstärke zu einer normalen Lautstärke einer parlamen­tarischen Kammer zurückkommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)


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Es gibt ja immer wieder Schutzheilige, und heute, während dieser letzten Rede, habe ich das Gefühl gehabt, der Schutzpatron für die Immobilienspeku­lanten scheint ein Freiheitlicher gewesen zu sein (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Hauschildt-Buschberger und Schreuder), denn alle ande­ren haben immer und immer wieder auch die Sinnhaftigkeit einer Leerstandsab­gabe gesehen und als richtig empfunden. Selbst die jetzige Koalition hat sie in ihrem Programm, auch wenn sie den Namen noch nicht gefunden hat. Die Frau Staatssekretärin weiß jetzt aber, dass das der Name dafür ist, was dieser eine Absatz im Regierungsprogramm bedeutet. (Vizepräsidentin Hahn über­nimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, es war Herr Pröller, der geprahlt hat – Pröller prahlt hier – und aufgezeigt hat, wie viele geförderte Wohnungen es in Oberösterreich gibt und wie viele in Wien. Also die Stadt Wien ist deutlich größer, was den sozialen Wohnbau betrifft. Wir haben 600 000 geförderte Wohnungen. Unser Problem war das Maastrichtziel. Das heißt, wir haben uns zehn Jahre lang mit den Maastrichtkriterien herumgeschlagen, bis wir in den sozialen Wohnbau wieder einsteigen konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn die liebe Frau Kittl ein bis heute nachwirkendes Trauma hat (Heiterkeit der Bundesrätin Kittl), dass bei jedem Tagesordnungspunkt irgendwie der Hund in Wien begraben sein muss - - (Bundesrat Schreuder: Aber mit gutem Grund, Kollege!) – Moment, Moment, ich bin jetzt ganz freundlich zu der Bewohnerin der Brigittenau. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Sie ist jetzt eine Zeitzeugin, weil sie genau weiß – und das war auch in der Zeit der rot-grünen Zusammenarbeit –, wie wir mit diesen Maas­trichtkriterien in Wien gekämpft haben und dass wir immer und immer wieder in Brüssel vorstellig geworden sind und gesagt haben: Sozialer Wohnbau be­deutet nicht Verschuldung, sondern Investition! Die Investition kommt natürlich durch die Mieten herein.

Und dann – und jetzt habe ich (in Richtung Bundesrat Arlamovsky) den nächsten Zeitzeugen, der sitzt dort hinten – war es in der Fortschrittskoalition mit


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den NEOS so weit. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Grünen.) – Ja, liebe Leute, lest Zeitungen, so heißt diese Koalition! Dann ist es uns gelungen, wieder die ersten Gemeindebauten zu errichten, ich glaube im Sascha-County. Frau Wolff weiß ja, wie heftig sie sich in unserem gemeinsamen Bezirk dagegen gewehrt hat, dass wir dort Gemeindebauten errichten, und so weiter. Nein, all das ist jetzt Geschichte. Wir schaffen es jetzt wieder, auf jenes hohe Niveau zurückzukommen, auf dem die Stadt Wien war. (Bundesrat Schreuder: Jetzt haben wir Geschichtsunterricht!)

Aber noch einmal an die Frau Staatssekretärin zum Mitnehmen: Die Bundesre­gierung hat von der Wiener Koalition 2021 einen Brief mit der dringlichen Bitte – und Sascha Obrecht hat das hier juristisch perfekt erklärt –, eine Leerstandsabgabe einzuräumen, damit Wien mit dieser Leerstandsabgabe auch entsprechende Maßnahmen setzen kann, erhalten. Es gibt – wir kön­nen da ja nur mutmaßen – zwischen 30 000 und 100 000 Wohnungen, die leer stehen, aus welchen Gründen auch immer, geschützt von den Freunden des Herrn Leinfellner. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Ihr hättet sie kau­fen können um 2 Milliarden ...!) Wir wollen diese Abgabe jetzt nicht für je­de einzelne Wohnung, die vielleicht für das Enkerl gedacht ist, aber 30 000 bis 100 000 Wohnungen sind zu viel. Wir müssen diese Wohnungen auf den Markt zurückbringen.

Frau Kittl betreffend muss ich jetzt wieder in die frühere Koalition zurückmar­schieren. (Bundesrat Schreuder – auf Bundesrätin Kittl zeigend –: Bitte, da ist sie! Brigittenau!) – Ja, ja, ich weiß, Brigittenau. Brigittenau, Wien, alle wissen, dass wir seit Jahren versuchen, eine Lösung für RBNB (den Buchstaben R auf Englisch aussprechend) zu finden (Bundesrat Schreuder: Airbnb!) – Airbnb, ja –, denn wir haben da ein tatsächliches Problem. Diese Methode schafft uns extreme Probleme.

Was uns zumindest gelungen ist: RBNB aus dem sozialen Wohnbau draußen zu halten. Das sind aber alles Dinge einer engagierten Wohnungspolitik, wie sie in Wien seit Beginn, also seit Ende des Ersten Weltkriegs, zu einem Signal in


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der Welt gemacht wurde (Bundesrat Kornhäusl: Am negativsten!): das Rote Wien, der soziale Wohnbau, die großen Wohnhausanlagen, die später von Ihren Vorgängern, dem Regime Dollfuß, sogar zerbombt wurden, nicht nur mit Kanonen, sondern auch noch mit Flugzeugen. (Bundesrat Kornhäusl: Der Beppo Muchitsch, der ist der!)

Das heißt: Auf dieser Ebene hat Wien zum ersten Mal ermöglicht – und ich lade Sie in das Museum im Waschsalon im Karl-Marx-Hof ein, dort können Sie jetzt gerade in einer super Sonderausstellung sehen, wie es dazu gekommen ist –, dass Menschen in Würde eine eigene Wohnung hatten, eine eigene Kü­che hatten, und später sind auch ein eigenes Bad und eine Toilette im Wohnbe­reich dazugekommen. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesrät:innen Schreuder und Schumann.) Das sind Meilensteine, und diese Meilensteine heißen heute geförderter sozialer Wohnbau.

Alles, was wir brauchen, ist, dass diese Bundesregierung ihr eigenes Regierungs­programm ernst nimmt und die Möglichkeit einer Leerstandsabgabe für alle, die es brauchen – und Wien braucht es! –, schafft. Da ist die Regierung in Verzug.

Ich wünsche Salzburg viel Gutes, aber ich wünsche Ihnen kein blau-schwarzes Abenteuer. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

18.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­ratspräsident Günter Kovacs. – Bitte, Herr Präsident.


18.22.10

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Man kann heute Danke sagen, nämlich David Egger. – Danke, David, dass wir diese Dringliche Anfrage zum Wohnungsmarkt haben (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ein Dosko!), um darüber zu diskutieren. Das zeigt heute nämlich ganz klar, wer auf welcher Seite steht. Da ich mir die Rede von dir, Kollege Leinfellner, heute angehört habe,


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muss ich echt sagen: Ahnungslosigkeit hat hier im Haus einen neuen Namen: Leinfellner – das ist wirklich Ahnungslosigkeit pur. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr stellt euch heute hierher, um Genossenschaften, Wohnungen, Gemeinde­wohnungen zu kritisieren, jene, die sich vor zig Jahren in Wien, in vielen Bundesländern bemüht haben, den Wohnungsmarkt für jene Menschen, über die ihr immer sagt, dass ihr für sie da seid – für die kleinen Leute, sagt ihr immer, seid ihr da –, aufzubauen. (Ruf bei der SPÖ: Genau! – Zwischen­ruf des Bundesrates Spanring.) In diesen heutigen Reden lebt ihr nämlich genau das Gegenteil, und wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir fragen: Was war dein Vorschlag, was war euer Vorschlag zur Entlastung der Menschen? Ich habe keinen gehört. Ich habe keinen Vorschlag gehört. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Zuzug stoppen ...!)

Ich weiß nicht, wer von euch es gesagt hat: Jetzt kommt das Burgenland. – Richtig, jetzt kommt das Burgenland, und jetzt werde ich sagen, was im Burgenland in den letzten Wochen passiert ist. (Ruf bei der SPÖ: Hört ihm zu! – Bundesrat Steiner: Im Burgenland ist Wahlkampf!) Wenn man nämlich in Wien sitzt, wenn man im Parlament, im Bundesrat sitzt, dann vergisst man oft, dass man vielleicht ein bisschen über den Tellerrand schauen, dass man sich andere Bundesländer genau anschauen sollte.

Was ist dort passiert? – Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat die Mieten ab November 2022 eingefroren. (Bundesrat Kornhäusl: Der Babler hört nicht zu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich möchte Ihnen jetzt sagen, was das in Zahlen bedeutet. (Ruf bei der ÖVP: Da musst zu deinen reden! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, dass die ÖVP gar keine Meinung dazu hat, ist auch schön, das ist auch nicht schlecht. Kommen wir aber zu den nack­ten Zahlen: Im Burgenland sind jetzt 30 000 Menschen entlastet, bei 13 000 Wohnungen sind die Mieten eingefroren worden. Das heißt: Der Stand von November 2022 wurde übernommen und diese Preise für die nächsten Jahre garantiert.


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Was hat man gemacht? – Man musste halt die Aufgaben des Bundes überneh­men. Viele sind nämlich hergegangen – auch Genossenschaften –, haben Kredite mit variablen Zinsen aufgenommen (Bundesrat Spanring: Und warum hat das Wien nicht gemacht?), diese Zinsen sind dann aber gestiegen und darauf­hin ist der Herr Landeshauptmann hergegangen und hat gesagt: Wenn der Bund das nicht für jene, die es eh schon immer schwerer und schwerer haben, er­ledigt, dann müssen wir jetzt eingreifen! – Diese Aktion kostet Geld, das kostet sehr viel Geld, 10 Millionen Euro müssen wir jetzt investieren, um das aus­zugleichen. (Bundesrat Steiner: Das heißt aber, Wien braucht einen Doskozil!) – Wir haben jetzt aber einen Benefit, Herr Steiner (Ruf bei der SPÖ: Aber geh, Steiner, vergiss es! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ): Bei uns gibt es Menschen, die sich das Leben wieder leisten können, die sich die Mieten wieder leisten können, die wieder durchatmen können. Das war nicht mehr der Fall.

Die letzten Wochen, die letzten Monate haben wir gesehen, was los ist. Was habt ihr gemacht? – Das Gegenteil habt ihr, die ÖVP, die Grünen, gemacht, ihr habt belastet – jetzt lacht ihr drüber –, eine CO2-Steuer eingeführt, Menschen noch mehr belastet. Ja, jetzt schaut man schockiert. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was habt ihr bei den Mieten gemacht? – Nichts habt ihr bei den Mieten ge­macht, es gibt keinen Mietpreisdeckel. Das ist ärgerlich, ärgerlich, ärger­lich. (Bundesrat Buchmann: Du weißt genau, dass das nicht stimmt ...! Für einen Präsidenten ist das unglaublich!)

Ich muss sagen: Ich bin sehr, sehr enttäuscht. Heute gab es wirklich eine tolle Gelegenheit, David, zu zeigen, was deine Anliegen für Salzburg sind. Das ist nämlich ganz, ganz entscheidend für die Menschen. Du hast es vorhin gesagt: Menschen müssen fast die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen hin­legen. Wenn man einen Mindestlohn von 1 700 Euro oder 1 800 Euro hat, sind das in Salzburg 800, 900 oder 1 000 Euro. Wie fühlt man sich da jetzt? Ist das in Ordnung? Muss man handeln oder muss man nicht handeln? – Wenn man


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nichts macht und nur zuschaut, dann ist das eindeutig zu wenig. In diesem Sinne: David, weiter so! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26


18.26.18

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Steiner: Der Babler! – Bundesrat Kornhäusl: Babler, der muss auch Wahlkampf machen!) – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. (Bundesrat Steiner: Wien braucht einen Doskozil!)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend (Unruhe im Saal) – ich darf um Ruhe bitten – „Verfassungsrechtliche Grundlage für eine echte Leerstandsabgabe in den Bundesländern schaffen“ vor.

Es ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesrät:innen gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzu­führen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“ (Unruhe im Saal) – und bei entsprechender Ruhe im Saal, wenn ich darum bitten darf. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner geben die Bundesrät:innen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt. – Bundesrat Steiner – infolge der „Nein“-Stimme des Bundesrates Leinfellner –: Fast hättets ihn überzeugt! Das war knapp! – Bundesrat Kornhäusl: Das war knapp! – Bundesrat Schreuder – infolge des Zögerns der Bundesrätin Schwarz-Fuchs bei ihrer Stimmabgabe –: Immer aufschrei­ben! – Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

*****



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Präsident Günter Kovacs: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“. (Bundesrat Schreuder: Echt?)

Vielen Dank. Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche kurz die Sitzung zur Auszählung der Stimmen.

18.31.14*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.31 Uhr unterbrochen und um 18.32 Uhr wieder aufgenommen.)

18.32.07*****


Präsident Günter Kovacs: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag bei 60 abgegebenen Stimmen 18 „Ja“-Stim­men und 42 „Nein“-Stimmen. – Der Antrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arpa;

Babler;

Egger-Kranzinger;

Fischer;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kovacs;

Lancaster;

Mertel;


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Obrecht;

Reisinger;

Schachner, Schennach, Schmid, Schumann.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrät:innen:

Arlamovsky;

Bernard, Böhmwalder, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Göll, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Huber, Hübner, Hutter;

Jagl;

Kaltenegger, Kittl, Kofler, Kornhäusl;

Lassnig, Leinfellner;

Miesenberger;

Neurauter;

Platzer, Pröller;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser, Stein­maurer, Stillebacher, Stotter;

Tausch, Theuermann, Tiefnig;

Wolff;

Zauner, Zeidler-Beck.

*****



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Präsident Günter Kovacs: Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Flächenwidmung ‚Sozialer Wohnbau‘ zur Schaffung von leistbarem Wohn­raum in den Bundesländern“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminder­heit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

18.32.59Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Günter Kovacs: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort kommt Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte sehr, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schreuder: Ich kann mich nicht mehr erinnern, worum es geht!)


18.33.13

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Das privatrechtliche Abkommen seitens der Haager Konferenz aus dem Jahr 1961, dem Österreich 1968 beigetreten ist, ist Gegenstand die­ses Tagesordnungspunkts. Es sind drei Punkte in Verhandlung. Der eine Punkt ist das Abkommen mit Pakistan, dem wir nicht zustimmen werden, weil Pakistan einfach die Rahmenbedingungen im Bereich der Beurkundung nicht erfüllt. Der zweite Punkt ist das Abkommen mit dem Senegal, dem wir auch nicht zustimmen. Der Senegal ist zwar im Korruptionsranking auf Platz 116 und die Philippinen - - Ah, umgekehrt: die Philippinen auf Platz 116 und der Senegal auf Platz 137.

Nein, jetzt habe ich einen Fehler drin. Entschuldigung, ich muss doch in die Unterlagen schauen; ich habe mir gedacht, ich mache das jetzt ganz schnell. (Der Redner blättert in seinen Unterlagen.) So, das Thema ist: Der Senegal liegt


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im Korruptionsranking auf Platz 73 und die Philippinen auf Platz 116, aber die Philippinen erfüllen die Auflagen, die vom Abkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung gefordert werden, und daher werden wir dem zustimmen, dass die Philippinen diesem Übereinkommen beitreten können und somit auch in diesem Bereich keine Probleme mehr haben. – In diesem Sinn: Danke schön für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.35


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gelangt nun Herr Prof. Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schreuder: Jetzt kommt die Geschichte der Philippinen!)


18.35.15

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Das Abkommen der Haager Konferenz von 1961 sollte eigentlich die Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung herbeiführen. Der Vorschlag ist da, dass wir bei Pakistan einen Einspruch einbringen. Das ist etwas, das jedes Mitgliedsland dieses Abkommens machen kann. Der zweite Vorschlag ist, das auch beim Senegal zu tun. Herr Außenminister, das ist ein bisschen hart, und ich hoffe sehr, dass wir bald, ähnlich wie im Fall der Philippinen, dann doch auch mit einer Akzeptanz des Senegals darauf zurückkommen können.

Bei den Philippinen haben alle Untersuchungen der Konsulate und der Botschaft und die internationalen Beziehungen gezeigt, dass sich die Verlässlichkeit der Philippinen hinsichtlich ihrer Urkunden deutlich verbessert hat. Außerdem sollten wir eines nicht vergessen: In unserem Austausch mit den Philippi­nen hat das in erster Linie Krankenschwestern und medizinisches Hilfspersonal betroffen. Ohne die stünden viele Krankenhäuser in Österreich still. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)


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In all diesen Fällen haben wir keine falschen Dokumente gefunden. Das heißt, all die Dokumente, die die Krankenschwestern von den Philippinen vorgelegt haben, waren in Ordnung. Erst vor Kurzem bin ich vom philippinischen medizini­schen Personal im 17. Bezirk eingeladen worden. Die waren total interes­siert, wie die Demokratie in Österreich funktioniert. Ich war völlig berührt davon, dass es so viele Fragen gibt und wie sehr die sich integriert haben.

Lieber Kollege Hübner, in diesem Sinne: Wir kennen uns ja schon lange und wir kennen auch unsere gegenseitigen Ansichten. Es ist nicht immer gut, wenn man so von oben herab auf Länder wie Malaysia oder Thailand blickt. Das sind Tigerstaaten der Asean-Staaten. Wie Sie hier über die beiden Staa­ten gesprochen haben, ist unerträglich, denn das sind Staaten, die sehr, sehr große Fortschritte machen. (Bundesrat Hübner: Was?!) Österreich kann froh sein, dass es dieses EU-Rahmenübereinkommen mit diesen beiden Staaten gibt.

Wir werden dem Vorschlag der Regierung, zweimal einen Einspruch zu erheben und einmal den früheren Einspruch aufzuheben, zustimmen, dies allerdings mit einer Bitte versehen: Herr Außenminister, kommen Sie nach einem Jahr oder eineinhalb Jahren der Überprüfung mit dem Senegal hierher zurück! Ich glaube, dieses Land hat sich das mehr als verdient. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38


Präsident Günter Kovacs: Danke schön, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte sehr.


18.38.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich kann es ganz kurz machen.


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Ich glaube nicht, dass wir als Bundesrat die Experten sind, ob die Urkunden in welchen Ländern auch immer gut hergestellt werden oder nicht, sondern dass es dafür das Außenamt, Botschaften und Konsulate gibt, die sich das ganz genau anschauen. (Bundesrat Himmer: Stefan weiß alles!) Deswegen: Wenn ich jetzt hier als Bundesrat darüber abstimmen muss, welche Dokumente aus welchem Land zuverlässig sind und welche nicht zuverlässig sind, dann würde ich es ein bisschen komisch finden, wenn ich das aus dem eigenen Gefühl heraus abstimmen wollen würde.

Wenn ich die Wahl habe: Glaube ich Herrn Hübner oder glaube ich der Botschaft auf den Philippinen? – Herr Hübner, Sie verzeihen, da vertraue ich dann doch mehr auf die Fachkräfte der Botschaft auf den Philippinen und in Manila. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Ich würde dem also eher folgen als so einer gefühlten Geschichte, aus welchen Gründen auch immer.

Ich möchte aber auch sagen, weil es tatsächlich sehr, sehr viele Filipinos in Ös­terreich gibt, die uns in den Krankenhäusern pflegen, und wir immer wie­der mit ihnen zu tun haben, dass es für sie natürlich auch eine extreme Lebens­erleichterung ist, wenn die Dokumente wieder anerkannt werden. Es gab sogar einen Filipino, Vincent Bueno, der einmal, vor zwei Jahren, Österreich offiziell beim Songcontest vertreten durfte. Es gibt also Filipinos, die schon ganz stark mit uns, mit unserer Geschichte verwoben sind. Umso erfreulicher ist es, wenn es in diesem Bereich einen kleinen Fortschritt gibt.

Natürlich, Herr Kollege Schennach, wünschen wir uns bei allen Ländern, dass es so ist, aber da muss man halt auch, denke ich, auf die Konsulate vertrauen, die uns dann sagen: Ja, man kann das machen!, oder: Nein, es gibt da einfach noch Probleme! Passt auf! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.40


18.40.43

Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend einen Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländi­scher öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke schön. Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung auslän­discher öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch


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zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

18.42.1920. Punkt

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angele­genheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023 (III-808-BR/2023 d.B. sowie 11210/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin. Ich bitte um den Bericht.


18.42.42

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Ich bringe den Be­richt des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betref­fend EU-Arbeitsprogramm 2023.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht des Bundesministers für europäische und interna­tionale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023 zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Berichterstatterin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Johannes Hübner. – Herr Bundesrat, bitte sehr.


18.43.22

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Wir werden diesen Bericht, wie das so schön heißt, nicht


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zur Kenntnis nehmen, weil wir aufgrund der Geschäftsordnung eine andere Möglichkeit der Willensäußerung nicht haben. Natürlich nehmen wir ihn zur Kenntnis, wir haben ihn auch gelesen, wir sind aber nicht der Ansicht, dass dieser Inhalt akzeptabel ist. Der vorliegende Vorhabensbericht sollte doch andere Worte seitens einer österreichischen Bundesregierung finden.

Ich fange einmal mit der Ukraine an, das ist ja in diesem Bericht etwas ganz Zentrales. (Bundesrat Schreuder: Das ist überraschend! Da hätten wir nicht damit gerechnet!) – Na, wer den Bericht gelesen hat, der muss damit rech­nen – wer ihn nicht gelesen hat, nicht –, weil die Ukraine direkt oder indi­rekt 40 Prozent des Berichts des Ministeriums einnimmt.

Was ist bis jetzt passiert? – Die EU hat 19,7 Milliarden Euro – unter Anführungs­zeichen – „Hilfe“ an die Ukraine geleistet, zusätzlich noch – und das ist mein erster Ansatzpunkt – 3,1 Milliarden Euro reine Militärhilfe aus der soge­nannten Friedensfazilität. Vor Kurzem, vor zwei Wochen, ist noch einmal 1 Milliarde Euro für Munitionskäufe aus der Friedensfazilität dazugekommen.

Die Friedensfazilität – nur zur Erinnerung! – heißt nicht nur Friedensfazilität; sie wurde vor zweieinhalb Jahren, im Jahr 2021, mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro eingerichtet und hat folgende Widmung: Sie dient zur Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung. – Wenn aus einer sol­chen Fazilität, die von der Union zur Konfliktverhütung und Friedenskonsolidie­rung eingerichtet wurde, reine Militärhilfen in einem Ausmaß geleistet werden, das fast die Hälfte der gesamten Fazilität umfasst, erwarte ich mir doch irgendeine Bemerkung des Außenministeriums dazu.

Weiters erwarte ich mir eine Bemerkung, wenn ein Konflikt 14 Monate lang in einer derartigen Härte geführt wird, wenn es Hunderttausende Tote gibt. Wir wissen nicht, wie viele Tote es gibt, weil keine Seite reelle Zahlen veröffent­licht und unabhängige Schätzungen fehlen. 200 000 dürften es sein, das


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räumt selbst die Ukraine ein. Vielleicht sind es sogar noch mehr, es gibt Schät­zungen, die bereits bis zu 250 000, 280 000 gehen. Es ist jedenfalls ent­setzlich. Täglich erfahren wir von 200, 300, 400 Toten, je nachdem, welchen Quellen wir glauben.

Man sollte davon ausgehen, dass ein neutrales Land wie Österreich, eine Gesellschaft, die vom Frieden nach den Lehren der beiden Weltkriege geprägt ist, irgendwann, zumindest nach 14 Monaten, die Idee hat: Wir werden jetzt eine Initiative setzen, um zumindest einen Waffenstillstand auszulösen! – Nein. Die Leute, die mit uns im Außenpolitischen Ausschuss waren - - (Bundesrat Schreuder: Das geht! Wenn Putin sich hinter die Grenzen zurückzieht, dann gibt es einen Waffenstillstand!) Bitte? Ja, jetzt hör zu! Wir waren ja gemeinsam im Europaausschuss, glaube ich, und haben dort auch die Vertre­terin der schwedischen Ratspräsidentschaft getroffen und zur Sache befragt: Wie wäre es eigentlich mit einem Waffenstillstand und Frieden? Das ist eigentlich ein Konzept der EU: ein großes Friedensprojekt. – Geheißen hat es: Ja, wir sind natürlich für einen Frieden und für eine einvernehmliche Lösung (Bundesrat Schennach: Aber?), aber nur zu den Bedingungen der Ukraine.

Wo sind wir hingekommen? Das heißt, die Europäische Union vertritt den Standpunkt, es darf keinen - - (Bundesrat Schreuder: Ja, es ist nicht Russ­land überfallen worden!) – Es geht ja nicht darum, wer überfallen worden ist. (Bundesrat Schreuder: Na, sicher!) – Wie ist denn der Erste Weltkrieg ausgelöst worden? Da haben auch wir Serbien angegriffen. War es eine Rechtfertigung, zu sagen, Österreich hat Serbien - - (Bundesrat Schen­nach: ... Österreich hat Serbien ...!) – Polen hat im Ersten Weltkrieg ja gar nicht existiert, Blödsinn! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bun­desrates Kornhäusl.) Polen ist überhaupt erst 1918 wieder zur Existenz gekommen.

Da haben aber wir – unter Anführungszeichen – Serbien angegriffen, und das wäre die Rechtfertigung dafür gewesen, dass der Erste Weltkrieg vier Jahre lang fortgesetzt werden muss, mit neun, zehn Millionen Toten, nur weil


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Serbien zum Beispiel das Recht haben soll, zu entscheiden, wann der Krieg aus ist? Irre! Niemand hätte solche Ideen gehabt. Niemand, der in einem Krieg vermittelt hat, niemand, der eine Friedensordnung wiederhergestellt hat, wäre auf die Idee gekommen, zu sagen: So, ein Frieden bedeutet, dass eine Seite, weil sie vielleicht angegriffen worden ist, entscheidet, wann es einen Frieden gibt, und bis dahin reden wir gar nichts! Bis dahin bringt euch um! Wir geben euch das Geld, wir geben euch die Waffen, wir geben euch die Munition, um euch die Schädel einzuschlagen!

Ist das ist österreichische Linie? Wenn es schon die europäische Linie zu sein scheint – und das hat gestern im Ausschuss die Aussage der schwedi­schen Vertreterin bestätigt –, dann ist es tragisch genug. Dass Österreich sich dieser Linie anschließt und kein Wort der Kritik, kein Wort einer Ermah­nung, vielleicht zu einem Waffenstillstand zu kommen, in den Bericht einfließen lässt, ist doch erstaunlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein anderes Thema, das im Bericht auch vorkommt, sind ja die Rücknahmeab­kommen. Da habe ich mir einen Satz des Ministeriums herausgeschrieben: dass die Bundesregierung mit Hochdruck daran arbeitet, Rücknahmeabkommen mit den betroffenen Staaten abzuschließen, und fordert, dass neue EU-Ab­kommen abgeschlossen werden.

Wir haben auch das im Ausschuss schon kurz besprochen, nämlich wie dieser Hochdruck aussieht. Noch einmal zur Erinnerung: Es gibt sogenannte Mandate der Mitgliedsländer an die Europäische Union, Rücknahmeabkommen abzuschließen. Diese Mandate reichen teilweise bis ins Jahr 2000 zurück, etwa im Fall Marokkos, ins Jahr 2002 im Fall Algeriens, und das sind wirklich Herkunftsländer von Asylbewerbern, abgewiesenen Asylbewerbern, illegal in der Europäischen Union aufhältigen Personen.

Wenn die Europäische Union in 22 Jahren nicht in der Lage ist, ein Abkommen mit einem Land abzuschließen, das zwei Drittel seines Außenhandelsum­satzes mit der Europäischen Union beziehungsweise ihren Mitgliedern macht, dann ist doch etwas faul im Staate Brüssel, Herr Minister.


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Dann kann man entweder davon ausgehen, Sie wollen es nicht oder Sie wollen es und werden intern sabotiert. Ich traue mich, mit Ihnen zu wetten: Wenn die EU ernstlich will, dann dauert es keine 48 Stunden, um alle Zustimmungser­klärungen der marokkanischen Regierung zu einem Rücknahmeabkommen zu bekommen. Ich glaube, alleine ein Wink mit der Möglichkeit der Aufkündigung bestehender Handelsabkommen, Zollpräferenzen, Marktzugängen und so weiter würde genügen, um ein solches Abkommen in Windeseile unterschriftsreif auszuarbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo findet sich das in Ihrem Bericht? Wo findet sich das? Sie fordern, dass neue EU-Abkommen abgeschlossen werden. Ist das nicht ein bisschen wenig? Nur zur Illustration: Wir haben aufgrund Ihrer Forderung in diesem Bericht dann auch einen Antrag im Ausschuss gestellt, dass die Bundesregierung aufge­fordert wird, der EU für den Abschluss dieser Abkommen, zu denen sie ein Mandat hat, eine Frist bis Jahresende zu setzen, und wenn die nicht gewahrt wird, im Fall Österreichs die Ermächtigung zurückzuziehen und selbst diese Abkommen zu schließen.

Wenn Sie wirklich energisch an diesen Rücknahmeabkommen arbeiten würden, dann hätten Sie dafür gesorgt, dass Ihre Bundesratsmitglieder dem Antrag zustimmen. Das haben Sie aber nicht, Sie haben genauso wie die Grünen und die Sozialdemokraten dagegengestimmt, weil es offenbar vom Ministerium nicht gewünscht wird. Vom Ministerium wird nur gewünscht, von ernsthaften Abkom­men und Arbeit mit Hochdruck zu reden, aber sobald es darum geht, Hoch­druck auch nur in Ansätzen anzuwenden, wird auf das Tröpferlsystem zurückge­gangen, und Tröpferlsystem heißt, es geschieht nichts, außer zu sagen, wir arbeiten.

Eine andere Sache ist die mit dem Coronaimpfstoff. Da hätte ich mir doch etwas erwartet. Es ist ja einer der größten Skandale und einer der sehr, sehr teuren Skandale in der Europäischen Union, dass ohne jede Transparenz, ohne ein Offenlegen der Verträge um Milliarden und Milliarden mit Pharma­konzernen Verträge geschlossen wurden, dass Österreich jetzt auf Mengen von


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Impfstoff sitzt, in etwa 40, 50 Millionen Stück, die man entweder bereits abnehmen musste und gelagert hat oder noch abnehmen und zahlen muss, und nicht weiß, was damit geschehen soll.

Was ist der Vorhabensbericht der EU und was ist der Vorschlag des Ministe­riums? (Bundesrat Spanring: Weitere kaufen!) – Na ja, das wäre ja noch besser! So weit geht es nicht, dass man sagt, wir haben nur 40 Millionen, kaufen wir noch 30 dazu, aber diese Impfstoffe werden jetzt als Hilfsmaßnahme an Drittstaaten weitergegeben. Österreich wird sich vor allem für die Hilfe an die Staaten des Westbalkans einsetzen, damit man dort diese bei uns lagernden – im Übrigen schon abgelaufenen und praktisch nicht mehr verwendbaren – Impfstoffe bekommt. Generell will man aber auch finanzielle Mittel zur Verfü­gung stellen, um die Weitergabe dieser Impfmengen auf europäischer Ebene an Drittstaaten zu erreichen.

Herr Minister, das ist doch kein Bericht! Da muss ein Minister zumindest einmal sagen: Wo sind die Verträge, wo sind die geschwärzten Teile? Warum wurde so viel bestellt, warum hat es keine Rücknahmemöglichkeit gegeben? (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wer ist auf österreichischer Sei­te dafür verantwortlich? Zumindest muss drinnen stehen, da haben wir einen Fehler gemacht, da haben wir uns von der Europäische Kommission und unseren eigenen Experten an der Nase herumführen lassen und haben ohne Ab­sicherung, ohne entsprechende Erprobung und ohne Ausstiegsklauseln in irrer Weise Impfstoffe gekauft. Nichts davon ist da enthalten!

Ein Letztes vielleicht noch, weil die Zeit fortgeschritten ist: Das ist natürlich die Vertiefung der europäischen Partnerschaft mit den USA. Herr Minister, was ist das bitte für eine Partnerschaft mit den USA, oder – wenn Sie wollen – die europäische Unterordnung unter die Wünsche, Ziele und Interes­sen der USA? Wenn Sie das so ausdrücken, dann würde ich Ihnen zustimmen. Wir arbeiten an einer Vertiefung und weiteren Unterordnung europäi­scher Interessen unter die USA. Das wäre eine korrekte Wiedergabe des Vor­habensberichts der EU in Ihrem Bericht. Auch das vermisse ich aber.


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Ich vermisse es genauso wie eine Auseinandersetzung mit der Sanktionspolitik. Da rede ich jetzt gar nicht von Russland. Nehmen Sie den Iran: Österreich war ja Gastland des Iranabkommens, des Fünf-plus-eins-Abkommens. Wichtige europäische Staaten wie Frankreich, England, Deutschland haben dieses in Österreich, sozusagen unter österreichischem Ehrenschutz, mit dem Iran ab­geschlossen. Die USA haben es einfach zurückgenommen, haben ge­sagt, wir fühlen uns nicht mehr gebunden, wir haben neue Sanktionen verhängt.

Die Europäische Union war nicht in der Lage, die eigenen Unternehmen davor zu schützen, unter amerikanische Sanktionen zu kommen, wenn sie der euro­päischen Rechtsordnung entsprechend wieder Handelskontakte mit dem Iran aufnehmen.

Nicht eine einzige europäische Bank hat es bis heute gewagt, Geschäfte mit dem Iran abzuwickeln. Sogar die englische Botschaft – das haben Sie vielleicht gelesen, es war ein Kuriosum – musste eingestehen, dass sie ihre eigenen Mitar­beiter nur mehr bar bezahlen kann, indem sie im Diplomatengepäck Geld­scheine mitnimmt. (Bundesrat Schreuder: Ich hab gar nicht gewusst, dass ihr ... seid!)

Das sind Dinge, die man von einem Partner nicht erwartet. Ich erwarte auch bei der Vertiefung der Partnerschaft, dass das Außenministerium dazu Stel­lung nimmt, wenn der angebliche Partner nicht nur verdächtig, sondern – wie man aus den letzten Enthüllungen weiß – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür verantwortlich ist, dass etwa eine Gaspipeline, die unter anderem mit österreichischem Geld von österreichischen Inves­toren errichtet wurde, wie Nord Stream 2 gesprengt wird. Ist das ein normaler Umgang zwischen Partnern, dass man ihnen eine Pipeline wegsprengt, um zu verhindern, dass dieser Geschäfte macht?

Noch dazu dient diese Partnerschaft ja vor allem der Sicherung der europäischen Energieversorgung dadurch, dass wir auf den Import von amerikanischem Schiefergas in einem höheren Ausmaß abhängig sind, als wir es bisher waren, und dass mögliche Alternativrouten durch die Zerstörung von Gaspipe­lines verhindert werden.


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Ich sehe das nicht als eine Partnerschaft an, sondern als das, als das ich es vorher schon bezeichnet habe, und ich hätte mir erwartet, dass auch das Minis­terium ein paar eigene Worte dazu findet und nicht EU-Sprech – ich sage nicht das Wort plappert – nachspricht.

Damit, glaube ich, habe ich unsere Ablehnung dieses Berichts ausreichend begründet und wünsche allen, auch dem Minister, einen schönen Abend. (Beifall bei der FPÖ.)

18.57


Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.57.25

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Außenminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten zum Arbeitsprogramm der Europäischen Union für das laufende Jahr stellt aus meiner Sicht die Ziele, den Status und die Positionen Österreichs zu diesem Vor­habensbericht hervorragend dar.

Ich möchte einleitend die Gelegenheit wahrnehmen, dir, geschätzter Herr Außenminister, für deinen Einsatz im Allgemeinen und im Besonderen für deine klare Kante in Fragen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, für deinen besonderen Einsatz bezüglich der Erweiterung der Europäischen Union, insbesondere am Westbalkan, und auch im Kampf gegen die illegale Migration meinen Dank auszusprechen. Ich glaube, es tut Österreich und den Österreicherinnen und Österreichern gut, dass wir eine kompetente Außenpolitik haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte meine Ausführungen mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine beginnen. Dieser Angriffskrieg mar­kiert in der Tat eine Zeitenwende. Wenn die Zahlen stimmen – und ich


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zweifle nicht daran –, so haben bis dato seit Kriegsbeginn rund 300 000 Menschen ihr Leben verloren, damit für Familien und Angehörige unermessliches Leid gebracht und einmal mehr aufgezeigt, welch bö­se Folgen ein Krieg für die Menschen insgesamt haben kann.

Damit verbunden ist auch eine Zerstörung der Infrastruktur in Milliardenhöhe. Milliarden werden notwendig sein, um diese Schäden wieder zu beseiti­gen. Damit verbunden ist auch eine weltweite Ernährungskrise, die nur schwer in den Griff zu bekommen ist.

Österreich hat immer klargemacht, dass wir militärisch neutral sind, allerdings politisch und humanitär klar Position und Partei ergreifen. Es war daher auch richtig und gut, dass von der österreichischen Staatskasse bis dato in etwa 130 Millionen Euro an humanitärer Hilfe an die Ukraine geleistet worden sind.

Ich möchte auch die ganz besondere Hilfsbereitschaft der österreichischen Be­völkerung erwähnen. Ich habe sie selbst erlebt. Manche von Ihnen wissen, dass ich beim Europäischen Jugendforum in Neumarkt aktiv bin. Neu­markt in der Steiermark ist eine Gemeinde, die zu Beginn des Krieges über 100 Menschen aus der Ukraine aufgenommen hat. Wir haben das im Rahmen des Europäischen Jugendforums Neumarkt begleitet und es war schön zu sehen, dass die Menschen in einer sehr schwierigen Lebenssituation und persönlich sehr herausfordernden Zeit ein Stück Heimat, ein Stück Frieden und ein Stück Ruhe finden konnten.

Für die ÖVP-Fraktion ist klar, dass das Recht des Stärkeren nicht über die Stärke des Rechts obsiegen darf, und ich glaube, wir sollten gemeinsam danach trachten, dass der Krieg in der Ukraine möglichst rasch zu einem Ende kommt. Kollege Hübner (Bundesrat Schreuder: Er ist nicht da!) kennt meine Posi­tion eh auch aus dem Europaausschuss und aus vielen Treffen. (Bundesrat Schreuder: Reden und gehen!) Es ist ja nichts Neues, dass sich die FPÖ als Putin-Versteher und als Versteher des Putin-Regimes geriert (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und ihr macht für die Chinesen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der


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FPÖ), aber seien Sie sich sicher: Unsere Solidarität gilt dem Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer. Ihre Solidarität gilt dem Putin-Regime und das ist der wesentliche Unterschied. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht ist sehr umfangreich und die Zeit erlaubt es nicht, auf jede Position im Einzelnen einzugehen. Zur Migra­tion möchte ich nur sagen, dass die Bewältigung der Herausforderungen im Migrationsbereich umfassend und gesamtheitlich gesehen werden müs­sen. Das umfasst einen effektiven Außengrenzschutz genauso wie die Imple­mentierung eines effizienten europäischen Asyl- und Migrationssystems. Dass dabei die Mühe in der Ebene liegt, ist allen klar, die sich in diesem Bereich engagieren. Ich möchte aber auch sagen – Kollege Hübner hat es ange­sprochen –, dass die Rückführungspolitik gestern im EU-Ausschuss Thema war und dass sich die Mehrheit der Fraktionen ganz klar gegen den Vorschlag der Freiheitlichen Partei ausgesprochen hat.

Der enorme Anstieg der Asylantragszahlen in den Mitgliedstaaten hat ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass ein gemeinsames Vorgehen notwendig ist. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, mich besonders beim Bundes­kanzler und auch beim Innenminister dafür zu bedanken, dass Sie da auch auf europäischer Ebene zwar nicht immer populär, aber doch im Interesse der österreichischen Bevölkerung agiert haben. Ich glaube, wenn wir bei der Migra­tion zu einer guten, gesamtheitlichen Lösung im EU-Raum kommen wollen, dann ist das der richtige Ansatz.

Gestern hatten wir die schwedische Botschafterin zu Gast, um mit ihr auch über die Vorhaben während der schwedischen Ratspräsidentschaft zu diskutie­ren. Wir sind zu der Ansicht gelangt, dass Schweden und Österreich in vielen Fragen Like-minded Staaten sind, es gibt aber auch Punkte, in denen wir uns nicht einig sind. Nicht einig sind wir uns insbesondere in Fragen der Nuklearenergie. Österreich hat in dieser Frage immer artikuliert, dass Kernener­gie weder grün, noch sicher, noch nachhaltig ist und keine Lösung für die Klimakrise darstellt. Wir akzeptieren, dass andere Staaten einen anderen Zugang


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zu diesem Thema haben, entscheidend ist jedoch, dass der österreichischen Bevölkerung ein Höchstmaß an Sicherheit entgegengebracht wird. Ich sage das als Steirer, und viele von Ihnen wissen, dass wir im benachbarten Slo­wenien mit Krško ein Kernkraftwerk haben, das ausgebaut werden soll, was viele Steirerinnen und Steirer mit großer Sorge erfüllt. Es ist wichtig, dass da seitens der österreichischen Außenpolitik ein wachsames Auge darauf gelegt wird.

Ich habe mich eingangs beim Außenminister für sein Engagement, was die Er­weiterung im Besonderen am Westbalkan betrifft, bedankt. Die Position des Ministeriums stimmt da mit unseren Überlegungen im EU-Ausschuss und im Plenum des Bundesrates überein. Wir waren immer Befürworter einer sol­chen Erweiterung. Selbstverständlich müssen die Staaten des westlichen Balkans auch ihre Hausaufgaben erledigen, aber wir haben die Chance, sie dabei zu begleiten, sie anzuleiten und ihnen auf diesem Weg entsprechende Unterstützung zu geben. Ich selbst mache im Rahmen des Europäischen Ju­gendforums Neumarkt sogenannte Peacedays, für die wir junge Leute aus den sechs Westbalkanländern einladen, um gemeinsam über die Zukunft zu diskutieren. Das sind sehr, sehr spannende Diskussionen, weil es aufgrund der Historie am westlichen Balkan durchaus unterschiedliche Zugänge gibt, aber in Summe eint alle, dass sie gerne bei dieser großen europäischen Fami­lie dabei sein wollen, und das nicht nur aus materiellen Überlegungen heraus.

Die Erweiterung Europas spielt natürlich auch für die neuen Beitrittswerber, die Ukraine, Moldau und Georgien, eine Rolle. Für die österreichische Außen­politik ist klar, dass diese Länder Teil der europäischen Familie werden wollen und dass die Verleihung des Kandidatenstatus an die Ukraine und an Mol­dau ein wichtiges politisches Zeichen der Solidarität, der Unterstützung war. Es ist aber auch klar, dass es keinen Fast Track, also keine schnelle Beitritts­spur geben wird und das ist, glaube ich, auch fair gegenüber den Ländern des westlichen Balkans, die sich seit Jahren bemühen, die Beitrittskriterien zu erfüllen.


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Im Vorhabensbericht ist auch die EU-Zukunftskonferenz angesprochen worden, und als Bundesrat haben wir im Rahmen der steirischen Präsidentschaft dieses Thema ja auch mit jungen Leuten beleuchtet. Ich freue mich, dass auch seitens des Außenministeriums weiterhin ein Fokus auf die Jugend und auf die Bürgerbeteiligung gelegt wird, und dass das Außenministerium offen ist, was die Umsetzung der Ergebnisse der Zukunftskonferenz betrifft, derzeit gibt es intensive Überlegungen zu jenen Maßnahmen, die ohne Ver­tragsänderung machbar sind.

Die Zeit erlaubt es nicht, näher auf die Gemeinsame Außen- und Sicher­heitspolitik einzugehen. Ich schließe daher mit einem Bereich, der für die Bun­deshauptstadt Wien und damit für ganz Österreich von Bedeutung ist: Wir sind stolzer Host, also stolzes Gastgeberland, internationaler Organisatio­nen, insbesondere der Vereinten Nationen, und es gilt, auch weiter mit den Vereinten Nationen im Rahmen der gemeinsamen europäischen Überlegun­gen aktiv zu sein und die Position Europas einzubringen. Wir wollen gerne ein guter Gastgeber für unsere internationalen Organisationen sein und damit zeigen, dass Österreich weit über seine Größe von neun Millionen Einwoh­nern hinaus eine Rolle im internationalen Kontext spielen kann.

Herr Bundesminister, nochmals herzlichen Dank für deinen Einsatz und gib das bitte auch an dein Team, deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbe­sondere an die Vertreter in unseren Botschaften weiter! Wir sind stolz darauf, solche Auslandsvertretungen zu haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.08


Präsident Günter Kovacs: Danke schön, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.08.42

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren


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hier im Saal und vor den Bildschirmen, wobei vor den Bildschirmen nur via Live­stream bedeuten kann, denn wieder einmal ist der ORF nicht hier. Ich ha­be das schon unzählige Male kritisiert, aber, wie es aussieht, ist der Bundesrat einfach nicht wichtig genug, um übertragen zu werden.

Ich habe aber eine gute Nachricht für Sie, meine Damen und Herren: Ich habe gerade gelesen, die Haushaltsabgabe ab 2024 nimmt immer mehr Form an. Damit werden dann 700 000 Haushalte – 400 000 Privathaushalte und 300 000 Firmen – zusätzlich zahlen und der ORF nimmt dann pro Minute 1 400 Euro Steuergeld ein. Vielleicht schaffen wir es dann im Jahr 2024, dass der ORF wieder einmal eine Bundesratssitzung überträgt, das wäre im Rahmen des Bildungsauftrages ja vielleicht kein Fehler. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann zu meinem Vorredner, Herrn Bundesrat Buchmann: Immer wieder dieselbe alte Leier, dieser Begriff Putin-Versteher! Das sind all diese Totschlag­argumente, wir kennen das schon: Coronaleugner, Klimawandelleugner, Putin-Versteher, und jetzt kommt von grüner Seite noch der Begriff Kellernazis. Ist das wirklich alles, was ihr könnt?

Eines muss ich euch jetzt wirklich ganz klar sagen: Wir haben niemals Putin verteidigt, denn das, was er gemacht hat, dieser Angriffskrieg in der Ukraine, ist zu verurteilen. Das haben wir schon mehrmals gesagt. Sie wollen es nicht verstehen, das akzeptieren wir.

Wir können aber genauso wenig die Ukraine da aus ihrer Verantwortung entlassen. (Bundesrat Schreuder: Welche Verantwortung?) Wir verstehen Putin nicht und wir verstehen auch Selenskyj nicht, denn er ist genauso korrupt. (Bundesrat Schreuder: Welche Verantwortung?)

Ich will nur sagen: Seit wann herrscht denn Krieg in der Ukraine? Seit 2014, hätte ich einmal gesagt, Bürgerkrieg, mit mehr als 10 000 Toten. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Oder zählen die nicht, Herr Schreuder? Zählen 10 000 Tote in der Ukraine seit 2014 nicht? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Die Krim ist damals annektiert worden, 2014 schon!)


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Herr Selenskyj wurde gewählt, weil er versprochen hat, dass er in der Ukraine die Korruption abschafft. Drei Jahre hat er Zeit gehabt, gemacht hat er nichts, und er hat auch mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine nicht aufgehört. Also nein, den verstehen wir auch nicht.

Wir verstehen auch die Amerikaner nicht. Wen wir verstehen, das sind die Damen und Herren Österreicher, die aufgrund Ihrer wirklich sinnlosen Sanktionspolitik unter den Teuerungen leiden müssen – und das gehört beendet! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommen immer die Schmähs: Da hat es einmal Treffen mit Putin gegeben!, und so weiter und so fort. Schauen Sie, das Internet ist der Feind aller, die solche Aussagen machen. Ich habe jetzt ganz aktuell ein Posting aus dem Jahr 2018 gefunden. Darin steht: „Bei seinem Besuch in Wien hat Wladimir Putin auch einen Kranz beim Ehrendenkmal“ – bla, bla, bla – „am Schwar­zenbergplatz niedergelegt. Es war mir eine Ehre, dass ich ihn dabei be­gleiten durfte.“ – Wer war es? Karoline Edtstadler. So viel zum Thema Putin-Ver­steher.

Wenn Sie so weitertun, meine Damen und Herren, dann werden wir, so wie wir euch jeden Tag im Zusammenhang mit Korruption den Spiegel vorhalten, euch jeden Tag irgendein Posting vorlegen, mit dem ihr irgendwo vor Putin ge­kniet seid. Genau so schaut’s aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um das
EU-Arbeitsprogramm 2023, und Kollege Buchmann hat sich da überschlagen vor lauter Lob, weil es ja angeblich so ein tolles Arbeitsprogramm ist. Ich habe es mir selber angeschaut und ich muss sagen, ich verstehe das eigentlich ein bisschen als Satire, was Sie da als Lob zum Besten gegeben haben.

Aber schauen wir einmal in das Arbeitsprogramm hinein. Es finden sich darin 43 neue Initiativen – im Jahr 2022 waren es noch 32 – und man findet 116 als vorrangig eingestufte Gesetzgebungsverfahren.


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Boah, jetzt könnte man sagen, schön fleißig, aber das ist mit Sicherheit nicht der Tatsache geschuldet, dass man jetzt so viele tolle und sinnvolle Initiativen am Start hat, nein, leider nicht. Vielmehr ist es einfach dem Umstand geschuldet, dass im Frühjahr 2024 ein neues Europaparlament gewählt werden wird und Frau von der Leyen dann nichts mehr wird umsetzen können – Gott sei Dank!

Die EU-Kommissionschefin von der Leyen hat ja ursprünglich versprochen, den Mittelstand zu entlasten, und wenn man ins Arbeits­programm 2023 reinschaut, findet man darüber eigentlich nichts.

Was wird es aber sehr wohl geben? – Es wird neue Belastungen geben. Es wird noch mehr Bürokratie geben als bisher. Natürlich werden auch die Kosten wieder steigen, was in diesem Fall besonders die kleinen Unternehmen, aber auch das Handwerk treffen wird; und wir wissen, wen das in letzter Instanz wieder treffen wird, nämlich die Damen und Herren Österreicher, die Bürger in der Europäischen Union, weil sie es sind, die unter all den Teuerungen werden leiden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was in diesem Programm steht, ist zusammenzufassen unter: Belastung statt Entlastung. Das ist anscheinend das Motto dieses Arbeitsprogramms. Die EU schreibt da so quasi, dass sie die Zügel noch straffer anziehen wird – aber wir wissen ja alle, dass es unserem Herrn Außenminister gefällt, wenn man die Zügel bei der eigenen Bevölkerung oder bei Teilen der eigenen Bevölkerung noch straffer anziehen kann. Da muss man schon einen ganz besonderen Fetisch haben, wenn einem so etwas gefällt. Ich lehne das eher ab und bin da Gott sei Dank nicht alleine.

Die „Deutsche Handwerks Zeitung“ titelt dazu: „EU-Arbeitsprogramm 2023: Viele Grausamkeiten, wenig – Lichtblicke“, und das bringt es in Wahr­heit ziemlich auf den Punkt. Besonders in der Kritik stehen die Maßnahmen im Bereich Green Deal, und das nicht, weil man gegen erneuerbare Energie wäre, das ist nicht der Grund. Einer der Gründe ist, dass man, wenn man zum


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Beispiel in einem Betrieb Anlagen bauen oder erweitern will, zukünftig ein sogenanntes Bodengesundheitszeugnis braucht.

Dann geht das weiter: Eine EU-Richtlinie ist geplant, wonach man die Gesamt­energieeffizienz von Gebäuden vorrechnen, auswerten beziehungsweise ausgeben muss. Wissen Sie, was damit passieren wird? Es wird nichts anderes passieren, als dass geplante Sanierungsvorhaben – solche, die jetzt schon geplant sind – ganz einfach zurückgestellt werden, weil es eben nicht mehr leistbar ist. Was da auf uns zukommt, ist in Wahrheit kontrapro­duktiv und bewirkt ganz genau das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich damit erreichen wollen.

Meine Damen und Herren, gut gemeinte Politik ist schlecht gemachte Politik, aber das kennen wir von dieser schwarz-grünen Regierung auch zur Ge­nüge. Wenn es nämlich um die Umsetzung von EU-Richtlinien geht, dann wissen wir aus der Erfahrung, dass da diese Regierung, aber leider auch die SPÖ, die kann ich da nicht ausnehmen, immer wieder zum bekannten Gold Plating neigt, sprich dass man mit der Übererfüllung von EU-Mindeststandards weit über das Ziel hinausschießt, und das zum Nachteil der Österreicher. (Bundesrätin Schumann: Ein Sozialgesetz ... arbeitsrechtlich ..., hä?!)

Dafür darf sich dann der Herr Außenminister in der EU wieder Hände schütteln lassen, kann er sich ein Schulterklopfen abholen (Bundesrätin Schumann: Schlechtere Regelungen in der Sozialgesetzgebung! Das darf nicht wahr sein!), und alle sind dann sehr stolz auf ihn, und es ist völlig egal, dass bei der eigenen Bevölkerung die Zügel straffer angezogen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Von einem Belastungsstopp, so wie es versprochen wurde, oder einer Entlastung habe ich in den ganzen 93 Seiten des Arbeitsprogramms gar nichts gefun­den, und es ist ja auch klar, warum: von der Leyen will und braucht mehr Geld. Ich persönlich verstehe das gar nicht. Ich habe geglaubt, sie hat mit Pfizer schon genug verdient, aber anscheinend hat das noch nicht ausgereicht. (Bundes­rat Buchmann: Blödsinn, ... falsche Quellen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Schreuder: Nein, nein, das geht nicht! Das geht nicht)


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Apropos Pfizer: Die SMS braucht sie jetzt auch nicht mehr vorzulegen. Da kann man jetzt glauben, was man will, und kann sagen: Alles vergessen und vergeben. – Nein, das kann ich von dieser Stelle aus sagen, Frau von der Leyen, aber auch Herr Schallenberg: Wir vergessen nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: ... Koalitionspartner!)

Auf alle Fälle: Der Haushaltskommissar ist beauftragt worden, im zweiten Quartal einen Kassensturz zu machen und zu prüfen, ob der Mehr­jährige Finanzrahmen angepasst werden muss. – Das steht so drinnen.

Was heißt das übersetzt? Was bedeutet das im Klartext? – Der EU geht in Wahrheit schon wieder das Geld aus. Und wen wundert es? Wir finan­zieren inzwischen die halbe Welt. Es gibt Heranführungshilfen dort, es gibt Un­terstützungen da, als ob das Geld in einem Fass ohne Boden liegen wür­de. Es wird dann nicht einmal überprüft, was mit dem Geld, das wir dorthin schicken, passiert, ob das zweckgebunden verwendet wird oder nicht. Das ist einfach weg. – Es sind halt wieder einmal ein paar Steuermilliarden weg, ist ja wurscht, zahlt eh nur der Pöbel, nicht?

Inzwischen bezahlen wir, wie wir wissen, auch die Waffenlieferungen – und das ist eigentlich das Allerunfassbarste – der Amerikaner an die Ukraine. Die Amerikaner schenken nämlich nichts her, die Amerikaner unterstüt­zen die Ukraine nicht gratis, die strecken nur vor.

Mit dem Geld der Europäischen Union, das wir an die Ukraine überweisen, wird nicht der ukrainischen Bevölkerung geholfen, sondern damit werden dann die offenen Rechnungen und die Schulden bei den Amis beglichen. – Also das ist ja überhaupt unfassbar! (Beifall bei der FPÖ.)

Was auch in dem Bericht drinnen steht: Für das dritte Quartal 2023 ist ange­dacht, dass man prüft, das Meritordersystem zu brechen, sprich die Verknüpfung von Gas- und Strompreis soll aufgedröselt werden, damit wir nicht mehr automatisch den höchsten Preis zahlen.


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Ja, verdammt noch mal, wie lange warten wir denn noch? Das hätte vor einem Dreivierteljahr schon passieren können! Wollen Sie so lange warten, bis sich wirklich niemand mehr das Leben leisten kann? Das ist ja an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten, was da steht! (Beifall bei der FPÖ.)

Darum sage ich: Dass Sie dieses Programm loben, kann ich nur als Satire hinneh­men. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine Verrücktheit nach der anderen, und unsere Regierenden agieren – da neh­me ich jetzt wirklich niemanden aus –, wenn sie in Brüssel sind, wie ein kastrierter Wackeldackel hinten auf der Hutablage im Auto. Überall wird schön zugestimmt und man ist überall dabei, egal wie sinnbefreit es ist und wie sehr dort alles gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung geht.

Wenn ich mir unsere Regierenden und das, was sie in den letzten Jahren so alles aufgeführt haben, anschaue, kommt mir persönlich das Grauen. Herr Schal­lenberg, betreffend Ihre Aussagen, als Sie kurzzeitig Kanzler waren, aber auch Ihre Kriegsrhetorik, die Sie als Außenminister an den Tag gelegt haben, kann ich Ihnen nur sagen – und das trifft auf einen Gutteil dieser
Regierung zu –: Sie haben Glück. Sie haben wirklich Glück, dass es in Deutschland Regierende gibt wie eine Frau Baerbock, einen Herrn Habeck, einen Herrn Lauterbach und wie sie alle heißen, denn gäbe es die nicht, dann hätten wir in Österreich die mit Abstand peinlichste Regierung in der ganzen Europäischen Union; einfach zum Fremdschämen. (Anhaltender Bei­fall bei der FPÖ.)

Das war jetzt alles ein bisschen düster, ich weiß, meine Damen und Herren, aber ich habe auch sehr gute Nachrichten für Sie. Mit jedem Mal Schlafen ist es ein Tag weniger, bis diese Regierenden in Österreich, aber auch in der Europäi­schen Union, bis diese unsägliche Politik endlich abgewählt werden kön­nen. Wir wollen weder in Österreich noch in Brüssel von Laien oder von von der


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Leyen regiert werden. Wir brauchen wieder Politiker, die auf die Interes­sen der Österreicher schauen, in Österreich und auch in Brüssel. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

19.22


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Prof. Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.22.09

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Danke, lieber Kollege Buchmann, dass du – wie hat es Hübner ausgedrückt: wir haben das im Ausschuss besprochen – gesagt hast, dass das eigentlich mit überwältigender Mehrheit von drei Fraktionen ab­gelehnt wurde. (Heiterkeit des Redners sowie des Bundesrates Schreuder.) Wenn das „besprochen“ heißt, soll es so sein.

Zwei Kontraredner zu einem Bericht über europäische und internationale Angelegenheiten, Arbeitsprogramm der EU: Im Grunde ist darin der Stand der Diskussion innerhalb der Europäischen Union und dazu die österreichi­sche Position zusammengefasst. Ich schließe mich noch einmal Kollegen Buch­mann an: Hinsichtlich der Erweiterung der Europäischen Union, Herr Außenminister, kann es natürlich nur klarer Fokus von Österreich sein, dass der Westbalkan selbstverständlich in der Poleposition steht.

Mit Mazedonien laufen die Verhandlungen seit 15 Jahren, mit Montenegro mehr als zwölf Jahre, und mit dem Kosovo kommen wir Stück um Stück voran. Sogar im Europarat ist der Kosovo ja schon Teilmitglied, und wir hoffen, beim Summit in Island – ich weiß nicht, ob Sie oder der Bundeskanzler zum Summit fahren – den Kosovo gänzlich aufnehmen zu können. Bei der Venice Commission und bei der Bank des Europarates ist der Kosovo – übri­gens im Unterschied zu Österreich – bereits Mitglied.

Die Ukraine, Moldau und Georgien – da ist ganz viel Symbolik drin –, alle drei Länder haben besetzte Territorien: Transnistrien in Moldawien, Abchasien


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und Ossetien in Georgien und der Donbass und die Krim, was die Ukraine be­trifft. Das heißt, es wird ein sehr, sehr langer Prozess, und ich habe den Vertretern dieser drei Länder bei jeder Möglichkeit, zuletzt bei der Cosac auch gesagt: Die Hauptverpflichtung Europas ist einmal, den Westbalkan zu priorisieren, denn der Westbalkan braucht diese Stabilität.

Herr Außenminister, ich hätte ein paar Fragen. Ich glaube, Kollege Hübner war es, der die Friedensfazilität angesprochen hat. Bisher hat die Europäische Union 12 Milliarden Euro an Hilfe für die Ukraine geleistet. Davon wurde auch Munition und so weiter beschafft, und Österreich hat sich bei der Liefe­rung und Beschaffung von Waffen und Munition immer konstruktiv enthalten. Meine Frage ist: Wird diese konstruktive Enthaltung in Zukunft mit Malta und Irland auch weiterhin besprochen, denn es ist ja geplant, dass auch andere Mittel der Europäischen Friedensfazilität zur Verfügung gestellt werden sollen?

Nächste Frage: Unter schwedischem Vorsitz sollte eigentlich der große Moment kommen, dass die Europäische Union endlich der Istanbulkonvention des Europarates beitritt. Können Sie uns ein bisschen berichten, ob das jetzt realis­tisch ist? Das ging bei unserer Aussprache mit der schwedischen Botschaf­terin nicht so genau hervor, deshalb rechnen wir, dass Sie als Außenminister das wahrscheinlich besser wissen.

Das Nächste ist: Ich selber bin jetzt seit zehn Jahren – zehn Jahre! – an den Gesprächen beteiligt, dass die EU als Gesamtes dem Europäischen Men­schenrechtsgerichtshof beitritt. Das wäre eine Sensation, und es würde sich nicht so viel ändern, außer dass sich die gesamte Europäische Union als Ganzes, als internationale Gemeinschaft hinter dem Europäischen Menschen­rechtsgerichtshof einfindet und viele Staaten dadurch auch weniger Chancen haben, sich den Erkenntnissen und Urteilen des Europäischen Men­schenrechtsgerichtshofes zu entziehen oder diese nicht umzusetzen.


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Eine weitere Frage: Der Bundeskanzler war vor einem Jahr in Serbien, und da hat er gemeint, er versteht, dass Serbien die Sanktionen nicht mitträgt. Er hat aber auch gemeint, er befürwortet einen noch schnelleren Beitritt des Westbalkans zur Europäischen Union. Ist das die Position der EU oder ist das ein Sonderweg Österreichs, was das betrifft?

Der frühere Bundeskanzler, dem Sie ja besonders nahestanden, stand dem früheren wie heutigen israelischen Premierminister sehr nahe. Ich habe eine Frage betreffend diese umstrittene Justizreform, die in Israel auf den Weg gebracht wird, die Hunderttausende Menschen auf die Straße treibt, weil diese sich wehren, dass durch diese Reform im Grunde die Demokratie und vor allem die Unabhängigkeit der Justiz abgeschafft wird: Wie sieht da die Posi­tion Österreichs zu diesen Vorgängen aus? Gibt es bilaterale Kontakte zu Israel? Hat die EU da entsprechende Kontakte? (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Eine allerletzte Frage, Herr Außenminister, die Sie aus dem Handgelenk be­antworten können: In diesem Bericht ist ganz klar, dass Österreich eine strategische Partnerschaft mit dem Welternährungsfonds plant, und zwar im Rahmen von ungefähr 60 Millionen Euro im Zeitraum von 2023 bis 2025.

Das ist interessant und ich begrüße das – wahrscheinlich die Kollegen am rechten Flügel weniger, weil es ja eine internationale Zusammenarbeit ist. Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang „strategische Partnerschaft“? Was ist darunter zu verstehen und wie wird das finanziert?

Ich verschließe mich nicht der eingangs diskutierten Frage, die wir ja auch im EU-Ausschuss abgelehnt haben. Ich denke, wir sollten ein wenig weniger Mythos um diese Rücknahmeübereinkommen machen. Nach dem Kanzler und dem Innenminister war ich in Marokko. Marokko denkt nicht daran, straf­fällige Staatsbürger und -bürgerinnen in sein Land zurückzunehmen. Es ist besser (Zwischenruf des Bundesrates Spanring) – ja, lieber Kollege Spanring –, das


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Geld, das wir in sinnlose Abschiebeaktionen stecken, lieber in sinnvolle Integra­tionsbemühungen zu stecken. Das haben wir ja gerade mit der Fami­lie aus Haslach gesehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

In diesem Sinne: Wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich erteile Herrn Kollegen Schreuder das Wort, wenn er mir das erlaubt.


19.31.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (bereits am Redner:innenpult stehend): Ich will ein bisserl Zeit einsparen. (Heiterkeit des Redners.) – Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Als ich neuer Parlamentarier, also damals, 2005, Landtags­abgeordneter in Wien geworden bin, haben mir ein paar Mentoren, Men­torinnen – also andere Abgeordnete – gesagt: Lieber Marco! Eine der wichtigs­ten parlamentarischen Gepflogenheiten ist, dass du, wenn du als Redner rausgehst, dann die Debattenbeiträge der anderen verfolgst, weil es Gegen- und Gegenrede ist! – Das ist Debatte.

Jetzt wollte sich schon Herr Kollege Buchmann mit Herrn Hübner auseinander­setzen, Herr Kollege Schennach wollte Herrn Hübner etwas sagen, weil er ja ein paar arge Sachen gesagt hat, da kann man ja gerne darüber diskutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Er geht aber hier als Erstredner her – ich erkläre euch die Welt! –, geht raus und hört sich die anderen Redebei­träge nicht mehr an. Jetzt muss ich schon einmal sagen - - (Bundesrat Schen­nach: Nein, ich hab keine argen Sachen gesagt!) – Nein, nein, du wolltest auch Herrn Hübner etwas sagen (Bundesrat Schennach: Ach so, ja!) und er ist nicht da. (In Richtung FPÖ:) Es wird so oft von euch kritisiert, dass je­mand nicht im Bundesrat ist, aber ich finde auch, dass ein Bundesrat, der in einer Debatte einen Beitrag leistet, sich dann durchaus die Beiträge der anderen


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anhören könnte – vor allem, wenn man replizieren will. Das wollte ich jetzt ge­sagt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Ich wer­de ... das nächste Mal daran erinnern, Herr Kollege!) – Gerne, gerne. Ich bin eigent­lich, wenn ich rede, bei den Debatten immer da, das möchte ich schon betonen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

In diesem Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023, wie der Bericht heißt, werden die großen internationalen Herausforderungen, die Probleme und die Krisen besprochen. Tatsächlich, wenn wir derzeit von Außenpolitik sprechen, sind es vor allem diese Herausforderungen, diese Probleme und die Krisen, die natürlich – wir haben das ja auch in den Redebeiträgen vorhin er­lebt – im Vordergrund stehen.

Jetzt wird es auch in diesen Berichten zunehmend schwieriger, die Chancen und die Lösungsansätze zu suchen und zu finden. Genau das ist aber wichtig, weil eines der Ziele von Außenpolitik ja auch sein muss, so etwas wie Hoffnung zu finden, Perspektiven zu schaffen. Ich glaube, das Motto, das dem gan­zen Bericht zugrunde liegt, wurde noch gar nicht genannt. Es heißt: „Eine ent­schlossen und geeint vorgehende Union“. Genau das ist die große Chance, die auch wir als Österreich haben. Wir sollen uns das auch nicht schlechtreden lassen.

Ja, es ist wichtig, innerhalb der europäischen Institutionen über den demokrati­schen Weg zu streiten: Was ist der beste Weg für die Europäische Union? Ja, wir müssen um diese Positionen ringen, aber es ist wirklich wichtig, dass wir uns als Österreich klar im ganzen Koordinatensystem, international beken­nen: Wir sind Teil der Europäischen Union, und wenn es um internationale Fra­gen geht, haben wir die stärkste Stimme innerhalb dieser Europäischen Union. Das ist ganz wichtig für so ein kleines Land.

Das ist auch notwendig, wenn es um die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und mit den Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, geht.


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Solidarität hat auch innerhalb der Neutralität Platz, denn wenn Menschen, die nichts tun, als zu Hause zu wohnen, die nichts tun, als zu Hause eine Fa­milie zu haben, die nichts anderes tun, als dort zu leben, bombardiert werden und aus ihrem Wohnhaus weggebombt werden, wenn Universitäten zer­bombt werden, wenn Schulen zerbombt werden, wenn Bibliotheken zerbombt werden, wenn Museen und Theater, in denen Menschen leben, in denen Menschen arbeiten oder Schutz suchen, zerstört werden, wenn Kin­der verschleppt werden, von ihren Eltern teilweise getrennt und dann in ein anderes Land verschleppt werden und dort zwangsadoptiert werden, dann kann man auch als neutraler Staat sagen: Das geht nicht! Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Wenn ein Land ein anderes angreift, nur weil es meint, aufgrund irgendeiner Ideologie irgendein Recht zu haben – in diesem Falle wird diese Ideolo­gie mit durchaus faschistoidem Ansatz Russkij Mir genannt –, wenn in dieser Ideologie einfach internationales Recht gebrochen wird, Völkerrecht ge­brochen wird, dann kann man nicht so tun, wie es die FPÖ macht, als sei das ein Konflikt mit zwei gleichmäßig zu verteilenden Schuldzuweisungen. Das geht einfach nicht.

Ich darf hier vielleicht auch Bruno Kreisky zitieren (Bundesrätin Schumann: Freundschaft! – Bundesrat Schennach: Ja, bitte!): „Unsere Neutralität hindert uns in keiner Weise daran, zu den Ereignissen in Europa und in der ganzen Welt in dezidierter Weise Stellung zu nehmen.“ (Bundesrat Kornhäusl: Da hat er recht gehabt! Eines der wenigen Dinge, wo er recht gehabt hat!) – Das halte ich wirklich für die beste Zusammenfassung der ganzen Diskussion: ein Bruno-Kreisky-Spruch, dem man eigentlich nur zustimmen kann, und ich würde mir wünschen, dass das eine parteiübergreifende Haltung wäre.

Der Bericht ist freilich eine Reise und ein Rundblick auf mehrere Epizentren – wenn ich das einmal so sagen darf – der weltweiten Herausforderungen. Migration wurde ja auch bereits in den Reden vorab angesprochen, und ich wäre


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nicht Marco Schreuder und ich wäre nicht bei den Grünen, wenn ich nicht müde würde, zu betonen, dass derzeit die beste Prävention für viel Migration Klimaschutz ist.

Mein Kollege Adi Gross hat bereits die Auswirkungen genannt – was es bedeutet, wenn sich die Erde weiter in diesem rapiden Tempo, wie wir es derzeit haben, erwärmt. Das würde tatsächlich bedeuten, dass weite, weite Land­striche dieser Erde, in denen jetzt Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen le­ben, nicht mehr bewohnbar werden. So gesehen ist natürlich das Klima­schutzprogramm der Europäischen Union ein ganz wesentlicher Bestandteil, um genau dem – dass das passiert – vorzubeugen.

Weitere Bereiche sind freilich auch anzusprechen. Das Annähern von Saudi-Arabien und dem Iran ist sicher eine ganz große und ganz wesentliche und für viele auch durchaus überraschende Änderung der geopolitischen Land­karte; und weil ich gesagt habe, man muss auch die Hoffnungsschimmer sehen: Für den Jemen und den wirklich fürchterlichen Krieg im Jemen bedeutet das eine große Chance und eine große Hoffnung – überhaupt keine Frage. Natürlich, was es auf lange Sicht bedeutet, dass zwei Staaten, die nun auch nicht gerade für Menschenrechte und Demokratie bekannt sind, sich so zusam­menfinden, das werden wir in Zukunft sehen.

Apropos Iran: Ich möchte hier schon noch einmal betonen, dass das, was die Frauen und die Zivilgesellschaft an Widerstandskraft gegen dieses repres­sive, brutale Mullah-Regime im Iran zu Wege bringen, wirklich bewundernswert ist und meinen vollsten Respekt verdient. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Auch die Iranerinnen und Iraner, die in Österreich leben – ich kann das jedem nur empfehlen –: Vor der UNO-City gibt es ein Camp von Iranern und Iranerinnen. Sie sind überhaupt nicht organisiert. Das sind Menschen, die hier wohnen, die dort einfach vor der UNO zeigen wollen, was im Iran pas­siert. – Besuchen Sie diese Menschen! Das sind ganz, ganz großartige Menschen.


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Zum Beispiel gehört die Tischlerei in meinem Haus einem Iraner, und seine Mutter kocht dann immer für die Leute, die dort campen. Das sind so be­wundernswerte Menschen.

Manchmal denke ich, man kann sich auch Inspiration von der Kraft und dem Willen, der dort herrscht, für das holen, was wir hier tun, nämlich das Rede­recht zu haben, debattieren zu dürfen und unterschiedliche Meinungen ha­ben zu dürfen, während die dort dafür einstehen und auch noch sterben müssen. Ich finde, das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben ja auch nahezu alle hier im Hause Patenschaften für inhaftierte Iranerinnen und Iraner übernommen. Ich darf zumindest von meinem Patenkind, wenn ich das so sagen darf, von Negar Tavousi sagen, sie ist freigelassen worden. Das freut mich wirklich sehr. Allerdings sind natürlich noch viel zu viele Menschen inhaftiert und vielen droht immer noch die Todesstrafe.

Für Österreich ist auf jeden Fall die Umsetzung – ich habe es vorhin schon bei der Frage der Migration erwähnt –der EU-Klimaziele, insbesondere des
Fit-for-55-Pakets ganz zentral. Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, die Klima­neutralität mit der Europäischen Union bis 2040 zu erledigen, also sogar noch zehn Jahre vor dem EU-Ziel. Im Außenministerium geht man allerdings davon aus – habe ich im Bericht gelesen –, dass dafür noch ambitio­niertere Maßnahmen erforderlich sind, generell sei klar, dass die Klima- und Biodiversitätskrise nicht alleine in Europa gelöst werden kann. Das se­hen wir auch so. Aber gerade für die EU ist es auch im internationalen Kontext natürlich ganz wichtig, bei multilateralen Konferenzen mit einer ganz klaren Stimme für Umweltschutz, für Klimaschutz und für Biodiversität einzu­stehen.

Frauenpolitik ist oft auch Außenpolitik und umgekehrt. Und die Fassungslosig­keit, die wir derzeit gegenüber der brutalen Unterdrückung von Frauen in Afghanistan erleben müssen, möchte ich hier auch ansprechen. Frauen werden zunehmend durch die radikalislamischen Taliban mit Berufs- und Studien-


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verboten belegt, sogar mit Schulverboten. Damit wird der Hälfte der afghani­schen Bevölkerung eine Bildungschance verwehrt, und eigentlich wird der Hälfte eines Landes jegliche Chance, jegliches Potenzial genommen.

Deutschland hat jetzt beispielsweise ein eigenes Stipendienprogramm ins Leben gerufen, mit 7 Millionen Euro dotiert. Da ja Herr Kollege Spanring gesagt hat, Deutschland hätte so eine schlechte Regierung: Die helfen den Frauen in Afghanistan mit einem Stipendienprogramm. (Bundesrat Spanring: Nicht schlecht, peinlich habe ich gesagt! Schlecht sind sie auch!) Das wäre wohl auch ein Vor­bild, würde ich einmal sagen, und ein Beispiel, wie man hier vorgehen kann, um den Frauen in Afghanistan gezielt zu helfen.

Meine Damen und Herren, es gibt viel Hoffnungsschimmer. Wer hätte noch vor fünf Jahren gedacht, dass es nach Schwierigkeiten – das muss man dazu­sagen – zwischen Serbien und dem Kosovo eine Annäherung geben kann, dass diese zwei Staaten bereit sind, miteinander – ich sage das einmal so – leben zu lernen? Und auch hier kann die Europäische Union als Perspektive eine ganz entscheidende Rolle bieten, denn eines dürfen wir nicht vergessen: Es gibt immer noch viele Länder, die der Europäischen Union beitreten wollen. Also ganz so schlecht kann diese Europäische Union ja nicht sein. Die EU ist ein solcher Ort der Hoffnung in schwierigen Zeiten. Und die sollen wir hüten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesmi­nister. – Bitte, Herr Minister.


19.43.26

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrte Herr Vorsitzen­der! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte nur ganz kurz das Wort ergreifen, weil mich doch ein bisschen die Tonalität mancher Rede­beiträge gewundert hat.


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Ich glaube, es gab einmal eine Zeit, da hat die Freiheitliche Partei gewusst, was Neutralität bedeutet, sie hat das in der Zwischenzeit anscheinend verges­sen. Es war ganz klar, wir haben eine militärische Neutralität, aber keine Gesin­nungs- und Werteneutralität. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Als 1956 sowjetische Panzer durch Budapest gerollt sind, hat sich das damals junge Österreich, das gerade seine Souveränität bekommen hat, das gera­de einmal zwölf Monate das BVG über die immerwährende Neutralität hatte, nicht gescheut, in der Generalversammlung der UNO alle Resolutionen gegen die Sowjetunion zu unterstützen und sogar eigene einzubringen. Und diese Linie führen wir fort. Wenn ein Staat glaubt, noch dazu ein Mit­gliedstaat des Sicherheitsrates, ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates, alle Prinzipien, die wir nach dem Zeiten Weltkrieg entwickelt und die wir nach dem Fall der Mauer noch ausgebaut haben, mit Füßen treten zu können, dann kann Österreich nicht danebenstehen und zuschauen. Das werden wir auch weiterhin nicht machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Ich bin daher auch etwas erstaunt und kann nur davor warnen, dass man sich das russische Narrativ zu eigen macht und Teuerungen und die EU-Sanktionen in einem Satz zusammenführt und irgendwie eine Kausalitätskette herstellt. Es gibt keine EU-Sanktionen auf Getreide, es gibt keine auf Ölsaaten, es gibt keine auf Gas. Und zur Teuerung: Bitte, man muss nur schauen, wo standen die Preise zum Beispiel von Gas Ende Dezember 2021, lange bevor in der Ukraine der erste Schuss gefallen ist? Da gab es schon eine Versechsfachung des Gaspreises. Also hier sollte man bitte nicht ein russisches Spiel spielen und Ursache und Wirkung verdrehen, sondern man soll bei den Tatsachen bleiben. Das wäre mir schon sehr wichtig. (Bundesrat Spanring: Das hat nichts damit zu tun, das war eure Coronapolitik! – Bundesrat Kornhäusl: Wenn es nicht Russland ist, ist es Corona!)


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Vielleicht nur kurz, weil zur Europäischen Friedensfazilität einige konkrete Fragen von Bundesrat Schennach gestellt wurden, und das wird auch oft vermengt: Ganz klar, wir werden unsere Politik der konstruktiven Enthaltung gemeinsam mit den von Ihnen genannten Staaten fortführen. Und ich will das hier ganz klar sagen, dieses Geld hat ein Mascherl. Also es gibt wirklich eine völlige Trennung zwischen den Mitteln der Peace-Facility, die für letales Kriegsgerät verwendet werden, und dem Bereich, wo wir beitragen, wo es nur um das Humanitäre geht.

Ich möchte auch betonen – und das ist keine österreichische Quelle –, das Kiel Institut für Weltwirtschaft hat klar etabliert, dass Österreich, an privaten und öffentlichen Mitteln im BIP gemessen, europaweit Nummer eins ist, was die humanitäre Unterstützung für die Ukraine anbelangt. Auch diesen Weg werden wir sehr konsequent weitergehen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

19.46


19.46.17

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldung liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzei­chen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest.

19.46.4321. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird
(Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023) (1920 d.B. und 1979 d.B. sowie 11201/BR d.B.)



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf zu den diesbezüglichen Tagesordnungspunkten sehr herzlich die Frau Justizministerin bei uns begrüßen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stotter. – Ich bitte um die Berichterstattung.


19.47.11

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Ge­setzbuch (Fundrechts-Novelle 2023) geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


19.47.34

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Für die Debatte liegen mir im Moment keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Wenn das nicht der Fall ist, ist die Debatte wieder geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der An­trag ist somit angenommen.


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19.48.0622. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsan­waltsordnung geändert werden (1946 d.B. und 1980 d.B. sowie 11202/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um die Berichterstattung.


19.48.24

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Ich darf Ihnen auch den Bericht des Jus­tizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen wieder vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.


19.48.57

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Frau Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier und vor den Bildschirmen! Ich halte es zu so später Stunde kurz, aber Altersdiskri­minierung ist weiter verbreitet, als man denken würde, und sie trifft auch Frauen stärker als Männer. Alter bedeutet aber eben nicht gleichzeitig Demenz oder Hilflosigkeit. Das schreiben wir den Menschen vielmehr zu und treiben sie damit in eine unwürdige Abhängigkeit, wie zum Beispiel hier, wenn älteren


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oder kranken Menschen Kredite verweigert werden, weil sie bald ster­ben könnten. Wie muss man sich denn vorkommen, wenn man einen Kredit aufnehmen möchte, alle Voraussetzungen wie Sicherheiten und laufen­de Einnahmen erfüllt, dieser aber nicht gewährt wird, weil man die statistische Lebenserwartung nicht ausreichend lange für die Tilgung erfüllt?

Da muss es nicht darum gehen, dass der gewünschte Kredit existenziell not­wendig ist, weil man die Wohnung oder das Haus dämmen oder auch barrierefrei machen will, sondern man kann auch, gerade wenn man alt oder vielleicht sehr krank ist, einfach auf Reisen gehen wollen oder sich sonst etwas Gutes tun und dafür einen Kredit aufnehmen. Er wird aber nur aus dem Grund verweigert, dass man statistisch gesehen bald sterben könnte. Das ist alters- und eigentlich auch krankendiskriminierend – zwei Lebensstadien, die eigentlich besonders schützenswert und unterstützenswert sind, und das tun wir heute, so wie es aussieht, sogar einstimmig. Das ist gut so, und ich freue mich über mehr Selbstbestimmung und weniger Diskriminierung.

Ich möchte aber noch die Gelegenheit nutzen, um den alten Menschen, vor allem den alten Frauen, ein Hoch und einen Dank auszusprechen, denn was täten wir ohne die klugen und weisen, die mutigen und unerschrockenen Frauen? Was täten wir ohne die geliebten Großmütter und Tanten? Dan­ke, danke für eure Ratschläge, euren Witz, eure Unverblümtheit, aber auch eure Arbeit und Sorge und eure Güte, die allzu oft im Verborgenen stattfinden! Hier auch ein explizites Danke den unermüdlichen Omas gegen Rechts! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

19.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Kollegin.


19.51.39

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu die­ser Gesetzesnovelle gibt es, glaube ich, große Zustimmung, deswegen fasse ich


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mich kurz. Als Seniorenvertreterin möchte ich aber doch gemeinsam mit meiner Seniorenbundkollegin und Bundesratskollegin Dr. Andrea Eder-Gitsch­thaler darauf hinweisen, dass diese Novelle ein wichtiger Schritt für Gleichberechtigung und natürlich gegen Altersdiskriminierung ist. Fairness für ältere Menschen ist einfach notwendig, und durch diese Novelle wird das geschehen. Es wird nicht mehr so sein, dass es um das Alter des Kreditneh­mers geht, sondern darum, ob er Sicherheiten bieten kann oder nicht. Das Lebensalter wird da keine bestimmende Rolle mehr spielen.

Der Seniorenbund hat sich schon lange Zeit für diese Novelle eingesetzt. Unserer Meinung nach ist es auch wichtig, dass im Todesfall des Kreditnehmers die Wohnungen, Häuser oder andere Sicherstellungen nicht mehr sofort veräußert werden müssen, sondern dass man den Erben Gelegenheit gibt, sich selbst dafür einzusetzen, sie zu veräußern, um einen besseren Preis zu
erzielen.

Von selbst geht nichts, und darum möchte ich allen danken, die zur guten Lösung beigetragen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kol­legin Grossmann. – Bitte.


19.53.30

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich teile die Freude meiner Vorrednerinnen über diesen Gesetzentwurf. Es hat vieler Anträge bedurft, vor allem meines Nationalratskollegen Drobits, die jahrelang vertagt wurden – das muss man auch dazusagen –, Initiativen nicht nur vom Senioren­bund, sondern auch vom Pensionist:innenverband, vom Seniorenrat, die jahrelang ignoriert wurden. (Bundesministerin Zadić nickt.) – Ja, Frau Ministerin, Sie nicken zustimmend, genau, es war so.


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Endlich aber ist es jetzt so weit, ein schwerwiegendes Relikt der Altersdiskri­minierung wird heute endlich beseitigt. Es ist schon geschildert worden: Das Lebensalter, sozusagen das errechnete – grauslich formuliert – Ablaufdatum eines Menschen, ist jetzt kein Knock-out-Kriterium mehr, kein Ausschluss­kriterium für die Kreditvergabe, wenn sonstige Sicherheiten gegeben sind, damit auch der Gläubigerschutz gewährleistet ist. Damit können Menschen, die für ihr Vermögen hart gearbeitet haben, sich ein Haus, eine Wohnung angespart haben, auch selbst darüber verfügen und ihr Leben selbstbestimmt gestal­ten. Das ist ein ganz wichtiger Schritt – wie gesagt, ein Relikt der Altersdiskri­minierung wird abgeschafft.

Es gibt aber leider noch viele weitere, zum Beispiel auch den faktischen Zwang, Bankgeschäfte nur mehr digital und online abzuwickeln. Das schließt sehr viele Menschen aus. Da kämpfen wir auch gemeinsam, vielleicht schaffen wir da auch einmal etwas (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ), denn es schaffen in Wahrheit nur mehr Digital Natives, sich selbstständig im Bankwesen zu bewe­gen. Vielleicht nehmen wir diesen Spirit mit und schaffen ja auch gemein­sam Verbesserungen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­rät:innen von ÖVP und Grünen.)

19.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Kollege Bundesrat Spanring zu Wort. – Bitte.


19.55.44

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Dieser Gesetzentwurf, Frau Minister, ist ein Schritt in die richtige Richtung – wir haben es von den Vorrednern ge­hört, es ist eigentlich schon fast alles gesagt worden.

So, wie es bis jetzt geregelt war, war es tatsächlich eine Diskriminierung von älteren Menschen. Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „Bankraub ist eine


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Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.“ – Sosehr ich dieser Aussage inhaltlich zustimmen kann: In diesem Fall war es die Politik, die da versagt hat, nämlich im Jahr 2015. (Bundesrat Schreuder: Du magst Brecht? Ich bin erstaunt!) – Bitte gerne, du würdest dich wundern! (Bundesrätin Schumann: Der Brecht sich auch!)

Im Jahr 2015, beim Umsetzen einer EU-Richtlinie, waren sich viele Legisten damals schon einig, dass die Umsetzung in dieser Form alle Menschen ab 55 diskriminieren wird. Und so kam es dann auch.

Frau Bundesrätin Grossmann von der SPÖ, weil Sie ja gesagt haben, die SPÖ habe jahrelang mit Anträgen versucht, das zu ändern: Da muss ich schon daran erinnern, dass es im Jahr 2015 eine rot-schwarze Regierung gab, und somit war das eine rot-schwarze Diskriminierung. An eines sei auch noch erinnert: Damals ist es der SPÖ gar nicht weit genug gegangen, sie wollte das noch schärfer umsetzen. Heute will es wieder keiner gewesen sein und keiner etwas davon wissen.

Für uns ist eines klar: Solange ältere Menschen voll geschäftsfähig sind und für die entsprechenden Sicherheiten sorgen können, darf einer Kreditvergabe auch nichts im Wege stehen.

Ja, es ist natürlich logisch: Ältere Menschen können von der Wahrscheinlichkeit her eher sterben als junge Menschen. Die Frage ist aber: Wo fängt das an und wo hört das auf? Denn wäre es damals nach der SPÖ gegangen, hätte ich wahrscheinlich auch keinen Kredit mehr bekommen, weil ich als Überge­wichtiger sämtliche Risikofaktoren habe (Bundesrätin Schumann: Uns tät’ das nicht stören!) – oder wenn jemand mit dem Motorrad fährt oder raucht oder ungeimpft ist oder geimpft ist, je nachdem, wie man es sieht, oder, oder, oder.

Eines müssen wir uns auch vor Augen halten: Im Jahr 2008 waren es alle Menschen, auch die älteren, die mit ihrem Steuergeld die Banken


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retten durften/mussten, da war es egal, wie alt diese Menschen waren. Da bin ich dann wieder bei Brecht, Herr Kollege Schreuder.

Es muss ja jetzt nicht unbedingt eine Weltreise sein, die mit einem Kredit finanziert wird, sondern es können ja auch essenzielle Dinge sein, wie zum Beispiel ein Umbau zur Barrierefreiheit oder ein Auto, weil man von A nach B kommen muss und darauf angewiesen ist. Und selbst wenn ein älterer Kreditnehmer entscheidet: Ich will 5 000 Euro, weil ich mir eine Weltreise leisten will!, dann ist das auch in Ordnung, weil das seine eigene Entscheidung ist. Das, meine Damen und Herren, ist nämlich Selbstbestimmung, und das nennen wir Freiheitliche Altern in Würde.

Frau Minister Zadić, wir erheben keinen Einspruch gegen diese Gesetzesände­rung und hoffen, dass wir damit wirklich der Altersdiskriminierung Einhalt gebieten können. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt die Frau Justizministerin. – Bitte.


19.59.13

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! So eine gute Stimmung habe ich im Bundes­rat schon lange nicht erlebt (allgemeine Heiterkeit), also freut es mich wirklich sehr, dass das ausgerechnet bei diesen Justizthemen der Fall ist. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Ich freue mich wirklich außerordentlich, dass diese Novelle im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde und dass auch hier kein Einspruch erhoben wird. Ich glaube, es ist wirklich eine sehr wichtige Regelung, die wir jetzt end­lich geschafft haben, denn es geht um nichts anderes, als dass Seniorinnen und Senioren selbstbestimmt ihr Leben führen dürfen.


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Altersdiskriminierung ist ein Thema, und mit dieser Novelle ändern wir das zumindest in diesem einen Bereich, denn es ist einfach unvertretbar ge­wesen, dass Menschen, die ausreichend Sicherheiten hatten, Menschen, die Kreditraten tilgen konnten, dann einfach keinen Kredit bekommen ha­ben, weil man sagt, ihre Lebenserwartung sei nicht hoch genug. Das kann es einfach nicht sein! Menschen, die ausreichend Sicherheiten haben, Men­schen, die die Raten auch tilgen können, müssen einen Kredit bekommen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, unabhängig davon, wie hoch die Lebens­erwartung ist.

Insofern freue ich mich wirklich sehr, dass es hier auch zu einer Einstimmigkeit kommt. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

20.00


20.00.47

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegen mir dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

20.01.0823. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1948 d.B. und 1981 d.B. so­wie 11203/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 23. Punkt der Tages­ordnung.


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Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich bitte um die Be­richterstattung.


20.01.51

Berichterstatterin Barbara Tausch: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird.

Es geht insbesondere um die Umsetzung der EU-Richtlinie und um den neuen Straftatbestand für terroristische Drohungen.

Der detaillierte Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.


20.02.39

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen! Die Änderung im Strafgesetzbuch ist einerseits einer von der EU verlangten Umsetzung der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung und anderer­seits natürlich dem entschiedenen Vorgehen der Bundesministerin für Justiz gegen alle Formen von Terrorismus, Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus geschuldet.

Der Straftatbestand Terroristische Straftaten in § 278c wurde 2002 – man kann es sich denken – nach 9/11 eingeführt. Der Sachverhalt Drohung mit einem Terrordelikt wurde bisher unter dem Straftatbestand Gefährliche Dro­hung des § 107 subsummiert. Das reichte der EU nicht und sie leitete


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ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Um die Einstellung zu erwirken, fügen wir nun dem Straftatbestand Terroristische Straftaten auch explizit die Drohung mit einem Terrordelikt hinzu. Das ist folgerichtig, denn auch die Drohung mit Terror ist ein Terrordelikt.

Der wichtige Punkt bei dieser Strafrechtsänderung ist aber, dass die Drohung mit einem Terrordelikt vorsätzlich auf eine Terrorstraftat abzielen muss. Das ist deswegen wichtig, um zu vermeiden, dass zivilgesellschaftliches Engage­ment kriminalisiert wird. Die Angst davor ist verständlich, vor allem, wenn man daran denkt, dass Tierschützer:innen zu Unrecht zu einer kriminellen Orga­nisation gemacht wurden, was danach auch aufgehoben wurde, oder aber auch, wenn man daran denkt, dass so manche Politiker:innen gegen Klimaaktivis­t:innen hetzen, indem sie diese als Terrorist:innen bezeichnen. Das ist eigent­lich absurd, da sie gewaltlos agieren und ihre Handlungen mit keinerlei terroristi­scher Zielsetzung verbunden sind (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rät:innen der ÖVP), ganz im Gegenteil: Die Aktivist:innen wollen darauf auf­merksam machen, dass wir rasch und wirksam gegen die uns bedrohen­de Klimakrise vorgehen müssen.

Terrorismus wird natürlich nicht nur mit Gesetzen bekämpft, es braucht akri­bische Ermittlungen, Beobachtungen und eine gute Zusammenarbeit zwischen den Behörden und mit zivilen Einrichtungen wie zum Beispiel den Vereinen Derad oder Neustart, um Terrordelikte zu verhindern.

Die bekannte Extremismusforscherin Julia Ebner, die auch einige Regierungen berät, sagt: Die Bedrohungen durch Extremismus nehmen stark zu in der Gesellschaft, genauso wie rechte Ansichten, Vorurteile und Rassismen sowie eine spaltende, hetzerische und ausgrenzende Sprache zur Normalität werden. – Zitatende.

Gerade in Österreich passiert das, wo wir eine leider sehr starke rechte Partei haben, wo die großen Parteien der Mitte aber leider auch immer mehr nach rechts rücken. Dort ist das, was Julia Ebner sagt, genau zu beobachten.


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Zusätzlich legitimieren Koalitionen mit rechten Parteien diese Ansichten und normalisieren auch Verschwörungsmythen.

Daher appelliere ich an alle politisch Verantwortlichen: Seien Sie sich bewusst, was für Folgen sprachliche Hetze und Spaltung haben können! Unser Vizekanzler hat es heute auch gesagt: Sprache prägt Bewusstsein und Worte stehen immer am Anfang von Gewalt.

Mäßigen wir unsere Worte, schüren wir keine Hetze oder Radikalisierung oder Extremismus und rufen wir sie auch nicht hervor, denn unsere Aufgabe hier ist, einen friedlichen, demokratischen Staat aufrechtzuerhalten und eigent­lich auch wiederzubeleben! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Kollegin.


20.06.39

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher:innen via Livestream! Meine Vorrednerin Bundesrätin Kittl hat bereits vieles im Detail erklärt, ich werde mich daher in meinen Aus­führungen kurz halten.

Beim Beschluss dieser vorliegenden Änderung des Strafgesetzbuches geht es, wie wir bereits gehört haben, konkret um eine Ergänzung beziehungs­weise Konkretisierung der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämp­fung. Mit dem Beschluss optimieren wir das Strafgesetzbuch und lassen somit keinen Interpretationsspielraum mehr offen, wonach die Androhung eines Terroraktes nicht als Straftatbestand betrachtet werden könnte.

Unser Strafgesetzbuch beinhaltet eine Liste an Terrorstraftaten, und in dieser Liste kam der Begriff Drohung mit einer Terrorstraftat bislang nicht vor.


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Das holen wir nun nach. In unserer Demokratie ist vor allem die Rechtssicherheit wichtig. Mit dieser Präzisierung tragen wir exakt dazu bei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Dadurch, dass eine Drohung, eine Terrorstraftat zu begehen, nun ebenfalls als terroristische Straftat gelten soll, erzielen wir eine generalpräventive Wir­kung. Das ist sehr wichtig. Das bedeutet konkret: Die hohen Strafen, die mit diesem Straftatbestand verbunden sind, sollen die Menschen in Zukunft davor abschrecken, mit einem Terrorakt zu drohen. Vor einem Monat erst beschäftigte uns eine Drohung mit Terrorabsicht, und zwar gegen die koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich. Auch wenn glücklicherweise kein Mensch im Zuge dieser Drohung zu Schaden gekommen ist, so erfüllen auch Drohungen den Zweck, welchen Terroristen erzielen wollen: Sie führen zu Angst und zur Spaltung der Gesellschaft.

Terror muss effektiv bekämpft werden, und zwar in jeder Phase. Die Menschen durch Drohungen in Furcht und Schrecken zu versetzen ist nicht tolerierbar und muss daher auch als Terrorstraftat gewertet werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte abschließend noch kurz aus der EU-Richtlinie zur Terrorismusbe­kämpfung zitieren: „Terroristische Handlungen zählen zu den schwers­ten Verstößen gegen die universellen Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität [...] Sie stellen zudem einen der schwers­ten Angriffe auf die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit dar.“

Geschätzte Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass wir diese Änderung des Strafgesetzbuches heute einstimmig beschließen werden. Das ist ein wichti­ges Zeichen. Wir zeigen, dass wir keine Toleranz gegenüber denjenigen haben, die unsere Grundwerte und unsere Gesellschaft angreifen wollen. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Schumann.)

20.10



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Kollegin.


20.10.21

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPÖ wird einem einstimmigen Beschluss nicht im Wege stehen. Der Vorteil, wenn man nach Kol­legin Schwarz-Fuchs oder Kollegin Kittl sprechen darf, ist der, dass die Materien schon im Detail erläutert wurden (Bundesrat Schreuder – erheitert –: Erschöpft!) und, ja, erschöpfend erörtert wurden. (Beifall des Bundesrates Ebner.) – Ja, der Applaus von der eigenen Fraktion ist sicher.

Sie haben schon angeschnitten, Frau Kollegin Kittl, dass die Bundesregierung ja nicht selbst darauf gekommen ist, sondern dass sie auf ein drohendes Ver­tragsverletzungsverfahren reagiert hat. Das ist gut so, dass da entsprechend re­agiert wird. Es ist aber auch zu betonen, dass das Strafrecht immer nur eine Reaktion auf eine Straftat sein kann und nur in einem geringen Ausmaß präventiv wirkt. Da möchte ich schon auch den Appell an die Bundesre­gierung richten, im Bereich der Terrorismusbekämpfung präventiv zu wirken.

Wir hatten heute im Rahmen der Debatte über die Volksanwaltschaftsberichte Gelegenheit, über die Mängel und über die Schwachstellen der Terroris­musbekämpfung in Österreich zu debattieren. Ich bitte Sie wirklich, diesen Be­richt ernst zu nehmen, weil wir gesehen haben, es waren vor allem Män­gel in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, die zu diesem schreckli­chen Terroranschlag in Wien vor zwei Jahren geführt haben. Da wurde die Lernaufgabe noch immer nicht geleistet. Bitte schauen Sie im Bereich der Terrorismusbekämpfung verstärkt auf die Prävention! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

20.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte.



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20.12.25

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Natürlich war es notwendig, diese Anpassung im Strafgesetzbuch durchzuführen. Wir haben ja schon sehr vieles darüber gehört.

Ich sage, terroristische Drohungen mit einem Tatbestand des Vergehens, sprich mit einem Strafausmaß bis drei Jahren, zu würdigen ist wahrscheinlich für jeden – oder mit Sicherheit für jeden – in diesem Saal zu wenig. Fünf Jahre: Ich weiß nicht, wen man davon abhält, ob man den Amokfahrer in Graz davon abgehalten hätte oder ob man den Terroranschlag in Wien damit hätte verhin­dern können. Ich glaube, es sind schon weitere Maßnahmen notwendig. Es sind auch Maßnahmen an unseren Grenzen und Maßnahmen hinsichtlich Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber notwendig. Dann kön­nen wir dieses Land wirklich ein Stück sicherer machen.

Dem heutigen Antrag zur Änderung oder Ergänzung des Strafgesetzbuches werden wir natürlich zustimmen. Das kann aber doch nicht alles gewesen sein! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.13


20.13.38

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der An­trag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 362

20.13.5924. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes (III-815-BR/2023 d.B. sowie 11204/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 24. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Ich bitte um die Berichterstattung.


20.14.20

Berichterstatterin Barbara Tausch: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 sowie das Achtzehn­monats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den vorliegen­den Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.


20.15.00

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Lieber Herr Vorsitzender! Zu diesem Be­richt könnte man sehr, sehr lange reden, daher konzentriere ich mich auf den Teil von Vorschlägen, der die Umsetzung des Green Deals betrifft – aber leider braucht auch der ein Weilchen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 363

Die Europäische Kommission will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Eine Maßnahme – vielleicht eine kleine, aber doch –, um das zu verwirklichen – die ist nicht so klein –, ist die Vermeidung von Müll, denn Milliarden Kilo an Waren werden in der EU weggeschmissen. Dafür werden Milliarden Kilo an Ressourcen verbraucht und Milliarden Kilo an Treibhausgasemissionen erzeugt, was nicht nötig wäre, denn in vielen Fällen könnten die Waren noch repariert werden.

Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission auf ein Recht auf Reparatur werden Ressourcen, Abfall und vor allem Treibhausgasemissionen einge­spart und die Kreislaufwirtschaft wird gestärkt. Das Recht auf Reparatur bedeu­tet, einfordern zu können, dass defekte Haushaltsgeräte einfach zu fairen Preisen und auch noch nach der Garantiefrist repariert werden können. Das Ziel ist, dass die Reparatur einfacher und billiger wird als die bisherige Praxis, defekte Produkte durch neue Produkte zu ersetzen. Damit stärkt das Recht auf Reparatur auch die Langlebigkeit der Produkte, einerseits um Reparatur zu vermeiden, andererseits um leichter reparieren zu können.

Österreich – und das freut mich – geht mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft zu stärken, mit gutem Beispiel voran, zum Beispiel mit dem Reparaturbonus des Klimaschutzministeriums, bei dem 50 Prozent der Reparaturkosten bis zu 200 Euro übernommen werden, um so Reparatur auf der Anbieter-, aber auch auf der Konsument:innenseite wieder interessanter zu machen. Wien macht das genauso. Auch nationale Onlineplattformen mit wiederherge­stellten Produkten oder Reparaturwerkstätten sollen errichtet werden. Auch da kann Österreich schon etwas vorweisen, zum Beispiel refurbished.at oder eben reparaturbonus.at. Wir können damit wichtige Inputgeberin für die EU sein.

Unvermeidbarer Abfall aber sollte wiederverwendet werden oder zumindest fachgerecht entsorgt werden. Das ist aber leider nicht immer der Fall. Abfall wird illegal verbracht oder abgelagert. Erinnern wir uns an die Bilder der Abfall­berge in den polnischen Wäldern. Böden, Luft und Wasser werden


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 364

unwiederbringlich verschmutzt und die Umwelt wird zerstört. Das ist unter Umweltkriminalität zu subsumieren und auch strafrechtlich zu ahnden, genauso wie illegale Abholzungen – wir denken an Rumänien –, illegale Fischerei und illegaler Handel mit geschützten Wildtieren. Die Auswirkungen von umweltschädlichem Verhalten sind oft extrem langfristig und irreversibel und meistens töten sie, sei es die Natur oder im schlimmsten Fall Menschen. Die Kosten von Umweltkriminalität für die Allgemeinheit sind enorm, trotzdem nimmt sie jedes Jahr signifikant zu. Das ist in Zeiten der Klimakrise noch verrückter, als es immer schon war.

Genauso unverständlich ist es, dass Umweltschutz eine Minderheitsange­legenheit ist, ein Anliegen von wenigen, die leider immer noch geringschätzig als Alternative oder Hippies oder gar als Terrorist:innen bezeichnet werden. Dass umweltschädliches Verhalten überhaupt ein Straftatbestand und nicht bloß eine Verwaltungsstraftat ist, ist erst ein paar Jahrzehnte her.

Noch nicht durchringen können wir uns dazu, der Natur verfassungsgemäße Rechte einzuräumen, was so manches südamerikanische Land getan hat. Das bedeutet, dass die Natur zum Rechtssubjekt wird und ihre Rechte durch eine Stellvertreterin eingeklagt werden können, so wie bei Kindern, deren Rechte auch stellvertretend einklagbar sind. Das wäre meines Erachtens der sicherste Weg, dem Umweltschutz den Stellenwert in unserem Denken und Handeln zu geben, den die Natur, die uns nährt und gut leben lässt, braucht.

Dass die Natur diesen Schutz braucht, ist uns leider immer noch nicht im Ent­ferntesten bewusst. Die EU kennt die Richtlinie aus 2008 über den straf­rechtlichen Schutz der Umwelt. 2020 wurde sie evaluiert, und sie soll nun aktualisiert werden. Sanktionen sollen verschärft und an Finanzstraftat­bestände angepasst werden, bei denen sich die Geldstrafen an Jahres­umsätzen orientieren, damit es auch schmerzt, denn die Auswirkungen sind mit Geld kaum aufzuwiegen. Bei den Verfahren sollen auch die Betroffe­nen, wie zum Beispiel Umweltschutzorganisationen, mehr Rechte bekommen.


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Es gab dazu schon viele Ratsarbeitsgruppentreffen, um das konkreter auszuar­beiten. Hoffen wir, dass sie aufgrund der Dringlichkeit von Klima- und Um­weltschutz bald zu Entscheidungen kommen werden.

Ähnlich sieht es bei der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit aus. Dabei geht es darum, die Sorgfalts­pflichten von Unternehmensführungen entlang globaler Lieferketten im Bereich Umweltschutz und im Bereich Einhaltung von Menschenrechten auszu­bauen. Vor allem Unternehmen in High-Impact-Sektoren wie der Textil- und der Nahrungsmittel- oder der Forstindustrie, der Rohstoffgewinnung oder dem Rohstoffhandel sind verantwortlich für viel Leid auf der Welt. Das ist uns Konsument:innen zunehmend klar. Das muss aber vor allem den Konzer­nen klar werden, denn sie haben ungeheure Macht. Sie formen das Leben von Milliarden von Menschen, von Konsument:innen, Produzent:innen, Händ­ler:innen, Lieferant:innen, Logistiker:innen et cetera, et cetera.

Daher braucht es ein Umdenken im Wirtschaften in Richtung Nachhaltigkeit und Verantwortung. Meiner Meinung nach braucht es dieses Umdenken auch in der Politik, denn die Politik prägt die Werte, die dem gesellschaftlichen und dem wirtschaftlichen Handeln zugrunde liegen, und ist verantwortlich dafür, dass es uns und eben auch unserer Umwelt gut geht.

Wir wissen aus leidvoller Erfahrung: Die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten ist erschreckenderweise durch gut Zureden nicht um­setzbar. Daher braucht es verbindliche Regeln für unternehmerische Verantwor­tung, die mit der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen umgesetzt werden könnten. Wichtige Player auf diesem Feld des Umweltschut­zes sind Menschen und Organisationen, die auf Verbrechen gegen die Umwelt aufmerksam machen. Das ist aber kein leichtes Unterfangen, denn sie zeigen Missstände von oft sehr großen Konzernen an.

Diese Unternehmen sind finanziell potent und wollen mit sogenannten Slapp-Klagen diese Missstände vertuschen. Angeklagte Umweltschützer:innen


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werden damit immer wieder in den finanziellen Ruin getrieben. Das soll sie und auch zukünftige Aufdecker:innen einschüchtern. Auch der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie gegen solche strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung wurde lange diskutiert – und wird leider immer noch diskutiert. Meines Erachtens ist es hier wie dort eine Verzögerungs­taktik von lobbyisierten Parteien, die großen Unternehmen näher stehen als dem Wohl der Umwelt und damit der vielen Menschen, die sie wählen.

All die erwähnten Vorschläge der Europäischen Kommission – die Richtlinie zum Umweltstrafrecht, zur Lieferkette, die Initiativen zum Recht auf Reparatur, zur Verhinderung von Slapp-Klagen – könnten gemeinsam mit den Maßnahmen, die unsere Regierung setzt, einen Paradigmenwechsel hin zu einem verant­wortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen einleiten. Rücken wir endlich die verrückten Wertigkeiten zurecht. Nicht Umwelt- und Klimaktivist:innen, die für den Schutz der Natur eintreten, sollen kriminalisiert werden, sondern die, die die Umwelt zerstören und der Allgemeinheit extrem hohen Schaden zu­fügen, sollen zur Verantwortung gezogen werden. Verurteilen wir die, die die Umwelt zerstören, und nicht die, die sie schützen wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Kurz möchte ich noch auf das eingehen, was die Bundesregierung vorgestern im Ministerrat für den Umweltschutz deklariert hat: Mittels Aktionsplan und einer Arbeitsgruppe, die den netten Namen Nest trägt – National Environmental Security Task Force –, soll es national und international eine bessere Ver­netzung und Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerien, Behörden und NGOs im Bereich Umweltkriminalität geben. Das Personal – vor allem von Behörden, die sich mit Umweltfragen befassen – soll für den Umweltschutz mehr sensibilisiert werden, in der Grundausbildung genauso wie in den Führungsetagen. Das erklärte Ziel – und das ist ein wichtiger Punkt – ist, die Verurteilungsrate bei Umweltverbrechen zu erhöhen, denn man stelle sich vor: Nicht einmal 1 Prozent der angezeigten Umweltverbrechen wird ver­urteilt.


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Das alles erinnert mich frappant an die fehlenden Urteile bei Gewaltverbrechen gegen Frauen. Hier wie dort fehlt das Bewusstsein der Dringlichkeit. Hier wie dort kommt es kaum zu Verurteilungen, weil zu wenig Beweise gesammelt werden. Hier wie dort kann man dem begegnen und zukünftige Delikte durch Prävention vermeiden, indem die Zusammenarbeit von Behörden und Schutzorganisationen sowie eine intensive Auseinandersetzung des Per­sonals mit dem Thema gefördert werden. Ich freue mich, dass das in beiden Fällen nun angegangen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte, Herr Kollege.


20.24.42

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vize­präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank an die Vorrednerin, die natürlich die für die Grünen wichtigen Themen in diesem Programm skizziert hat. Wir sind wieder bei dem Thema der zwei Welten, die unsere Zusammenar­beit prägen, und so wird es wenig überraschen, dass ich wohl auf an­dere Themen eingehen werde, wobei natürlich auch uns nicht verborgen ge­blieben ist, dass die Bundesregierung die Taskforce betreffend Umwelt­kriminalität gemeinsam erfolgreich eingesetzt hat.

Dieses Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission bezie­hungsweise der Ratsvorsitze beinhaltet begrüßenswerte Vorhaben – teil­weise wurden die ja gestern auch im Gespräch mit der schwedischen Botschaf­terin zur Sprache gebracht. Wesentliche Punkte sind dabei aus meiner und unserer Sicht die Erweiterung der Kriminalitätsbereiche um Hetze und Hasskriminalität, ein entschlossenes Vorgehen gegen alle Formen von Terrorismus, Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus sowie ein bes­serer Schutz der Opfer von Terrorismus.


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Besonders wesentlich – und auch das war ja heute schon Thema dieser Sit­zung – ist eine effizientere Bekämpfung des Menschenhandels. Auch das kommt in diesem Programm vor. Wenn wir uns vor Augen führen, dass laut Euro­pol 90 Prozent der Menschen, die irregulär in die Europäische Union kommen, über Schlepper kommen, dann sehen wir, dass man den Kampf gegen das Schlepperwesen ganz besonders forcieren muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Die multiplen Krisen der vergangenen Monate und Jahre haben ja diesen Zustand noch weiter verschärft und den Menschenhandel nochmals gefördert, oftmals mit ganz dramatischem Ausgang und mit Tragödien, die sich da abspielen. Deswegen ist es nicht nur eine menschliche Herausforderung, son­dern auch eine Sicherheitsfrage für die Europäische Union, da entschie­den aufzutreten, und natürlich hat das auch Auswirkungen auf unseren National­staat, auf unsere Länder bis hin zu den Gemeinden. Das heißt, Ziel muss es sein, den Schleppern die Grundlage ihrer Tätigkeit zu entziehen, und daher sind die Eindämmung der irregulären Migration und damit der Kampf gegen das Schlepperwesen ja auch eine klare Schwerpunktsetzung des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Innenministers.

Ich darf nochmals an die diesbezüglichen vergangenen Schritte erinnern wie das Schengen-Veto bezüglich Rumänien und Bulgarien, um eben die sicheren
EU-Außengrenzen zu gewährleisten, oder das Thema der Asylbremse als wichti­ges Thema beim Europäischen Rat auf die Agenda zu setzen sowie die bila­teralen Abkommen mit Indien und Marokko.

Das heißt: volle Unterstützung aller Maßnahmen der Europäischen Union, die dazu dienen, den Menschenhandel zu bekämpfen, die Ausbeutung schutz­bedürftiger Menschen zu unterbinden und den Schutz der Außengrenzen zu gewährleisten.

Eine weitere wichtige Richtlinie, die hier Thema ist, ist die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Wenn wir uns vor Augen


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führen, dass in der Europäischen Union mehr als eine von fünf Frauen körper­liche und/oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner er­lebt, dass jede zehnte Frau bereits sexuelle Gewalt erlebt hat und jede 20. Frau schon Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, dann ist es wichtig und richtig, da Maßnahmen zu setzen. Die Kommissionspräsidentin von der Leyen hat das ja auch zu einer ganz wesentlichen Priorität ihrer Amtszeit erklärt.

Vorigen Freitag ist hier auch die aktuelle Statistik des Innenministeriums für das erste Quartal veröffentlicht worden. Im ersten Quartal wurden 3 844 Be­tretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen – ein Anstieg, der auch damit zu tun hat, dass man seitens der österreichischen Bundesregierung Sensi­bilisierungsmaßnahmen gesetzt hat. Ich denke da zum Beispiel daran, dass das Betretungsverbot um ein Annäherungsverbot erweitert wurde, dass auch ein Waffenverbot ausgesprochen wird, dass es eine verpflichtende Beratung für Gewalttäter gibt, dass die finanziellen Mittel für die Opferhilfe aufgestockt wurden oder dass wir mit 24,6 Millionen Euro jährlich das größte Gewaltschutz­budget in der Geschichte der Zweiten Republik haben.

In diesem Zusammenhang gibt es mehr Geld für Gewaltschutzzentren, eine Erhöhung der Förderung für die Frauenhelplines und mehr Geld für Frauenberatungs- und -betreuungsangebote. An dieser Stelle darf ich ein herzliches Dankeschön an alle Vereine und Institutionen richten, die sich in den Ländern einbringen und ganz wertvolle Arbeit in unseren Städten und Gemeinden leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Ein Bereich ist uns hier auch ganz besonders wichtig: Das ist die Überarbeitung der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Auch da war ja die Bundesregierung in der Vergangenheit tätig. Es hat ein eigenes Paket gegen Kindesmissbrauch von den zuständigen Regie­rungsmitgliedern, der anwesenden Justizministerin, Familienministerin Raab, Gesundheits- und Sozialminister Rauch sowie Jugendstaatssekretärin Plakolm, gegeben, mit drei ganz wesentlichen Säulen: zielgerichtete Prävention,


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wirksame Strafverfolgung und Sanktionen sowie ein verbesserter Opfer­schutz. Erst am vergangenen Mittwoch wurde ein Fördercall in der Höhe von 600 000 Euro ausgelobt, mit dem Präventionsprojekte von Vereinen und Einrichtungen gefördert werden sollen.

Das heißt, mit diesem Paket schützen wir Kinder besser, bestrafen Täter härter und unterstützen wir verstärkt die Opfer in der Aufarbeitung ihres Leids.

Zusammengefasst, meine Damen und Herren, ist dieses Legislativ- und Arbeits­programm der EU-Kommission und der Ratspräsidentschaften zu begrü­ßen. Ich darf noch einmal ein herzliches Dankeschön unserem Bundeskanzler und unserem Innenminister für all die Maßnahmen im Kampf gegen das Schlepperwesen sagen. Ein herzliches Dankeschön an die Bundesregierung und auch an Sie, Frau Bundesministerin, für Ihren Einsatz, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt und auch den sexuellen Missbrauch an Kindern zu bekämpfen. Und nochmals ein herzliches Dankeschön an alle Vereine und Institutionen, die sich in den Städten und Gemeinden dazu einbringen. All diese Maßnahmen sind wichtig, sind richtig, und daher haben sie unsere Unterstützung verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Kollegin.


20.31.20

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2023 ist sehr ambitioniert. Es wurde ja hier schon ein ausführlicher Überblick von meinem Vorred­ner gegeben, und ich möchte jetzt auf den letzten Punkt eingehen, den Sie auch angesprochen haben, Herr Kollege, nämlich die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.


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Dazu gibt es einen Richtlinienvorschlag, der vor einem Jahr ungefähr von der Kommission präsentiert wurde, derzeit in Ratsverhandlung ist, und da ist aus Ratskreisen nun durchgesickert, dass die Rechtsgrundlage für den Tatbe­stand der Vergewaltigung infrage gestellt wird, nämlich der Artikel 5. Es heißt, dieser Tatbestand wird nur von jenen Staaten unterstützt, die den Grund­satz auch in ihrer Rechtsordnung explizit verankert haben: Nur ein Ja, ein expli­zites Ja, meint auch ein Ja. Hier stellt sich die Frage, wie sich Österreich nun im Gefüge der Staaten positionieren wird: auf Seite der progressiven Staa­ten oder auf Seite der konservativen Staaten. Also hier scheint einiges in Diskussion zu sein, und da würde ich Sie bitten, Frau Ministerin, hier auch dazu Stellung zu nehmen.

Wir haben im EU-Ausschuss auch versucht, Informationen von der schwedi­schen Präsidentschaft, von der Botschafterin zu bekommen. Das ist bis­lang leider nicht gelungen, wird vielleicht noch nachgereicht. Da ist sehr viel im Gange, und es geht ja auch darum, einen wirklich wirksamen Schutz zu bieten. Kollegin Kittl hat es ja auch schon angesprochen: Es gibt trotz vieler Anzeigen relativ wenige Verurteilungen, weil einfach die Beweisführung sehr schwierig ist und insgesamt die Rechtslage es den Opfern sehr erschwert, auch zu ihrem Recht zu kommen. Da würde ich Sie bitten, dazu Stellung zu nehmen.

Ansonsten ist dem Bericht aus unserer Sicht zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.33


20.33.54

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Da das nicht der Fall ist, ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 372

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

20.34.2125. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG geän­dert wird (3223/A und 1962 d.B. sowie 11213/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird
(1947 d.B. und 1961 d.B. sowie 11214/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Tagesordnungs­punkten 25 und 26, über welche die Debatten unter einem durchge­führt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 25 und 26 ist Frau Bundesrätin Isabella Kal­tenegger. – Ich bitte um die Berichterstattung.


20.34.51

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Ich bringe den Be­richt des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 373

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den An­trag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Danke schön.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. – Bitte, Frau Kollegin.


20.35.45

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! – Ich hätte gehofft, den Herrn Minister hier zu sehen. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Ich werde mich aktuell nur zu Tages­ordnungspunkt 25 äußern, weil, vereinfacht gesagt, die SPÖ hier nicht mit­stimmen wird und ich mich in Anbetracht der vorgeschrittenen Stunde auch kurz halten werde.

Seit Sommer 22 erhalten Unternehmen mit hohem Energiebedarf für Mehr­aufwendungen auf Basis des Unternehmens-Energiekostenzuschuss­gesetzes einen nicht rückzahlbaren Zuschuss – so weit, so gut. Mit der vorlie­genden Novelle werden aber nur wieder kleine grundlegende Mängel behoben, und auch wenn es sich dabei um sinnvolle Klarstellungen handelt, das Ursprungsgesetz bleibt ein schlechtes.

Der Energiekostenzuschuss ist eine Milliardenhilfe an Unternehmen, die keinen einzigen Preis senkt. Es ist sozusagen eine milliardenschwere Gießkanne. Sie verfehlt das Ziel, gegen die Teuerung zu wirken, und auch Unternehmen, die die Preise längst erhöht haben, erhalten einen Zuschuss.


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Auf die Bedürfnisse der Unternehmer:innen wird nicht eingegangen: Wie schaut es mit der Förderabwicklung aus? Wie kompliziert ist die? – Da wird einem wirklich schlecht. Die Hilfe muss rasch und zielgerichtet ankommen. Wie viele wertlose Maßnahmen sollen noch auf den Weg gebracht werden?

Die Regierung sollte jetzt endlich in die Gänge kommen, weg von der Über­förderung, weg von nicht zielgerichteter Förderung, weg von die­sem Gießkannenprinzip. Kollege Egger hat es heute schon gesagt: Es ist eine Rabattmarkerl-Bundesregierung, die wir hier haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ kann die vorliegende Novelle so nicht mittragen. Wir lehnen das Gesetz grundsätzlich ab, somit auch keine Zustimmung unsererseits.

Ich habe Ihnen hier das Magazin des SWV (ein Exemplar in die Höhe haltend) mitgebracht, vielleicht schauen Sie hinein. Über 99 Prozent aller österreichischer Unternehmen sind EPUs und KMUs, und was fehlt denen? – Soziale und wirtschaftliche Sicherheit.

In diesem Sinne einen schönen Abend. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Gerdenitsch übergibt Staatssekretärin Kraus-Winkler das Exemplar des
SWV-Magazins.)

20.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nachholen darf ich die Begrüßung der Frau Staatssekretärin Kraus-Winkler. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und  Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Bitte, Herr Kollege.


20.38.26

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in herausfordernden Zeiten mit vielen Veränderungen. Wer hätte sich ge­dacht, dass wir einmal mit so hohen Energiekosten konfrontiert sein werden,


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oder geglaubt, dass es möglich ist, komplexe Prüfungen digital abzu­halten? – Aber eines nach dem anderen.

Zur Änderung des Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetzes: Grundsätzlich wurde die Förderung im Jahr 2022 zur Absicherung der Liquidität von Unternehmen mit hohem Energiebedarf beschlossen. Mit diesem Abänderungsantrag soll die datenschutzrechtliche Grundlage für die automati­sierte Abwicklung des Energiekostenzuschusses geschaffen werden.

Gerade EPUs und KMUs sind angesichts der steigenden Energiekosten belastet, wie auch die Antragszahlen bestätigen. Von den 11 000 Anträgen sind gerade einmal 500 von Großunternehmen. Aufgrund der hohen Anzahl kleiner Unternehmen erachte ich es als sinnvoll, auf eine automatisierte Abwick­lung zu setzen.

Natürlich, Frau Bundesrätin Gerdenitsch, kann man kritisch anmerken, dass es sich dabei um relativ hohe Summen handelt, aber was wäre die Alterna­tive? – Ein Wettbewerbsnachteil für Österreich? (Bundesrätin Gerdenitsch: Ein gescheites Gesamtpaket! – Bundesrätin Schumann: Nicht im Nachhinein aus­zahlen wäre die Alternative! Dass man nicht die Inflation hinauftreibt! – Bundesrätin Gerdenitsch: Lesen Sie unsere Zeitschrift, bitte!) Mit diesem Gesetz sichern wir unseren Wirtschaftsstandort.

Unsere Unternehmen werden seit drei Jahren von einer Krise nach der anderen getroffen, und ich glaube schon behaupten zu können, dass wir bisher sehr gut durch diese Krisen gekommen sind (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch) und die Maßnahmen auch treffsicher sind und wirken. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Na ja! – Neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Gerdenitsch.)

Zur Novelle des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes: Ein Dauerrecht auf eine digitale Abhaltung von Fachprüfungen ist, finde gerade ich als jun­ger Mensch, sehr zu begrüßen. – Dazu möchte ich kurz etwas ausholen.


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In meinem Heimatbezirk Lienz haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Vorreiter im Bereich der Digitalisierung zu werden, und als Grundstein dafür haben wir bereits flächendeckend ein LWL-Netzwerk, ein Glasfasernetzwerk, vollkom­men in öffentlicher Hand ausgebaut. Corona hat den Ausbau digitaler An­wendungen noch einmal befeuert und beschleunigt.

Auf dieser Grundlage ergeben sich neue Möglichkeiten: Ein Prüfer kann sich in Osttirol auch im hintersten Tal befinden – wir sind ja nicht gerade im Zentrum, sondern wir sind eher abgelegen (die Bundesräte Schreuder und Korn­häusl: Aber wunderschön!) – aber wunderschön, danke, Herr Kollege (Bei­fall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ) –, und trotzdem kann dieser Prüfer in Osttirol in besagtem hintersten Tal oder auf dem Berg auf ultraschnelles Internet zugreifen. Es macht keinen Unterschied, wo er sich auf­hält – Stichwort Multilokalität –, etwas, das für unsere ländliche Region ein wesentlicher Vorteil für die Zukunft ist.

Prüfungen können so praxisrelevanter gestaltet und an die Anforderungen des Alltags besser angepasst werden. Diese Möglichkeiten müssen wir auf allen Ebenen nutzbar machen, und das soll auch beispielgebend für andere Branchen sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mi­chael Bernard zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.


20.42.08

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe zwar keine mehr im Saal, aber vielleicht sind noch wel­che vor den Bildschirmen. Die Energiepreise in Europa sind signifikant gestiegen, insbesondere aber in Österreich noch zusätzlich durch falsch gesetzte Maß­nahmen der türkis-schwarz-grünen Bundesregierung während der letz-


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ten drei Jahre. Die sich daraus ergebende Sonderbelastung ist für die österreichi­sche Bevölkerung und für die österreichischen Unternehmen nicht tragbar. Besonders davon betroffen sind energieintensive Unternehmen, sprich jene, die einen sehr hohen Energieverbrauch haben.

Das Energiekostenzuschussgesetz war hier bereits mehrmals auf der Tagesord­nung, im Dezember oder auch im März dieses Jahres – nur ist es bei die­sem Gesetz nicht wie beim Gulasch, also dass es umso besser wird, je öfter man es aufwärmt –, aber anstatt wie von uns Freiheitlichen von Beginn an vorgeschlagen beziehungsweise gefordert, die Strompreise oder generell die Energiepreise zu deckeln, setzen Sie auf ein System der zusätzlichen Arbeitsbeschaffung. Sie gehen wie bei der letzten Sitzung sogar den Weg, den Aufgabenbereich der Forschungsförderungsgesellschaft zu verändern.

Anstatt die österreichische Wirtschaft zu entlasten, belasten Sie mit Ihrer Un­ternehmervernichtungswirtschaftspolitik diese zusätzlich durch Ihre Ver­zögerungstaktik. Dies wurde auch von den Experten des Ministeriums im Aus­schuss auf Anfrage meinerseits bestätigt. Die von Experten vorgebrach­ten Zahlen zeigen, dass den Unternehmen betreffend die zusätzlichen Energie­kosten des Zeitraums Februar bis September 2022, die auch bereits vorfinanziert werden mussten und wovon ja auch nur 30 Prozent refundiert werden, bis jetzt bei 11 135 gestellten Anträgen lediglich 6 000 mit ei­nem Gesamtbetrag von 194 Millionen Euro ausbezahlt wurden.

Die Antragsstatistik zeigt, dass 11 105 in der ersten Stufe, 28 Anträge in der zweiten Stufe, zwei in der dritten Stufe und kein einziger Antrag in der vierten Stufe gestellt wurde.

Viele Einzelgespräche mit Unternehmern, die wir als Freiheitliche führen, bestätigen unsere Forderung. Die Unternehmer brauchen dringend die Entlastung – und hören Sie auf, Frau Staatssekretär, die Auszahlungen zu verzögern! Im Zusammenhang mit den derzeitigen Herausforderungen


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für Unternehmen im Bereich der Energiekosten trifft diese Verzögerungstaktik die Unternehmen doppelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich stelle Ihnen, Frau Staatssekretär, die Frage, wie Sie sich die Vorfinanzierung dieser Kosten vorstellen. Ich denke, es sollte auch Ihnen bekannt sein, dass Unternehmen derzeit Schwierigkeiten haben, Fremdkapital zu erhalten, und dass es noch schwieriger ist, einen Betriebsmittelkredit für Energiekosten zu be­kommen. Insbesondere für Unternehmen mit Energiekosten von über 50 000 Euro oder sogar mehr als 100 000 Euro wird die notwendige Vorfinan­zierung zu einer Herausforderung.

Viele Unternehmen verfügen nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um die­se Kosten vorzufinanzieren, aber sie müssen ihre Liquidität stark binden, was wiederum zu Problemen im normalen Geschäftsablauf führt.

Es ist von großer Bedeutung, dass in der Vergangenheit vorfinanzierte Kosten sofort zur Auszahlung kommen und für die Zukunft Lösungen gefunden werden, um, wenn die Regierung meint, beim derzeitigen Modell zu bleiben, Unternehmen bei der Vorfinanzierung ihrer Energiekosten zu unter­stützen und ihnen dabei zu helfen, Liquidität zu erhalten. (Beifall bei der FPÖ.) Dies könnte beispielsweise durch flexible Finanzierungsoptionen, Part­nerschaften mit Finanzinstituten oder staatliche Unterstützungsprogramme realisiert werden.

Das Ziel sollte lauten: Sicherheit, Planbarkeit und Wirtschaftlichkeit für die Un­ternehmen – zur Sicherung der vielen damit verbundenen Arbeits­plätze in Österreich – zu gewährleisten, anstatt Förderabhängigkeit zu schaffen.

Diese Bundesregierung verkennt jedoch die Lage bezüglich Ursache und Wirkung. Die Probleme werden nicht an der Wurzel gepackt. Diese Bundesregierung schädigt, wie bereits beschrieben, durch ihr Verhalten massiv die Wirtschaft, zum Beispiel durch das Festhalten am Meritorderprinzip und, wie wir heute ebenfalls gehört haben, an den Sanktionen.


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Das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz, das heute einmal mehr geändert wird, ist massiver Kritik nicht nur von uns Freiheitlichen ausgesetzt. Es werden damit Budgetmittel in der Höhe von unter Umständen mehr als 7 Milliarden Euro von verschiedenen Abwicklungsstellen mit enormem bürokra­tischem Aufwand verteilt.

Massive Kritik am Unternehmens-Energiekostenzuschuss kam kürzlich vom Fis­kalrat, der in diesem Zusammenhang Folgendes feststellte: Förderungen in der Stufe 1 und 2 sind nicht treffsicher genug, in der Stufe 1 wird zudem das Risiko einer Überförderung und eine hohe budgetäre Belastung aus der Unternehmenshilfe erwartet. Der Fiskalrat hat sich betreffend die Ausgestaltung des Energiekostenzuschusses zwei für Unternehmen genauer angesehen und hatte daran einige Punkte zu bemängeln. Insbesondere in der ersten Förder­stufe sieht der Rat zu wenig Treffsicherheit und das Risiko einer Überför­derung. Der Fiskalrat rechnet für den Energiekostenzuschuss zwei mit einer budgetären Belastung zwischen 7 und 8 Milliarden Euro – das wäre deutlich mehr, als ursprünglich vom Finanzministerium mit 5,7 Milliarden Euro geschätzt worden war. Eine Unterstützung der Unternehmen bei der Er­haltung ihrer Liquidität sei beim Energiekostenzuschuss zwei nur begrenzt ge­geben, da die Abrechnung der Förderung erst nach Ablauf des Förderzeit­raums erfolgt.

Während also Milliardenbeträge auf Steuerzahlerkosten wenig treffsicher mit ungeheurem bürokratischem Aufwand verteilt werden, rutschen Öster­reichs Regionen im internationalen Ranking ab. Im EU-Wettbewerb landet das südlichste Bundesland Österreichs auf Rang 93 von 234 und bildet das Schlusslicht in Österreich. Besonders schlecht schneidet der Bereich Infra­struktur ab. Größter Aufholbedarf herrscht in puncto Erreichbarkeit mit Bahn, Auto und Flugzeug.

Die den Entschließungsantrag unterfertigenden Bundesräte fordern daher, end­lich das Ausschütten von Milliardenbeträgen aus dem Bundesbudget oh­ne Treffsicherheit und mit Potenzial für Überförderung zu beenden und diese


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Budgetmittel im Sinne einer wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Regionen, insbesondere im Bereich der Investitionen in die Infrastruktur sowie des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel, zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich stelle in diesem Zusammenhang daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kolleginnen betreffend „lnfrastrukturoffensive für Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit der das Ausschütten von Milliardenbeträgen aus dem Bundesbudget mit wenig Treffsicherheit und Potential für Überförde­rung beendet wird, und Budgetmittel im Sinne einer wirtschaftlichen Auf­holjagd und Stärkung der heimischen Regionen insbesondere für lnfra­strukturinvestitionen, Breitband und Straßenbau, sowie den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Nun noch kurz zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes: Dieser werden wir vonseiten der freiheitlichen Fraktion die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Infrastrukturoffensive für Österreich“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Maria Huber. – Bitte, Frau Kollegin.



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20.50.52

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin! Und viel­leicht auch noch ein paar zu später Stunde via Livestream Zusehende! Ich glaube, man muss hier ein paar Missverständnisse aufklären und das eine oder an­dere auch noch einmal kurz für die Kollegen von der FPÖ klarstellen: Bei dieser Novelle geht es heute um den Energiekostenzuschuss für die Kleinstunter­nehmen. Das heißt, es geht eigentlich um dieses Pauschalfördermodell und da insbesondere um die automatisierte Abwicklung.

Wer sind diese Kleinstunternehmen? – Diese Kleinstunternehmen sind Unter­nehmen, die weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäf­tigen. Und ja, wir Grüne haben uns auch da massiv dafür eingesetzt, dass auch Kleinstunternehmen, die mit hohen Energiekosten kämpfen, die gerade für diese Betriebe wirklich existenzbedrohend sein können, etwas entlastet werden.

Wer fällt da darunter, Herr Bernard? – Die Bäckerei ums Eck, der Fleischhauer im Ort oder auch der kleine Greißler im Ort als wichtiger Nahversorger in den ländlichen Gebieten. Da geht es auch vielfach um alteingesessene Fami­lienbetriebe, die nicht zuletzt auch unsere Ortskerne beleben. Wir sorgen hier und heute dafür, dass auch diese Unternehmen einen Teil der Erhöhung gel­tend machen können. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich darf bei dieser Gelegenheit auch in Erinnerung rufen: 99 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Klein- und Mittelunternehmen, und wiederum 91 Prozent davon sind EPUs und Kleinstunternehmen. Ich denke, auch die pauschale Abwicklung ist in diesem Fall wirklich gerechtfertigt, weil es ge­rade für Kleinstunternehmen wichtig ist, dass Förderungen einfach und unkompliziert zu beantragen sind, denn gerade EPUs und Kleinstunternehmen profitieren besonders von jeglicher bürokratischer Erleichterung.


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Gleichzeitig möchte ich auch betonen, dass der Energiekostenzuschuss, den Sie hier so anprangern, selbstverständlich nur eine kurzfristige Notmaßnahme sein kann. (Bundesrätin Schumann: Er wird im Nachhinein ausgezahlt, das ist der Fehler!) Die Energiewende ist und bleibt alternativlos. (Bundesrat Spanring: Die Impfung war auch alternativlos, ...!) Es ist alternativlos, dass wir den Umstieg auf erneuerbare Energieträger forcieren müssen, um uns mög­lichst schnell aus der fatalen Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien, in die wir uns in den letzten Jahrzehnten begeben haben.

Die Weichen dafür haben wir in Österreich zum Glück gestellt. Ich erinnere beispielsweise an den Transformationsfonds. Mit dem Transformations­fonds werden in den kommenden Jahren 5,7 Milliarden Euro investiert, um die Produktionsstandorte der österreichischen Industrie klimaneutral zu ma­chen. Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen müssen, um den Wirtschafts­standort und unsere Arbeitsplätze krisensicher und zukunftsfit zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort. – Bitte.


20.54.17

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Unternehmens-Energiekostenzuschuss oder nur EKZ. Wir NEOS haben schon wiederholt darauf hingewiesen, dass dieses Instrument nicht treffsicher ist. Das wurde auch schon vor Monaten von Experten fest­gehalten. Einem Teil der Unternehmen hätte man lieber im internatio­nalen Wettbewerb helfen sollen, einem anderen Teil der Unternehmen hätte eine nachhaltige Senkung der Lohnnebenkosten geholfen. Stattdessen hilft man lieber allen ein bisschen, aber keinem wirklich.


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Der EKZ zwei ist noch weniger treffsicher und wurde auch vor drei Wochen – sind es jetzt, glaube ich – vom Fiskalrat kritisiert. Jetzt kommen wir hier zu Änderungen, es werden Pauschalhilfen vergeben. Das ist ein Paradebeispiel einer nicht zielgerichteten Gießkannenförderung. Aufgrund des Wild­wuchses an Förderinstrumenten ist es jetzt sogar schon so weit gekommen, dass der Bundesregierung die Förderstellen ausgegangen sind und die For­schungsförderungsgesellschaft zur Allerleiförderstelle gemacht werden muss. Vollkommen absurd ist, dass jetzt auch noch das Bundesministerium für Finanzen – eigentlich zuständig für so etwas – die Daten an die Forschungsför­derungsgesellschaft rüberschicken muss.

Die Novellierung dieses Gesetzes wäre eine Gelegenheit gewesen, Hilfen endlich zielgerichtet zu machen. Was stattdessen passiert, ist aber, dass wieder eine kleine Änderung der Gießkannenförderung vorgenommen wird. Des­wegen lehnen wir das ab. – Danke sehr.

20.56


20.56.05

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die De­batte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Diese erfolgt bei den gegenständlichen Tages­ordnungspunkten getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, kei­nen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 384

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Infrastrukturoffensive für Österreich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschafts­treuhandberufsgesetz 2017 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.57.5327. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (3158/A und 1994 d.B. sowie 11200/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um den Bericht.


20.58.14

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 30. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslän­derbeschäftigungsgesetz geändert wird. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 385

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bun­desrat.


20.59.05

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Intention dieses Gesetzes ist super: Es geht darum, Hürden im Arbeitsmarktzugang für aus der Ukraine Vertriebene zu beseitigen. Da kann ich mit. Das ist eine Intention, die ich verfolgen kann. (Bundesrat Schreuder: Na dann!) Nur: Machen wir das mit diesem Gesetz tatsächlich? – Die Antwort ist leider: Nein.

Warum sage ich das? – Die Beschäftigungsbewilligungspflicht wird für aus der Ukraine Vertriebene beseitigt. Die Beschäftigungsbewilligung wurde in der Vergangenheit aber ohnehin ohne Arbeitsmarktprüfung an aus der Ukraine Vertriebene vergeben. Ganz ohne Prüfung wurde diese unbürokratisch sofort bei Antragstellung erteilt.

Es gibt nur eine Sache, die vom AMS gemacht wurde: Es wurde gemonitort, also man hat die Daten behalten und die Kontrolle behalten und man hat vorab die Lohn- und Arbeitsbedingungen dieser Menschen geprüft. Man hat sich also angeschaut, ob die Arbeitsbedingungen der Ukrainerinnen und Ukrainer dort vor Ort passen. Das geben wir auf. Wir beseitigen damit also nicht eine bü­rokratische Hürde, wie das dargestellt wird, wir beseitigen ein bisschen


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etwas von einem Schutzniveau, nämlich die Sicherheit für die Menschen, dass die Arbeit, in die sie sich begeben, auch tatsächlich in Ordnung ist. Das ist eine Sache, die finde ich nicht gut. Da kann man noch so oft sagen, man beseitigt damit Hürden – das tut man nicht, man beseitigt Schutzmechanismen.

Das Zweite, und das ist ein bisschen ein Stückwerk, ist die Frage der Stammmit­arbeiter. Worum geht es da konkret? – Wenn sie zwei Jahre hintereinan­der Stammsaisonniers waren, war bislang vorgesehen, dass sie Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 haben, das ist ein bisschen mehr als rudimentäre Sprachkenntnisse, und dann bekommen sie die Rot-Weiß-Rot-Karte, also einen unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Ein paar an­dere Kriterien gibt es auch noch, aber das ist der Knackpunkt.

Der Punkt ist nur: Jetzt wollen wir von A2 auf A1 runter. Mit mir kann man ja über vieles diskutieren, aber der Punkt ist, es geht wieder um dieselben Branchen wie immer, wenn es bei der ÖVP um etwas geht: Es geht um den Tourismus und es geht um Land- und Forstwirtschaft, um diese beiden Branchen geht es – Branchen, die bekanntlich natürlich auch oftmals Schindluder treiben, muss man leider sagen. (Widerspruch bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bun­desrätin Platzer.) – Ja, ist das so? Ich kann Ihnen das sogar statistisch be­legen: 4 Prozent aller Arbeiterkammermitglieder sind in der Gastro, in der Hotel­lerie beschäftigt; 10 Prozent aller Beratungsfälle kommen aus dem Feld. (Bundesrätin Schumann: Ja genau!) Das zeigt, dass da etwas im Argen und im Schiefen liegt. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundes­rätin Platzer.)

Dass Sie dann von A2 auf A1 runtergehen, führt als Ergebnis nur zu einem: nämlich dass noch mehr Arbeitnehmer:innen in dem Fall aus dem Ausland dazu­kommen können. Sie schaffen sich eine industrielle Reservearmee; das ma­chen Sie, anstatt die Arbeitsbedingungen dort tatsächlich zu verbessern, und das ist auch eine Sache, die ich nicht unterstützen kann.


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Das Dritte – das ist vielleicht ein bisschen ein weniger starker Fauxpas, aber es ist trotzdem nicht schlüssig –: Für den Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte gibt es ein Punktesystem, man hat für Sprachkenntnisse Punkte bekommen, Deutsch und Englisch waren es bisher; jetzt führt man drei Sprachen dazu ein, nämlich BKS – also Bosnisch, Kroatisch, Serbisch –, Spanisch und Französisch nimmt man rein. Die Frau Staatssekretärin hat bereits in der Nationalratsdebatte erklärt, warum Spanisch dazugekommen ist, und das erschließt sich mir total, der Argumentation kann ich folgen: Spanisch ist eine große Weltsprache, absolut nachvollziehbar. BKS kann ich vielleicht ein bisschen nachvollziehen, da weiß ich ungefähr, wo der Gedanke her­kommt. Bei Französisch fällt es mir schon wesentlich schwerer. Warum nicht Italienisch? Das könnte im Tourismus in Österreich genauso praktisch sein. Man hat diese drei Sprachen genommen.

Ich habe die Fachmitarbeiter des Ministeriums gefragt, ob es ein verallge­meinerungswürdigeres Prinzip dafür gibt, dass diese drei Sprachen ausgewählt wurden. Man hat mir gesagt: Nein, es gab schon Erwägungen, aber so ein Prinzip gab es nicht. – Man hat die drei Sprachen anscheinend gewürfelt, und das ist ein bisschen zu wenig. Ein bisschen eine wissenschaftliche Fundie­rung für Gesetzesvorhaben wäre schon eine gute Sache. – Frau Staatssekretärin, Sie sind ja in die Redner:innenliste eingemeldet: Im Nationalrat haben Sie es nicht begründet, vielleicht begründen Sie es hier: Warum Französisch, warum nicht Italienisch? Ich wäre persönlich sehr auf Ihre Antwort gespannt.

Dieses Gesetz – und damit bin ich schon beim Abschluss – ist nämlich eine Sache: Es sind vier Absätze, dabei sind drei Böcke geschossen worden, zwei davon sehr grob. Das ist ein Riesenpfusch, für den ich null Verständnis habe. (Beifall bei der SPÖ.)

21.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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21.03.21

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Lie­be Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher, sofern Sie zu dieser vorgeschrittenen Stunde überhaupt noch dabei sind! (Ruf bei der FPÖ: Zumindest nicht im ORF!) Innerhalb der Sozialdemokratie gibt es offensichtlich nicht nur ein Führungsproblem, sondern auch ein gewisses Wer­teproblem (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), denn wenn es ein Teil der Abgeordneten der SPÖ nicht einmal schafft, Präsident Selenskyj bei seiner Rede im Parlament den notwendigen Respekt entgegenzubringen, dann wundert mich eigentlich auch die Haltung zu diesem Tagesordnungspunkt nicht sonderlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Bei den Freiheitlichen ist es ganz anders. Da wundert mich schon länger nichts mehr. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – He-Rufe bei der FPÖ. – Bundesrat Bernard: Das trifft mich jetzt schon!)

Mit dem heutigen Beschluss bekommen Ukrainerinnen und Ukrainer einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Anastasia findet das sehr gut. Sie musste vor über einem Jahr aus der Ukraine fliehen. Sie lebt seither in Vorarlberg. Sie hat sich mittlerweile sehr gut hier eingelebt, und seit ihre Kinder auch im Kindergarten und in der Volksschule untergebracht sind, möchte sie nun einen fixen Arbeitsplatz haben. Als eine von zahlreichen Ukrainerinnen und Ukrainern ist Anastasia beim österreichischen Arbeitsmarktservice ge­meldet beziehungsweise vorgemerkt, und für sie wollen wir nun den Zugang er­leichtern, indem die Beschäftigungsbewilligung wegfällt. Da freut sich dann auch Ingrid. Ingrid leitet nämlich einen Hotelbetrieb, und sie sucht händeringend Personal. Die Situation dort ist sogar so gravierend, dass sie ihren Betrieb aufgrund des Personalmangels kaum aufrechterhalten kann.

Anastasia und Ingrid freuen sich also, Obrecht von der SPÖ freut sich nicht, wie wir gehört haben. (Heiterkeit des Bundesrates Buchmann. – Bundesrat Rei-


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singer: Dominik auch nicht! – Bundesrätin Schumann: Korinna auch nicht!) – Korin­na freut sich auch nicht. Ihr kritisiert, dass mit dem Wegfall der Beschäfti­gungsbewilligung dem Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor geöffnet werden. (Bundesrätin Schumann: So ist sie, die Korinna! Der ÖGB auch nicht!) Der Ex­perte im Ausschuss hat aber, wie ich finde, dieses Argument ganz gut entkräftet, denn was nicht wegfällt, ist eine Kontrolle im Rahmen des Lohn- und So­zialdumpinggesetzes. Das ist nach wie vor möglich, das fällt nicht weg, und wenn eine Unterbezahlung festgestellt wird und vorliegt, dann gibt es nach wie vor entsprechende Konsequenzen für die Unternehmen.

Bezüglich des Arguments der drei zusätzlich hinzugefügten Sprachen: Kollege Obrecht hat gesagt, die sind willkürlich ausgewählt. (Bundesrat Obrecht: Das wurde mir im Ausschuss gesagt!) – Na ja, Sie haben das auch so unterstellt, wie ich das Ihren Aussagen im Ausschuss entnommen habe. Auch da ha­be ich das anders wahrgenommen. Die Antwort des Experten war nämlich eben, dass das auch die Zielländer sind, aus denen wir Arbeitskräfte anwerben wollen und bei denen wir auch aktuell Möglichkeiten vorfinden; in China mit der Sprache Mandarin ist das aktuell einfach nicht der Fall. Außerdem ist es auch so, dass die Sprachen Spanisch, Bosnisch oder Kroatisch an sich für den Erwerb der Rot-Weiß-Rot-Karte ohnehin nicht ausreichen. Qualifikation und Berufserfahrung sind nach wie vor das A und O und essenziell.

Ich bin daher jedenfalls der Meinung, die Novellierung der Rot-Weiß-Rot-Karte ist eine Win-win-Situation. Wir geben Menschen eine Perspektive am Arbeitsmarkt und erhalten im Gegenzug auch wertvolle Arbeitskräfte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.07


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte schön.



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 390

21.07.09

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Mit dem vorliegenden Beschluss wird das Ausländerbeschäfti­gungsgesetz novelliert, und es werden Änderungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte vorgenommen.

Wir reden jetzt über eine Änderung für eine besondere Zielgruppe, in diesem Fall für die Ukrainer. Gerade jetzt, da wir in Österreich tatsächlich Beschäf­tigung brauchen, klingt das im ersten Moment sehr gut, und wie so oft muss man immer auf die Details schauen, gerade wenn es von der ÖVP kommt. (Bundesrat Buchmann: Ja klar!)

Da gibt es sehr viele offene Fragen, die man miteinander diskutieren könnte, Kollege Obrecht hat einige bereits aufgezählt: Man schafft die Rege­lung für Bewilligungspflicht für die Vertriebenen aus der Ukraine ab. Was Sie auch abschaffen, ist die sogenannte Vorabprüfung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Somit wird nicht mehr überprüft, ob es möglicherweise zu Lohn- oder Sozialdumping kommen könnte. Das ist aber wahrscheinlich zu befürchten.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat sich die Regierung noch beklagt, dass es möglicherweise Missbrauch gegeben hat. Sie öffnen jetzt mit der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz zuerst einmal für die Ukrainer den Arbeits­markt ohne Kontrolle. Welches Land ist das nächste? Das ist die Frage. Aus welchem kriegführenden Land der Welt kommen die Menschen dann auch in den Genuss dieses Vertriebenenstatus, sodass der Arbeitsmarkt nicht mehr geschützt ist?

Jetzt kriegt jeder mit Vertriebenenausweis sofort und ohne irgendwelche Prüfung Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, damit ist wieder Tür und Tor für Missbrauch geöffnet. (Beifall bei der FPÖ.) Wollen Sie die Billigst­arbeitskräfte für irgendwelche Leiharbeitsfirmen, die plötzlich gegründet wer­den, oder sonstige Scheinfirmen? – Ich hoffe nicht.


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Was ist noch in dieser Novelle drinnen? – Es ist schon erwähnt worden: eine Aufweichung der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte. Ich glaube, es gibt in Österreich niemanden, der nicht sagt: Ohne Deutsch keine Integration! – Sie senken aber das Deutschniveau jetzt ab, und dafür kommen andere Spra­chen dazu, bereits erwähnt vom Kollegen: Spanisch, Französisch, Bos­nisch, Kroatisch und Serbisch. Auch da die Frage: Warum? – Keine Antwort.

Für Stammmitarbeiter in Tourismus und Landwirtschaft: Sprachkenntnis auf Ni­veau A1. Gerade im Tourismus wird es immer mehr Arbeitskräfte geben, die gar nicht mehr deutsch sprechen können. Da stellt sich die Frage: Welche Touristen kommen? – Der Großteil kommt aus Deutschland oder aus Hol­land, aus der Schweiz, aus Tschechien. Wie wird in Zukunft mit diesen gespro­chen? Auf Serbisch? – Die verstehen Deutsch, also in diesem Sinne wäre es gut, wenn die Mitarbeiter es könnten.

Ja, geschätzte Damen und Herren, diese Regelung ist noch nicht - - (Bundesrat Schennach: Italiener!) – Ja, Italiener, die können eh gut Deutsch; das würde eh passen, aber richtig. – Die Regelung ist auch aus unserer Sicht nicht ausge­reift und man sieht, dass der Schutz vor Ausbeutung am Arbeitsplatz nicht besser, sondern wieder einmal schlechter wird. Wenn Sie weiterhin aus der ganzen Welt Menschen ohne Deutschkenntnisse zu uns holen, lösen Sie die Probleme nicht, sondern sie werden mehr. Das ist der falsche Weg und wird weder dem Arbeitsmarkt noch der Wirtschaft in Österreich helfen, daher sind wir gegen die Änderung. (Beifall bei der FPÖ.)

21.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte schön.


21.10.39

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende via Livestream! Vorweg noch einmal: Gut ausgebildete Fachkräfte sind ein zen­traler Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Es ist leider wirklich bittere


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Realität, der akute Fachkräftemangel, der eigentlich schon längst ein Arbeitskräf­temangel ist, ist die größte Hürde für die Geschäftstätigkeit und Innova­tionsfähigkeit unserer Betriebe. Und eines ist uns mittlerweile hoffentlich auch klar: Nur mit den Menschen, die in Österreich leben, werden wir die Lücken kaum füllen können. Wir werden um qualifizierten Zuzug nicht herum­kommen, wir werden ihn brauchen. Ich komme selber aus einem Indus­triebetrieb, und es ist Realität, auch in der Industrie, nicht nur im Tourismus, dass man teilweise Aufträge ablehnen muss, weil es einfach zu wenig Arbeits­kräfte gibt. Insofern halte ich diese gegenständliche Novellierung des Ausländer­beschäftigungsgesetzes für richtig und wichtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich glaube, es ist auch sehr wesentlich, gerade den kriegsvertriebenen Menschen aus der Ukraine – im Gegensatz zu dem, was Herr Pröller angesprochen hat, sind das eigentlich hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern, das heißt, es wäre richtigerweise von Ukrainerinnen zu reden (Bundesrat Spanring: ... Frauen mit Kindern!) – künftig einen direkten und unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt zu geben. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Damit geben wir diesen Menschen eine Perspektive und eine Chance am Arbeits­markt. Das ist zwingend erforderlich, denn, so ehrlich müssen wir auch sein, der Krieg wird noch länger anhalten und es braucht eine langfristige Perspek­tive, um in Österreich wirtschaftlich Fuß fassen zu können. (Bundesrat Spanring: Bravo! – Zwischenruf des Bundesrates Bernard.)

Auch die Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte durch die vorliegende Novelle halte ich für begrüßenswert. (Bundesrat Spanring: Grüne Kriegs­treiber!) Künftig sollen ja, wie schon angesprochen, im Punktesystem Kenntnisse in den Fremdsprachen Französisch, Spanisch, Bosnisch, Serbisch und Kroatisch berücksichtigt werden. Auch da kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung nur sagen: Wir haben bei uns im Betrieb einige Schweißer, die aus Bosnien kommen, und das sind die besten Schweißer, die ich kenne; insofern kann ich diese Regelung nachvollziehen. Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird damit aufgewertet, es wird dadurch für Unternehmen einfacher,


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ausländische Schlüsselarbeitskräfte oder Fachkräfte aus Mangelberu­fen als Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Auch die Verbesserungen für Stamm­saisoniers finde ich sehr nachvollziehbar.

Die Voraussetzungen betreffend Sprachkenntnisse werden, wie schon ange­sprochen, durch diese Novelle gesenkt, das ist richtig. Das ist eine Erleichterung, und zwar nicht nur für die Betriebe, sondern auch für die ausländischen Ar­beitnehmer:innen, denn die schnelle Integration in den Arbeitsmarkt ist aus mei­ner Sicht ein Schlüsselfaktor. Eine Arbeit zu finden ist der erste große Schritt für eine langfristige Integration. Eine Arbeitsstelle kann für ausländische Arbeitskräfte mehr sein als nur die Möglichkeit, Geld zu verdienen: Der Job kann eine Drehscheibe sein für Informationen, er kann den Spracherwerb för­dern oder er kann eine Möglichkeit sein, soziale Kontakte zu knüpfen. Ein Job kann befähigend und eine Bestätigung sein. Ich bitte daher wirklich um Zu­stimmung zu dieser Novelle. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.14


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


21.14.26

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dieser Gesetzesnovelle im Nationalrat zugestimmt, wir stimmen auch hier zu.

Das Grundproblem der Rot-Weiß-Rot-Karte wird dadurch aber noch nicht gelöst, das zeigen die aktuellen Zahlen: 2022 gab es im Schnitt circa 8 150 Rot-Weiß-Rot-Karten-Inhaberinnen und -Inhaber, das ist zwar etwas mehr als vor der Krise – 2019 waren es ein bisschen mehr als 5 500 –, was aber keine Folge der Rot-Weiß-Rot-Karten-Reform ist, die erst seit letzten Herbst wirkt, sondern ein genereller Effekt, möglicherweise wegen des Arbeitskräfte­mangels. Bei über 200 000 offenen Stellen zeigt sich, dass die Rot-Weiß-


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Rot-Karte mit ein bisschen über 8 000 Inhaberinnen und Inhabern im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Im Vergleich ist Österreich das Land in der EU mit dem höchsten Stand an offenen Stellen, die noch nicht besetzt werden konnten. Die soge­nannte Vakanzenrate liegt bei fast 5 Prozent, das ist viel höher als im Schnitt der vergangenen Jahre und auch deutlich höher als im EU-Vergleich.

Wie kommt es dazu? Was sagt die OECD? – Was Fachkräfte betrifft, stellt die OECD fest, dass hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es in Österreich schwerer haben, entsprechend ihrer Qualifikation beschäftigt zu werden; dazu kommt ein großer Steuer- und Abgabenkeil, eine hohe Ableh­nungsquote für Visa und lange Visa-Zulassungsverfahren.

Auch bei der Integration und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Österreich international nicht im Spitzenfeld anzutreffen. Das verschärft den Arbeitskräftemangel noch zusätzlich.

Was aber tun? – Manche von den etablierten Parteien verschlimmern die Lage zusätzlich, denn in Österreich herrscht ein politisches Klima, das Auslän­derinnen und Ausländer praktisch nur als Problem definiert. Das Schüren des Hasses gegen Weltoffenes, gegen Fremdes, antieuropäische Aus­sagen führender Politiker – das alles trifft auch unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand. Getrieben wird das von der FPÖ, aber die ÖVP lässt es nicht nur zu, sie legt noch drauf und ahmt nach.

Wir NEOS sagen: Schluss mit Chaos und Hetze, her mit einem Plan! Wir brauchen eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten. Um die besten Köpfe nach Österreich zu bringen braucht es ein Einwanderungsgesetz, ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild und weniger bürokratische Hürden.

Im Detail fünf Forderungen:

Punkt eins: ein modernes Einwanderungsgesetz nach dem Prinzip: Es muss zäh­len, was du kannst. Wir müssen im globalen Wettbewerb um Talente für


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unseren Arbeitsmarkt besser werden. Dafür muss der Zuzug besser geordnet und geregelt sein. Erfolgreiche Einwanderungsländer wie Kanada ma­chen vor, wie das mit einem Punktesystem geht. Dort wird entschieden, wer zur Arbeitsplatzsuche einwandern darf. Wichtig dabei ist, was jemand kann, nicht so spezifisch, welchen Beruf man gerade ausübt. Punkte gibt es zum Bei­spiel für Sprachkenntnisse und Arbeitserfahrung. Seit vielen Jahren wer­ben wir NEOS dafür, so ein System auch in Österreich einzuführen; erst vor zwei Wochen hat Deutschland zum Beispiel so ein System auf den Weg gebracht.

Punkt zwei: Sprachkenntnisse fördern und fordern, vor allem den Ausbau von berufsspezifischen Deutsch-, aber auch Englischkenntnissen; insbeson­dere, wenn es um Familiennachzug geht, muss das Beratungs- und Betreuungs­gesetz ausgebaut werden.

Punkt drei: Lohnnebenkostensenkung. Das ist nicht nur eine gezielte Entlastung der Unternehmen, sondern parallel mit der Senkung der Arbeitskosten an sich soll auch eine Erhöhung der Nettobezüge der Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer erfolgen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wie Sepp Schellhorn öfter sagt – sollen mehr bekommen und weniger kosten.

Punkt vier: Den Familien muss ein attraktives Angebot gemacht werden, das be­deutet eine flächendeckende Kinderbetreuung. Es braucht einen gesetzli­chen Anspruch für eine flächendeckende Kinderbetreuung ab dem ersten Ge­burtstag.

Und Punkt fünf: Eine Beschleunigung des Bürokratieabbaus. Jede und jeder, die oder der in Österreich einen Beitrag leisten will, muss das auch machen kön­nen, die Bürokratie darf dabei nicht im Weg stehen. Leider sieht die Reali­tät momentan anders aus. Die Unternehmerinnen und Unternehmer, die unter der Last der Bürokratie leiden, können sich nicht auf ihre Arbeit und ihre Kunden konzentrieren. Damit muss jetzt Schluss sein. – Vielen Dank.

21.19



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 396

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Kraus-Winkler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


21.19.14

Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren Bundes­räte! Es ist mir ein Anliegen, zu diesem Thema auch noch einmal aus meiner Perspektive Stellung zu nehmen.

Mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte im vergangenen Jahr hat die Bun­desregierung den Zuzug von dringend benötigten internationalen Fachkräften nicht nur ermöglicht, sondern auch erleichtert. Aber es ist die Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, immer gezielt neue Impulse zu setzen und bestmöglich auf alle dynamischen internationalen Entwicklungen auch zu reagieren. In einer Zeit wie der derzeitigen, in der quasi ganz Europa Arbeitskräfte sucht, ist dieses permanente Reagieren auf die internationalen Entwicklungen auch aus meiner Sicht eine ganz wichtige Aufgabe. Die gegenständliche Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zeigt sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass wir wertvolle Verbesserungen schaffen – und ja, das auch aus der Perspek­tive des Tourismus.

Ich habe sehr genau zugehört, was bis jetzt gesagt wurde, und möchte jetzt auf einige dieser Anmerkungen auch persönlich eingehen.

Was die Ukrainer und Ukrainerinnen betrifft: Der Entfall der arbeitsmarktpoliti­schen Bewilligungspflicht ist nicht nur eine deutliche Erleichterung für die Ukrainer:innen, sondern es hilft auch, die Integration vor allem von jenen Ukrainer:innen, die bei uns bleiben wollen, zu vereinfachen und zu verbessern, auch in deren Sinne. Wir wissen zum Beispiel, dass relativ viele im Tourismus eingestiegen sind – die Tourismusbranche ist eine Einstiegs- und Umstiegsbranche –, aber jetzt sind sehr viele mittlerweile so weit, dass sie die Anerkennung ihrer Ausbildungen in den Bereichen, für die sie ursprüng­lich zu uns gekommen sind, bekommen. Sie wollen jetzt Schritt für Schritt in ihre


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ursprünglich erlernten Berufe hineinwechseln. Damit ist der Entfall der Be­willigungspflicht aus meiner Sicht noch einmal etwas, das dazu führt, dass sie das viel leichter erreichen können.

Bei den Sprachkenntnissen – wir haben es vorhin gehört – geht es einerseits um das Punkteschema bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Zukünftig gibt es Zusatz­punkte für Spanisch, Französisch, Bosnisch, Kroatisch und Serbisch, und bei den Stammmitarbeitern reichen die Sprachkenntnisse von A1.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wann man ein Stammmitarbeiter ist. Ein Stammmitarbeiter wird man, wenn man zunächst Saisonnier – derzeit drei Jahre – und dann Stammsaisonnier – zwei Jahre – war, dann hat man im sechsten Jahr das Recht, Stammmitarbeiter zu werden. Das dauert also schon einmal sechs Jahre, bis man überhaupt in diese Szene kommt. (Bun­desrat Spanring: Aber wenn er nach sechs Jahren noch nicht Deutsch kann, dann läuft etwas falsch, Frau Minister!) – Da kann er wahrscheinlich schon Deutsch, aber ich möchte auf etwas anderes hinweisen, nämlich: dass gerade das Sprachniveau nicht die einzige Voraussetzung sein kann.

Ich möchte aber zuerst auf die Fragen, was die Sprachen betrifft, eingehen. Bei Bosnisch, Kroatisch und Serbisch wollen wir einfach noch viel stärker je­nen aus dem Westbalkan – von wo aus wir den historisch gewachsenen Fach­kräftezuzug haben – entgegenkommen. Der Westbalkan ist traditionell immer auf Europa fokussiert gewesen, und wir wissen, dass dort auch noch immer großes Interesse vorhanden ist, bei uns zu arbeiten. Das heißt: Diese Regelung ist ein Zeichen in diese Richtung.

Betreffend Spanisch und Französisch: Da wollen wir, wie schon angesprochen, neue Zielländer ansprechen. Wie heute schon gesagt: Spanisch ist die zweitmeiste Muttersprache und die viertmeistgesprochene Sprache auf der Welt. Wir wollen damit auch Zeichen setzen. Französisch ist erstens die Fachsprache in der Küche. Sehr viele Köche haben diese Fachsprache gelernt. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Ja, ja!) Zweitens möchte


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 398

ich darauf hinweisen, dass es in Frankreich – Frankreich ist eines der stärksten Tourismusländer in Europa, weltweit sogar – sehr, sehr viele ausge­bildete Fachkräfte gibt, die sich wie alle Fachkräfte im Tourismus mit einer großen Leidenschaft weltweit immer wieder zwischendurch auch inter­essante Jobs in ihrem Fachbereich suchen.

Das ist etwas, das ich noch einmal hervorkehren wollte, was ich auch schon im Nationalrat gesagt habe: Es gibt weltweit Tourismusschulen, und all diesen Schülern sagen wir: Nachher steht euch die Welt offen! (Bundesrat Schreuder: Ich war Brüssel-Schüler, ich habe Französisch gelernt! – Heiterkeit bei Grünen und ÖVP.) – Die Welt steht ihnen offen – aber wie sollen wir erklären, dass ihnen die ganze Welt mit Ausnahme Österreichs offensteht?

Mir ist es ganz wichtig, dass man versteht, dass wir im Tourismus – ich kann Ihnen versichern, dass wir trotzdem alles daransetzen werden, so viele Deutschkurse wie möglich anzubieten – einfach eine internationale Sprache haben sollen, in der sich all diese vielen unterschiedlichen Menschen unterhalten, und das ist eigentlich sehr, sehr oft und weltweit auch so üblich Englisch. Die gemischten Teams in den Hotels weltweit unterhalten sich fast alle auf Englisch. Die sind das auch gewohnt, wenn sie von internationalen Standorten, wo sie im Tourismus gearbeitet haben, nach Österreich kommen.

Die meisten von diesen jungen Menschen kommen vielleicht für zwei, drei Jahre nach Österreich, weil sie auch dieses Land und seine Tourismusangebote kennenlernen wollen, und ziehen dann auch wieder weiter in andere Länder, um die Welt kennenzulernen. Es macht daher keinen Sinn, einen zum Beispiel französischen Koch dazu zu zwingen, eine Sprachprüfung auf Niveau A2 abzule­gen, damit er bei uns einmal den Kochlöffel drehen kann. – So viel zu dem Thema. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schennach und Schumann.)

Insgesamt wollen wir mit dieser Gesetzesnovellierung weitere positive Erleich­terungen ermöglichen, aber vor allem auch ein wertvolles Signal an interna­tionale Fachkräfte senden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.26


21.26.01


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 399

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

21.26.3428. Punkt

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend
EU Vorhaben 2023 (III813-BR/2023 d.B. sowie 11215/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um den Bericht.


21.26.49

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend EU-Vorhaben 2023.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend
EU-Vorhaben 2023 zur Kenntnis zu nehmen.



BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 400

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Ich bitte um Ihre Ausführungen.


21.27.42

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Lassen Sie mich noch auf die letzte Debatte Bezug nehmen: Es ist schon so, dass, wenn Arbeitskräfte zu uns kommen, nicht nur Arbeitskräfte kommen. Es kommen Menschen und es ist nicht nur so, dass sie in der Küche den Kochlöffel rühren. Da kommt ein Mensch mit seinem Leben, mit seinen Wünschen, mit seinen Vorstellungen, der vielleicht auch blei­ben wird. Da geht es also auf keinen Fall um die reine Arbeitskraft. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Er kann aber trotzdem den Kochlöffel rühren, oder?)

Jetzt zum vorliegenden Bericht: Wir hätten dem vorliegenden Bericht ohne Zweifel zustimmen können, das ist gar keine Frage. Die Punkte, die die wirtschaftlichen Belange betreffen, sind sehr ausführlich dargestellt. Jene Punkte, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, sind ein bisserl dünn, aber das wissen wir ja, das kommt ja aus diesem Ministerium, in dem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht so wirklich an erster Stelle stehen.

Was einen in diesem Bericht aber wirklich betroffen und stutzig macht, ist, dass da drinnen steht, dass der Minister nicht bereit ist, das IAO-Abkommen Nr. 190 zu ratifizieren. Worum geht es denn bei diesem Abkommen? – Das ist jenes Abkommen, das sich darum dreht, dass man die Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz vorantreibt. Dieses IAO-Abkommen ist eines der wichtigsten Abkommen, um den Menschen, die im Arbeitsleben ganz stark unter jeder Form der Gewalt leiden – sei es psychische, sei es physi­sche Gewalt, sei es Mobbing oder sei es sexuelle Belästigung –, zu zeigen:


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 401

Wir wollen das als Land nicht, dass das in unseren Arbeitsstätten vorkommt, wir wollen dem Einhalt gebieten! Schon sehr viele Länder haben diese Verein­barung ratifiziert, nur Österreich nicht.

Der Herr Minister sagt: Nein, ich lege das dem Parlament vor, wir werden es nicht ratifizieren, das ist zu kompliziert. – Das kann man nur ablehnen, denn es ist ganz, ganz wesentlich, dass diese Vereinbarung ratifiziert wird!

Ich kann gar nicht sagen, wie viele Problemstellungen wir in Bezug auf Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern haben, die unter verschiedenster Form von Gewalt leiden, unter Gewalt von Kolleginnen und Kollegen, von Vorgesetzten, von Kundinnen und Kunden. Es ist ganz, ganz schlimm. Wir hatten in der Ge­werkschaft jetzt erst eine große Tagung über Gewalt am Arbeitsplatz, in der ganz deutlich dargestellt wurde, wie sehr die Beschäftigten darunter leiden, denn die Zahlen hinsichtlich Gewalt am Arbeitsplatz sind gewaltig angestiegen. Die Coronazeit war da ein Brennglas für mehr Gewalt. Ich kann Ihnen sagen, in der Pflege werden die Beschäftigten angespuckt, beschimpft; in den Kun­dendiensten passieren Dinge, die unerträglich sind und ein Arbeitsleben wirklich zur Hölle machen. Das wollen wir nicht.

Die sexuelle Belästigung ist ein ganz schwieriges Thema: In einer Umfrage der Arbeiterkammer, die wirklich repräsentativ war, hat sich herausgestellt, dass jede zweite Frau, jede zweite Arbeitnehmerin (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP) – das ist nicht lustig, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, das ist nicht lustig (Bundesrat Tiefnig: Nein, nein!) –, jede zweite Frau in der Arbeitswelt bereits von sexueller Belästigung betroffen ist und dass 14 Prozent aller Arbeitneh­merinnen wirklich tätlich sexuell belästigt worden sind. Das ist unerträglich. Das wollen wir doch alle nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Da muss man an verschiedensten Schrauben drehen: Es braucht Prävention; es braucht das Bekenntnis der Betriebe, dass das in ihren Betrieben nicht statt­finden soll; es braucht da die Teilnahme der Arbeitsinspektion. Dieses Übereinkommen, das Deutschland demnächst ratifizieren wird, muss auch in


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Österreich unterzeichnet werden. Das haben zuerst wir als Arbeitneh­mer:innenvertretung gefordert und jetzt fordern es alle Präsidenten der Sozial­partnervereinigungen. Der Brief ist an den Minister ergangen.

Ganz ehrlich: Es ist längst an der Zeit, das zu ratifizieren und in diesen Bericht hi­neinzuschreiben: Wir wollen das auf keinen Fall! – Wenn alle Präsidenten der Sozialpartner sagen: Bitte, setzt das um, weil wir keine Gewalt am Arbeitsplatz wollen!, dann müsste man vielleicht seine Haltung überdenken. Wir werden der Kenntnisnahme dieses Berichts nicht zustimmen, weil wir fordern, dass das IAO-Abkommen 190 ratifiziert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin.


21.32.31

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Comeback: Wenn wir an diesen Begriff denken, dann denken die einen wohl zuallererst an Spitzensportler:innen, an Musiker:innen, die nach einer langen Schaffenspause, vielleicht nach einer Verletzungspause wieder zurück ins Scheinwerferlicht und auf die Sieger­straße treten. Vielleicht denkt der eine oder andere von Ihnen an die Rückkehr des Parlaments hier ins neu sanierte Haus. Für mich persönlich ist es je­denfalls ein Comeback, heute wieder hier stehen zu dürfen, und, so möchte ich sagen, ein ganz besonderer Neubeginn, nach eineinhalb Jahren im Nieder­österreichischen Landtag wieder hier im Bundesrat mitwirken zu können. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wenn es in Zukunft nach herausfordernden Jahren einmal um die Frage des Comebacks der österreichischen Wirtschaft und des europäischen Wirt­schaftsstandortes geht, wenn es darum geht, wie die Unternehmerinnen und


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Unternehmer die Zeiten multipler Krisen gemeistert haben, so haben wir es jetzt, gerade inmitten dieser herausfordernden Zeiten in der Hand, mitzube­stimmen, wie dieses Comeback aussehen wird, wie sich dieser Neubeginn gestalten kann.

Der EU-Vorhabensbericht für das Jahr 2023 gibt da gerade im Bereich der Wirtschaft einige Antworten. Er soll für eine nachhaltige wirtschaftli­che Erholung sorgen und er kann aus meiner Sicht in gewisser Weise und in vielen Fragen auch ein Navigationsgerät in die Zukunft sein. Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht, dass es gelungen ist, in den Wirtschaftskapiteln, in sehr vielen Bereichen die österreichische Perspektive sehr stark einzu­bringen, und dass viele EU-Vorhaben klar eine rot-weiß-rote Handschrift tragen. Dafür möchte ich ein großes Dankeschön sagen: an Gremien, wie den
EU-Ausschuss des Bundesrates, die ganz aktiv daran mitarbeiten, aber natürlich auch an das Ministerium und an Sie, Frau Staatssekretärin.

Klar ist auch, dass viele der aufgelisteten EU-Vorhaben die österreichische Wirtschaft, die heimischen Unternehmen ganz direkt betreffen werden. Lassen Sie mich das anhand dreier Beispiele exemplarisch illustrieren: Zum einen steht das heurige Jahr im Zeichen von 30 Jahre EU-Binnenmarkt. 27 Jahre da­von, nämlich seit dem EU-Beitritt 1995, ist Österreich Teil dieses Binnen­markts. Eines ist, glaube ich, ganz klar, nämlich dass Österreich einer der Haupt­profiteure, der größten Profiteure des Binnenmarkts ist. Österreich ist zwar Nettozahler, aber die Vorteile überwiegen gerade im Bereich des Binnen­markts die Kosten bei Weitem.

Wenn ich auf das vergangene Jahr schaue, dann erkenne ich, dass gerade jenes das erfolgreichste Exportjahr im vergangenen Jahrzehnt in meinem Heimat­bundesland in Niederösterreich war. Mehr als 10 000 engagierte Unternehme­rinnen und Unternehmer, exportorientierte Unternehmen haben einen Warenexport in der Höhe von 24,7 Milliarden Euro erzielt. Den niederöster­reichischen Exportpreis hat ein Unternehmen aus meinem Heimatbezirk gewonnen, nämlich Traktionssysteme Austria, die weltweit führender Hersteller


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für den elektromechanischen Antrieb für Schienen- und Straßenfahrzeuge sind. Die bewegen sozusagen die ganze Welt.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass neben einem funktionierenden Binnenmarkt auch ganz wichtig ist, den Blick über den europäischen Tellerrand hinaus zu werfen. Aus meiner Sicht ist daher sehr zu begrüßen, dass sich die Europäi­sche Kommission einerseits zum Ziel gesetzt hat, im heurigen Jahr den Binnenmarkt zu evaluieren, den Zustand des Binnenmarkts zu evaluieren und in einen Dialog über seine Zukunft einzutreten, andererseits aber auch gera­de im Bereich der EU-Handelsstrategie einen großen Schwerpunkt darauf legt, EU-Unternehmen, insbesondere KMUs, zu unterstützen, und im Bereich der Handelsabkommen – das ist, glaube ich, eine ganz wesentliche Forderung Österreichs – einen großen Fokus auf Nachhaltigkeitsaspekte legt, näm­lich europäische Standards sozusagen weltweit zu etablieren.

Um Nachhaltigkeit geht es auch im Bereich der grünen Transformation. Gerade die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es für unseren Wirtschafts­standort ganz essenziell ist, Abhängigkeiten zu minimieren – Rohstoffabhängig­keiten, aber auch Abhängigkeiten von fossiler Energie. Gerade da gibt es österreichische Unternehmen, die weltweit für Furore sorgen. Wir haben es heute schon gehört: die Voest. Ich kann ein kleines Beispiel aus meinem Bezirk nennen, die Shopping-City Süd hat im vergangenen Jahr Europas größte Fotovoltaikanlage auf dem Dach eines Einkaufszentrums errichtet. Ich glaube, das sind Initiativen, die zeigen, in welche Richtung es gehen muss und wie wichtig es ist, dass wir die heimischen Betriebe bei dieser grünen Transformation auch in den kommenden Jahren unterstützen und diese grüne Transformation forcieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wenn man heute mit Unternehmen in Kontakt ist, dann ist neben der Frage der hohen Energiekosten ohne Zweifel das Thema des Mitarbeiter- und Fach­kräftemangels eines der entscheidendsten. Auch da ist es aus meiner Sicht be­sonders erfreulich, dass im Vorhabensbericht europäische Anstrengungen


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im Bereich der Berufsausbildung viel Platz bekommen. Da geht es zum einen da­rum, internationale Vergleichbarkeit herzustellen, da geht es zum anderen vor allem natürlich darum, die hohe Qualität der dualen Berufsausbildung in Ös­terreich zu würdigen. Es geht aber auch darum, Green Skills sozusagen systematisch und sukzessive in die österreichische Lehrberufsentwicklung ein­fließen zu lassen.

Ich war erst kürzlich mit einem Metalltechnikunternehmer aus meinem Bezirk in Kontakt, der mir davon erzählt hat, wie viel sich beispielsweise in dieser Branche bei der Lehre verändert hat und wie stark da die Nachhaltigkeit in den Fokus rückt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich glaube, bei der Lehre erleben wir gerade eine positive Entwicklung, was die Wertschätzung betrifft. Wir sehen in meinem Bezirk einen kontinuierlichen Anstieg, was die Lehrlingszahlen betrifft. Es ist ganz entscheidend, dass wir diese Themen auch weiterhin in den Fokus rücken, gerade auch mit Aus­hängeschildern wie den Euroskills, wie den Worldskills.

Klar ist aus meiner Sicht auch, dass es in Zukunft noch weitere Kraftanstren­gungen braucht, um dem Thema des Arbeitskräftemangels zu begegnen. Aus diesem Aspekt heraus ist, glaube ich, sehr zu begrüßen, dass die Europäische Kommission das Jahr 2023 zu einem Jahr der Kompetenzen erklärt hat, auch damit einen Fokus auf den Bereich der Weiterbildung legen möchte. Ich darf alle zuständigen Kräfte bitten, da weiter gemeinsam ganz aktiv an Lösungen zu arbeiten, national, aber auch auf der europäischen Ebene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man auf erfolgreiche Come­backs blickt, so haben sie aus meiner Sicht immer eines gemeinsam: dass die Grundlagen in der Vorbereitung geschaffen werden. Ich darf also dazu einladen, an dieser Vorbereitung mitzuwirken und daran mitzuwirken, dass wir damit Wohlstand für kommende Generationen sichern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.39



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: In diesem Sinne: Herzlich willkommen zurück im Bundesrat und alles Gute für das Comeback!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Herr Bundesrat, bitte.


21.40.01

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Laut Aussendung der Parlamentskorrespondenz vom 15.2.23 ist Folgendes zum Thema 30 Jahre EU-Binnenmarkt festzuhalten – im Grunde sind unsere Standpunkte allseits bekannt –: Speziell die EU hat zur Energie- und Teuerungs­krise beigetragen und kein Mittel zur Bekämpfung gefunden.

Seit Beginn unserer Mitgliedschaft in der EU sind wir Nettozahler. Argumentiert wird das immer mit dem guten Außenhandel. Eine gemeinsame Wirt­schaftspolitik ist seit Gründung der EU und des Binnenmarktes nicht geglückt. Anstatt gemeinsam wird von jedem Mitgliedstaat nach markwirtschaftli­chen Gesichtspunkten agiert. Der EU-Vorschlag zur Bekämpfung des Fachkräf­temangels lautet zum Beispiel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese müssen erst aufgezeigt werden.

Zurzeit bekommen unsere Industrie- und Gewerbebetriebe genug Arbeiter, aber nur als Leiharbeiter. Für die ungarischen Arbeiter ist Österreich finanziell nicht mehr interessant. Die Mitarbeiter im Bausektor kommen aus immer größe­rer Entfernung, weil die finanziellen Aspekte ausschlaggebend sind. Grund­sätzlich gilt: Wer arbeitet, muss sein Leben besser bewältigen können als ein So­zialhilfebezieher. (Beifall bei der FPÖ.) Wer bei uns in Österreich mehr als die normale Wochenarbeitszeit arbeitet, dem muss es auch möglich sein, ein Haus zu bauen. (Bundesrätin Schumann: Was muss ...? ... Haus bauen?)

Unser duales Ausbildungssystem bei der Lehrlingsausbildung ist sicherlich einzigartig im EU-Raum und soll auch auf die gesamte EU ausgeweitet werden.


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Jeder Lehrling, der eine Ausbildung erfolgreich abschließt, ist ein Fachar­beiter von morgen.

In der Landwirtschaft werden wir nie mit Deutschland, Frankreich oder Holland, Polen und Tschechien konkurrieren können. Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft ist einzigartig und auch ein Fels in der Brandung.

Zu den EU-Sanktionen gegen Russland kann die Meinung, dass die Sanktionen Russland treffen, nicht geteilt werden. Getroffen haben die Sanktionen auf jeden Fall uns Österreicher. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bun­desrätin Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


21.42.43

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende via Livestream! Ich werde mich angesichts der fortgeschrittenen Stunde kurz halten, keine Angst. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Bun­desrat Schreuder – erheitert –: Nein, nein, jetzt wird’s extralang!) – Ja, ja, genau.

Lassen Sie mich aber trotzdem kurz auf einige Punkte des vorliegenden Berichts eingehen! Die schwedische Ratspräsidentschaft hat als Schwerpunkt für ihr Arbeitsprogramm die Energiewende und den grünen Übergang gewählt, denn die Klimakrise, in der wir uns befinden, hat auch eine sehr starke wirtschaft­liche Dimension.

Wir haben es schon gehört, wir befinden uns mitten in einem globalen Wettlauf. Es geht um die grünsten Technologien und die klimafreundlichsten Produk­tionsprozesse. Die USA und China haben uns in den vergangenen Monaten eini­ges vorgelegt und auf diese Vorlagen gilt es entsprechend zu reagieren. Wir müssen und wir können den Klimaschutz zu unserem Wettbewerbsvorteil in


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Europa machen. Die USA fordern uns mit dem größten Klimainvestitions­paket, das dieses Land je gesehen hat, heraus und schaffen damit – wir haben auch das heute schon einmal gehört – eine enorme Sogwirkung auf Unternehmen und auf europäische Expertise. China hat sich in strategisch wichtigen Wertschöpfungsketten eine dominierende Rolle erarbeitet.

Leider erleben wir alle sehr schmerzlich, was einseitige strategische Abhängigkeit heißt, wir haben es aber dennoch in der Hand, dem etwas entgegenzuset­zen. Das wird auch auf Ebene der Europäischen Union zu einem zentralen The­ma in diesem Jahr. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit ihrem Green Deal Industrial Plan einen Schritt in diese Richtung gesetzt. Das ist eine notwendige und wichtige Antwort auf den Inflation Reduction Act aus den USA, um die Produktion strategisch wichtiger Produkte wieder in Europa zu etablieren.

Eine erste Antwort darauf waren auch die Important Projects of Common European Interest, die es Österreich ermöglichen, in strategisch wich­tigen Bereichen – wie beispielsweise beim Thema Wasserstoff, beim Thema Batterien, bei Halbleitern – beihilferechtlich großzügiger zu agieren und damit auch viel in Bewegung zu bringen.

Wirtschaft und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen, das ist unbestritten. Klimaschutz ist ein Wirtschaftsmotor und auch eine große Chance für den europäischen Industriestandort. Unsere Stärke in Europa müssen smarte und effiziente Produkte und Produktionsprozesse sein, die erneuerba­ren Energien und die Zusammenarbeit mit einer Vielfalt an Importpartnern für Energie – statt einseitiger Abhängigkeiten wie in der Vergangenheit. Wir müssen einseitige Abhängigkeiten in der Produktion abbauen. Der Chips Act war ein Schritt in diese Richtung.

Die Unternehmen brauchen Planbarkeit. Entweder wir stellen uns darauf ein und unsere Wirtschaft um oder wir werden von den anderen abgehängt. Das gilt es zu verhindern. Wir müssen alle Weichen stellen, damit es uns gelingt, uns


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da an die Spitze zu stellen. Im gesamten Bereich der Umwelttechnologie und grünen Produktionsprozesse sowie klimafreundlicher Produkte – und das ist auch die gute Nachricht – gibt es eine europäische Domäne. Da sind wir als Technologienanbieter die globalen Marktführer. Das dürfen wir uns auch in Zukunft nicht nehmen lassen.

Das wirtschaftliche Rennen um die Net-Zero Industry hat schon längst gestartet. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Entscheidungen zu treffen – in den Unter­nehmen und auch in der Politik. Auch das geht aus diesem Bericht hervor, das wollte ich heute nicht unerwähnt lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

21.46


21.46.31

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Hand­zeichen. – Da ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.47.00 29. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:


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Mitglieder:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Bundesrätin Margit Göll (Niederösterreich);

von der SPÖ vorgeschlagen: Bundesrat Dr. Manfred Mertel (Kärnten), Bundesrätin Doris Hahn, MEd, MA (Niederösterreich);

von der FPÖ vorgeschlagen: Bundesrat Klemens Kofler (Niederösterreich).

Ersatzmitglieder:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck, MBA (Niederösterreich);

von der FPÖ vorgeschlagen: Bundesrätin Mag.a Isabella Theuermann (Kärnten).

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahlvorschläge durch ein Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Die Wahlvorschläge sind somit angenommen.

21.48.09 30. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“ (370/A-BR/2023)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 411

Wünscht dazu jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 370/A-BR/2023 der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentari­schen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Herausforderungen der Zukunft: Nachdenken über Pflege von morgen und gesundes Altern“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 370/A-BR/2023 ver­weisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.49.40Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letz­ten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen,
4092/J-BR/2023 bis 4099/J-BR/2023, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 371/A(E)-BR der Bundesräte Mag. Elisa­beth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „PRIDEs nicht ohne den Bund – eigenes Budget für die LGBTIQ-Community sicherstellen“, der dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen wird.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 412

Eingelangt ist auch der Entschließungsantrag 372/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnah­menkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberech­tigten der Pensionskassen“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz zugewiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 373/A(E)-BR/2023 der Bun­desräte Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird.

Eingelangt ist außerdem der Entschließungsantrag 374/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zuge­wiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 375/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufhebung der Sperre der ‚Todesstiege‘ in der Gedenkstätte Mauthausen“, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 11. Mai 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bun­desrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll952. Sitzung, 952. Sitzung des Bundesrats vom 14. April 2023 / Seite 413

Die Ausschussvorbereitungen sind für Dienstag, den 9. Mai 2023, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche einen schönen Abend. Kommen Sie gut nach Hause! (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

21.51.48Schluss der Sitzung: 21:51 Uhr

 

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