15.08

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen zu Hause! Um kurz auf meinen Vorredner von der FPÖ zu replizieren: Wir würden uns auch wünschen, dass genau bei dieser Problematik das Thema nicht auf die außerösterreichische Herkunft der Täter:innen reduziert wird, die diesbezüglich anteilsmäßig sogar relativ gering ist – vor allem auch im Vergleich zu den Menschen in Österreich.

Ich würde mir wünschen, dass die FPÖ die Förderung für Frauenhäuser nicht ablehnt, sondern dem in den Bundesländern zustimmt, dass sie im Europa­parlament für das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt stimmt, ich würde mir wünschen, dass sie für das Schusswaffenverbot für Gewalttäter stimmt, und so weiter (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) – aber ich bin erstaunt und froh, dass Sie heute mitstimmen.

90 Prozent der Frauenmorde werden in einem vertrauten Umfeld von einem Ehepartner, einem Partner oder Freund verübt. 60 Prozent der Getöteten lebten mit dem Partner zusammen, und die Tat wird in den eigenen vier Wänden, die eigentlich Schutz bedeuten sollen, verübt.

Wenn ein Mann eine Frau tötet, passiert das nie in einem Vakuum, sondern es passiert immer in einem Umfeld von Stereotypen und alten, gewaltvollen Männerbildern. Das Grundübel sind patriarchale Denk- und Handlungsweisen, die in Verbindung mit weiteren Stressfaktoren in Gewalt an Frauen, in Mordversuchen und schließlich in Mord enden.

Dabei wird die Frau vom Mann als Besitz gesehen und oft auch noch roman­ti­siert; und dagegen heißt es vorzugehen, denn wenn dieses Besitzdenken in extreme Eifersucht und Kontrollmanie mündet, wird es gefährlich. Wird dieser Besitz nämlich brüchig, weil die Partnerin selbstständig sein will oder sich gar trennen will, eskaliert es – genauso wenn die Rolle des starken Mannes, der alles selbst lösen soll, brüchig wird, weil er überfordert ist und vielleicht zusätzlich psychosoziale Hilfe bräuchte, sie aber verweigert. Auch dann eskaliert es allzu oft, dann kommt es zu Gewalt gegen Frauen, die oft in Mord enden kann.

Die Studie, die auch schon erwähnt wurde, listet die zum Tod führende Gewalt auf: schlagen, stechen, würgen, schießen, ersticken, treten, ertränken, ver­brennen, der Freiheit berauben und vergewaltigen – das sind die Tötungsmetho­den an Frauen in den letzten zehn Jahren. Daher müssen wir hier früher tätig werden.

Damit komme ich zu einem wichtigen Punkt: Nicht einmal 20 Prozent – wir haben es von Kollegin Eder-Gitschthaler gehört – der getöteten Frauen haben vor der Tat bei der Polizei Hilfe gesucht, obwohl sie schon lange von Gewalt betroffen sind. Aber über Gewalterfahrung zu sprechen ist immer noch mit Scham besetzt. Wir haben es gehört: Ein Drittel der Frauen ist von Gewalt betroffen. Wer von uns würde sich so leicht tun und darüber reden? Und warum? – Weil Frauen noch immer zu wenig geglaubt wird oder weil ihnen vorgeworfen wird, selber schuld zu sein, sich nicht gegen die Gewalt gewehrt zu haben und den gewalttätigen Mann nicht verlassen zu haben; aber schuld ist der gewaltausübende Täter, nicht die Ermordete. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Wir wissen, viele Frauen können nicht einfach gehen, weil sie finanziell abhängig sind, weil sie sozial isoliert sind und bedroht werden und oft schon so einge­schüchtert wurden, dass sie schlichtweg Angst haben, zu gehen. Und genau das, nämlich der Frau die Schuld an der Gewalt gegen sie zu geben, ist Auswuchs patriarchalen Denkens. Daher ist es wichtig, opferzentriert zu arbeiten. Genau das ist jetzt der verstärkte Fokus der Regierung.

Die Justizministerin hat zum Beispiel nicht lockergelassen und hat gemeinsam mit dem Sozialminister, der Familienministerin und dem Innenminister schon einiges im Opferschutz zuwege gebracht. Zum Beispiel: Das Budget für Mädchen- und Frauenberatungsstellen wurde signifikant erhöht, genauso wie für  Informationskampagnen über Unterstützungsangebote. Bessere Aufklärung, Ausbildung und Sensibilisierung der Richter:innen und der Polizei sind nötig, da noch immer zu oft Aussage gegen Aussage steht und zu wenige Zeug:innen richtig einvernommen werden. Wir erinnern uns: Nur 10 Prozent der Anklagen wegen Gewaltdelikten an Frauen enden mit einem Urteil. Das darf einfach nicht sein.

Daher wurden 700 zusätzliche speziell dafür ausgebildete Polizist:innen eingesetzt, um als sensibilisierte Erstansprechpersonen auf den Polizeistationen für die Frauen da zu sein, nämlich um ihnen Schutz, Raum und Zeit zu vermitteln, damit sie gut und ausführlich aussagen können, und um sie über die Unter­stüt­zung von Opferschutzeinrichtungen aufzuklären. Das ist so wichtig, um Beweise rasch und umfassend zu sichern.

Das alles braucht es, damit eben nicht mehr 90 Prozent der Strafverfahren bei Gewaltdelikten an Frauen wegen mangels an Beweisen eingestellt werden müssen, denn je mehr gut ermittelte Verfahren und Urteile es gibt, desto mehr stärkt das die Prävention und desto weniger Gewalttaten und Morde wird es geben.

Genauso hat die Justizministerin gerade angekündigt, Gewaltambulanzen einzurichten. Diese sind besonders wichtig, um Verletzungen möglichst niederschwellig zu dokumentieren, um sie in einem späteren Verfahren wiederum als Beweis verwenden zu können. Auch Fallkonferenzen – damals von Innenminister Kickl abgeschafft – finden wieder statt. Diese sind im Zusam­menhang mit der Vermeidung weiterer Gewalt wichtig und sie werden nun verstärkt eingesetzt.

Auch der Sozialminister hat Schritte gesetzt, indem zum Beispiel das Zivilcourageprojekt Stop – Stadtteile ohne Partnergewalt gefördert wurde. Das ist ein Nachbarschaftsprojekt, das hilft, Gewalt zu erkennen und Hilfe anzubieten. Auch das fördert Zeugenschaft und kann Gewalt verhindern. Ich würde mich freuen – hier schaue ich zur SPÖ –, wenn es auch in allen Wiener Gemeindebezirken umgesetzt werden würde. (Bundesrätin Schumann: Geh!)

Und ja, es braucht permanente Kampagnen, die Männer adressieren und auf Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten hinweisen. Auch das ist schon passiert und wird weiter verfolgt.

Heute beschließen wir die 12 Millionen Euro Zweckzuschuss für die Länder für die nächsten vier Jahre. Mit diesen sollen – wir haben es gehört – betreute Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder in Schutzwohnungen zur Verfügung gestellt werden, und darüber hinaus – und das ist ein wichtiger Punkt – sollen zusätzliche 22 000 Stunden für Beratung und Betreuung pro Jahr finanziert werden. Das ist wichtig. Das ist extrem wichtig, denn Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind, haben oft nicht die Möglichkeit oder die Kraft, aus dieser Gewaltspirale in den eigenen vier Wänden auszusteigen.

Da sind die Sensibilisierung von Polizei und Gerichten, wie ich es gesagt habe, sowie die Hilfe durch die Opferschutzeinrichtungen und diese Schutzwoh­nungen in den Frauenhäusern oder auch woanders so wichtig. Ich möchte hier unserer Präsidentin Arpa danken, die nämlich – ich habe das gestern erfahren – ein Frauenhaus leitet. Bitte diesen Dank auch allen anderen, die diese Frauenhäuser leiten, ausrichten! Vielen Dank für diese wichtige Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Sie ist nämlich deswegen so wichtig, weil sie den Frauen Sicherheit gibt, weil sie sie über ihre Rechte und Möglichkeiten aufklärt, und vor allem, weil sie ihnen Zeit zum Durchatmen gibt. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn die Frauen bekommen dort auch ein wenig mehr Zuversicht – Zuversicht, dass sie es schaffen können, aus der Gewaltspirale auszusteigen, und Kraft, ein selbst­bestimmtes Leben ohne Gewalt beginnen zu können.

Und ja, Frau Kollegin Grossmann, da braucht es mehr leistbaren Wohnraum – das sehen wir auch so –, damit sie nicht zum gewaltbereiten Mann zurückkehren müssen.

Aber der Auftrag, den wir alle hier mitnehmen können, ist, die männlichen Rollenbilder, die Gewalt fördern, aufzubrechen und andere Männlichkeitsbilder in die Köpfe der Menschen zu setzen (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) und sie auch erstrebenswert zu machen, denn wir brauchen keine vermeintlich starken Männer. Wir brauchen Männer, die mitfühlen und sich einfühlen können, die sich kindlich freuen, aber auch verzweifelt weinen können, die über Gefühle und Probleme reden, die, wenn sie überfordert sind, Hilfe suchen und die sich sorgen können. (Bundesrat Spanring: Das ist genau das Klientel, das ihr reinholt! Genau die Leute, die ihr reinholt!) Wir brauchen hier keine vermeintliche Normalität, sondern wir brauchen raschen Fortschritt in der Gleichberechtigung und im Hinter-uns-Lassen von gefährlichen Männerbildern. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Träumer!)

15.17

Vizepräsidentin Margit Göll: Sehr herzlich darf ich Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich unsere Präsidentin Mag. Claudia Arpa. – Bitte.