20.20

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Heute haben wir in der Öffentlichkeit ein gutes Bild abgegeben, da bin ich sicher. (Heiterkeit des Redners.) In Anbetracht der Debatte bin ich ganz froh, dass für den einen oder anderen eine Sommerpause kommt, und ich hoffe, wir werden dann im Herbst vielleicht gemeinsam ein anderes Bild abgeben können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Dessen ungeachtet lassen Sie mich bitte eine Sache schon dazusagen: Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass wir hier in diesem Haus lange Debatten führen, intensive Debatten führen. Wenn man allerdings zweieinhalb Stunden nicht inhaltlich debattiert, dann sehe ich das sogar ein bisschen strenger als Kollege Steiner, denn das macht für mich nicht allzu viel Sinn.

Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn eine Kollegin vor Kurzem ein Kind bekommen hat und sie deswegen heute nicht hier ist, wirklich vollstes Verständ­nis. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist, dass ein anderer Kollege heute hier nicht anwesend gewesen ist, weil er auf Kur war. Den Kuraufenthalt kann man nämlich timen, den muss man nicht parallel zu einer Sitzung legen. Dieser Kuraufenthalt hat uns heute zweieinhalb Stunden des Lebens genommen, die wir nie wieder zurückbekommen werden; nicht nur uns, nicht nur mir – ich werde ihm wurscht sein –, sondern auch den Kolleg:innen von den Regierungs­parteien und von den anderen Oppositionsparteien, Zeit des Ministers und auch Zeit von Personen, die heute hier arbeiten müssen. Das ist unkollegial und das sollte man in der Zukunft anders handhaben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Herr Minister, ich will noch zum Tagesordnungspunkt konkret etwas sagen, werde es aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit abkürzen. Da sind viele Punkte drinnen, die wir als Sozialdemokratie gut finden, die in die richtige Richtung gehen, die wir mitunter auch gefordert haben. Ich werde mich des­wegen vor allem auch darauf fokussieren, warum wir jetzt dennoch nicht zustimmen können. Das ist insbesondere der Bereich der Scheinselbst­stän­digkeit, der mit diesem Gesetz nicht nur nicht verbessert, sondern in unseren Augen sogar ein wenig verschlechtert wird.

Wovon rede ich? – Schätzungsweise arbeiten 70 000 Menschen als Beschäftigte in der Pflege, davon formal gesehen ein Großteil als Selbstständige. Diese Personen werden oft aus dem Ausland mit dem Versprechen von guten Arbeits­bedingungen, von guter Bezahlung angeworben. Dann kommen sie her und werden als Selbstständige dargestellt, obwohl sie völlig unbestritten, wenn man es sich genauer anschaut, in extremer persönlicher Abhängigkeit arbeiten und damit nach österreichischem Arbeitsrecht ganz klar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wären. Trotzdem wird versucht, sie formal in die Selbstständigkeit zu führen. Das bedeutet für diese Personen, dass für sie das Arbeitsrecht nicht zur Anwendung kommt: Es gibt keine Höchstarbeitszeitgrenzen, keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne, kein Schutzniveau. Das gibt es für diese Personen nicht.

Bislang waren die Bestimmungen so, dass die Pfleger:innen für 14 Tage 24 Stunden eine Person betreuen müssen. Stellen Sie sich das einmal vor: 14 Tage lang 24-Stunden-Betreuung! Das soll jetzt noch ausgeweitet werden: 24 Stunden für 14 Tage nicht nur für eine Person, sondern in Zukunft auch für drei Personen gleichzeitig. Dabei müssen diese Personen nicht einmal mehr miteinander verwandt sein, das können irgendwelche drei Personen sein, die zusammenleben.

Wir glauben, das überfordert die Leute weiter, das führt zu einer Verschlech­te­rung der Arbeitsbedingungen dieses Personals. Herr Minister, wenn Sie da jetzt kontern und sagen würden: Ja, aber die Sozialdemokratie hat es in der Vergan­genheit auch nicht geschafft, dieses Systems Herr zu werden! – das könnten Sie ja sagen (Bundesrat Kornhäusl: Muss er sagen!) –, dann kann ich Ihnen sagen: Ja, das haben wir tatsächlich auch nicht geschafft, die Scheinselbstständigkeit in diesem Bereich in den Griff zu bekommen, da sind wir innerhalb der Koalitionen mit der ÖVP gescheitert, das auf den Pfad zu bringen, wir wurden aber dafür von den Grünen immer kritisiert. Jedes Mal wurden wir von den Grünen dafür kritisiert, und das bekommen Sie halt jetzt zurück. Sie haben es auch nicht geschafft, ganz im Gegenteil, Sie verschlechtern sogar noch die Situation dieser Personen, die zu den vulnerabelsten gehören, die keine Lobby haben, die Migrationshintergrund haben, auf die niemand schaut – und jetzt hauen Sie ihnen noch einmal eins drauf.

Das ist die falsche Richtung, in die es geht, und deswegen können wir diesem Gesetz auch nicht zustimmen. Und die dringende Bitte an Sie, aber auch an den Arbeitsminister, vor allem an den Arbeitsminister, ist: Es gibt Probleme am österreichischen Arbeitsmarkt, es gibt Scheinselbstständigkeit, sie grassiert massiv in diesem Bereich, und wir haben es noch immer nicht geschafft, das in den Griff zu bekommen. Das muss die Regierung machen, zumal es in Ihrem Regierungsprogramm drinsteht: Qualitätssicherung der 24 -Stunden-Betreuung. Ja ist das denn eine Qualitätssicherung, wenn wir ihnen mehr Arbeit aufbürden, wenn wir aus einer 24-Stunden-Betreuung für 14 Tage für eine Person eine für drei Personen machen? – Ich glaube nicht, dass die Qualität dadurch besser wird, ganz im Gegenteil. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.