9.30

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus und auch vor den Bildschirmen! Auch wenn meine Vorrednerinnen wortreich die vermeintlichen Wohltaten der Bundesregierung geschildert haben, bei den Frauen scheinen sie noch nicht angekommen zu sein, denn die Zahl an Gewalt­handlungen steigt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, aber da können wir nichts dafür! – Ruf bei der ÖVP: Systemfehler!)

Die Gewalthandlungen nehmen zu – das zeigen uns die Zahlen an Betretungs- und Annäherungsverboten, das zeigen uns aber auch Schilderungen aus Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten. Ich hatte letztes Wochenende die Gelegenheit, mit einigen Polizisten aus meinem Heimatbezirk Voitsberg und auch aus dem Murtal zu reden, und diese haben mir geschildert, dass die Aggressionen zunehmen – oft in einer Gemengelage aus finanziellem Druck, Alkoholeinfluss, patriarchalen Machtstrukturen und Einstellungen in den Familien; all das ist ein Klima, das Gewalthandlungen begünstigt – und dadurch natürlich auch die Einsätze.

Sie haben recht: Es sind viele gefordert, nicht nur die Frau Ministerin. Das ist ein genereller Auftrag für die Gesellschaft und für die Politik. Es ist eine Quer­schnittsmaterie, wir haben hier auch eine koordinierende Kompetenz festgemacht, nämlich - - (Bundesrat Steiner: Wer Migration zulässt! Wer Migration zulässt!) – Gestern waren Sie noch so heiser, heute erschallt Ihre Stimme schon wieder. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundes­rätinnen Huber und Jagl.  Bundesrat Steiner: Geht schon wieder!) – Schonen Sie Ihre Stimme und heben Sie sie für konstruktive Redebeiträge auf! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Ich glaube, dieses Thema ist nicht geeignet, um zu polemisieren, Herr Kollege (Bundesrat Steiner: Das ist eine Tatsache!), denn es geht dabei wirklich um eine gemeinsame Kraftanstren­gung aller gesellschaftlichen Kräfte gegen Gewalt. Dabei sind wirklich alle gefordert. (Bundesrat Spanring: Aber ihr seid am linken Auge blind ...!)

Was ich ausführen wollte, ist, dass wir eine koordinierende Kompetenz haben, und zwar im Bundeskanzleramt in Person von Frau Bundesministerin Raab. Deshalb wäre es auch angebracht, dass nicht immer nur Sie, Frau Ministerin Zadić, hier zu diesem Thema Stellung nehmen müssen – Sie machen das auch mit großem Engagement –, sondern dass auch Ministerin Raab, die ja die koordinierende Kompetenz hat, zu diesem Thema stärker Stellung nimmt und auch stärker Aktivitäten setzt. Ich werde dazu auch noch einen Entschließungsantrag einbringen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es wurde schon gesagt: Gewalt hat viele Gesichter. Sie reicht von psychischer Gewalt in Social Media über Kontrollsucht bis zu Machtausübung in Part­nerschaften; es wurde auch schon angesprochen, dass die finanziellen Ressourcen und das Handy kontrolliert werden. All das sind Erscheinungsformen von Machtausübung, von Gewalt. Die schrecklichste Ausformung von Gewalt ist der Mord – und auch die Zahl der Morde nimmt zu. Bei Frauenmorden ist Österreich leider trauriger Spitzenreiter – das müssen wir hier im Hohen Haus sehr oft thematisieren –, das ist die traurige Realität, da dürfen wir nicht länger wegsehen.

Es geschieht viel zu wenig dagegen. Ja, es passiert da und dort einiges, das ist zu begrüßen und anzuerkennen. Nicht nur wir als politische Fraktion stellen aber fest, dass viel zu wenig geschieht, sondern auch der Rechnungshof hat in einem sehr ausführlichen Bericht am 25.8. des heurigen Jahres mitgeteilt und bestätigt, dass es „in Österreich keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ gibt. Das ist nicht die erste objek­tive Kritik, die an der Gewaltschutzpolitik der Bundesregierung geäußert wird, denn auch der Budgetdienst hat schon im Jahr 2022 Intransparenz bezüglich der Gelder im Gewaltschutz attestiert. Dadurch können zielgerichtete Maßnahmen schwer festgestellt werden – und das in Anbetracht der Ausgangslage, dass Österreich in Bezug auf Gewalthandlungen gegen Frauen, hinsichtlich der Frauen­morde im traurigen Spitzenfeld liegt.

All dies ist der Fall, obwohl Österreich viele Jahre lang im Bereich des Gewaltschutzes als Vorbildland galt. Wir waren die Ersten, die die Möglichkeit des Betretungs- und Annäherungsverbots eingeführt haben – damals hat es noch Wegweisung geheißen –; wir waren die Ersten, die Gewaltschutzzentren eingeführt haben und weiträumig – auch in den Regionen – Beratungsstellen eingerichtet haben. Das Engagement in vergangenen Jahren, weit zurück­liegenden Jahren war vor allem bei sozialdemokratischen Frauenministerinnen unglaublich groß. Die letzte, die einen breit angelegten Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz vorgelegt hat, war die ehemalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Seither gibt es offensichtlich keine gesamtheitliche, ganzheitliche nationale Strategie. (Bundesrat Schreuder: Es sind jetzt vier Ministerien beteiligt!) Die Mängelliste ist sehr lang. Die versprochenen Gewaltschutzambulanzen fehlen flächendeckend – diese wären aber nötig, damit Verletzungen auch dokumentiert werden können. Kollegin Kittl hat es schon angesprochen: Die Beweislage, die Beweisführung ist die größte Hürde, um letztendlich zu einer Anklage und zu einer Verurteilung zu kommen. Es gibt nur sehr wenige Anzeigen, die letztendlich auch in einer Verurteilung münden – nicht, weil keine Gewalthandlung stattgefunden hat, sondern eben aus Mangel an Beweisen, die Gewalthandlung konnte einfach nach einer längeren Zeit nicht mehr nachgewiesen werden.

Kritik wird auch in Bezug auf die Gefährdungseinschätzung geäußert. Dahin gehend besteht auch Verbesserungspotenzial bei der Fortbildung von Richte­rin­nen und Richtern. Richter:innen müssen jetzt zwar Praktika bei Gewalt­schutzeinrichtungen absolvieren, aber ältere Richter und Richterinnen haben diese Erfahrung nicht gemacht und konnten sich nicht aus erster Hand informieren. Auch da ist also Nachholbedarf gegeben. Einheitliche Kriterien für die Beurteilung von Hochrisikofällen und für Fallkonferenzen fehlen, ebenso fehlt ein strukturierter Ablauf – auch das wird in diesem Rechnungshofbericht kritisiert. Es ist da also noch sehr viel Handlungsbedarf gegeben.

Es wird durchaus einiges im Bereich des Gewaltschutzes unternommen, aber regional und fragmentarisch: in den Ländern, teilweise in den Gemeinden. All das ist wirklich sehr hoch einzuschätzen. Das Beispiel: Ist Luisa hier?, in Salzburg, das Kollegin Eder-Gitschthaler genannt hat, ist durchaus nachahmenswert und empfehlenswert. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja!) In der Steiermark haben wir einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für Gewaltopfer; das sollte auch ausgerollt werden. In Wien gibt es sehr praxisorientierte Tools für Exekutiv­beamtinnen und -beamte hinsichtlich der Einschätzung des Gefährdungs­potenzials. Es ist natürlich insbesondere auch für Exekutivbeamtinnen und -beamte vor Ort eine unglaubliche Herausforderung, in der Akutsituation die Lage treff­sicher einschätzen zu können, und dafür gibt es in Wien ein Tool.

All das sind aber sehr fragmentarische Dinge, es gibt keine Gesamtstrategie. Genau diese Beispiele wären es wert, österreichweit ausgerollt zu werden, damit es eben nicht nur vom Glück abhängig ist, ob man im Unglücksfall an einem Ort wohnt, wo halt etwas getan wird. Das muss in Österreich flächen­deckend gewährleistet sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb braucht es so eine gesamtheitliche Strategie, und dazu fordere ich die Bundesregierung in einem Selbständigen Antrag auch auf:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt vorlegen – Kritik des Rech­nungshofes ernst nehmen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, die Kritik des Rechnungshofes in seinem Prüfbericht vom 25. August 2023 ‚Gewalt- und Opferschutz für Frauen‘ ernst zu nehmen, die Empfehlungen umge­hend umzusetzen und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat einen Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt vorzulegen.“

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Bitte nehmen Sie das ernst! Es ist höchste Zeit, es geht um Menschenleben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.40

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses.