9.51

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich zu Beginn für die Wahl des so wichtigen Themas bedanken. (Bundesrat Steiner: Machen eh Sie selber!) Gewalt gegen Frauen ist in Österreich nach wie vor traurige Realität und betrifft Frauen und Mädchen, unabhängig von sozialer Schicht, von Alter, von Religion, von Herkunft. Hinter jeder dritten Tür in Österreich lebt eine Frau, die psychische, physische oder sexuelle Gewalt erfährt.

Wir zählen heuer den 16. Femizid. Femizid bedeutet, dass das nicht nur einfach ein Mord an einer Frau ist, sondern es ist ein Mord an einer Frau, weil sie eben eine Frau ist, und genau das muss aufhören. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Genau deswegen beschäftigen wir uns auch so mit dem Thema Gewalt gegen Frauen: weil wir alles unternehmen müssen, um diese schreckliche Gewaltspirale, die dann letzten Endes in einem Femizid endet, zu unterbrechen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

An all Ihren Redebeiträgen kann man erkennen, wie wichtig Ihnen allen dieses Thema ist, mit unterschiedlichen Aspekten und Nuancen. Ihnen ist das Thema wichtig, den Mitgliedern des Nationalrates und auch uns als Bundesregierung ist es wichtig. Deswegen haben wir in den letzten Jahren alles unternommen, um an den vielen, vielen kleinen Schrauben zu drehen, an denen man drehen muss, damit wir endlich diese Gewaltspirale unterbrechen.

Ich kann mich noch erinnern, im Mai 2021 war ich auch im Bundesrat und durfte zum Thema Gewalt sprechen. Auch damals, im Mai 2021, gab es eine erschreckend hohe Anzahl an Femiziden, und ich habe Ihnen damals eines ver­sprochen: Ich habe versprochen, dass dieses Thema nicht in Vergessenheit geraten wird, denn was passiert in der Regel? – Sehr oft, wenn ein Femizid geschieht, geht ein Aufschrei durch die Medien, die Politik verspricht Verbesserungen, nimmt sich des Problems an, aber bald darauf kommt dann ein anderes Ereignis und das Thema gerät in Vergessenheit.

Ich habe damals versprochen: Das werden wir nicht tun. Wir als Bundes­regier­ung werden an diesem Thema dranbleiben, werden uns jeden Tag damit auseinandersetzen, damit wir am Ende der Legislaturperiode mit einem guten Gewissen sagen können: Ja, wir haben alles unternommen, was es braucht, um endlich diese Gewalt einzudämmen. Das ist nicht einfach. Ich habe immer wieder betont: Es braucht ein Drehen an vielen, vielen, vielen Schrauben, auf allen unterschiedlichen Ebenen, um diese Gewalt einzudämmen.

Damals habe ich Ihnen gesagt, dass ich es essenziell finde, dass Opferschutz­einrichtungen, die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft in einem regen Austausch miteinander sind, weil es nicht sein kann, dass wir in den Medien immer wieder lesen, dass die essenziellen Informationen nicht an die Opferschutzeinrichtung geflossen sind oder – umgekehrt – die Informationen der Opferschutzeinrichtung bei der Polizei kein Gehör gefunden haben.

Genau deswegen haben wir im Justizministerium jetzt einmal im Jahr einen strukturierten Dialog abseits der Fallkonferenzen, zu dem alle Opfer­schutzeinrichtungen kommen, zu dem auch Einrichtungen kommen, die mit Tätern arbeiten, bei dem die Polizei am Tisch sitzt, bei dem die Staats­anwaltschaft am Tisch sitzt, damit wir gemeinsam überlegen können, welche Lehren wir aus dem Jahr ziehen können und was wir tun müssen, damit es im nächsten Jahr besser läuft. Genau vor zwei Wochen hat ein dritter solcher Erfahrungsaustausch im Justizministerium stattgefunden, und ich höre von allen Seiten, dass das sehr wichtig ist und dass dieser Austausch dringend und notwendig ist.

Wichtig ist, dass Frauen, die Gewalt erfahren, nicht alleingelassen werden, dass diese Frauen wissen, dass sie sich an Opferschutzorganisationen wenden können, dass es Frauenschutzeinrichtungen gibt, die sie unterstützen, und dass sie auch ausreichend Unterstützungsangebot bekommen. Genau deswegen haben wir die psychosoziale und die juristische Prozessbegleitung, die das Justizministerium zur Verfügung stellt, ausgebaut. Wir haben sie ausgebaut, damit wir früh ansetzen, damit wir ansetzen, wenn Hass, Hetze und Gewalt in den sozialen Medien passieren, damit man bereits da psychosoziale und juristische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen kann, denn es fängt nicht mit dem Femizid an, sondern es fängt viel früher an: Es fängt mit Beschimpfungen an, es fängt mit Gewalt und Hetze in den sozialen Medien an, es fängt mit einer Watsche an und endet dann mit einem Femizid. Genau da müssen wir möglichst früh ansetzen und präventiv wirken.

Wir haben noch eine Sache gemacht, die ich für entscheidend halte: Antige­walttrainings können jetzt nicht nur bei Verurteilungen, sondern auch bei einer Wegweisung verordnet werden. Die Polizei kann bei einer Wegweisung gleich ein Antigewalttraining verordnen – auch das wirkt präventiv. Die Richterinnen und Richter können bei einer einstweiligen Verfügung ein Antigewalttraining anordnen – auch das wirkt präventiv. Das Frauenbudget wurde seit dem Antritt dieser Bundesregierung verdoppelt – auch das wirkt präventiv, weil viel von diesem Budget auch in Frauenschutzorganisationen und in den Gewaltschutz geht.

Wir haben auf Empfehlung der Istanbulkonvention Gewalt im sozialen Nahraum – das klingt jetzt technisch, aber es ist nicht technisch, weil es relevant ist – endlich für die Staatsanwaltschaft und die Richter:innen definiert. Wenn wir es definiert haben, dann können wir die Fälle auch zuordnen, und dann heißt das, dass wir immer wieder auf diese Fälle schauen, daraus strukturell Lehren ziehen und uns tatsächlich auch überlegen können: Was ist in den letzten Fällen schiefgelaufen und was können wir besser machen? Dafür braucht es diese Definition: damit wir Daten sammeln können und anhand dieser Daten evidenzbasiert die richtigen Maßnahmen und Ableitungen treffen können.

Ein Punkt ist mir besonders wichtig, denn als ich ins Amt gekommen bin, habe ich die Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaft gefragt: Was ist die eine Maßnahme, die wir umsetzen können, damit wir endlich diese viel zu niedrige Verurteilungsquote erhöhen? Es wurde schon in den Reden vor meiner gesagt: Sie liegt bei ungefähr 7 bis 8 Prozent. Das ist eine viel zu niedrige Verurteilungsquote für Gewalt im sozialen Nahraum.

Die Rückmeldung war: Wir brauchen Gewaltambulanzen, denn die Gewaltam­bulanzen können sicherstellen, dass die Beweise tatsächlich gerichtsfest gemacht werden. Jetzt klingt das so technisch, aber was bedeutet das? – Das bedeutet, dass es, wenn eine Frau, die von Gewalt betroffen ist, in ein Krankenhaus kommt, ein mobiles Team gibt, das alle ihre Verletzungen auch gerichtsfest macht und gerichtsfest speichert, damit diese Informationen dann später bei einem Verfahren verwendet werden können, denn das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es zu einem Verfahren kommt und es dann keine Beweise gibt. Es steht Aussage gegen Aussage, und es wird zugunsten des Angeklagten entschieden.

Genau deswegen braucht es die Gewaltambulanzen, genau deswegen war ich die letzten Jahre so dahinter, dass wir das machen. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die uns eine Empfehlung gegeben hat, wie so etwas ausschauen kann, auch angelehnt an andere europäische Länder. Wir haben alle vier Ministerien – das Frauenministerium, das Innenministerium, das Gesundheits­minis­terium und das Justizministerium – on board, alle sind dahinter, dass wir das endlich umsetzen, denn ja, es wurde schon lange, lange, lange gefor­dert, und wir setzen es jetzt endlich um. Ich glaube, dass das ein richtiger und wichtiger Schritt ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ich kann Ihnen versprechen, dass wir das heuer präsentieren werden.

Ein Thema, das heute genannt worden ist und das ich noch kurz ansprechen möchte, ist der Kinderschutz. Kein Kind darf Opfer werden – ich glaube, da sind wir uns alle einig. Und ja, wir haben, insbesondere wenn es um Missbrauchs­darstellungen von Kindern geht – früher hat das Kinderpornografie geheißen, wir haben das jetzt geändert, weil Kinderpornografie verharmlosend ist; kein Kind hat zugestimmt, so abgelichtet zu werden –, die Strafen erhöht. Wir haben die Strafen verdoppelt, zum Teil verdreifacht – für den Besitz von Miss­brauchsmaterial, aber auch für die Herstellung von Missbrauchsmaterial –, weil es wichtig ist, dass das Unrecht der Tat in der Strafe widergespiegelt wird.

Wir haben aber noch etwas gemacht, denn wenn die Justiz erst zum Zug kommt, wenn es Strafen gibt, dann ist das viel zu spät. Das Wichtigste ist, dass vorher etwas passiert, und genau deswegen braucht es Prävention, deswegen braucht es ordentlichen Kinderschutz. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Deswegen braucht es verpflichtende Kinderschutzkonzepte in Schulen, und es braucht Kinderschutzkonzepte bei allen Vereinen, die mit Kindern arbeiten. Genau das haben wir als Bundesregierung gemacht, weil kein Kind Opfer wer­den darf. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.01

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilneh­mer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.