10.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschaue­rinnen und Zuschauer! Ich bin nun der erste Mann, der zu diesem Thema spricht, und das finde ich im Grunde genommen bedauerlich, weil Gewalt und vor allem Gewalt gegen Frauen sehr gerne als Frauenthema dargestellt wird, es aber vielmehr ein Männerthema ist. Eigentlich müssten Männer allen voran ganz intensiv darüber sprechen, wie Gewaltstrukturen entstehen, welche Strukturen im Hintergrund von Gewalt stehen, wie Gewalt überhaupt in dieser Form so hervortreten kann und wie das auch kulturell-historisch so gewachsen ist.

Diesbezüglich ist es schon sehr auffällig, dass seitens der Freiheitlichen Partei – auch wenn die Rednerin eine Frau war – über Einzelthemen oder Einzelfälle gesprochen wird. Gut, die Freiheitliche Partei ist die Partei der Einzelfälle, wir kennen das, und man kann zu Recht auch über diese Einzelfälle sprechen – das möchte ich jetzt gar nicht hintanstellen –, aber es wird dabei kein Wort über die Strukturen, die hinter Gewalt stehen, und darüber, wie man diese durch­brechen kann und wie die Politik das angehen muss, verloren – kein Wort, keine Lösung, nichts. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Leinfellner und Steiner.)

Ganz kurz auch zur Rede von Frau Kollegin Grossmann: Ich weiß, es ist immer ein bisschen paradox: Wenn Gewalt und insbesondere in diesem Fall Gewalt gegen Frauen verstärkt Thema der Öffentlichkeit und zu Recht der Politik wird, steigen die Zahlen. Ich habe mir das gerade noch einmal angeschaut, es ist interessant: Es gibt weltweite Vergleiche, wo es die meiste Gewalt gegen Frauen gibt, und es führen sehr oft Länder wie Schweden oder Dänemark – dies nicht, weil es dort tatsächlich mehr Gewalt gibt, sondern weil Frauen ermächtigt werden, sich gegen Gewalt zu wehren. Ziel muss es sein, dass die Zahlen zurück­gehen, überhaupt keine Frage, aber das Ziel kann man nicht erreichen, indem diese Fälle überhaupt nicht mehr angezeigt werden oder sich Frauen nicht trauen, irgendwohin zu gehen. Wir müssen sie ermächtigen, irgendwohin zu gehen.

Das heißt, der Anstieg der Zahlen ist bedauerlich, ist schrecklich, das will ich nicht schönreden, es zeigt aber auch, dass Frauen sich immer mehr trauen, sich zu wehren, und das halte ich für ganz, ganz wichtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Thema, dass es keine Gesamtstrategie gibt: Ich glaube, die Leidenschaft und auch das Engagement der Frau Ministerin haben Sie gerade bei ihrer Rede gehört. Es sind vier Ministerien beteiligt. Wir als Länder und Gemein­den sind genauso gefordert, aktiv teilzunehmen, und das würde ich sehr wohl Strategie nennen.

Ich selbst bin jemand, der ganz gerne – viele von Ihnen wissen es – ins Theater und in die Oper geht, und es fällt mir immer wieder auf, dass es noch im 19. Jahrhundert, auch in den Opern, geradezu eine Selbstverständlichkeit ist: Ein Mann verliebt sich in eine Frau, diese Frau will nicht mit diesem Mann, sondern mit einem anderen zusammen sein, am Ende bringt der Mann die Frau um – „Carmen“ oder so.

Wir sehen, mit welcher tragischen Logik und mit welcher kulturellen Verwur­zelung wir auch da mit diesem Thema zu tun haben. Da geht es nicht um aktuelle Fälle, um das, womit wir jetzt zu tun haben, sondern das ist eine historisch gewachsene, strukturelle Frage, die wir anzugehen haben. Da geht es allen voran um uns Männer, darum, wie wir Männer uns in der Gesellschaft definieren, welche Rollenvorbilder wir haben und wie wir Liebe definieren, wie wir Frauen wahrnehmen. Da gibt es noch so viel zu tun, auch historisch, um diese Gewaltspirale zu durchbrechen.

Diese vielen Maßnahmen – ich will sie gar nicht wiederholen, weil sie genannt wurden – mit den Gewaltambulanzen, mit den Möglichkeiten von Polizei, von Richterinnen und Richtern: Das ist alles unglaublich wichtig, dass wir das gemacht haben.

Das Thema kann die Politik alleine nicht – und das sage ich unter Anführungs­zeichen – „lösen“. Dieses Thema ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da braucht es die Schulen, die Familien, die Gemeinden, die kleinsten Communities, egal welcher Herkunft, egal welcher sexuellen Orientierung – wir haben alle dieses Thema, es liegt am Tisch: Gewalt ist nie eine Lösung.

Am Ende des Tages müssen wir in der Politik uns nicht nur die Frage stellen: Wie bestrafen wir Gewalt? – das ist sicher auch Thema, besonders für eine Justizministerin –, sondern am Wichtigsten ist die verhinderte Tat, und das steht im Zentrum. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.07

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte schön.